Atrium | R. Minervina & T. Helvetius Marcellus

  • Stesichoros
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    Stesichoros wies mit seinem Arm auf eine Bank am Rande. Das Atrium war groß, aber für eine Villa dieser reichen und ehrwürdigen Familie genau angemessen.


    "Ich werde die Herrin herholen. Warte hier."


    wies er den Gast unfreundlich und knapp an, um anschließend in Richtung ihres Cubiculums zu verschwinden. Er würde den Gast garantiert nicht freundlich zur Türe weisen, wenn die Herrin ihm nun eine Kopfwäsche verpasste.

  • Marcellus machte keine Umstände sich zu setzen und schaute den Sklaven nach. Anscheinend durften sich die Sklaven in diesem Hause viel herausnehmen, das würde es bei ihm im Hause nicht geben. Er kannte ein paar Methoden, wie man Sklaven Manieren beibringen konnte, ohne ihren materiellen Wert dabei zu mindern. Er schaute sich in dem weiten Raum um. Es war der typische Pomp den man bei einer Senatorenfamilie zu erwarten gedachte. Es spielte dabei keine Rolle, ob das Inventar zum Raume passtel nur teuer musste es sein, oder zumindest so aussehen. Er fragte sich ob die Dame sich eigentlih noch an ihm erinnern würde. Marcellus kannte einige wohlhabendere Frauen, dessen Gedächnis unter dem Reichtum litt.

  • Stesichoros hatte eine Kopfwäsche bekommen. Und das nicht zu knapp, aber sie hatte sich dennoch dazu bereit erklärt, den Besuch zu empfangen. Es wäre unhöflich einen Senatorensohn abzuweisen und Vitamalacus wäre sicher nicht damit einverstanden gewesen. Der Grund für ihre Unsicherheit, ob sie ihn überhaupt empfangen sollte, war recht einfach. Sie hatte sich gerade ihr Haar waschen lassen und noch war es längst nicht trocken, befand sich nur im mittleren Stadium dorthin. In einer weißen Tunika trat sie ins Atrium. Heute würde Marcellus sie recht normal gekleidet antreffen, denn sie trug nur zwei goldene Armreife, ansonsten keinen weiteren Schmuck als die teure Tunika, die am Ausschnitt mit filigranen Stickereien besetzt war.


    "Salve, Helvetius." klang ihre Stimme hinter ihm. Sie hatte sich recht leise angenähert und das nicht ohne Grund. Ein leichtes Lächeln lag ihr auf den Lippen, doch ihre Augen zeigten noch deutlich, wie unerwartet sie aus ihrer Ruhe gerissen wurde. Das dunkle Haar umrahmte ihr Gesicht in leichten Wellen, die auf Grund der Feuchte in ihnen zustande kamen. Solang ihre Haare nass waren, wiesen sie einige Locken auf. "Was führt Dich her?" fragte sie geschäftigt.

  • Marcellus hatte sie schon gehört, drehte sich aber erst bei ihrer Begrüssung um. "Salve Minervina!" Er musterte das Mädchen. Sie konnte sich noch an ihn erinnern. Entweder hatte sie generell ein gutes Gedächnis oder es lag an seine Status. Es schien so, als sei sie mit nichts wichtigem beschäftigt gewesen. "Es tut mir leid, wenn ich dich störe und dir deine Zeit raube, doch ich hatte dir ja versprochen dich einmal besuchen zu kommen!" sagte er mit ausdrucksloser Mine. Er war einfach froh, einmal das Krankenlager verlassen zu können. 'Frische Luft ist die beste Medizin' sagte der Medicus zu ihm und kam sich dabei wohl auch noch besonders witzig vor, als er Marcellus auf den Spaziergang schickte. Aber auch so wollte er das Mädchen gerne wiedersehen.

  • Als sie sein Gesicht sah, lächelten allerdings auch ihre Augen, nicht nur ihr Mund. Er sah schon viel besser aus, als an dem Tag wo sie sich das erste Mal gesehen hatten. Jeder Mensch sah besser aus, wenn er gesund war. Auch roch sie ihn heute nicht weit gegen den Wind. Seine gesamte Statur wirkte kräftiger, wohl weil er sich mittlerweile auch psychisch von dem Schlag erholt hatte. Am heutigen Tag wirkte er wirklich wie ein Vertreter der Cohortes Urbanae. Kurz entsann sie sich Iulius Constantius - ob die beiden sich wohl kannten? Sie hatte lange nichts mehr von dem Iulier gehört. "Zeit raubst du mir nicht. Sagen wir, du füllst meine Zeit aus, aber ich lebe mein Leben schließlich weiter, während wir reden." sprach sie beruhigend und setzte sich auf die Bank. Sittsam knickte sie ihre Beine ein wenig ein und stellte sie in eine schräge Lage.


    "Wie es scheint, geht's dir wieder viel besser. Sind deine Wunden wieder gut verheilt?" erkundigte sie sich endlich nach seinem Befinden. Sie hatte schon von Anfang an daran gedacht, doch es hatte einfach nicht gepasst, sofort danach zu fragen.

  • Er beobachtete jede ihrer Regungen und ertappte sich dabei, wie er ihren Körper unter 'anderen Gesichtspunkten' musterte. Anscheinend hatte sie wirklich nichts zu tun gehabt, aber wohl auch nicht mit Besuch gerechnet. "Gut genug, dass ich meinen Dienst wieder aufnehmen könnte. Aber Ärzte sind da ja immer anderer Meinung. Ich glaube Ärzte sind allesamt Sadisten. Sie quälen ihre Patienten oder besser Opfer gerne mit irgendwelchen stinkenden Getränken und klebrigen Mixturen!" Nun seine physischen Wunden waren wirklich gut verheilt, was seine seelischen Narben anging... Da war Rache die beste Medizin um eine rasche Heilung herbeizuführen. Doch seine Meinung dazu verschwieg er. Es war besser, wenn einige Dinge nur gedacht und nicht gesagt wurden. Vielleicht hatte er ja doch etwas von der senatorischen Erziehung seines Vaters behalten. Aber man musste ja auch nicht immer in die Offensive gehen. Er blickte sie an und rang sich ein Lächeln ab, während er so vor sie stand.

  • Mochte er sich bei seinen tiefergehenden Beobachten selbst ertappen, so tat sie es nicht. Sie hatte ihren Blick von ihm abgewandt und ließ ihn durch das Atrium schweifen. Aufmerksam lauschte sie seinen Worten. Er schien immer sehr sachlich zu sein und schien wenig von weiter führenden Gesprächen zu halten. Zumindest nicht mit Frauen oder Fremden, was auf sie nun in beiden Fällen zutraf. "Nun, ich denke da musst du durch. Wenn du dir schon ein Vergnügen daraus machst, auf Wegen zu liegen, musst du dich auch mit den Konsequenzen vertragen." gab sie lächelnd von sich und wandte ihren Blick wieder Helvetius Marcellus zu. Hoffentlich war er wenigstens in der Lage, ein wenig Spaß zu verstehen. Aber ihren Humor würde er sicherlich verstehen, denn schon sie war nicht besonders mit ihm erfüllt.


    "Möchtest du dich nicht setzen?" bot sie freundlich an. "Oder möchtest du lieber ein wenig in den Garten? Hier ist's ein wenig ungemütlich, finde ich." führte sie ihr Angebot ein wenig weiter aus. Sie fragte sich, in seinem Falle wohl zum ersten Mal, was für ein Mensch er wohl war. Nun da sie ihn doch ein zweites Mal sah, aren solche Überlegungen doch angebracht. Damals hatte sie ja nicht mit einem Wiedersehen gerechnet und es sich auch nicht unbedingt gewünscht. Aber jeder Mensch, war er auch noch so riechend und blutig, verdiente eine zweite Chance.

  • Er würde sicherlich nicht die Konsequenzen tragen, aber seine Peiniger. Es würde ihm ein Vergnügen sein. "Nun ich werde sicherlich die Gelegenheit haben, das mir angetahene weiterzugeben und dabei auch den ermordeten Gastwirt zu rächen. Nicht jeder Gastwirt in Rom macht sich der fahrlässigen Körperverletzung schuldig!" Auch er konnte einen Spaß machen. Im Grund genommen war ihm aber der tote Wirt egal. Ihm würde es eh nicht mehr kümmern, was nun noch geschehen würde. Der tote Wirt hatte sein Leben hinter sich gelassen und verweilte nun im Hades. Wie einer seiner Peiniger, so hoffte Marcellus. Marcellus blickte sich um. "Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich das Peristyl vorziehen. Dieser Raum wirkt recht kühl auf mich!" Ja er erinnerte ihn sogar ein wenig an das Valetudinarium. Genrell mochte Marcellus keine weiten und großen Räume in denen man sich ganz verloren vorkam. Und tief in seinem Inneren wusste Marcellus, dass er alleine war, egal mit wievielen Leuten er auch gerade zusammen war. Da musste ein großer Raum dieses Gefühl nicht auch noch bestärken. Er fühlte sich in kleineren Räumen, in der Natur oder auf den engen Strassen Roms wohler. Die weiten Sandebenen in Africa... Im Grunde hätten sie auch seine innere Einsamkeit verstärken müssen, doch aus irgendeinem Grunde war diesem nicht so gewesen. Er begann zu bereuen, dass er nach Roma gegangen war. Doch nun war er hier und sein Leben ging weiter. "Das Leben geht weiter...!" murmelte er.

  • Sie runzelte ein wenig die Stirn. Vermutlich machte er mit seinen Rachegelüsten auch nur Spaß, aber irgendwie glaubte sie, dass da noch mehr hinsteckte. Er wirkte einfach nicht wie die Art Mensch, die einfach nachgab und eine Sache auf sich beruhen ließ. Deshalb hatte er es vermutlich auch so eilig, wieder auf die Beine zu kommen. Na, ihr sollte es recht sein, wenn die Welt an Abschaum verlor. Sie würde sicherer leben, der Lebensstatus würde angehoben und er würde zu seinem Willen kommen. "Dann will ich mal hoffen, dass du deinen Rachegelüsten nachkommen kannst." erwiderte sie schmunzelnd. Hätte sie heute nicht allgemein recht gute Laune, hätte sie mit der anderen Extreme aufgewartet und ihn scharf zurechtgewiesen. Aber ihr ging es gut und so musste sie keine Laune an jemandem auslassen.


    "In Ordnung. Gehen wir in den Garten. Er ist sehr schön, wie ich finde. Er hat sowohl sehr grüne Nischen, als auch weite Flächen. Ich bin recht froh, dass wir auf dem Esquilin lieben. Rundherum haben wir viel Grün. Ich freue mich schon auf den Sommer, wenn noch die Farbvielfalt hinzukommt." erzählte sie, nachdem sie aufgestanden war und das Atrium durchschritt. Die Villa Tiberia nannte einen recht großen Garten ihr Eigen. Ihr Zimmer war zwar recht klein gehalten, aber da sie sich ohnehin recht selten dort aufhielt, nahm sie das Opfer gern in Kauf. Kaum dass sie einen Schritt nach draußen getan hatte, wurde ihr schlagartig ein wenig kühler. Ohne Stola war diese Tunika mit dieser Jahreszeit kombiniert fast noch zu kühl, aber es musste gehen. "Geh nur vor und such dir einen Ort, der dir eher behagt. Bist ja schließlich Gast." bot sie ihm lächelnd an.

  • Marcelus folgte ihr ins Peristyl, ohne auf ihre Worte einzugehen. Sein Versuch, sich an den Ermittlungen zu beteiligen wurde abgelehnt. "Es ist wirklich schön hier. Aber auch die Eintönigkeit der Wüste kann durchaus ihren Reiz haben!"
    Er war mit seinen Gedanken immer noch in Africa. Er sah sich am Rande der Stadt stehen. Hier Zivilisation, Häuser Menschen und geschäftiges Treiben. Dort nur Sand in einem warmen Braunton und darüber die Sonne. Entfernte man sich von der Stadt wurden die Stimmen, ja der Lärm leiser und man vernahm irgendwann nur noch den Wind. Ansonsten Stille. In seinen Gedanken verloren, blieb Marcellus irgendwann stehen.

  • Ihr entging nicht, dass er noch immer ziemlich wortkarg war und in ihr meldete sich leises Unbehagen. Ihr war dieses Schweigen unangenehm. Es machte ihr nichts aus, wenn sie bei mehreren Personen nicht in ein Gespräch eingebunden wurde, aber hier hatte sie mehr oder weniger die Verantwortung für ihren Gast übernommen und sie schien ihn zu langweilen. "Ich glaube, für mich wäre die Wüste nichts. Sehenswert ist sie wohl, aber sobald ich mich nicht in Sicherheit weiß, wird mir mulmig. Und über Wüstenräuber habe ich schon einiges gehört." versuchte sie abermals, ein Gespräch zu entfachen. Mit ihrer Hand strich sie sich sacht das Haar aus dem Gesicht. Sie würde sich wieder erkälten. Auch wenn der Wind sehr schwach war, so zog er doch frisch durch ihre sehr dünne Tunika und durch ihr nasses Haar.


    Mit zusammengekniffenen Augen sah sie gen Himmel. Die Wolken dort waren nicht sehr dunkel, aber dass sie die wärmende Sonne bald durchließen, war wohl auch nicht anzunehmen. Fröstelnd legte sie ihre Arme vor den Bauch und rieb sich die Oberarme. Es war nicht so, dass sie ihm ihr stark ausgeprägtes Kältegefühl demonstrieren wollte, aber es war doch fast unangenehm kalt. Vielleicht sollte sie doch eine Stola holen - oder sie sich holen lassen. "Wìelange warst du denn in der... Einöde? Verzeih, wenn ich es so nenne, aber eine Artenvielfalt hat die Wüste wohl wirklich nicht zu bieten."

  • Marcellus Augen funkelten, als sie von der Wüste zu sprechen begann. "Nun die Wüstenräuber sind wirklich nicht zu unterschätzen. Sie sind sehr gerissen. Aber dafür habe ich die Händler mit meinen Jungs begleitet!" Marcellus sah Minervina an. Anscheinend fröstelte sie. Auch ihm war nicht gerade warm aber immerhin hatte er sich wieder an das römische Klima gewöhnt. Er nahm seinen Mantel ab und hängte ihn Minervina um. "Nun wer behauptet, in der Wüste gäbe es nur Sand, der war wirklich noch nie dort. Nur macht es die Wüste einem nicht gerade leicht hinter ihren Schleier zu schauen. Aber es stimmt schon, das Leben dort ist hart!" Aber zumindest konnte man es Leben nennen, dachte er. Marcellus lächelte. "Nun auch in Africa kann es kalt werden, vor allem nachts!" Marcellus nahm den Gang wieder auf und erblickte eine grüne Ecke, die etwas abgeschieden war, aber von der man den ganzen Garten überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Er fand eine Bank vor und setzte sich, während er fort fuhr. "Ich habe dort einige Jahre verbracht, nachdem ich aus Rom fortging!" Es machte ihm auf einmal Spaß, von sich zu erzählen. Kein Wunder, tat er es doch sonst so selten. Auch wenn eine innere Stimme ihn davor warnte.

  • Schweigend lauschte sie seinen Worten. Es fiel ihr schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren, aber das war ein Fluch, der sie schon immer begleitet hatte. Ihre Gedanken drifteten immer sehr schnell in ihre eigene Vergangenheit ab und suchten nach etwas Vergleichbaren. Sofort huschten ihre Erinnerungen wieder zu den eigenen Erlebnissen mit der Kriminalität. Die beiden Toten würden vor ihrem geistigen Auge wohl immer weiterleben. Seitdem trug sie immer den Dolch bei sich, den ihr Onkel Callidus ihr damals schenkte. Allerdings so gut versteckt, dass niemand ihn sehen würde. Sie wickelte immer ein langes, dünnes Stück Stoff fest um ihren Oberschenkel und in dieses wickelte sie auch gleich die Klinge mit ein. Den Griff ließ sie stets frei. So würde niemand Waffenbesitz bei ihr vermuten und sie war doch überall geschützt, wo sie auch hinging. Nur heute trug sie ihn nicht, denn sie hatte nicht vor, das Haus zu verlassen.


    "Das Leben ist beinahe überall hart." meinte sie nachdenklich. "Und auch die Kälte der Menschen ist kaum durch die Natur zu übetreffen. Wobei ich sie mir auch mit der Zeit angeeignet habe. Anders kommt man kaum durchs Leben. Viele tanzen einem auf der Nase umher und am Schlimmsten tun es wohl die Sklaven, wenn man nicht aufpasst." fuhr sie fort und zuckte anschließend mit den Schultern. Hiernach folgte das allseits verlegene Lächeln, denn nun war sie auch mit ihren Worten und nicht nur mit den Gedanken abgeschweift. Um wieder einigermaßen zum Thema zurückzufinden, sagte sie: "Ich bin auch noch nicht lange in Rom. Ich lebte fast mein gesamtes Leben in Hispania und war auch ein Jahr in Achaia. In Rom komme ich auch auf vielleicht höchstens ein, zwei Jahre, wenn ich die gesamte Zeit zusammenrechne. Mir allerdings gefällt es hier."


    Dann schwieg sie kurz. Sie setzte sich leichtfüßig neben ihn und sah ihn aufrichtig an. Ihre folgenden Worte kamen ihr nur langsam über die Lippen, dabei auch sehr bedacht. "Du sagtest vorhin sehr leise, das Leben geht weiter. Darf ich... darf ich fragen woran du da gedacht hast? Ist dir noch etwas schlimmes wiederfahren, ich meine, werden deine Wunden nachträglich Schaden verursachen?" Ihre Stimme klang fast besorgt. Aber er hatte wirklich nicht sehr glücklich geklungen und da er auch auf seine Rache nicht weiter eingegangen war, kam dieser Verdacht in ihr auf. Sacht zog sie den Mantel noch etwas enger um die Schultern. Da diese bei ihr äußerst schmal waren, wirkte es fast, als würde sie noch mehrere Male hineinpassen. Aber er schenkte ihr Wärme.

  • Still lauschte er Minervinas Worten. Und in seinen Gedanken stimmt er ihr zu. Dennoch war ihm die Situation langsam unangenehm. Hatte er zu viel von sich preis gegeben? Er hatte gegen sein oberstes Gebot verstoßen, welches er sich selbst auferlegt hatte. 'Zeige niemanden dein Inneres, denn das ist der einzige Punkt, wo du verletzbar bist!'. Doch es war sehr unwahrscheinlich, dass diese Person vor ihm dieses Wissen gegen ihn verwenden würde. War es wirklich sehr unwahrscheinlich? Gerade die reichen Familien nutzten gerne diese Art von Quellen um ihre politischen Gegner auszuschalten. Und ein politischer Gegner war jeder in den Augen eines Politikers. Doch Marcellus war kein Politiker und von ihm dürfte für solche keine Gefahr ausgehen, es sei denn einer dieser Schmalzlocken käme ihm krumm und er würde diesem Jemand alleine auf der Strasse begegnen.
    "Ich glaube, es gibt keinen Ort, der gefährlicher ist als die Strassen Roms. Hier ist der ganze Abschaum des Imperiusm auf einen Punkt konzentriert. Es gibt keinen Ort im Imperium der gegensätzlicher sein könnte. Und die Werte, die so typisch römisch sind, findet man in Rom wohl am wenigsten!" Oh wie er diese Stadt auf seine Art haßte. Er war stolz ein Römer zu sein und bewunderte das Werk, das Rom zu dem gemacht hatte, was es heute ist. Vielleicht war seine Beziehung zu dieser Stadt eine Art Haßliebe. Tief im Inneren taten ihm die armen Schlucker die in dieser Stadt hausten leid, die von dem ganzen Prunk nichts abbekamen. Oberflächlich aber war er der festen Überzeugung, dass jeder um sich selbst zu kümmern hatte. Minervina hatte keinen Grund diese Stadt zu haßen. Sie hatte alles was sie brauchte. Aber dafür war sie gewissen Regeln und Pflichten unterworfen. Frei war sie auch nicht. Gab es überhaupt Freiheit?
    "Nun ich habe einige Dinge meines Lebens Revue passieren lassen und musste feststellen dass man die Vergangenheit nicht wiederherstellen kann. Das einzige was uns bleibt sind Erinnerungen. Wir müssen den Blick nach vorne richten!"
    Marcellus lachte. Er hatte so vieles Schlimmes erlebt. Wahrlich hatte er nicht das Leben eines Senatorensohnes gelebt.
    "Meine Wunden werden heilen. Wusstest du, dass es Zeiten gab, wo Kandidaten für Staatsämter dem Volke ihre Narben präsentierten, als Zeichen, dass sie bereit sind für Rom zu leiden? Sagen wir so, wenn dies heute noch so wäre, dann würde man mich garantiert wählen!"

  • Schweigend nickte sie, als er die Wahrheit über Rom erzählte. Rom war wirklich voller Gegensätzlichkeiten und vereinte viele Widersprüche. Und doch mochte sie es sehr gern. In Rom drohte ihr keine Gefahr, solange sie von ihrer Leibwache begleitet wurde - oder von wem anders. Tarraco war da schon anders. Dort drohte ihr der Verfall durch eine faule, plebejische Familie mit einer Mutter, die nichts von Stärke, Aufrichtigkeit und Ehre hielt. Sonst hätte sie sich nicht sobald mit dem Tod von Maximus abgefunden und sich gleich darauf mit ihrem Adoptivbruder im Bett gelümmelt. Sie merkte gar nicht, dass sie angeekelt die Nase rümpfte. Am Liebsten wäre es hier, wenn sie ihre Mutter nur noch als irgendeine Bekannte sehen könnte, aber dafür war sie zu lange mit ihr in einem Haus gewesen. Vitamalacus hatte sich in der kurzen Zeit mehr gekümmert, als ihre Mutter. Auch Claudia hatte deutlich mehr Fürsorge gezeigt.


    Sie sah vom Boden allerdings wieder auf, als er ihre Frage beantwortete. Ein leichtes Lächeln zog sich wieder auf ihr Gesicht, was noch eben sorgenvoll in der Vergangenheit blickte. "Ich weiß mich nicht zur Politik zu äußern. Als Frau habe ich recht wenig damit zu tun. Aber mein Vater ward wohl auch gewählt, weil er für Rom kämpfte und sich nicht um Hals und Kragen redete." vertraute sie ihm mit leiser Stimme an. Nun gab auch sie ein wenig von sich preis. Ihr Vater war neben Marcus wohl der einzige, größere Schwachpunkt den sie aufzuweisen hatte. Aber sie hatte ohnehin eine sehr dicke Schale und ließ sich nicht leicht überreden oder verletzen. Sie wandte ihren Blick wieder gen Boden. Sie würde alles dafür geben, wenn sie Tiberius Maximus nur noche ein einziges Mal sehen könnte. Nur ein Mal.

  • Marcellus nickte. Auch wenn sie vermutlich etwas übertrieb, denn er hatte von ihrem Vater vorher noch nie etwas gehört. "Dann muss dein Vater ein großer Mann sein!" Er musste wohl in irgendeinem Winkel des Imperiums dienen, warum sonst würde sie bei einem anderen Familienmitglied hausen. "Ich habe meinen Vater schon lange nicht mehr gesehen. Ich bin mir sicher, er dient Rom ebenso. Nur auf eine andere Art und Weise!" Auch wenn sich Marcellus wünschte, sein Vater würde auf andere Art dem Imperium dienen. Dies war ein Grund, wieso er damals fortging. Er wollte sich sein Leben nicht vorschreiben lassen. Er ließ den Blick wieder durch den Garten streifen. Wieso beschwörte dieses Mädchen so viele Erinnerungen in ihm herauf?

  • "Diente. Seine Karriere wurde im Kampf gegen die Germanen beendet, gegen welche er die Legio IX Hispania als Tribunus Laticlavius führte." fasste sie kurz zusammen. Sie hatte ihn so selten gesehen, aber in ihr herrschte mittlerweile ihr eigenes Bild von ihm. Sie hatte genug gehört, um sich dieses bilden zu können. Vielleicht war das Bild zu gut, aber eines Toten würdig, der für Rom starb. Und zu gut für Jemanden, der sich für jemanden wie ihre Mutter entschied. Na, jeder machte Fehler und ohne diesen Fehler säße sie wohl kaum jetzt hier. Mit einem Lächeln versuchte sie ihre Trauer zu überspielen, die sie bei diesen Gedanken immer übermannte.


    "Wie sagtest du gleich? Das Leben geht weiter." Dennoch wandte sie ihr Gesicht ab. Sie fürchtete schon, dass ihr Feuchtigkeit in die Augen steigen könnte und Schwächen durfte sie, schon gar nicht vor Fremden, zeigen. Also tat sie so, als würde sie sich ein wenig den Garten besehen. "Es wird auch schon wieder wärmer. Wobei ich den Sommer auf Roms Straßen nicht sehr angenehm finde. Die Kleidung klebt dann immer so an einem." versuchte sie sich in etwas heitereren Worten, was ihr, wie sie fand, auch recht gut gelang, solang man ihr Gesicht nicht dazu sah.

  • Konnte es einen schöneren Tod für einen mann geben, als in seinen besten Jahren auf dem Schlachtfeld zu sterben? Marcellus wollte nicht als alter Greis in seinen eigenen Körpersäften auf dem Sterbebett verrecken. Das war kein schöner Tod. Ihr Vater war als senatorischer Tribun. Das änderte sein Bild von ihm etwas. Senatorische Tribunen waren nur selten zu gebrauchen, weil sie keine Kämpfer waren und kaum Kontakt mit dem Militär hatten. Aber es gab sicherlich auch Ausnahmen. Marcellus hielt es jedoch angebracht, dieses Thema nicht weiter zu berühren. "Es tut mir leid, dass ich Erinnerungen in dir weckte!" Doch nichts anderes hatte sie bei ihm auch bewirkt. Doch sie begann selbst schon das Thema zu wechseln. Marcellus stand auf. In der letzten Zeit hatte er schon genügend gesessen bzw. gelegen. Bei ihren Worten betrachtete er sie. In seinen Kopf spuckte das Bild einer in weiß gehüllten nassgeschwitzten Minervina herum, was er schnell wieder verdrängte. Er hatte nie viel mit Frauen zutun gehabt. Beziehungen konnten Schwachstellen sein, die der Gegner ausnutzen konnte. "Nun, du wirst lachen, aber die Wüstenbewohner tragen gerade in der Hitze viel Stoff. Das Geheimnis dabei besteht darin, viele Lagen Stoff zu tragen. Hinzu kommt, dass die Sonne dort schnell die Haut verbrennt. Aber du hast eh gut reden, immerhin musst du keine Rüstung tragen!" Wo sie auf das Thema Hitze zu sprechen kamen viel ihm ein, dass er irgendwie Durst hatte. "Sag mal bietet man in diesem Hause Gästen keine Erfrischungen an, oder bin ich es nicht wert?" Marcellus sah sie mit seiner typischen Ausdruckslosigkeit an.

  • Sie ließ auf seine Entschuldigung hin nur ein leichtes, bestätigendes Murmeln hören. Seine Worte waren ohnehin nur rein rhetorisch gemeint, denn niemand würde sich wegen einer solchen Kleinigkeit entschuldigen. Ein Soldat schon gar nicht. Aber ihr Vater, der hatte so etwas gewiss ehrlich gemeint. Gedankenverloren blickte se auf den Boden und bekam von seinen Worten nicht einmal richtig etwas mit, bis das Stichwort >Gast< mit >Erfrischung< kombiniert, genannt wurde. Sie sah auf und man sah ihr an, dass sie unangenehm berührt war. Er hätte sich ja wenigstens etwas weniger direkt ausdrücken können. "Verzeih, doch, natürlich."


    Minervina stand rasch auf. Hier im Garten trieben sich keine Sklaven herum, die man kurz anschreien konnte. Aber genau deshalb hatte sie ja auch den Garten gewählt. Natürlich könnte sie jetzt auch selbst in die Küche gehen und eine Karaffe mit Wein füllen und diese bringen, aber wie sähe das denn vor einem Gast aus? Nein, hier verrichteten noch immer Sklaven jedwede Arbeit. Leider muste sie kurz nach einer Sklavin suchen, doch als sie diese gefunden hatte, erhielt diese sofort eine Weisung. Die junge Herrin indes machte sich wieder auf den Weg ins Atrium. Sie wusste allerdings nicht so recht, was sie mit dem Mann anfangen sollte, der ihr diesen Höflichkeitsbesuch abstattete. Irgendwie mangelte es ein wenig an Gesprächsthemen. Kurz bevor sie sich der Sitzgruppe näherte, blieb sie stehen, um kurz ihre Gedanken zu sammeln.

  • Während das Mädchen unterwegs war ihm was zu trinken zu besorgen, streifte er ein wenig durch das Peristyl. Eigentlich sollte es nur ein Test sein. Er wollte sehen, wie sie reagierte. Anscheinend hatte sie sich in ihrer Rolle eingelebt. Es wunderte ihn aber, dass in keiner Ecke des Peristyls ein Sklave stand. Er war mit ihr alleine hier. Marcellus fand, dass das Leben des Mädchens viel zu ernst war. Man hatte sie schön zwischen die gesellschaftlichen Normen gepresst und sie machte anscheinend keinen Versuch auszubrechen. Er hatte es damals, als er noch ein Kind in dem Hause seines Vaters war, nicht ausgehalten. Aber nun war er wieder hier und seine Kindheit schien ihn einzuholen. Bisher hatte er sich vor einem Wiedersehen mit seinem Vater gedrückt. Ob er wusste, dass Marcellus wieder in der Stadt war? Sicherlich würde er das wissen. Ob er seinen Sohn überhaupt wiedersehen wollte? Immerhin hatte er noch nicht den Versuch unternommen... Marcellus spürte einen Schmerz der ihn aus den Gedanken in die Realität zurückholte. Er blickte an sich herunter und musste feststellen, dass seine Hände zu Fäusten zusammengepresst waren.

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