Seiana musterte den Duccius unauffällig, als sie eintrat. Für römische Verhältnisse war seine Aufmachung... nun, zurückhaltend. Noch schlichter als die ihre, was Seiana selten geschah. Aber wenn sie an die paar Mal dachte, die sie den Duccier bisher gesehen hatte, dann war er stets schlicht gekleidet gewesen – mehr noch wenn man ihn verglich damit, wie manche Römer gerne auftraten.
Ebenso wie sie ihn musterte, betrachtete er sie, nur offenbar nicht in dem Bemühen, unauffällig zu sein – in jedem Fall war es zu sehen, wie sein Blick über sie glitt. Dann allerdings machte er den Mund auf, und er schaffte, was er bisher noch annähernd jedes Mal geschafft hatte bei ihr: er verwirrte sie. Sie hatte geglaubt, einigermaßen vorbereitet zu sein für diesen Abend, für ihr Gespräch, sie hatte ihr letztes im Park als Grundlage genommen, die Wortgewandtheit, die er dort bewiesen hatte, die lässige Selbstverständlichkeit, mit der er sich zu ihr gesetzt, ein Gespräch begonnen hatte, ohne allzu sehr auf den anwesenden Octavius zu achten. Sie hatte sich darauf eingestellt. Nicht darauf, dass ihr Anblick ihn nun stottern ließ. Nicht darauf, dass er beinahe verlegen wirkte. Sie lächelte leicht und bemühte sich, souverän zu wirken, als sei sie Komplimente oder Reaktionen dieser Art gewohnt, aber sie konnte nicht verhindern, dass in ihre Wangen eine leichte Röte stieg, oder dass sie den Blick kurz von seinem abwandte. Immerhin widerstand sie jedoch erneut der Versuchung, an ihrer Aufmachung zu zupfen oder sie glatt zu streichen, die in Bezug auf Schmuck und Pomp nicht mithalten konnte mit dem, was ihre Geschlechtsgenossinnen gerne zur Schau stellten. Aber vielleicht war es ja gerade das, was ihm gefiel – was durchaus logisch schien, betrachtete sie wie schlicht er selbst gekleidet war. „Du bringst mich in Verlegenheit, Duccius“, konterte sie auf die Komplimente. Eine Standardantwort war besser als gar keine, fand sie, auch wenn sie sich selbst etwas... einfallslos fand. „Sicher... Danke.“ Seiana nahm Platz, während ihre Sklaven draußen vor der verschlossenen Tür blieben und sich auf eine Wartezeit einrichteten. Sie nickte erneut, als der Duccier das Mitbringsel öffnete. „Ich hoffe, es gefällt dir.“ Das hoffte sie wirklich, und er machte auch einen entsprechenden Eindruck, was sie freute. Seiana war schon immer schlecht darin gewesen, sich angemessene Geschenke oder Mitbringsel auszudenken. Und was brachte man schon mit, wenn man zum Essen eingeladen war und von dem Gastgeber nicht viel mehr wusste, als dass er durchaus wortgewandt war und Interesse an Literatur dieser Art hatte – wenn man seine Teilnahme am Cursus zugrunde legte? Und da Bücher in ihren Augen etwas waren, das man immer gebrauchen konnte, sie zudem über einen entsprechenden Handel verfügte, lag es nahe, ein Buch zu verschenken.
Bei seinen nächsten Worten verzogen sich ihre Lippen zu einem ihrer seltenen ehrlichen Lächeln. Dass sie nun Auctrix war, war immer noch etwas, das sie mit etwas Unglauben, vor allem aber auch mit Stolz und Freude erfüllte. Auch wenn die Herausforderung, die dieser Posten darstellte, sie hin und wieder zweifeln ließ, ob sie geeignet war. „Nun... wir werden sehen, ob ich der Verantwortung auch gewachsen bin, die der Senat mir damit übertragen hat. Über einen Mangel an Beschäftigung werde ich mich zumindest ebenso wenig wie du beklagen können, denke ich.“