Sella Curulis des Praetor Urbanus

  • Ich hatte *ein* Gespräch mit dem Prätor. Keine drei. Vielleicht nicht nur einmal, dass ich dabei meinen Mund aufgemacht hatte. Aber es war ein Gespräch. Ein einziges. Ein längeres. Aber ein einziges. Drum kümmerte ich mich nicht weiter um den Muskelmann. Und seine komische Zählung. Die den Prätor nur immer verdächtiger werden ließ. (Warum zum Pluto? Warum zum Pluto nicht einfach eine schriftliche Begründung? Wenn die eine, die der Prätor mir gegeben hatte, so gut war? Und richtig war? Warum dann nicht nochmal 1:1 diese Begründung aufschrieben lassen und mir mitgeben? Wo war das Problem? Wovor die große Angst? Wenn die Begründung doch so wasserdicht war..?)


    Es hatte ja schon Prätoren gegeben. In deren Amtszeit wurden sogar Verwandte angezeigt. Und die waren so frei von jedem Zweifel. So integer. Die setzten sogar dafür eine erste Anhörung an. Frei von jedem Verdacht der Vetternwirtschaft. Früher. Heute? War ich mir da irgendwie nicht mehr so sicher. Ob die Justiz da wirklich noch so neutral arbeitete. Aber ich hatt ja noch meinen Besuch beim Claudianus aufm Plan .. später. Mal sehen. Ob der Prätor von heute auch so frei von jedem Verdacht war. Kein persönliches Interesse hatte, einen Prozess gegen Flavius Scato zu verhindern.


    Vorher. Wurde ich aber erstmal daran gehindert einen Brief für den Prätor abzugeben. Wow. Ohne dass ich gesagt hatte, worums überhaupt ging. (Wozu auch? Stand ja im Brief.) Ohne dass überhaupt einer einen Blick auf die Wachstafel geworfen hatte. Wow. Was für eine Justiz. Oh Zeiten, oh Sitten!


    "Kann ich das dann vielleicht schriftlich bekommen? Dass sich der Prätor weigert, die Anzeige eines römischen Bürgers entgegenzunehmen? Eine Anzeige, die er nicht mal gelesen hat?"


    Ich schüttelte den Kopf. Entsetzt. Dann winkte ich ab. Als wenn ich jetzt plötzlich ein paar schriftliche Zeilen bekommen würde. Ja genau. War genauso wahrscheinlich wie dass Jupiter immer treu war. Oder Juno nie eifersüchtig.


    "Oder ists besser, wenn ich morgen .. oder übermorgen .. oder in fünf Tagen .. einfach einen Bote schicke? Den hier keiner mit mir in Verbindung bringt? Und der dann stellvertretend für mich meinen Brief abgibt?"


    Ich arbeitete beim Cursus Publicus. Da kannte ich genug Boten. Und wusste, dass die auch problemlos Anzeigen an den Prätor zustellten. War mir sogar fast die 10 Sesterzen wert. Einfach damits dann auch in den Versandlisten stand. Als zusätzlicher Beweis. Dass mein Brief wirklich auch beim Prätor angekommen war.

  • Marco verschränkte wieder die Arme vor der Brust und sah den Artorier mitleidig an.
    "Nicht, dass meine Meinung hier irgendwen interessiert." Das war ihm durchaus klar. "Aber wenn du mich fragst, wird dein Fall nicht nochmal aufgerollt, ganz egal, wer ihn nochmals vorstellt und ob er in mündlicher, schriftlicher oder geruchlicher Variante in die Basilica schwebt. In deinem Fall gab es sogar die Abweisung der Klage in zweifacher Ausführung, was schon einmal mehr als nötig und üblich ist. Eine Begründung zur Abweisung gab es auch." Marco zuckte mit den Schultern. "Es wird dir nichts nützen, wenn du hier wie ein kleines Mädchen gängelst, oder dachtest du wirklich, dass ein hochrangiger Amtsträger auf Gängeln nachgibt? Mein Dominus jedenfalls nicht, das würde ich sonst zum ersten Mal erleben."
    Marco besaß keine Bildung in rechtlichen Dingen. Er schlussfolgerte aus der Erfahrung, die er in den zwei Dritteln der Amtszeit seines Herrn gesammelt hatte. Bei etwas mehr Hintergrundwissen hätte er dem Artorier erklären können, dass sich der Sachverhalt, auf dessen Grundlage der Praetor entschieden hatte, nicht änderte, wenn verschiedene Leute oder eine Person in wechselnden Umschreibungen vortrugen.

  • Ich ließ mich nicht provozieren. Nicht von der Beleidigung eines unfreien Sklaven.


    "Eine mündliche Begründung. Die mit meiner Anzeige leider nicht viel zu tun hatte."


    Hatte ich ja mehrmals erklärt. Ich klagte, weil der Ädil vorsätzlich nichts gegen einen Verstoß gegen die Lex Mercatus getan hatte. Weil der Ädil also sein Recht zur Marktkontrolle ausgenutzt hatte. Um "jemanden" (egal wen) damit zu bevorteilen. Und die Begründung? Kein Wort zur Marktkontrolle. Da hatte mir der Prätor nur erklärt, warum der Verstoß gegen die Lex Mercatus nicht gleichzeitig auch eine Rechtsbeugung war. Was ich ja aber auch nie behauptet hatte. Dass die Spenden eine Rechtsbeugung waren.
    Dass der Ädil nichts dagegen gemacht hatte. *Das* war die angezeigte Rechtsbeugung. Aber zu der? Kein Wort in der Begründung vom Prätor.


    "Auch darum hätt ich gern eine schriftliche Begründung. Damit ich das nochmal genau nachvollziehen kann. Denn entweder *ich* irr mich komplett. Oder .."


    My turn. Jetzt zuckte ich mit den Schultern.


    "Ich bin ein römischer Bürger. Ich hab eine Anzeige beim Prätor eingereicht. Er hat sie abgelehnt."


    Waren die Fakten bis hierhin.


    "Und ich würd gern schriftlich wissen warum. Nicht warum der Himmel blau ist. Oder warum irgendwas anderes. Sondern warum meine Anzeige abgelehnt wurde. Die ich ja auch mündlich und schriftlich begründen kann."


    Ein kurzer Blick auf meine beschriebene Wachstafel. Fühlte sich fast an wie früher. In der Schule. Caius stand vor der Klasse. Eine perfekte Herleitung vom Satz des Pythagoras. Nur leider hatten wir gerade griechische Grammatik. Nicht Geometrie. Daran erinnerte mich das hier. Mit meiner Anzeige. Und der Begründung vom Prätor.
    Ich sah den Muskelmann an. Wollte der noch irgendwas darauf antworten? Ich wartete nur kurz. Denn ich wollt keine Zeit verschwenden. Blieb er stumm, war ich weg. Dann würd eben in 3 Tagen ein Kollege von mir hier aufschlagen. Und meinen Brief für mich abgeben.

  • Menecrates brauchte die Unterstützung seines Privatsekretärs und Lictor primus. Mittlerweile häuften sich die verschiedensten Anfragen, Klagegesuche und Beratungsgespräche, sodass er kaum hinterher kam. Seine Tage dauerten länger als üblich und auf alle Fälle länger als geplant. Ein Familienleben kannte er seit Monaten nicht mehr.


    "Faustus, ich habe zwei wichtige Aufträge für dich. Am liebsten wäre mir, du könntest dich zweiteilen." Er grinste, wenn auch nicht lustig und befreit. Anschließend suchte er nach dem Namen in der vor ihm liegenden Akte. "Ich muss mich für einen der Aufträge entscheiden, den du zuerst abwickeln sollst, daher wähle ich die Castra Praetoria und dort die Cohortes Urbanae. Es geht um den strafrechtlichen Prozess gegen den Miles Nero Germanicus Peticus. Ich erbitte Akteneinsicht, weil nunmehr auch noch ein zivilrechtlicher Prozess ansteht. Das ist das eine." Er blickte auf und versenkte den Blick sofort wieder in der zweiten Akte, die er sich heranzog.


    "Dein zweiter Gang führt dich in die Basilica Iulia. Informiere Flavius Scato bitte davon, dass inzwischen ein neuer Bürger, aber in der gleichen Sache Klage eingereicht hat. Außerdem fehlen mir noch Rückmeldungen zum aktuellen Stand der Bearbeitung bei den Aedilen."

  • Ich nickte verstehend nachdem der Prätor mir den ersten Auftrag zugeteilt hatte. Seler war ich schon sehr gespannt was in dieser Akte stand.
    Den zweiten Auftrag hatte ich schon erwartet.
    Gut ich erledige beides so schnell wie möglich,
    antwortete ich.
    Meinen Dienstherrn wusste ich mit Marco in sehr guten Händen.

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Menecrates' Blick ruhte eine Weile auf Scatos Gesicht. Wie es schien, hatte er sich nicht verständlich genug ausgedrückt oder er selbst missverstand den Flavier. Er glaubte, gehört zu haben, dass ein Prozess nicht vermieden werden kann. Gleichzeitig äußerte Scato, eine Erstanhörung würde nötig sein.


    "Scato, eine Erstanhörung und ein Prozess schließen sich mehr oder weniger gegenseitig aus. Es sei denn, der gute Wille bei der Erstanhörung reicht nicht zu einer gütigen Einigung. Dann wäre ein Prozess die zwangsläufige Folge. Wenn ich sage, außergerichtliche Einigung, meine ich damit einen gütlichen Ausgleich zwischen Täter und Opfer, der zwar hier in der Basilica stattfindet, aber nicht durch ein Gericht herbeigeführt wird. Die Parteien handeln selbstständig bzw. mittels Moderation den Schadenersatz aus. Bei deinen Mandanten klingt es nicht danach, dass dies möglich ist, also überspringe ich die Erstanhörung und setze sogleich eine Verhandlung an.
    Konntest du mir folgen?"
    Menecrates glaubte, die zweite Version verwirrender als die erste ausgedrückt zu haben, war sich aber nicht sicher.
    "Die Erstanhörung ist zwar eine Verhandlung, aber gleichzeitig eine gütliche Einigung - hoffentlich - während bei einem Prozess der Iudex Prior entscheidet ungeachtet dessen, was den Parteien vorschweben würde."
    War das jetzt einfacher erklärt? Menecrates glaubte es nicht und schwieg. Er wartete, welche Rückmeldung der Flavier geben würde.


    Der Praetor ließ Scato Zeit, die Informationen zu verarbeiten. Er erwartete eine Reaktion, gleich welcher Art, doch die blieb lange aus. Forschend betrachtete er den Flavier. Als die Pause so lang wurde, dass er annehmen musste, dass keine Reaktion mehr kommen würde, setzte er erneut zum Sprechen an.

    "Ich gehe davon aus, dass du mit einem Prozess einverstanden bist. Die Verhandlung setze ich", er suchte sich ein freies Feld auf seinem Wandplaner, "für ANTE DIEM IV KAL AUG DCCCLXVII A.U.C. (29.7.2017/114 n.Chr.) zur zweiten Stunde an. Ich gehe davon aus, dass ich mir eine schriftliche Einladung sparen kann?" Der letzte Satz wurde als Frage formuliert, wobei Menecrares keine Ablehnung erwartete.

  • Ein ungeduldiger Mann sein künftiger Schwiegergroßvater, hatte Scato doch einige Momente gebraucht um das ganze doch arg juristische Konstrukt in seinem Kopf durchzugehen.
    "So sei es, ich werde meinen Mandanten umgehend die Einladung von meiner Seite aus zukommen lassen. Doch die Gegenseite benötigt sicherlich eine Vorladung." erklärte Scato zufrieden, dieser doch recht ausgiebige Besuch neigte sich scheinbar dem Ende zu.

  • Ziehmlich abgehetzt kam ich im Büro des Prätor an.
    Salve Praetor,
    grüßte ich kurz ehe ich erklärte.
    Entschuldige bittem doch die bei der CU sind sehr unorganiesert und man gab mir die Schriftrolle mit den Protokollen der Vernehmung und der Verhandlung mit. Bei dem Aedil Flavius Scato war ich auch, doch sein Büro ist wie mir scheint unbesetzt.
    Jetzt hoffte ich dies würde reichen.
    Des weiteren habe ich erfahren, dass dieser Miles Nero Germanicus Peticus unehrenhaft entlassen wurde.

  • Ein Postbote mit Post im Gepäck. Er kam. Er trat ein. Er sprach jemanden an. "Moin. Fünf Briefe für den Stadt-Prätor." Er kramte drei Wachstafeln und zwei Rollen aus Papyrus raus. "Wer kriegt die?" Oder durfte der Bote sogar persönlich zum Prätor?

  • Menecrates blickte von seinem Schreibkram auf, als sich Faustus näherte.
    "Oje, du siehst abgekämpft aus", empfing er ihn. Anschließend hörte er zu. Wie es schien, gab es Positives und weniger Erfolgreiches zu berichten. Auf Letzteres - die Angelegenheit beim Aedil - ging er zuerst ein.


    "Das ist ja sonderbar. Selbst wenn der Aedil einen Außentermin wahrnimmt, müsste ja irgendwer für Post, Nachfragen von Kunden oder Beschwerden zuständig und anwesend sein. Mach doch bitte eine Notiz und leg den Hinweis auf Wiedervorlage. Ich kann die Angelegenheit nicht im Sande verlaufen lassen." Zu gerne hätte Menecrates diese Sache abgehakt. Noch immer wusste er nicht, ob nun eine Anzeige vorlag und wie diese behandelt wurde. "Sagen wir eine Woche, Faustus. Mein Magistratskollege genießt hier keine Sonderrechte. Er wird genauso angemahnt wie jeder andere auch, der Dinge schleifen lässt oder Informationen zurückhält."


    Er streckte die Hand aus, weil er die Protokolle durchgehen wollte.
    "Schön, dass du die Protokolle beschaffen konntest. Die benötige ich beim anstehenden Prozess. Wir wollen ja nicht den bereits ermittelten Tathergang erneut aufrollen. Diese Arbeit sparen wir uns. Ich lese sie mir durch, würde dich aber bitten, sie so in Verwahrung zu nehmen, dass du sie - falls benötigt - zum Verhandlungstermin als Beweismittel vorlegen kannst. Ich benötige - wie immer - auch an diesem Tag deine Hilfe.
    Tja"
    , seufzte der Claudier anschließend, "warum sollte auch irgendetwas reibungslos verlaufen. "Der Verurteilte ist also unehrenhaft entlassen worden. Ist ja schön, dass wir das auch erfahren." Es kam selten vor, dass der Praetor zu Ironie neigte. Er rollte die Augen, damit Faustus diese für den Claudier unübliche spöttische Ausdrucksweise richtig verstand.


    "Ich veranlasse, dass die Ladung dann an die Privatadresse zugestellt wird und hoffe, er ist dort überhaupt aktuell ansässig. Ansonsten müssen wir noch das Meldeamt kontaktieren. Aber warten wir erst einmal ab.
    Unabhängig davon, ob er zum Termin auftaucht oder nicht, ich brauche dich dort. Und danke für die Abnahme der vielen Wege."

    Der Claudier wusste seinen fleißigen Helfer zu schätzen und ab und zu drückte er das auch aus.

  • Das bedurfte doch kein Wort des Dankes, nicht nur, dass ich es mit als meine Aufgabe betrachtete, auf diese Weise lernte ich auch Rom und viele seiner Bewohner kennen.
    Ich nickte verstehend, diese Schriftrollen, nebst einigen Wachstafeln und Griffel würde ich für den Tag bereithalten.
    Ich konnte nicht anders, als diesen Mann, älteren Semesters zu bewundern. Mit welchem Elan, mit welcher Ausdauer und Gewissenhaftigkeit er seine Aufgaben, die ihm sein Amt aufzwang, ausübte. Da konnte man sich nur noch fragen, ob alle Amtsträger Roms mit ihm schritthalten konnten, besonders die jüngeren?
    Sobald ich ab Morgen etwas Freiraum habe werde ich den Aedil nochmals aufsuchen. Ich wollte heute nicht noch mehr Zeit vertrödeln, da ich mir dachte, du brauchts wenigstens das Ergebnis meines CU Besuches.
    Da ich absoluter Neuling hier interessierte mich dann doch, was war wenn dieser Germanicer nicht erschien.
    „Was wenn der Germanicus Peticus nicht zu dem angesetzten Termin erscheint?“
    Auf diese Antwort war ich jetzt gespannt, zumal ich es ihm zutraute.

  • Erfreut nahm Menecrates zur Kenntnis, dass sein privater Sekretär selbstständig mitdachte. Er stufte die Protokolle als wichtig ein, da die Verhandlung näher rückte. Demgegenüber ergab es wenig Unterschied, ob der Praetor heute oder morgen Kenntnis über die Vorgänge in der Basilica Iulia erhielt.
    "Das war eine absolut richtige Entscheidung, Faustus", lobte er, bevor er auf die nachfolgende Frage einging. "Es ist nicht zwingend notwendig, dass ein Beschuldigter zur Verhandlung kommt. Ersatzweise kann auch eine bevollmächtigte Person erscheinen. Sie müsste in der Lage sein, zur Aufklärung des Tatbestands beizutragen. Darüber hinaus gibt es ja auch noch einen Prozessbevollmächtigten, der manches Mal auch beide Funktionen übernimmt.
    Hätten wir eine Erstanhörung, müsste diese bevollmächtigte Person ermächtigt sein, Erklärungen abzugeben, wie es bei einem Vergleichsabschluss erforderlich ist."


    Menecrates überlegte kurz, dann fügte er an: "Sollte er sich weder durch eine bevollmächtigte Person vertreten lassen noch sein eventuelles Ausbleiben entschuldigen, wäre ein Ordnungsgeld angebracht. Aber davon wollen wir ja nicht ausgehen."


    Er brauchte Faustus für Wichtigeres, daher beauftragte er einen anderen Liktor mit der Neuzustellung der Ladung. Faustus würde in der Aedilangelegenheit noch viel Einsatz bringen müssten, das ahnte Menecrates.

  • Erbost hatte ich den Praetor zu seinem Büro begleitet. Ich konnte es einfach nicht fassen, was sich dieser Kerl erdreistet hatte. Ein Advokat eines unehrenhaft entlassener Soldaten, redete den Praetor Urbanus in einem Schriftstück an, als wäre dieser gleich zu stellen mit jenem verkommenen Subjekt der Germanicer. Wie konnte eine dereinst so angesehene Familie es dulden, dass er noch Mitglied der Gens war? Hatte er nicht schon genug Schande über seine Familie gebracht? Wollte er sie wirklich in den Abgrund reißen. Der Kerl gehörte in die Gosse nein besser noch weit ab in die Provinz in einem Steinbruch. Oder unterstützten sie ihn noch? Ich hätte den niemals Einlass in den Familienstammsitz gewährt. Bestimmt würde eine angesehene Familie es auch nicht machen. Naja vielleicht kam ja langsam das alte Blut durch. Oder stammte sie nicht von den Barbaren Germaniens ab? Bei Gelegenheit musste ich es einmal nachforschen.
    Ich räumte die Schriftrollen und mein Schreibmaterial weg. Zögernd fragte ich,
    was kann ich für dich tun Claudius Menecrates?
    Was mochte nur in ihm vorgehen? Ein Glück, dass er so ein begonnener Mann war und einen untadeligen Ruf besaß. Die Art wie das Schreiben verfasst worden war, konnte einem doch wirklich der Gedanke kommen, Annexsander oder Rufinius hätten dem Advokaten Schützenhilfe gegeben. Aber nein für so etwas waren die sich doch bestimmt zu schade, obwohl sie waren ja schon sehr aggressiv vorgegangen.

  • Nach dem Abbruch der angesetzten Verhandlung strebte Menecrates seinem Amtsstuhl zu. Faustus folgte ihm. Als er saß und die Frage seines Sekretärs hörte, sprudelte es nicht sofort aus ihm heraus. Ich musste sich erst sortieren.


    "Lass uns ein wenig plaudern", antwortete er schließlich. An einen Klatsch bei Gebäck und Wein dachte er selbstverständlich nicht. Er wollte die Unterredung über bereits gefasste Entschlüsse und bestehende Fragezeichen locker halten, mehr nicht.
    "Faustus, als der Brief verlesen wurde, welche Gedanken gingen dir spontan durch den Kopf? Die ersten Gedanken sind oft die entscheidenden. Nicht immer sind sie die klügsten oder diplomatischsten, aber es sind die vom Bauch und der Intuition getragenen Gedanken, die bei aller Emotionalität den größten Anteil an Wahrheit beinhalten. ich nenne es mal so." Die Ereignisse beschäftigten den Praetor, sodass er - noch immer mit der Sortierung beschäftigt - bei Formulieren seiner Sätze etwas schwerfällig wirkte.

  • Verwundert und ich musste zugeben, doch ein wenig erfreut hörte ich die Fragen des Praetors. Er wollte meine Meinung hören, vielleicht half ihm dies sich zu sammeln und alles zu überdenken. Ich jedenfalls wollte ihm, soweit es bei meiner Macht stand, nach besten Kräften dabei unterstützen.
    Nun um ehrlich zu sein es waren drei Dinge die mir sofort durch den Kopf gingen.
    Zuerst war ärgerte mich ungemein die Art wie er deinen Namen erwähnte. Ein völlig unbekannter, unbedeutender Advokat äußerte,
    dabei zitierte ich dank meines guten Gedächtnisses wörtlich.
    Im Schreiben bezeichnete sich Menecrates nur selbst als Ludex. In meinem Augen ist es unterste Schublade.
    Die beiden nächsten Bauchgefühle überlappen sich in meinen Augen.
    Ich dachte sofort, als ich den Text gelesen hatte, das könnte der Artorier geschrieben haben, was ist los warum wollen so viele dem Hause Claudia und insbesondere Herius Claudius Menecrates schaden? Was verspricht sich derjenige oder diejenigen davon?

    Nachdenklich schaute ich auf meine Hände, ich konnte in diesem Moment den Praetor nicht anschauen. Was wenn er das gleiche gedacht hatte und gerade an sich und die Götter zweifelte?
    Das waren meine erste Gedanken, um ehrlich zu sein beschäftigten sie mich noch immer.

  • Für Menecrates war es aufschlussreich zu erfahren, was Außenstehenden an dem Brief auffiel. Er selbst könnte einen verklärten Blick haben, weil ihn der Briefinhalt persönlich betraf. Er fand interessant, dass Faustus viel mehr als ihm selbst die respektlose Nennung seines Namens aufstieß. Dieser Aspekt wog kaum für ihn, weil derjenige, der es an Respekt mangeln ließ, ohne jede Bedeutung für den Claudier war.


    Bei der Aufzählung von Punkt zwei nickte Menecrates, aber er hörte weiter schweigsam zu. Anschließend wollte seine Gedanken teilen.
    "MIR fiel auf, dass der Brief von einem der Grammatik und Rechtschreibung weitgehend Unkundigem verfasst wurde. Als Advocatus eine traurige Präsentation. Der Advocatus entstammt also nicht einem guten Hause und verfügt über eine mangelhafte Bildung. Er ist jedoch römischer Bürger, sodass seine Schreibschwäche nicht mit der Zugehörigkeit zu einer fremden Volksgruppe erklärt werden kann. Im Gegensatz dazu trifft der Inhalt seines Befangenheitsantrag tatsächlich einen Punkt, der Diskussionsstoff bietet.
    Ich habe mich gefragt, ob eklatante Schreibfehler mit dem selbstständigen Auffinden von rechtlichen Schwachstellen einhergehen können und ich bin zur Ansicht gelangt, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sein kann. Ich teile also deine Vermutung, dass der Advocat Hilfe hatte und ich dachte ebenfalls sofort an den Artorier und auch an Anaxander. Beide haben diesen Brief aber nicht geschrieben, beide sind intelligenter.
    Trotzdem sind deine und meine Vermutungen nicht haltlos, sondern bereits untermauert. Den Beweis hat uns der Advocat selbst geliefert, indem er eingangs schrieb, ‚wie mir durch gut informierte Quellen zugetragen wurde…‘ Er wurde also unterstütz."

    Gut möglich, dass Menecrates noch etwas übersah, aber er fand seine Überlegung schlüssig.


    "Dass mir verschiedene Personen schaden wollen, kann ich hingegen nicht erkennen. Ich sehe mich eher als Plattform, auf der ein Streit ausgetragen wird. Der Streit hat nichts mit mir oder meiner Familie zu tun. Ich bin nur im Augenblick und per Zufall der zuständige Praetor. Es geht sowohl bei der Verhandlung weitgehend um einen Flavius als auch bei der Anzeige gegen den Aedil in der überzogenen Spendensache. Ich bin zwar auch ein Patrizier, aber das ist schon das einzige Gleichnis. Mir kann keiner Fehltritte oder Korruption oder Drogenabhängigkeit oder Unfähigkeit anhängen." Er zuckte mit den Schultern, was wie ein Bedauern wirkte, aber natürlich bedauerte er diese Tatsache nicht.

    "Ein Gedanke, Faustus, reift seit Minuten und wächst immer mehr. Ich habe das Bedürfnis, meine Familie und nicht zuletzt auch mich zu schützen. Da der Urbaner bereits strafrechtlich schuldig gesprochen ist, wird es kaum ein mildes Urteil geschweige denn einen Freispruch geben. Es gab auch schon keine gütliche Einigung, weil die Kläger durch die angestrebte privatrechtliche Verurteilung Genugtuung erhalten wollen. Böse Zungen gibt es durch die abgelehnte Klage in der Spendensache schon jetzt und sie werden umso lauter sprechen, wenn ich als Iudex Prior das Urteil fälle.
    Ich werde den Kaiser darum bitten, einen anderen Iudex Prior zu berufen. Niemand soll das Urteil später anfechten können, keiner soll einen unfairen Prozess eingeredet bekommen, allein weil zum zweiten Mal mein Name in Verbindung mit einer Klage und dem Hause Flavius steht."

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    "Kannste mir geben", rief ein Gerichtsdiener und kam heran. "Nur fünf heute?" Da gab es schon andere Zeiten. "Hoffe trotzdem, ist nix Eiliges dabei. Hier jagd ein Termin den anderen."


    Ein hilfloser Blick. Ein Zucken der Schultern. "Keine Ahnung. Gäbs noch Eilbriefe, könnt ichs dir sagen." Dann wärs ja klar. Was eilig war und was nicht. "Aber die gibts ja schon lange nicht mehr. Und ich liefer nur aus und stell zu." Wer was wie warum beim Cursus Publicus aufgab? Das wusste er nicht. "Also. Dann hier die Post." Er reichte alles auf einmal rüber. "Auf bald!" Nicht nur hier gabs Stress. Auch der Postbote hatte noch viel auszuliefern heute .... Und weg war er.


    Die Mittlere der drei (zugeklappten) Wachstafeln. Machte man sie auf, kam das dabei raus:


    Ad:
    Praetor Urbanus
    Basilica Ulpia


    M. Artorius Rufinus Praetori Urbano s.d.


    Hiermit erstatte ich, Marcus Artorius Rufinus, Bürger der Stadt Rom, gemäß Codex Iuridicialis §24 Anzeige gegen


    Caius Flavius Scato.


    Mein Vorwurf bezieht sich darauf, dass C. Flavius Scato als Ädil für die Einhaltung der Lex Mercatus verantwortlich ist (Cod Univ §53). Am letzten Tag im Monat Mai hat er sein Amt angetreten. Zu dem Zeitpunkt lag schon eine Anzeige vor. Vom Freigelassenen Gaius Axianus Naso. Gegen den Bürger Caius Flavius Scato. Wegen überzogener Spendendauer (Verstoß gegen Lex Mercatus §5).


    Zahlreiche Tage später redete der Orator Publicus auf dem Forum Romanum über den Bürger C. Flavius Scato. Direkt im Anschluss auch der Freigelassene Quintus Claudianus Anaxander. Beide öffentlich. Für jeden, der sich auf dem Forum über die neusten News informiert. Auch die Anzeige gegen C. Flavius Scato wegen überzogener Spendendauer war dabei deutlich Thema. Und dass nichts dagegen unternommen wurde.


    Anfang Juli war ein Drittel des Amtsjahres rum. Ein Drittel der Zeit, wo der Ädil C. Flavius Scato die Einhaltung der Lex Mercatus kontrolliert. Und wo man davon ausgehen muss, dass er inzwischen auch von diesem Verstoß gegen die Lex Mercatus weiß. Durch die Anzeige. Oder durch das Wort in der Öffentichkeit. Oder durch seine Kontrollen, dass die Lex Mercatus eingehalten wird.


    Aber die schon am Anfang vom Amtsjahr überzogene Spendendauer wurde immernoch und immer weiter überzogen. Nichts wurde getan, um diese Spenden zu beenden. Nichts um gegen diesen Verstoß gegen die Lex Mercatus vorzugehen. Stattdessen. Wurde der Verstoß also toleriert. Zum Vorteil vom Spender C. Flavius Scato. Der damit über illegal lange Zeit sich vor dem Volk als Wohltäter präsentieren konnte.


    Eine Rechtsbeugung vom Ädil C. Flavius Scato. Strafbar nach Codex Iuridicialis §112. (Der Kaiser hat die Immunität schon aufgehoben.)



    Ich bitte um eine Prüfung des Sachverhalts und um eine Aufnahme des Verfahrens. Und um eine schriftliche Begründung, falls meine Klage abgewiesen wird.


    Marcus Artorius Rufinus

    DOMUS ARTORIA - ESQUILINUS MONS - ROM


  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates


    Richtig,
    ich hieb mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Wieso war ich nicht selber darauf aufmerksam geworden?
    'Die gut informierten Quellen', wer außer den beiden hätte den Advokaten sonst informieren können oder sollen? Der Aedil bestimmt nicht.
    Bis zu dieser Stelle hatte ich dem Praetor aufmerksam zugehört. Jetzt nickte ich noch einmal, wie um uns selber zu bestätigen.
    Wieso sah Claudius Menecrates nicht ein, dass man seiner Person schaden wollte. Gut, das mit der Plattform hörte sich gut an, mehr noch, leuchtete mir ein und war auch bestimmt so. Sollte es wirklich nur um die Flavier gehen? Dennoch ich glaubte nicht, dass es damit getan war.
    Ich horchte auf, welcher Gedanke wohl jetzt gerade entstand und wuchs.
    Mir angespannt über mein Kinn reibend wartete ich lauschend. Nicht nur, dass ich im Schnelldurchgang einige rechtliche Sachverhalte erklärt bekam, nein ich erfuhr dabei gleichzeitig, Claudius Menecrates würde seine Familie und sich selber schützen und nicht angreifbar machen. Zufrieden nickte ich.
    Ich wollte die Bewunderung für den Plan, sich an den Kaiser zu wenden, nicht zu offen zeigen, konnte es aber bestimmt nicht gänzlich verbergen.
    Wenn der Kaiser deiner Bitte entspricht, ist es damit dann getan oder kann noch etwas folgen?
    Nachdenklich kam meine Frage. Sah ich nun hinter jeder Ecke einen bösen Plan lauern?

  • Faustus erwies sich als aktiver Zuhörer. Er dachte mit, stimmte zu oder ließ Zweifel erkennen. Seine Frage veranlasste Menecrates, erneut nachzudenken, denn an ein ‚danach‘ hatte er bisher nicht gedacht.

    "Hm, schwer zu sagen", antwortete er ausweichend, weil seine Überlegungen noch andauerten. Eher mechanisch als bewusst griff er zur heutigen Post, die wohl ein Gerichtsdiener während der Kurz-Verhandlung bei seinem Amtsstuhl abgelegt hatte. Er überflog jeweils nur Absender und Anliegen in der Betreffzeile und auch das nur flüchtig, weil er in der Hauptsache hypothetische Entwicklungen auf ihre Richtigkeit hin prüfte. Bis er schließlich einen bekannten Namen las.

    "Im Fall der Kläger, die Flavius Scato als Advocatus vertritt, wird es mit meiner Bitte um Abzug aus dem Fall, sicherlich getan sein. Anders sieht es offensichtlich in der Spendensache aus." Er reichte Faustus die Wachstafel und wartete ab, wie sich beim lesen dessen Gesichtszüge verändern würden.


    Sim-Off:

    Die Postabgabe erfolgte tatsächlich am Tag der Verhandlung. :) Das Schild zur Verhandlung hing schon am Vortag.

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