• Aintzane und die zwie Korsen, die sie mitführte, betraten die Villa durch einen Seiteneingang. Während die Korsen ins Atrium gingen, um Wasser zu holen, lehnte Aintzane eine Wachstafel, die sie unterwegs geschrieben hatte, gut sichtbar ins Vestibulum. Der Text lautete:


    An die Familia Aurelia
    Claudia Aureliana Deandra hat sich zu einem Ausflug ins Hinterland Germaniens entschlossen, um die Geheimnisse und die Landschaft des Landes besser kennen zu lernen. Angeführt wird sie vom Germanen Loki. Mit sich führen wird sie eine Schaar von Sklaven, die sie nach besten Können bedienen und unterstützen werden. Das Reiseziel ist nicht gewiss, allerdings werden wir in der Nähe des Rheins bleiben.
    Heute noch werden wir aufbrechen. Es ist nicht sicher, wann wir zurückkommen, allerdings wird es nicht allzulange dauern.
    Aintzane
    im Namen von
    Claudia Aureliana Deandra


    Inzwischen hatten die Korsen das Wasser eingefüllt. Sie nahm ebenfalls zwei große Schläuche und gemeinsam schleppten sie sich zurück.

  • Dieser Brief wurde eigens von einem Boten überbracht mit dem Auftrag, ihn direkt an Marcus Aurelius Corvinus aus zu händigen.


    Lieber Corvinus


    Wie geht es Dir ? Sicher wunderst Du Dich darüber, dass ich Dir nach all den Jahren einen Brief schreibe. Ich gebe zu ich hätte es schon viel früher, viel öfters tun sollen. Der Tod von Iustus ist schon so lange her und mir wird erst jetzt bewusst, wie schnell das Leben doch an mir vorbei gezogen ist. Da lebt man nun Tag um Tag und glaubt es wird immer einen Nächsten geben. In diesem Glauben habe ich mich sicher gefühlt und dabei die Hoffnung niemals aufgegeben, das wir uns eines Tages im Kreise der Familie wiedersehen. Doch diesen Tag so sehr ich es mir auch wünsche, wird es nun nicht mehr geben. Ich werde sterben ! Schon lange trage ich eine Krankheit in mir, die mich mehr und mehr schwächt, die mich auffrisst und langsam entstellt. Bald, sehr bald schon, werde ich ins Elysium gehen zu meinem Mann und deinem Bruder. Glaube mir bitte, ich will Dich nicht mit meinem Schicksal belasten und dennoch trage ich einen einzigen Wunsch in mir eine letzte Bitte an Dich, die zu stellen mir nicht leicht fällt.


    Erinnerst Du dich an deine Nichte Prisca ? Damals als Iustus gestorben ist hast Du sie das letzte Mal gesehen. Sie war damals 2 Jahre. Die ganzen Jahre über habe ich mich allein um sie gekümmert, versucht sie zu erziehen und doch fehlte es immer an der starken Hand eines Mannes. Ich habe ihr vieles, viel zu vieles nachgesehen sie verwöhnt und ihr alles von mir gegen. Denn sie war das Einzige was mir von Iustus geblieben war. Vor etwa einem Jahr, kurz nachdem ich von meiner Krankheit erfuhr, habe ich sie unter dem Vorwand einer Studienreise nach Athen geschickt. Ich wollte nicht, das sie mich so sieht wie ich langsam aber sicher vergehe. Sie weiß nicht das ich sterben werde und der Gedanke sie niemals mehr in meine Arme nehmen zu können zerreist mir das Herz. Corvinus, bitte nimm Du sie auf und kümmere Dich um sie. Sei ihr Tutor, sei gerecht aber streng zu ihr. Sorge dafür das sie all das lernt, was ich ihr nicht beibringen konnte. Das Vermögen das sie nun erhält darf nicht durch ihre eigene Unreife vergehen so wie ich. Ich weiß das ist sehr viel verlangt, doch ich vertraue Dir das alles was du für Prisca tust, das Richtige sein wird.


    Wenn Du diese Zeilen liest, werde ich wahrscheinlich schon nicht mehr am Leben sein. Deshalb habe ich veranlasst, das man meine Tochter zu dir bringt. Die Männer die ich dafür ausgesucht habe sind zuverlässig und werden sie auf ihrer Reise nach Germanien beschützen. Mehr vermag ich nicht mehr zu tun, außer Dich um Vergebung zu bitten für diese Bürde, die ich Dir hinterlasse. Aber meine Tochter in deiner Obhut zu wissen ist das Einzige, was mir in den letzten Stunden die mir bleiben etwas Trost spendet.


    Vale bene Corvinus und mögen die Götter Dich und Deine Familie auf allen Euren Wegen beschützen !


    Horatia Vespa

  • Ad
    M. Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia
    Mogontiacum, Germania



    App. Aurelius Cotta M. Aurelio Corvino s.d.


    Lieber Vetter Corvinus, gerade heute bin ich von meinem Studienaufenthalt in Athen über Ostia zurückgekehrt und habe mich, wie abgesprochen, in der Villa Aurelia in Roma eingefunden, aus der ich dir jetzt diesen Brief schreibe. Hier erfuhr ich erschütternde Neuigkeiten, die dir zum Teil wohl schon bekannt sind. Als amtierender Comes der Regio Italia ist unser Onkel Cicero einmal mehr verschwunden; er hat, da seine Gemahlin Curiatia Icela vor kurzem verstorben ist, seine Kinder quasi als Waisen zurückgelassen. Seine Tochter Sisenna ist hierher nach Roma gebracht worden, wo sie offenbar schon einige Zeit lang völlig allein, betreut nur von Sklaven, in der Villa zugebracht hat. Mir war die traurige Pflicht beschieden, Sisenna mit dem Verschwinden ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter vertraut zu machen. Ihr gilt momentan auch meine größte Sorge, da es für sie an allem fehlt: ihre Schwester Helena, Spielgefährten, von einem paedagogos ganz zu schweigen. Ich werde mein Bestes tun und mich um sie kümmern, wäre aber für jeden Ratschlag sehr dankbar!


    Ich hoffe, dass es euch im fernen Germania besser ergeht! Ist auch Prisca heil bei euch eingetroffen?


    Mir selbst geht es gut; von meinen Studien habe ich sehr profitiert, und ich hoffe, sie nun im Dienste des Kaisers und der Gens einsetzen zu können. Steht dein Plan noch, nach Ablauf deines Tribunats nach Roma zurückzukehren und zum cursus honorum zu kandidieren? Du kannst dir denken, dass ich in der jetzigen Situation die Tage bis zu eurer Ankunft zähle. Vielleicht aber gibt es etwas, was ich für dich und für euch in der Zwischenzeit hier erledigen könnte. Soll ich Freunde aufsuchen, Bekannte, einflussreiche Persönlichkeiten? Bei wem könnte ich mich vorstellen? Für wen könntest du mir eine Referenz schreiben? Welche Aufträge hast du für mich?


    Corvinus, ich sehe, mein Brief ist schon viel zu lang. In der Hoffnung, dass wir uns schon bald wiedersehen nach all der Zeit, grüße ich euch alle: dich, Deandra, Helena und Prisca.



    Vale bene.


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    ROMA, ANTE DIEM III ID IUL DCCCLVII A.U.C. (13.7.2007/104 n.Chr.)

  • Ein Bote im Dienste der Gens Prudentia deponierte einen Brief im Postkasten der Villa.


    Cursus Honorum - Roma - Regio Italia - Provincia Italia


    EPISTVLA CONSVLVM
    ANTE DIEM XVI KAL AUG DCCCLVII A.U.C.
    (17.7.2007/104 n.Chr.)



    Salve M. Aurelius Corvinus,


    ich grüsse dich. Wie dir bereits mitgeteilt wurde, ist deine Kandidatur für das Vigintivirat zulässig und du wurdest auf die Liste der Kandidaten gesetzt.
    Mit diesem Brief möchte ich dich nur kurz darüber informieren, dass der Beginn der Kandidaten-Anhörungen vor dem Senat für den ANTE DIEM III KAL AUG DCCCLVII A.U.C. (30.7.2007/104 n.Chr.) angesetzt ist. Daher wäre es notwendig, dass du bis zu diesem Tag in Rom eintriffst.




  • Ad M. Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia, Mogontiacum
    Provincia Germania


    L. Flavius Furianus M. Aurelio Corvino s. d.


    Es bestürzt mich, Aurelius Corvinus, solche Neuigkeiten bezüglich Aurelius Cicero zu hören. Nie hätte ich es diesem Mann zugetraut solch einen Schritt zu gehen, gar solche Gedanken zu hegen. Mag es daür Verständliches geben, doch ich sehe nichts dergleichen und bin zutiefst enttäuscht.
    Nun ist das Gericht wenigstens um den Verbleib des Angeklagten aufgeklärt, ich danke dir.


    Deinem Wunsch gemäß, werde ich dir natürlich das Geschehene zu schildern versuchen.
    Und zwar ist Aurelius Cicero im Besitz eines Schuster, welcher nach der im Senato beschlossenen Änderung der Lex Mercatus, genauer gesagt § 3 Abs 5, nun unrechtmäßig ist, da Cicero dem Ordo Patricius angehört. Wie du weißt, ist es unserem Stand und dem Ordo Senatorius nicht gestattet Betriebe außer den mittelbar Landwirtschaftlichen zu halten. Aufgrund dieses Vergehens wurde die Händlervereinigung auf Aurelius Cicero aufmerksam und Octavius Detritus, als Vertreter eben jener Vereinigung, hat Klage bei mir eingereicht.
    Ich habe den Sachverhalt überprüfen lassen und musste diese Klage gewähren.


    Nun trug es sich zu, wie du geschildert. Aurelius Cicero ist zur Ersten Anhörung nicht erschienen und eine Einigung kam nicht zustande, nun wird die Sache gerichtlich entschieden. Mit Senator Tiberius Durus konnte ich jedoch für Aurelius Cicero eine kompetente und äußerst erfahrene Verteidigung gewinnen. Der Verhandlungstermin musste jedoch verschoben werden, da der jetzige Consul und damalige Praetor Peregrinus, Prudentius Commodus, selbst Vorstand jener Händlervereinigung ist und somit vor Gericht als Iudex nicht mehr zugelassen. Dies war der Verdienst Durus´gewesen, ein kluger Schritt.
    Derzeit bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Iudex, der Cicero nicht aufgrund seines Standes richtet und den Forderungen des Augustus entspricht, dies wird sich wohl noch hinziehen.


    So gern ich selbst eine Forderung erwirkt hätte, die Cicero hätte mit Leichtigkeit begleichen können, ist die Erste Anhörung leider aufgrund seiner Abwesenheit nicht gerade fruchtbar gewesen und es wird gerichtlich entschieden werden müssen.
    Aurelius Cicero, musst du wissen, war mir stets ein guter Freund gewesen und ich habe und werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihn vor der Blöße und dem Ehrverlust zu bewahren.
    Natürlich gäbe es außer dem gerichtlichen Verfahren auch die Möglichkeit, dass ich an den Augustus schreibe und ihm diesen Sachverhalt schilder, so dass wenigstens der Name deiner Gens nicht in Verruf gerät, doch dies wird dir, Aurelius Corvinus, sehr widerstreben, wenn der Imperator von der Abwesenheit deines Verwandten vor Gerichte hört. Natürlich hätte Augustus die Macht es bei einem Geldbetrag zu belassen und deinen Verwandten ins Exil zu schicken, doch es würde ein Schatten über euren Namen gelegt werden, der dir in deiner Karriere so manch einen Stein in den Weg werfen würde.
    Daher schlage ich vor, dass der Augustus nichts von der Flucht deines Verwandten erfährt, wir verhandeln und es wird im besten Falle in einer Geldstrafe enden, die auch ich gleich für ihn begleichen würde - schließlich war er ein Freund und ist noch heute ein Patrizier. Da dies nur ein Vergehen Aurelius Ciceros ist, wird die Sache vor dem Iuridicium Minor verhandelt, das heißt, dass dem sowieso keine, vielleicht nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Euer Name wäre dadurch wenigstens bewahrt.
    Sage mir, was du davon hälst.


    Aurelius Corvinus, falls es weitere Probleme mit dem Rückzug meines alten Freundes geben sollte, zögere nicht mir zu schreiben. Nicht aus Schuld, sondern aus treuer Freundschaft zu ihm und vielleicht zu einer erblühenden zu dir, werde ich mich dem gerne annehmen, sofern dein Arm von Germanien nicht nach Rom reicht. Ich weiß um seine Töchter, Corvinus, und falls sie Hilfe benötigen oder Anweisungen, zögere auch hier nicht mir zu schreiben.


    [Blockierte Grafik: http://img54.imageshack.us/img54/6429/furiaaaatransparentqz6.png]


  • Ad
    Marcus Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia, Mogontiacum
    Provincia Germania


    Flavius Aquilius suo amico Marco Corvino s.d.


    Wie lange ist es her, dass wir voneinander hörten, mein Freund? Es scheint mir eine halbe Ewigkeit vergangen, aber ein Teil dieses Empfindens liegt auch gut damit verbunden, dass ich mitnichten in Achaia weilte, wie es meine Familie und der Cultus Deorum glaubten. Vielleicht hat man Dir auch gesagt, dass ich mit Flavius Aristides aufgebrochen war, einen flüchtigen Sklaven zu fangen, der seine Tochter entführt hatte - inmitten eines heftigen Wolkenbruchs verlor ich Aristides aus den Augen und verirrte mich in einem fremden Waldgebiet. Ob der Nässe muss mich wohl ein heftiges Fieber befallen haben, an die Dinge, die nach meinem ziellosen Ritt durch den Wald geschehen sind, kann ich mich jedenfalls nur bruchstückhaft erinnern und wurde schließlich von meinem treuen Tier in Richtung des Meeres getragen, wo mich eine Fischersfamilie fand, pflegte und gesunden ließ. Da ich mich nicht an meine Herkunft entsann, nahmen sie mich als Teil der Familie auf und ließen mich in ihrer Mitte leben, als den Mann der Tochter des alten Fischers. Du wirst es sicherlich befremdlich finden, denn obwohl die Arbeit sehr hart und schwer war, die ich täglich verrichtete, fühlte ich mich nicht unzufrieden - und jene junge Frau an meiner Seite zu haben, als mein vorgebliches Eheweib, machte meine Welt vollkommen.


    Die Erinnerung kehrte jedoch erst nach einem halben Jahr wieder, und ich war da schon der Mann im Haus geworden, da der alte Fischer nicht mehr stark genug war, die Familie gegen Räuber zu verteidigen - seit einem Abend, an dem ich mir mehrere Narben im Kampf gegen dieses Banditengesindel geholt habe, kam auch mein Wissen um mein Selbst wieder, und ich kehrte in mein Leben als Patrizier zurück. Vielleicht ist der größte Hohn der gesamten Sache, dass ich Vater werde, und die Geburt meines ersten Kindes unmittelbar bevorsteht, das Kind einer peregrina, der ich einen Fischereibetrieb nahe Ostia kaufte, damit mein Nachkomme in gesicherten Verhältnissen aufwächst und sowohl diese junge Frau als auch ihr Vater keine Not leiden müssen. Wie schnell Menschen doch in der Not bereit sind zu lügen, mein Freund, dieses halbe Jahr hat mich vieles gelehrt, auch, dass in meinem Leben hier in Roma vieles fehlt, und so manches zuviel ist.


    Ich kann nur hoffen, dass Deine Zeit in Germania erquicklicher verlaufen ist als die meinige hier in Italia, und was du über Deine Liebe schreibst, scheint zumindest dieser Teil Deines Lebens erfreulicher zu verlaufen als in dem meinen. Deandra habe ich nie kennengelernt, aber ich muss nun eine gewisse Neugierde zugeben, sie dereinst an Deiner Seite zu sehen, denn eine Frau, die fähig ist, Dein Herz einzufangen, muss schon etwas besonderes sein und darob interessiert sie mich. Werde glücklich, Marcus, es wird einem im Leben nur wenig Glück geschenkt, sodass man das, was einem so von den Göttern gegeben wird, ohne einen Preis zu zahlen, festhalten sollte, so gut man kann.


    Was mein eigenes Liebesleben angeht - nun, Du wirst es Dir denken können, ich lebe nach wie vor alleine, denn meine Liebe gilt jemandem, mit dem sie niemals erfüllt werden kann, und ich kann dieses Gefühl weder ignorieren noch leugnen noch aufgeben - Du hast es schon richtig erkannt, mein Herz war nicht frei, als wir uns kennenlernten, und es wird wohl niemals frei sein, umso mehr bin ich den Göttern dafür dankbar, in Dir einen Freund gefunden zu haben. Indes, es wird mir derzeitig leider nicht möglich sein, Dich in Germania zu besuchen, auch wenn ich sehr gerne wüsste, wie Du in dieser wilden Provinz lebst und wie es dort überhaupt aussieht - ich habe hier in Roma die Ausbildung einiger discipulae übernommen und bin leider nabkömmlich, sodass unser Treffen wohl so lange warten müssen, bis Du Dich wieder nach Rom begibst, um Deine politische Karriere weiter zu verfolgen. Dann werde ich auch gerne Deine Verlobte und Deine jungen Verwandten kennenlernen - Du ahnst es vielleicht, ich bin derzeit auf der Suche nach einer passenden Braut, vielleicht finde ich sie in den Reihen einer Familie, in der ich bereits einen Freund finden durfte.


    Nach der Abreise des Kaisers in Richtung Ruhm und Ehre ist es hier in Roma still geworden, der Glanz scheint ein wenig zu fehlen, doch stört das die meisten Römer wenig, und so werden die Feiertage noch immer genossen und mit viel Prunk begangen - Du wirst feststellen, dass sich an dieser dreckigen, verhurten ewigen Stadt wenig verändert, wenn Du zurückgekehrt bist. Möge Dir Deine spärliche Freizeit die Gelegenheit zur Antwort geben, derer ich mit Freuden harren werde -


    vale.
    C' Flavius Aquilius


    ROMA, ANTE DIEM VII ID IUL DCCCLVII A.U.C. (9.7.2007/104 n.Chr.)

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