• Der Posten des Statthalters von Germanien, Befehlshaber über die wohl größte Armee des Reiches, und einer der weniger wichtigen Punkte der Karriere? Valerian wußte zuwenig über den Mann. Im Grunde nur dies. Was mußte er sonst noch vollbracht haben, wenn dies so unwichtig war!


    "Du warst bei diesem Aufstand dabei? Ich weiß so gut wie nichts darüber. Was ist da eigentlich genau vorgefallen?" Außer ein paar sehr vagen Gerüchten, die er nebenbei auf dem Forum aufgeschnappt hatte, wußte er nichts "Das war in Corduba, nicht wahr?"

  • "In Corduba? Nein, da war ich hier in Rom und diente als Verbindungsoffizier zwischen Imperator Iulianus und den praetorianischen Truppen die unter Caecilius Crassus in Hispania war." sagte er.


    "Der Aufstand den ich meine, ist schon eine halbe Ewigkeit her. Damals stand noch die Legio IX in Tarraco. Ein Iberer, Sertorius, hatte damals eine riesige Armee um sich geschart und forderte Rom heraus. Ich war damals noch ein junger Legionarius."

  • "Oh, dann ist das also noch länger her. Entschuldige, dann habe ich das verwechselt. Es hört sich nach einem regelrechten Krieg an. Mit solchen Erfahrungen kann ich - eigentlich zum Glück - nicht aufwarten. Die einzigen Kämpfe, in die ich bisher verwickelt wurde, waren gegen Banditen gerichtet." Was nicht hieß, daß es ein Kinderspiel gewesen wäre.


    Es war schon nicht so einfach, sich Balbus als kleinen Legionarius vorzustellen.

  • "Decimus Meridius hat sich damals seinen Triumphzug verdient. Also kann man es durchaus als Krieg bezeichnen." stimmte er leicht nickend zu.


    "Auch für dich werden noch grössere Kämpfe folgen, glaub mir. Wobei du bei den Praetorianern leider viel zu oft dein Gladius wirst nutzen müssen um römisches Blut zu vergiessen."

  • Ja, ein Triumph wurde einem nicht für nichts gewährt. Valerian nickte, das mußte eine große Sache gewesen sein. Und er war sich nicht sicher, ob er Balbus darum beneidete, dabei gewesen zu sein. Natürlich, es war die Aufgabe von Soldaten, mit dem Gladius für Sicherheit im Reich zu sorgen. Doch deswegen mußte man ja nicht gerne töten. Man tat es, wenn es nötig war, mehr nicht.


    "Ja, das ist die große Schattenseite des Praetorianerdaseins: Römisches Blut vergießen zu müssen. Doch wenn Römer sich gegen ihren Kaiser wenden, dann ist es nun einmal unumgänglich, ihr Blut zu vergießen. Ich habe noch nie mein Schwert ernsthaft gegen einen Römer erhoben. Und es wird mir sicher auch nicht leichtfallen, wenn es eines Tages soweit kommt. Doch zögern werde ich gewiß nicht."


    Er erinnerte sich an den ersten Mann, den er getötet hatte. Damals in Germanien auf dem Übungsmarsch. Er war noch Probatus gewesen. Und die Situation war wirklich nicht ungefährlich gewesen. Er hatte nicht gezögert, nicht eine Sekunde. Das Denken hatte erst viel später eingesetzt, ihm Alpträume und Übelkeit beschert. Es war ihm wahrhaftig nicht gefallen, zu töten. Doch seit damals wußte er, daß er nicht zögerte, wenn eine brenzlige Situation über ihm hereinbrach. Und das hatte sich auch später wieder erwiesen, als es gegen die Banditen gegangen war.


    "Warst Du schon in der Situation, römisches Blut vergießen zu müssen?", fragte er schließlich seinen Patron.

  • "Das hört man gern. Ein Zögern bedeutet meist den Tod und es wäre mehr als schade um dich." sagte er.


    Er trank etwas Wein, bevor er fortfuhr.


    "Ein oder zwei Mal während kleinerer Unruhen hier in der Stadt und bei kleineren Operationen gehen Verräter. Grössere Mengen sind mir bisher erspart geblieben und darüber bin ich auch froh. Denn wenn Römer römisches Blut in grossen Mengen vergiessen, dann kann das nur Bürgerkrieg bedeuten."
    Und das war das letzte was er sich wünschte, auch wenn er sich sicher war, dass Rom derzeit auf genau so einen zusteuerte.

  • "Bürgerkrieg", wiederholte Valerian leise. Er hoffte nicht, daß er einen solchen je erleben würde. Doch er war auch nicht dumm, er sah, was vorging. Der Kaiser war sehr krank, wer wüßte das besser als einer der Männer, die Stunde um Stunde vor der Tür standen, hinter der der Kaiser sich aufhielt? Was würde geschehen, wenn er sterben würde? Was hoffentlich die Götter verhindern würden! Es war noch kein Nachfolger bestimmt. Und selbst wenn Valerianus einen solchen bestimmte, so hatte dieser gewiß noch nicht den Rückhalt, den Valerianus selbst hatte. Ein Bürgerkrieg war dann mehr als wahrscheinlich.


    "Wie schätzt Du eigentlich den Gesundheitszustand des Kaisers ein? Sein Husten klingt mehr als übel, finde ich." Er hoffte natürlich, daß Valerianus bald gesund werden würde. Doch immer wenn er den Kaiser husten hörte, und das war oft, mußte er sich zu dieser Hoffnung fast zwingen. "Ich werde ein Opfer bringen für ihn. Vielleicht können die Götter ihm ja helfen." Nur ob sein kleines Opfer für einen so gewaltigen Wunsch ausreichen würde? Für ein großes reichten seine Mittel nicht, also mußte es erstmal ein kleines tun.

  • Der Gesundheitszustand des Kaisers war ein heikles Thema. Obwohl ganz Rom mehr oder weniger darüber Bescheid wusste, dass es um des Kaisers Gesundheit nicht zum Besten stand, wusste so gut wie niemand etwas genaues. So auch Balbus nicht, was ihn zu einem leichten Kopfschütteln verleitete.


    "Ich weiss nichts genaueres, da solche Informationen innerhalb der Mauern des Palastes bleiben und besser gehütet werden als der Staatsschatz, aber als ich ihn das letzte Mal direkt gesehen habe, wirkte er auf mich als würde er sich langsam wieder ein wenig erholen." Das war eine glatte Lüge, aber es klang bei weitem besser als das, was Balbus tatsächlich befürchtete.

  • "Ich hatte Wachdienst vor seinem officium. Er hat schlimm gehustet und manchmal Minuten gebraucht, um sich wieder zu fangen. Ich ... habe mit niemandem darüber gesprochen und werde es auch nicht. Es ist sicher gut, wenn die Menschen glauben, er wäre auf dem Weg der Besserung. Aber... ich finde das alles sehr besorgniserregend. Kann man seinen Ärzten denn wirklich vertrauen? Haben sie wirklich alles versucht?" Bestimmt waren die Ärzte doch von den Praetorianern überprüft worden, anders konnte sich Valerian das gar nicht vorstellen.

  • Das war keine ganz klare Antwort, vermutlich wußte Balbus auch nichts genaues über die Ärzte. "Dann bleibt uns nichts als abzuwarten und die Götter um Hilfe zu bitten." Valerian nahm noch einen Schluck aus seinem Becher. Wenn Valerianus starb, würde es drunter und drüber gehen in Rom. Und eine Menge Blut würde fließen. Und wo würde er stehen? Hinter dem Praefecten, das war eigentlich keine Frage. Doch wo würde der stehen?

  • Balbus nickte und biss, nach kurzem Zögern, in ein Stück Brot, das er zuvor mit etwas Käse belegt hatte.


    "Ich bin sicher, dass die Götter sich um seine Gesundheit kümmern werden. Denn sie werden uns ja nicht so kurz hintereinander zwei Kaiser nehmen. Das folgende Chaos kann nicht in ihrem Interesse sein." Irgendwelche Priester hätten ihm in diesem Moment vermutlich widersprochen, doch zum Glück war ja keiner von denen hier.


    "Aber lass uns über etwas anderes sprechen. Du erwähntest vorhin eine Schwester, die nicht in Rom weilt? Darf ich fragen, wo sie stattdessen ist?"

  • Auch Valerian war sich da nicht so sicher. Und das, ohne Priester zu sein. Es gab einfach zu viele Geschichten, in denen schlimme Dinge passierten, weil die Götter einem Helden den Weg bereiten wollten. Oder eben jemand anderer gerade ihr Wohlwollen besaß. Manchmal sogar, weil sie sich einfach langweilten. Nicht, daß er wagen würde, Kritik an ihnen zu üben, doch er wußte einfach, daß man auf alles gefaßt sein mußte.


    "Sie lebt in Mogontiacum. Sie hat ihre Wohnung hier in Rom aufgegeben, um mir nach Germanien zu folgen. Es gibt praktisch nur noch uns beide. Ein paar Familienmitglieder sind verschollen, wir müssen wohl davon ausgehen, daß sie tot sind. Sie war hier ganz allein. Und nun ist sie dort ganz allein. Jedenfalls überlegt Valentina, auch nach Rom zurückzukehren, doch sie ist sich noch nicht sicher. Ich habe für sie sogar schon eine Wohnung. Oder genauer ein Zimmer in einer Pension in gutem Hause. Da wäre sie dann auch nicht so allein. Ich hoffe, sie entschließt sich, herzukommen. So könnte ich sie wenigstens ab und an sehen. Ja... und natürlich bin ich ihr Vormund. Auch in der Beziehung wäre es besser, wenn sie hier wäre. Doch sie ist ein Sturkopf und würde sich von mir nicht vorschreiben lassen, wo sie wohnen soll. Ich würde das auch nicht wollen. Sie soll da leben, wo sie glücklich ist. Natürlich hoffe ich auch, sie bald gut verheiraten zu können." Dann müßte er sich keine Sorgen mehr um sie und ihren Lebensunterhalt machen.

  • Balbus lauschte interessiert, was von einigen Schlücken aus seinem Becher begleitet wurde.


    "Germania ist tatsächlich nicht unbedingt eine Provinz in der ich eine junge Dame aus gutem Hause allein lassen würde. Du tust gut daran, sie in ihrem Vorhaben zurückzukehren zu bestärken." sagte er.


    "Ein Zimmer in einer Pension? Ich hoffe du hast dir nichts überteuertes aufschwatzen lassen." Immerhin wusste Balbus nur zu gut um die finanziellen Mittel die einem einfachen Miles zur Verfügung standen, sofern er nicht aus einem grossen Familienvermögen unterstützung bekam.

  • Valerian nickte. Ja, Germanien war absolut nicht die richtige Provinz dafür. "Ich habe in der Villa Sergia ein Zimmer für sie gefunden. Und mit 40 Sesterzen im Monat sogar gut erschwinglich. Wobei ich allerdings glaube, daß Sergia Severa mir da einen absoluten Freundschaftspreis gemacht hat. Sie war wirklich sehr freundlich und hat sogar angeboten, meine Schwester kostenlos aufzunehmen, bis sie eine Tätigkeit gefunden hat, die ihr ein eigenes Einkommen sichert. Nicht, daß ich vorhätte, dieses überaus großzügige Angebot anzunehmen, doch ich fand es ausgesprochen entgegenkommend von ihr." Und nicht zuletzt war Sergia Severa eine überaus anziehende Frau, deren Lächeln einen Mann um den Verstand bringen konnte. Doch das gehörte natürlich nicht hierher.

  • "Villa Sergia. Tatsächlich ein recht gutes Haus." kommentierte er. "Und der Preis scheint tatsächlich recht erschwinglich, doch mahne ich dich zur Vorsicht, denn man weiss bei diesen alten Familien nie, was sie vorhaben."


    "Vor allem bei den Familien von Verschwörern." fügte er leise hinzu.

  • Valerian blickte sichtlich verwirrt drein. "Verschwörer? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß Sergia Severa eine Verschwörerin sein soll. Aber so oder so hätte sie doch gar nichts davon, meine Schwester zu beherbergen. Denn ich würde nicht mal meiner Schwester Zutritt zum Palast gewähren, wenn sie dort nicht einen offiziellen Termin hätte." Er konnte es gar nicht glauben. Severa eine Verschwörerin?


    "Darf ich fragen, was vorgefallen ist? Inwiefern haben die Sergia sich der Verschwörung schuldig gemacht?" Das war eine wichtige und interessante Frage.

  • Na da schien aber jemand entweder einen schlechten Privatlehrer gehabt zu haben, oder aber bei dessen Unterricht nur unzureichend aufgepasst zu haben. Aber das machte ja nichts. Balbus schmunzelte einen kurzen Moment.


    "Catilina. Es natürlich schon eine Ewigkeit her, doch man weiss ja, dass sowas in einer Familie manchmal von einer Generation weiter gereicht wird. Du weisst doch sicherlich von Catilinas Verschwörung?"

  • "Catilina!" Natürlich konnte Valerian damit etwas anfangen, gar so schlecht war seine Bildung nun auch wieder nicht. "Aber das war doch noch zu Zeiten der Republik. Ich meine, viele Familien haben doch ihre Einstellung geändert, seit dem Ende der Republik. Gezwungenermaßen allerdings." Er grinste ein wenig schief. "Aber war Sertius Catilina nicht sogar ein Patrizier? Die Sergia, mit denen ich es zu tun hatte, sind Plebeier. Vermutlich haben sie mit ihm ungefähr so viel zu tun wie ich mit dem unglückseligen Quintilius Varus, der vor hundert Jahren in Germanien drei Legionen und einige Hilfstruppen ins Verderben führte." Außer dem gemeinsamen Gensnamen hatte Valerian nämlich gar nichts mit Varus zu tun. Selbst die gemeinsamen Vorfahren waren in grauer Vorzeit zu suchen. "Gibt es denn aus aktuellerer Zeit Hinweise, daß die Sergia nicht treu zum Kaiser und zum römischen Reich stehen?"

  • "Ob zu Zeiten der Republik oder zu heutigen Zeiten, eine Familie die einmal verräterische Tendenzen gezeigt hat, die ist meiner Meinung nach stets zu verdächtigen. Was die Sergier von heute angeht, so handelt es sich um Nachkommen eben jener patrizischer Sergier."


    "Aber sei beruhigt, derzeit scheint es keine akuten Hinweise zu geben."

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