Unverhofft kommt oft

  • Ich konnte Helena sehr gut verstehen. Man konnte schwerlich die Beine strecken, und wenn man noch dazu so groß war wie ich, hatte man es zusätzlich schwer. Dahingehend war auch ich gar nicht mal so unglücklich darüber, dass es hier einen kleinen, unfreiwilligen Aufenthalt gegeben hatte, der allerdings bald wieder zu Ende sein würde.


    "Wo hast du denn auch deine palla?" stichelte ich sie in Bezug auf die Kühle Germaniens. Immerhin war es zudem auch noch früh am Tage. Er würde im weiteren Verlauf sicherlich noch wärmer werden, wenn auch nicht viel. Ich verengte die Augen zu schmalen Schnitzen und suchte den Horizont mit dem Blick, doch vor lauter Tannen war das gar nicht so leicht, und so sah ich lediglich dieses grüne Tor, das weit vor uns lag und vermutlich einen Ausgang aus dem Tannenforst darstellte. "Eine gute Massage wäre jetzt den ein oder anderen aureus wert", pflichtete ich ihr bei und blickte kurz prüfend zu Camryn, die bereits wieder auf dem Rückweg in den Sklavenwagen war und mir zunickte. Also hatte sie den Mann besänftigt, sehr gut. Ich winkte sie heran und sagte: "Du kannst den anderen dann sagen, dass es schnellstmöglich weitergehen soll. Und Camryn? Du wirst hinterdrein laufen, bis wir Rast halten. Das hast du deiner spitzen Zunge zu verdanken. Nun geh."


    Zusammen mit Helena setzte ich mich sodann in Bewegung, um zur Kutsche und Deandra zurückzukehren. Ich verschränkte die Arme auf dem Rücken und machte große Schritte über die größten Pfützen hinweg, während Helena ihrerseits die Pfützen großzügig umschiffte. "Wir könnten eine Partie tris spielen", schlug ich vor und dachte an das Strategiespiel, das sich in der Kutsche befand. Eines musste man Camryn nämlich lassen, sie sorgte vorausschauend dafür, dass Langeweile nur schwerlich im Vorfeld aufkam. Ich wollte gerade erneut einen Vorschlag machen, da passierte das Malheur.


    "Oder wir.." Da quietsche Helena bereits erschrocken und ich wandte meine Aufmerksamkeit sofort auf den Boden vor unseren Füßen, schon darauf wettend, sogleich eine Schlage zu erblicken. Aber statt dem dünnen Schuppenkörper eines wechselwarmen Reptils sah ich den rutschenden, zarten Fuß einer Frau. Helena ruderte instinktiv nach halt suchend mit den Armen und ich griff ihr unterstützend an den Unterarm, nur leider den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Statt sie zu stützen, geriet ich also ebenfalls ins Straucheln, rutschte und fand selbst natürlich nirgendwo halt. Keuchend ging ich mit Helena an meiner Seite zu Boden. Ein schmatzendes Geräusch erklang, als das Hinterteil im Morast landete und meine Reisetunica vom sich schlagartig von ihrem urprünglichen Dunkelrot zu einem unansehnlichen cloaka-Braun verfärbte, zumindest an Gesäß und Rücken. Die Seiten waren matschfarben gesprenkelt und an meinem Gesicht fand sich ein olivfarbener Streifen.


    Seltsamerweise lag mir kein Fluch auf den Lippen, wie es wohl sonst der Fall gewesen wäre. Stattdessen stützte ich mich mit einer Hand im Knetsch ab und grinste Helena breit an. Ich hob die Hand, die sich mit einem saugenden Geräusch aus dem Boden löste, kam ihrem Gesicht schnell nahe und malte einen schlammfarbenen Klecks auf ihre Nasenspitze. Nun konnte ich das Lachen nicht länger unterdrücken, denn auch wenn ein Patrizier seltenst gern im Matsch saß und sich damit wohl zum Gespött aller umherstehenden Leute machte, so hatte diese ganze Situation einfach zu viel Witz in sich, als dass ich hätte kühl und würdevoll bleiben können. Vermutlich war das ein Punkt, der mich ausmachte, und so hallte mein lautes Lachen durch den Tannenforst. Ich machte keine Anstalten, aufzustehen und ich dachte auch nicht daran, dass jemand sowohl Helena als auch mich erstens sauber bekommen und zweitens wieder ankleiden musste. Ich saß einfach im Dreck und lachte wie ein Sechsjähriger.

  • Helana spürte noch, wie Marcus sie am Arm packte, aber die erhoffte Auswirkung blieb aus. Stattdessen landete sie mit einem saftigen Klatschen mitten im Schlamm. Helena quietschte erneut und schloß kurz die Augen, als der Dreck um sie herum aufspritze. Als sie sie wieder öffnete sah sie Marcus, der bei seinem Versuch ihr zu helfen ebenfalls gestürzt war. Er sah furchtbar aus. Seine edle Kleidung war total eingesaut und auch in seinem Gesicht hatte der Schmutz seinen Platz gefunden. Erst nach und nach wurde ihr bewusst, dass ihr Anblick wahrscheinlich genauso scheußlich war. Helena hob eine Hand und musterte den Schlamm, der träge von ihren Fingern tropfte. Plötzlich bewegte Marcus sich neben ihr und bevor sie reagieren konnte berührte er mit seinem verdreckten Finger ihre Nase. Helena blinzelte ein paar Mal ungläubig, besonders als er lauthals anfing zu lachen. Das Lachen war ansteckend und nur einige Augenblicke später fing auch sie an zu prusten.


    "Du bist mein Held, Marcus. Wirklich!"


    Was mussten sie bloß für einen komischen Anblick geben? Sie saßen im Schlamm und anstatt sich zu ärgern fanden sie das Ganze unheimlich komisch. Helena schüttelte grinsend den Kopf und machte dann erste Anstalten aufzustehen. Allerdings war das gar nicht so einfach. Ihre Tunika hatte sich vollgesogen und klebte an einigen Stellen fast unsittlich an ihrem Körper. Ihr Fuß fand keine feste Stelle, so dass Helena ihren Versuch aufzustehen bald aufgab. Die Sklaven hatten bestimmt gesehen was passiert war und würden ihnen bald zur Hilfe eilen. Halb sitzend, halb hockend sah sie wieder zu Marcus und musterte ihn einen Moment, bevor sie ebenfalls die Hand hob und damit leicht gegen seine Brust stieß.


    "Ich befürchte, unsere Weiterreise wird noch eine Weile dauern. Mein Gepäck befindet sich irgendwo ganz unten im Wagen. Oder leihst du mir eine Tunika von dir?"


    Helena zwinkerte und betrachtete dann den Handabdruck, den sie auf der noch sauberen Stelle seiner Tunika hinterlassen hatte. Das Marcus sich ihr gegenüber auf einmal so gelöst gab ließ ihr Herz schneller schlagen und sorgte dafür, dass die dreckige Kleidung in den Hintergrund rückte. Nicht aber die Kälte. Unerbittlich kroch die Kälte durch die nasse Tunika und ließ Helena frösteln. Sie schlang die Arme um den Körper und warf einen Blick auf den Sklavenwagen. Doch so wie es aussah, waren immer noch alle mit dem Neugeborenen beschäftigt.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

    Einmal editiert, zuletzt von Aurelia Helena ()

  • Die Minuten zogen an Camryn vorbei, als wäre sie in Trance. Sie half Aintzane, Cinna zu stützen, der kreideweiß in den nicht vorhandenen Seilen hing und abwechselnd Assindius beobachtete und Tullia angsterfüllt anstarrte. Meist dann, wenn sie gerade wieder nach Leibeskräften schrie. Dann war das Kind endlich da, ein Knabe, und Assindius legte das schleimige, vrschmierte Bündel der Mutter auf den Bauch. Tullia schloss zitternd und noch halb weinend die Arme um das Kind und Cinna ging in die Knie und begann, Stoßgebete zu irgendeinem germanischen Gott zu entsenden. Camryn warf Aintzane einen vielsagenden Blick zu und ließ Cinna also fahren, damit er sich in Ruhe seiner kleinen Familie widmen konnte. In diesem Moment erschien Deandra am Wagen und gab vermeintlich kluge Hinweise. Camryn rollte mit den Augen, konnte sie allerdings gerade noch rechtzeitig schließen, so dass die Patrizierin nichts mitbekam. Das konnte sie ohnehin nicht, denn da war auch schon Corvinus heran und zog Deandra fort. Endlich tat er mal, was getan werden musste. Camryn steckte den Kopf heraus und hörte, wie er ihr die Meinung sagte. Sie grinste gehässig, zog den Kopf dann aber schnell wieder zurück und wollte so tun, als hätte sie etwas zu tun, als Corvinus nach ihr rief. Diesmal beeilte sie sich, heraus zu kommen. Deandra schlitterte gerade davon in Richtung Wagen, und Corvinus trug ihr auf, mit dem Germanen zu reden. Camryn grinste säuerlich. Dafür war sie nun wieder gut. "Ja, Herr", sagte sie kiebig und ging zu dem Dicken.


    Der Germane sah sie kommen und pfiff durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen, als die blonde Keltin heran war. "Holla, na das nenne ich mal ein scharfes Gerät", begrüßte er sie natürlich auf germanisch und grinste. "Camryn. Und ich bin nur hier, um dir mitzuteilen, dass es bald voran geht und du dich noch etwas in Geduld üben magst", erwiderte Camryn wenig begeistert. Dem Weinhändler fiel das Grinsen aus dem Gesicht. "Was heißt denn bald? Ich warte jetzt schon eine halbe Stunde. Ich muss meine Waren pünktlich ausliefern, sonst bekomme ich Abzüge!" "Für diesen Fall bietet dir mein Herr, Aurelius Corvinus, ein kleines Entgeld an." "Achja? Wie viel?" "Zehn Sesterzen." "Sagen wir zwanzig und ich warte gern noch ein Weilchen." "Bedaure, aber es steht mir nicht zu, zu verhandeln. Ich bin eine Sklavin." "Oh. Verstehe. Na jut, dann man her mit der Kohle und ich warte noch nen Momentchen." Camryn seufzte und zählte zehn Münzen aus dem kleinen Ledersäckchen ab, das Corvinus ihr zugesteckt hatte. Der Germane nahm eine Münze und biss darauf herum, nickte dann und ließ das Geld in einen kleinen, festmontierten Kasten fallen. Dann zwinkerte er der Keltin zu. "Danke sehr. Was ist da eigentlich los?" fragte er und grinste, nickte dann mit dem Kopf zum Sklavenwagen. "Jemand hat ein Kind bekommen, beziehungsweise ist noch dabei. Schwierige Geburt, erstes Kind und so weiter." "Achja. Na dann..." Camryn nickte, wartete sicherheitshalber noch einen kleinen Moment und ging dann zurück zu den anderen. Corvinus sah zu ihr und sie nickte ihm flüchtig zu: Ja, das Gespräch war gut verlaufen, der Mann würde warten. Helena und Corvinus gingen gerade zurück zu Deandra und Camryn wollte nach Aintzane und Tullia sehen, da gab es ein Missgeschick und erheitertes Lachen hallte im Wald wider.


    Sofort wandte sich die Keltin um und sah, was passiert war. Ihr Herr und seine Verwandte saßen im Schlamm! Kurz grinste Camryn, dann gab sie sich einen Ruck und rief nach den anderen, während sie schon auf dem Weg zu Corvinus und Helena war. "He..ich könnte Hilfe gebrauchen!" Wenige Schlitterschritte später war sie neben Corvinus und Helena angelangt und wusste nicht, was sie zuerst tun, wem sie zuerst helfen sollte. Sie fand es allerdings schade, dass Deandra nicht auch im Dreck gelandet war. Der Anblick hätte die Aussicht auf das Hinterherlaufen deutlich gemindeert.


    "Herr... Herrin, was ist...? Ich meine...wie kann ich helfen?" fragte sie und bot zuerst Helena eine helfende Hand an, das hatte Corvinus' kleine Geste verdeutlicht, auch wenn er immer noch lachte.

  • Helena setzte mit ein und einen Moment lachten wir gemeinsam, doch irgendwann musste ich nach Luft schnappen und mein Zwerchfell tat schon weh vom vielen Lachen.


    "Das bin ich doch gern. Aber nur, wenn du meine kleine barbarische Germanencousine bist", schlug ich den Tauschhandel vor und fügte hinzu: "Barbarisch genug schaust du schon aus mit deiner Kriegsbemalung." Ein amüsiertes Grinsen folgte auf dem Fuße, und weil die Nase juckte, fuhr ich mit dem Handrücken darüber und verzierte mich selbst dabei mit einem hübschen Fleck an der Stirn. Ich beobachtete Helena interessiert dabei, wie sie aufzustehen versuchte, auch wenn ich nicht glaubte, dass sie es schaffen würde. Dazu waren die calcei zu matschig und der Boden zu Feucht. Die Kühle konnte man durch die tunica spüren und sie war nicht gerade einladend. Dass sie sich bei mir abstützte, fand ich witzig. Langsam senkte ich den Kopf, betrachtete die zierliche Frauenhand und hob den Kopf wieder, damit der Blick an ihrem Arm entlanggleiten und schließlich am Gesicht hängenbleiben konnte.


    "Weltreise...naja, zwei Wochen maximal, schätze ich. Das war mein Ernst. Und ob du dir wirklich eine tunica von mir leihen willst, möchte ich bezweifeln." Ich hob beide Arme. "Siehst du eine Kordel? Nichts zum Raffen da." Der Anblick einer kleinen Frau in Männertunica war zudem nicht gerade erstrebenswert, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Nun gut, die Erscheinungen zweier im Dreck sitzender Patrizier auch nicht. Während ich noch darüber nachsann, kam auch schon Camryn herbeigeeilt, der ich mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, dass sie sich zuerst um Helena kümmern sollte. Mein Blick suchte den Deandras, ich grinste. Wie sie wohl in einer Männertunica aussehen mochte...?

  • Ich blickte von meinen beschmutzten Fingern auf, als Helena vorschlug, ich solle mich schon einmal in die Kutsche setzen und alsbald klimperte der Ohrschmuck vernehmlich bei jeder Bewegung des Kopfes, die eine deutliche Verneinung ausdrückte.


    „Auf keinen Fall steige ich mit diesen Füßen hinein. Dann trete ich mit neuem Schuhwerk auf den Dreckfleck und wieder ist ein Paar verdorben. Ich bleibe jetzt hier stehen, bis mir jemand die Füße sauber macht und neue Schuhe besorgt.“


    Um den Entschluss zu bekräftigen, setzte ich mich auf die Stufe beim Einstieg und legte die Hände in den Schoß. Bald darauf ging Helena einen Sklaven holen. Derweil legte ich den Kopf etwas in Schieflage, weil ich über mir ein Rufen gehört hatte und nun nach der Geräuschquelle suchte. Die Hand schützend über die Augen gelegt, denn trotz des annähernd bedeckten Himmels waren die Wolken recht hell, was vielleicht auch an dem dusteren Wald lag, an den man sich zwangsläufig bereits gewöhnt hatte, suchte ich Stück für Stück den Sichtkorridor ab. Natürlich musste der Vogel, denn dass es einer war, lag auf der Hand, ja nicht unbedingt dieses schmale Blickfeld kreuzen, aber ich hoffte es. Irgendwann gab ich aber auf, denn die Kopfhaltung war alles andere, aber nicht auf Dauer angenehm.


    Weil ich mich langweilte, blies ich hörbar die Luft durch die Lippen aus, aber im Grunde konnte ich mir das sparen – es hörte ja doch niemand. Auch meine Melodie „Hm, hm, hm“ verklang ungehört. Ein Seufzer folgte, dann beschloss ich, still zu sein und einfach abzuwarten. Doch die Götter meinten es gut mit mir: Abwechslung war im Anzug, denn ich hörte einen spitzen Schrei, der so gar nicht zu Tullias bisherigen Äußerungen passte. Ob was mit ihrem Kind geschehen war? Hatte jemand das Bündel fallen gelassen? Oder war es nun tot, weil ich nicht dafür sorgen konnte, dass die Nabelschnur wirklich abgebunden wurde?


    Auf jeden Fall sprang ich auf. Etwas schnell, wie ich leider zu spät feststellte, denn ich rutschte weg. Glück im Unglück – eines der Räder war da, um mich dort festzuklammern. Wieder seufzte ich. Bloß gut, dass hier sonst kein Römer war, dem ich sonst mit Patrizierwürde entgegentrat. Davon war im Augenblick nicht mehr allzu viel zu sehen. Wenigstens die Tunika rückte ich notdürftig wieder zurecht, bevor ich um den Wagen lugte, um nachzusehen, was nun Schreckliches passiert war.


    Noch immer stand dieser Pferdekarren wartend hinter unserem Sklavenkarren und dort schien auch alles normal zu sein. Was ich jedoch keineswegs als normal ansehen konnte, war das Bild, das sich mir in kurzer Entfernung bot. Corvi, eigentlich ja ein respektabler Mann, saß mitten auf dem Weg im Schlamm und fing just in diesem Moment zu lachen an.


    „Meinst du nicht, dass es in der Kutsche gemütlicher und auch trockener ist“, fragte ich mit einem belustigten Blick. Mit der Hand vor dem Mund schaute ich kurz Helena an, die es sich ebenfalls im Dreck bequem gemacht hatte. Das würde nun eine Großreinigung für die Sklaven bedeuten. Mit unterdrücktem Lachen wartete ich die weiteren Ereignisse ab.

  • Da hörte ich doch schon wieder meinen Namen. Wat wollte der Hampel von Corvinus den widder. Der Typ nervt! Mit den Händen voller Blut und Schmiere faste ich mir ins Gesicht und schüttelte den Kopf. Ich drehte mich grade um und öffnete meinen Mund um ihm zu sagen, dass er sich verpissen soll und ich jetzt keine Zeit für seine Scheiße habe, da war Aintzane schneller als ich. Ich sah sie verwundert an und sagte dann grinsend:


    „Das war fett hömma!“


    ich sach doch, die is’n Knaller.
    Und jetzt kommt die Herrin auch noch. Ja sicher, gibt hier wat umsonst oder wat. Sie erzählte irgendwas von irgendeinem Kuchen. Ja ne, Is klar. Bevor ich ihr sagen konnte, dass sie mal schön geschmeidig bleiben soll, war die auch schon wieder weg. Corvinus maulte rum und ich kuckte neugierig und erwartungsvoll raus. Die Herrin flucht und das hätte bedeuten können, dass der Typ gleich auch noch eine kricht. Ein schöner rechter Hacken in die Fresse, das wär‘s doch jetzt. Aber enttäuschender Weise blieb das aus. Aber zurück zum Thema.
    Ich riss ein Stück von dem Tuch ab und teilte es in 2 Teile, hielt meine Arme in Richtung Tullia aus und sagte:


    „Gib es mir bitte noch einmal rüber. Wir müssen den Rest der Nabelschnur noch abklemmen.“


    Ich nahm es entgegen und knotete die Nabelschnur zu und gab Tullia ihr Bündel zurück. Anschließend machte ich das selbe mit der anderen Hälfte. Nicht grade die beste Lösung, aber im Augenblick das Beste was wir haben.
    Nach einer Knappen Viertelstunde sah ich mir die Nabelschnur noch einmal an. Sie war schon ein ganze Stück weiter herausgekommen und ich sage Tullia das sie ruhig pressen könne, wenn sie das Gefühl verspüre. Der Rest würde gleich rauskommen. Tullia tat sich aber schwer es war sehr anstrengend für sie und so zog ich ganz leicht an der Nabelschnur, nur ein paar mal und drückt sanft auf den Rand ihres Beckens. Da kam es auch schon heraus. Ich sah mir noch genau an, was das herausgekommen war, kontrollierte, ob auch wirklich alles da war und nicht noch etwas fehlte. Aber es war alles da. So fäddich.
    Schreiende Kinder, heulende Frauen und weißgesichtige Männer konnte ich jetzt nicht gebrauchen, da hatte ich auch echt kein Bock drauf. Ich wollte jetzt erst was essen. Ich nahm alles mit was da so auf der Erde lag und sagte Aintzane:


    „Kannst du das gleich hier sauber machen? Ich muss mich jetzt um den Corvinus kümmern!“


    Ich stieg aus und sah mich erst mal verwundert um. ‚Wat is denn hier los, dachte ich. Seht ich das richtig das die Herrin hier ohne Schuhe rumturnt und die beiden andern im matschigen Boden sitzen. Echt, die Römers kanze nich ein Moment auße Augen lassen. Typisch. Auf jeden Fall stand da ein Germane und der hatte irgendwas auf seinem Karren geladen. Auf den ging ich zuerst zu und sagte ihm auf Germanisch:


    „Hömma, du hast doch bestimmt wat zu saufen da. Wir haben grade ein Kind geholt und jetzt brauch ich erst mal einen Schluck Met.“

  • Corvinus hatte sie beharrlich ignoriert und war schnurstracks auf den armen Assindius zugegangen, um ihn als germanisches Sprachrohr zu nützen. Vielleicht war es auch besser, dass er sie nicht bemerkt hatte.
    Hinter ihr machte Assindius etwas, was durchaus als ein sehr nettes Kompliment zu werten war - einmal für germanische Verhältnisse. Sie drehte sich zu ihm um, zwinkerte ihn an und schenkte ihm ein Lächeln.
    Draußen war offenbar die Hölle los. Es wurde in der Gegend herumgestolpert, herumgeflucht, herumgefallen und herumgemotzt. Das brauchte sie jetzt, grantige Römer. Es gibt doch nicht Lustigeres. Mit einem etwas gequälten Gesichtsausdruck wandte sie ihren Blick von den Römern los und schaute auf Tullia. Während sich Camryn um den hingabungsvoll betenden Cinna kümmerte, schleppte sie sich auf allen vieren zu Tullia hin. Assindius hatte sich eine Pause wohl redlich verdient.
    "Alles ist vorbei, alles ist gut.", gurrte sie zu ihr hin und wandte sich dann dem schreienden Baby zu. "So ein entzückendes Kleinkind!", flüsterte sie, komplett ergriffen. "Darf ich es auch einmal halten?" Die neue Mutter nickte schwach. Also nahm die sonst so resolute Baskin das Kind total gerührt in die Arme und wiegte es hin und her, während sie begann, eine baskische Einschlafmelodie vor sich hinzusummen.
    Ein Kind... was für ein Segen. Sie gab es, einigermaßen wiederwillig, an seinen Vater weiter, dem die Tränen aus den Augen herausquollen. Diesmal war es an Aintzane, Camryn einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.

  • "Trockener vielleicht, gemütlicher womöglich auch, aber sicherlich nicht so nass, klebrig und vor allem lustig wie hier", entgegnete ich, auch wenn ich mir durchaus der Unsittlichkeit des Im-Matsch-sitzens bewusst war. Zum Glück nahten auf Camryns Ruf hin schon einige Sklaven heran, darunter mein Leibwächter Trautwini, ein Schrank von enem Mann. Er war es auch, der Camryn mit einem Wink seiner Hand zwei Schritte zur Seite schickte und Helena vom Boden hob. Als sie sicher stand, reichte er mir die Hand zum Ergreifen, was ich auch tat. Kaum einen Augenblick später stand ich neben Helena und grinste breit bei der Betrachtung ihres Gesäßes. Trautwini indes enthielt sich jeglichen Kommentars, so wie eigentlich immer, denn der Germane sprach seltenst. Ich deutete auf Helenas tunica. "Die kannst du gleich hier im Wald liegen lassen. Diese Flecken da bekommt selbst Aintzane nicht heraus, dessen bin ich mir sicher. Wo ist sie eigentlich? Ist denn das Kind immer noch nicht da?" wollte ich wissen und sah mich suchend um. Auch Assindius fehlte, also war Camryns Schrei wohl zu leise gewesen, schlussfolgerte ich. Ihn allerdings erblickte ich beim weiteren Umherschauen neben dem Weinkarren von dem Germanen, wie er sich mit eben jenem unterhielt. Missbilligend hob ich eine Braue, die schlechte Laune kehrte allmählich zurück. "Vielleicht könnte mir mal jemand sagen, wann es hier weiter geht. Ich hatte nicht vor, die Nacht schlammbesudelt in dieser Einöde zu verbringen." Wartend sah ich in die Runde.


    Der Germane indes beäugte Assindius schräg und vom Kutschbock herab. "Jo, ist was da, ne ganze Menge sogar. Allerdings ist das alles bestellte Ware, mein Freund, und ich werde schon genug Ärger bekommen, weil die Lieferung nicht pünktlich ankommt", entgegnete der Dicke und zuckte bedauernd mit den Schultern. Er selbst hätte sich auch gern das ein oder andere Schlücklich Met und Wein genehmigt während des Wartens, aber die Römer waren knallhart, wenn es um die Lieferung von Alkohol ging. Den Eindruck hatte er zumindest.

  • Inzwischen standen die beiden Helden wieder auf ihren Beinen. Fette Schlammtropfen plumpsten zu Boden, was allerdings den Matschanteil an der Kleidung nur unbedeutend reduzierte. Ein wahrhaft göttlicher Anblick, wie ich fand.


    Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, bei der Kutsche auf einen meiner Sklaven zu warten, um mir die Füße reinigen zu lassen. Gekommen war allerdings bisher keiner und so konnte ich Corvis Verstimmung, die sich nach dem Lachanfall erneut ausbreitete, durchaus nachvollziehen.
    Auch wenn er nicht gerade verlockend oder gar stattlich aussah, ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht, weil ja der äußere Schein unerheblich war, der Mensch alleine zählte. Und weil sich so gar nichts tat, jeder der Sklaven irgendwas machte, das sich für mich aber nicht auszahlte, und ich zudem das Bedürfnis verspürte, ihm nahe zu sein, weil es mir so vorkam, als wären wir uns seit wir germanischen Boden betreten hatten, noch kein einziges Male nahe gewesen, setzte ich mich vorsichtig in Bewegung.


    Der Boden gluckste bei jedem Schritt unter meinen Füßen, während ich mich vorsichtig und unter Umgehung der Pfützen vorwärts bewegte. Nichts wäre fataler gewesen, als mich nun auch noch in den Schlamm zu legen. Der Weg war kurz, schnell hatte ich ihn erreicht.


    „Von vorn bist du ja noch trocken“, tröste ich, musste aber sogleich erneut grinsen. Das belustigte Lächeln wandelte sich aber umgehend in ein liebevolles. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über seine Stirn, seine Wange und den Hals. Wir waren hier fern der strengen römischen Gepflogenheiten, solcherlei Zärtlichkeiten gehörten sich eigentlich in der Öffentlichkeit nicht, aber wen interessierte das hier schon? Mich jedenfalls nicht.


    „Bin ich froh, dass ich mich hier nicht umziehen muss“, flüsterte ich. „Wie stellst du das denn an? Und wie soll das mit Helena funktionieren?“

  • Ungläubig sah ich den Fettsack an.


    „Du willst mir jetzt allen Ernstes erzählen, dass du Met geladen hast! Wer soll den denn saufen, die Römer? Und dann willst du mir noch erzählen, dass du keinen Met auf dem Bock liegen hast und ab und zu einen Schluck nimmst! Was ist bloß aus der germanischen Gastfreundlichkeit geworden, für die sogar die Römer ein gutes Wort übrig haben.“


    Der dachte sich wahrscheinlich, das ich grade aus einer Schlacht komme. Überall Blut an den Klamotten, im Gesicht und an den Händen und außerdem hielt ich die Nachgeburt noch in den Händen. Wer weiß was er dachte, das ich damit vorhätte.


    „Pass auf, wir nehmen uns jetzt einen, dann kümmer ich mich eben um die Römer und dann kümmer ich mich darum, dass du weiter kommst. Kuck dir die mal an, wenn es dunkel wird heulen die mir die ganze Zeit rum wie kalt es ist, warum es nicht weiter geht und das sie von wilden Tieren gefressen werden. Meine Chefin, die Barfüssige da, die ist hart im Nehmen seit sie mich kennt. Das ist aber auch die Einzige!

  • Das Marcus das alles so lustig fand verwunderte Helena ein wenig. So kannte sie ihren Cousin überhaupt nicht. Früher hätte er sich mit Sicherheit über so ein Schlamasel nicht so gut amüsiert. Sie erwiderte sein Lächeln und sah dann hoch, als auf einmal ein Schatten auf sie fiel. Marcus Leibwächter war zu ihnen getreten um ihnen zu helfen. Helena seufzte erleichtert, denn so langsam wurde es ihr in dem Schlamm doch ein wenig unbequem. Bevor sie etwas sagen konnte hatte Trautwini sie schon geschnappt und auf die Füße gestellt. Helena beobachtete aus den Augenwinkeln, wie auch Marcus wieder sicheren Boden unter den Füßen fand, während ihre Hände vorsichtig ihre Tunika abtasteten. Sie musste einfach furchtbar aussehen, so verdreckt und nass.


    In diesem Moment kam Deandra auf sie zu. Von der Kutsche aus hatte sie ihren kleinen Unfall gesehen und sich schon köstlich amüsiert. Helena wäre es wahrscheinlich genauso ergangen. Sie lächelte der anderen Frau entgegen und hielt dann Ausschau nach Marina, damit diese ihr weiter helfen würde. Die ältere Sklavin war auch schon auf dem Weg zu ihr, mit dem typischen besorgten Gesichtsausdruck den sie immer zur Schau trug, wenn sie der Meinung war Helena hätte etwas ausgefressen. Helena schüttelte grinsend den Kopf und sah dann wieder zu Marcus und Deandra. Sie sah, wie Deandras Finger sanft über Marcus Wange strichen, woraufhin das Grinsen aus ihrem Gesicht verschwand. Die Beiden verhielten sich fast so, als wäre Helena nicht anwesend. Sie schluckte und wandte den Blick ab, während sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Sie verstand zwar nicht, was die Beiden flüsterten aber es war ihr peinlich, dass sie überhaupt etwas davon mitbekam. Schließlich räusperte sie sich kurz und sah mit einem möglichst neutralen Gesichtsausdruck wieder zu ihnen hinüber.


    "Ich werd dann mal dafür sorgen, dass ich eine saubere Tunika bekomme."


    Mehr sagte Helena nicht und sie drehte sich auch sofort um, damit niemand Zeit für eine Reaktion hatte. Obwohl sie vorgehabt hatte auf Marina zu warten ging sie ihr nun doch entgegen. Um ihre Tunika musste sie sich jetzt eh keine Sorgen mehr machen, selbst wenn sie nochmal im Schlamm landen würde. Sie wollte einfach nur noch weg. Warum sie so fühlte wusste Helena selbst nicht so genau. Einfach nicht mehr dran denken. Sie würde Trautwini beauftragen eine ihrer Truhen vom Wagen zu laden, damit sie sich eine neue Tunika heraussuchen konnte. Und danach würde sie mit Marina im anliegenden Wald verschwinden, damit ihre Sklavin sie umziehen konnte. In die Kutsche wollte sie nicht gehen. Zum einen, da sie den Innenraum nicht versauen wollte und zum anderen um Marcus aus dem Weg zu gehen.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Ich steckte meinen Kopf noch einmal in den Wagen. Eins schönes Bild erblickte ich. Eine mutter mit ihrem Kind, einen betenden Vater und eine ergriffene Frau.
    Meine Heimat fiel mir wieder ein und die Frau, die ich liebte, die aber einen anderen hatte und wie ich bei der Geburt ihres Kindes bekümmert neben den stolzen Gesichtern stand. Mir kam das Lied wieder in den Sinn. Zu der minne fiure din stiure mich scheide! Ä, bloß nicht dran denken!
    Aintzane anblickend sagte ich:
    „Hast du gesehen, was draußen los ist? Da krieg ich ja schon widder’n Hals wenn ich das seh. Wir sind 15 Sklaven und 4 davon sind beschäftigt. Die anderen 11 halten es nicht für nötig sich um die Herrschaften zu kümmern. Die Herrin ist sogar ohne Schuhe unterwegs: Da krieg ich’n Hals bis nach Misenum, wenn ich dat seh, hömma. Haben die alle den Arsch auf? Denen erzähl ich nachher was. Jetzt dürfen wir das auch noch machen, wa! Wasser ist doch noch da, oder?“

  • Aintzane zuckte zusammen, als sie Assindius von hinten ansprach, so tief in ihre Träumereien und Gedanken um dieses eine Kind war sie verwickelt gewesen. Ihr Herz klopfte voll Schreck, als sie sich zu Assindius umsah - und entspannte sich wieder, als sie das vertraute Gesicht erblickte.
    "M-hmm....", murmelte sie mit einem mädchenhaften Lächeln auf ihrem Gesicht, welches verriet, dass sie wohl nicht ganz bei der Sache war.
    "Sei doch nicht so streng... badakarzkiedak..., ich bringe sie ihr...", mauschelte sie, halb Latein, halb in ihrer Muttersprache, und hob ein Paar Schuhe, mit der Absicht, sie Deandra zu bringen.
    "Das Wasser ist da...", sie zeigte fahrig auf einen x-beliebigen Punkt hinter ihr.


    Hätte sie 2000 Jahre später gelebt, haätte man sie jetzt unweigerlich gefragt, was sie wohl geraucht hätte. ;)

  • Ich sah grimmig an Deadnra vorbei in den Wald hinein und seufzte tief. Die Berührung tat sehr gut und milderte meine Laune gleich wieder. Nurmehr halb so grimmig wie zuvor zwinkerte ich ihr zu. Aus den Augenwinkeln gewahrte ich Helenas Blick, und so verzichtete ich darauf, Deandra zu küssen, und setzte ihr stattdessen nur einen kleinen Kuss auf die Wange, bevor ich mich zu Helena umwandte und etwas sagen wollte. Doch bevor ich das konnte, hatte sie Trautwini aufgetragen, ihre Kleiderkisten zu finden, und war mit Marina zwischen den nahen Tannen verschwunden. Blieben Deandra und ich zurück.


    Angesichts der Situation dauerte es keine halbe Stunde, sondern mehr als eine geschlagene Stunde, ehe wir erneut im Wagen saßen und weiterfahren konnten. Der Germane hatte uns inzwischen überholt und war uns weit voraus, Camryn hatte mich mehr schlecht als recht gesäubert und im Reisewagen umgekleidet, Helena war heil wieder aus dem Wald aufgetaucht und Cinna wieder bei Bewusstsein. Freude und Glück der Vaterschaft hatten sich im Nachhinein noch einmal bemerkbar gemacht, sodass er an der Seite seiner Frau vor Erschöpfung eingeschlafen war. Auch die Sklavin schlief einen Schlaf der Erschöpfung, umsorgt und behütet von Aintzane und anderen Sklavinnen, die ihre Finger nicht von dem kleinen Knaben lassen konnten. Assindius saß auf dem Kutschbock und Camryn lief mürrisch hinterdrein, ihre Strafe für die zu spitze Zunge geflissentlich ablaufend.


    Glücklicherweise war dies der einzige unerwartete und teilweise unerwünschte Zwischenfall auf der gesamten Reise von Mantua nach Mogontiacum gewesen. Neuneinhalb Tage später sollten alle drei Wagen samt Insassen und einem schreienden Bündel vor der villa aurelia ankommen. Und, bei mars, ich war froh, dem Kindergeschrei nicht mehr ausgesetzt zu sein.

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