Serenus ahnte langsam, daß dies der neue Hauslehrer sein sollte. Das wäre dann Nummer 1 in Roma und Nummer 8 insgesamt, wobei zwei ja bedauerliche Unfälle erlitten hatten. Da konnte er nichts dafür.
Beide waren sie sehr böse zu Serenus gewesen und hatten ihn geschlagen. Einer hatte sich danach so dafür geschähmt, daß er im Beisein von Polarus, dem riesigen Leibwächter und Gladiator vom Oma, freiwillig über die Klippen von Baiae gesprungen war. Dummerweise war gerade Ebbe und so war er unsanft unten auf den Steinen aufgeschlagen.
Der andere war von Agrippa, dem Vater seines jetzigen Hundes Nero, erledigt worden. Dabei hatte der Kampfhund nach dem ersten Hieb noch ganz laut als Warnung geknurrt. Als der Lehrer dann ein zweites Mal zuschlag, hatte Agrippa ihn angesprungen und ihm die Kehle durchgebissen, bevor Serenus oder seine Amme Poppea dem Hund Einhalt gebieten konnten. Na ja, das hätte ohnehin wenig gebracht, denn der hörte hauptsächlich auf Oma und Polarus und auf Serenus nur, wenn er wollte. Oma war danach sehr, sehr böse gewesen. Natürlich nicht auf den Hund, sondern auf den Umstand, daß der Hauslehrer mit durchbissener Kehle durch die halbe Villa lief und alles mit Blut vollsaute. Er hatte keine Ahnung was aus dem Lehrer wurde, aber danach hatte Polarus immer auf Serenus bei den Unterrichtsstunden aufgepasst und der Familienhund war in der Zeit bei Oma gewesen.
Der Grieche da, dieser Theodorus, hatte Angst vor seinem kleinen Hund. Solche Leute waren Serenus schon mal suspekt. In der Villa hatte keiner Angst vor seinem Hund. Weder Tante Leontia, noch Onkel Gracchus, ja nicht mal seine Schwester Arrecina. Der ein oder andere konnte Nero nicht sonderlich leiden, aber die waren bestimmt nur neidisch, weil sie keinen so tollen Hund hatten. Und immer wieder fanden sich alte Sandalen edler Machart zum Apportieren, ohne daß jemand Anstoss daran nahm, wenn Nero damit auftauchte und ihnen was fehlte.
Andererseits schien der Grieche hartnäckig zu sein und gab nicht gleich auf. Das sprach ja wieder für ihn. Ein echter Römer stellt sich jeder Herausforderung hatte Papa immer gesagt. Das schien sich der Grieche auch zu Herzen zu nehmen und wollte den Posten unbedingt haben. Oder er brauchte dringend Geld. Ja, Taschengeldsorgen konnte Serenus auch gut verstehen. So ein kleiner Löwe als nächste Wunschanschaffung bei ihm war teuer.
“Moment! Ich gehen nur mal ganz schnell meine Lyra holen.”
Und schon war Serenus aus dem Officium, sprintete in sein Cubiculum, schnappte seine Lyra und war wieder zurück, bevor der Grieche "Theodoros, Sohn des Iosephos von Alexandria", sagen konnte. Gut, daß das Officum nahe bei dem Cubiculum von Serenus lag.
Zeit dem Griechen mal richtig auf den Zahn zu fühlen. Zuerst etwas die Gemüter beruhigen und dann zuschlagen. Serenus lächelte seinen Onkel verschwörerisch an. Na ja, es war eher das bösartige Lächeln eines Neunjährigen.
*Schrumm*Schrumm*Schrumm* erklang das Instrument. Dann erhob Serenus seine helle, klare Stimme (der Stimmbruch ließ noch auf sich warten).
*
Nun sag´, mein Freund, siehst du denn nicht
den Federkiel mich führen?
Graziös geschwungen ist´s Gedicht;
zum Höchsten soll´s mich küren.
Nun sag´, nun sag´, es nagt an mir -
ich fühl´ mich gar geschoren.
Die Hitze peitscht mich wie ein Tier,
und sengt an meinen Ohren!
Vom Marmorthron erheb´ ich mich,
und schweb´ zu jenem Meere,
das züngelnd rot den Blüten glich,
die ich als Dichter ehre.
Nun sag´, mein Freund, wie stell´ ichs dar,
kann ich den Geist erfassen?
Das Feuer rät zur Eile gar;
es frisst sich durch die Massen.
Nun sag´, erzähl´, ich halt´s nicht aus -
die Leier soll erklingen.
So brennt bereits doch jedes Haus,
was magst du sie nicht zwingen!
Es knarzt, es ächzt, es tanzen sie,
die Flammen schaffen Leben.
Was sagst du nichts! Die Poesie
hat dir dies doch gegeben."
*Schrumm*Schrumm*Schrumm*
So! Zeit für den Gnadenstoss!
*Schrumm*Schrumm*Schrumm**Schrammel*Schrammel*Schrammel*
“OH Roma du stehst in Flammen!
OH liebliches Feuer!"
Schrumm*Schrumm*Schrammel*Schrammel*
"OH Flammen in der Nacht!
Brenne oh brenne mein Roma,
damit Nero dich neu erschafft!"
*Schrammel*Schrammel*Schrumm*
OH Meer der Flammen! Oh welch Schönheit in dieser Nacht!
Roma du herrliche Stadt, für die Götter bist du gemacht!”
*Schrumm*Schrumm*Schrumm**Schrammel*Schrammel*Schrammel*
Vor der Tür begann der Hund zu heulen. Serenus stoppte seinen Gesang. Der Grieche wirkte irgendwie etwas blass ... und geschockt. Und er schien zu wanken. Serenus wandte sich an seinen Onkel Gracchus.
“Onkel Gracchus! Theodoros von Alexandria scheint hart im Nehmen zu sein. Er ist nicht weggelaufen. Ich denke der ist gut, den nehmen wir, auch wenn er so sonderbar spricht. Aber erst einmal nur zur Probe. Und es wäre schön, wenn wir nicht nur Homer lesen würden. Den durfte ich schon ganz oft lesen ... zweimal. Als ob die nur Homer kennen und noch nie etwas von “Sklave Gaius ist der Beste” gehört haben. Und Philosophie möchte ich nur, wenn ich darüber auch laut streiten darf. Und nicht nur immer die Meinung haben muß, die der Lehrer hat. Dann ist Philosophie doof. Ganz besonders mag ich Geographie. Soll ich noch einmal singen um seine Hartnäckigkeit für dich weiter zu prüfen?”
Onkel Gracchus! Den nehmen wir! Die Beiträge könnten anstrengend zu werden, also bitte nicht mehr als 3 Unterrichtseinheiten die Woche. Dein Lieblingsneffe Lucius.