Ob des herrlichen Sonnenwetters hatte Gracchus seine Arbeit hinaus in das Peristyl verlagert. Die Sklaven hatten einen schweren Holztisch zum Säulengang transportiert und zwei kleine, marmorne Büsten der flavischen Kaiser dienten dazu, die losen Pergament- und Papyrusblätter zu beschweren, auf dass der leichte Wind, welcher ab und an durch den Garten wehte, sie nicht hinfort trug. Die Aufgaben des Decemvir litibus iucandis hatten mittlerweile eine Art Routine hervorgebracht: Sciurus besorgte die Listen mit den Namen der Verstorbenen, sodann holte er die Information bezüglich der Erbmasse ein und besorgte zudem die passenden Stammbäume. Gracchus selbst ließ es sich schließlich nicht nehmen, das Vorhandensein etwaiger Testamente im Tempel der Vesta selbst zu überprüfen, denn dies brachte ihn doch meist die Gelegenheit seine Schwester Agrippina, die Virgo Vestalis Maxima, zu sehen. Im Anschluss musste er nur noch die Testamente prüfen, die berechtigten Erben bestimmen, die Aufteilung der Erbmasse festsetzen und schlussendlich seinem Sklaven diktieren, welche Briefe mit welchem Inhalt an wen zu versenden waren. Gracchus setzte ein kleins Kreuz hinter den Namen Sextus Germanicus Sollianus, lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen und sog den verführerischen Duft nach Frühling tief durch die Nase ein. Frühling - welch erhabeneres Gefühl - abgesehen vielleicht von Sommer - konnte einen Mann durchströmen, konnte jede Pore seines Körpers, jede Ader unter seiner Haut erfüllen, gleichsam so profan und doch so unendlich angefüllt mit Reinheit? Der Frühling war es, welcher die Welt um die Menschheit herum erblühen ließ, er war es, in dem Hades die Proserpina aus den Tiefen der Dunkelheit entließ, Ceres ihre Tochter in Empfang nahm und die Welt darum so reichlich beschenkte. Gracchus sehnte sich danach, die Natur in sich aufzunehmen, ihre verführerische Schönheit mit allen Sinnen zu schmecken, sich ihren süßlichen Geschmack durch die Nase zu ziehen, ihren vollkommenen Duft auf der Haut zu spüren und ihren frischen Hauch vor Augen zu sehen. Langsam hob und senkte sich seine Brust während er ein und aus atmete und dem sinnlichen Klang des Vogelgezwitschers lauschte. Gleich den Sirenen rief es ihn, weckte es in ihm die Sehnsucht nach Verborgenem, nach Verbotenem. Wie lange war es her, dass er nicht nur einen Körper genommen, dass er nicht nur einen Körper begehrt, sondern gleichzeitig die Begierde, das lodernde Feuer der Leidenschaft an seinem Gegenüber erahnte? Er sehnte sich danach, begehrt zu werden, liebkost zu werden, und obwohl Sciurus es wohl verstand seine Gier zu wecken und seine Gier zu befriedigen, so war er doch mitnichten gleich dem alten, so ließ er doch nur geschehen, konnte er doch selbst nichts empfinden. Selbst Antonia, gerade Antonia, war nur magerer Ersatz, denn eher würde das goldene Himmelsfeuer erlöschen, als dass sie würde etwas für ihn empfinden, als dass sie ihn würde begehren. Von solcherlei Gedanken zurück in die Tristesse des Alltags geworfen öffnete er seine Augen wieder und blinzelte in die warmen Strahlen der Sonne. Trotz Antonia gab es wahrlich wenig erhabeneres als den Frühling, und auch die triste Arbeit der Testamentsvollstreckung konnte daran nichts ändern. So widmete er sich dem nächsten Namen auf der Liste, Marcus Annaeus Metellus, dessen Testament ihm vorlag. Bei genauer Prüfung jedoch stellte sich heraus, dass jenes Testament ohnehin nichtig war, da der junge Mann augenscheinlich nicht aus der Patria Potestas entlassen worden war. Welch überaus unnütze Angelegenheit. Gracchus setzte ein weiteres Kreuz und stockte, als er den nächsten Namen auf seiner langen Liste las. Unmerklich begannen seine Hände zu zittern, als er die familiären Verhältnisse prüfte und nach den Vermögenswerten griff, doch schließlich stockte er, zog eine Augenbraue in die Höhe, blickte noch einmal genau auf die Tabula und rief seinen Sklaven herbei.
"Bist du sicher, dass diese Werte korrekt sind?"
Sciurus, sein Leibdiener, nickte. "Ich habe sie doppelt geprüft."
"Hole Antonia. Spute dich und sage ihr, es ist wichtig."
Peristyl | Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
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Sciurius suchte und fand Antonia - wie immer - in ihrem Cubiculum.
Pflichtschuldig war sie dem Sklaven bis ins Peristyl gefolgt, sich fragend, was ihr Gatte von ihr wollen konnte.
Fast beschämt verschränkt sie nach wenigen Schritten die Arme vor ihrem Bauch, denn auch bei der zweiten 'Zusammenkunft' mit Gracchus hat sie es nicht geschafft, schwanger zu werden.Da der Sklave ihr nicht gesagt hat, warum genau ihr Mann sie sehen will, nimmt sie an, es stünde einmal wieder eine Familienfeier an, auf der sie zu erscheinen hatte. Oder zumindest etwas in dieser Art.
Salve Manius., grüßt sie, als sie den ersten Schritt ins Peristyl setzt. Du wolltest mich sprechen? -
Sofort eilte ein Sklave herbei und stellte Antonia einen Korbstuhl zurecht.
"Bitte setze dich, Antonia."
Die Hände vor sich ineinander verschränkend wartete Gracchus darauf, dass seine Ehefrau dies getan hatte. Er lehnte sich auf seinem eigenen Stuhl zurück und betrachtete sie einen Augenblick lang. Unzweifelhaft, ihre Schönheit blühte mit jedem Tag mehr auf und erfüllte ihn mit einer gewissen Zufriedenheit, doch eines Tages würde dies sich umkehren und was blieb dann?
"Du musst wissen, manches mal bringt die Aufgabe als Decemvir litibus iucandis überaus unangenehme Aufgaben mit sich, denn nicht immer wissen jene, welchen ein Erbe zusteht bereits vom Verscheiden ihrer Verwandten. Nun, für gewöhnlich sende ich briefliche Nachrichten, doch wir beide kommunizieren ohnehin viel zu selten, nicht wahr? Ich muss dich deplorablerweise darüber informieren, dass dein durch deinen Vater angenommener Bruder Imperiosus Iulianus verstorben ist. Über die näheren Umstände kann ich dir augenblicklich nichts weiter sagen, ich erfuhr es selbst eben erst aus der Liste der Lectio."
Da jener Mann ein plebeischer Iulier gewesen war, welcher auf abstruseste Weise seinen Weg in die patrizische Claudia gefunden hatte, und Antonia ohnehin nicht in sehr innigem Verhältnis zu ihm gestanden hatte, erwartete Gracchus keine Tränen, weswegen sich sein Feingefühl ebenfalls in Grenzen hielt. Womöglich war es sogar besser so, denn somit war der Makel der Adoption getilgt. Doch längst waren nicht alle Makel der Claudia ausgelöscht, wie Gracchus bei einem Blick auf seine Notizen nur wieder allzu bewusst wurde. -
In einer fließenden Bewegung lässt Antonia sich auf den bereitgestellten Korbstuhl sinken. Eine gewisse Neugier, warum ihr Gatte es so spannend machen möchte, kann die Claudia nicht verhehlen und so lauscht sie aufmerksam den folgenden Worten.
Als Gracchus schließlich geendet hat folgt eine kurze Zeit der stille. Weniger aus Schock, mehr aus Verwunderung.
Imperiosus?, fragt sie nach, während es in ihrem Kopf angestrengt arbeitet. Imperiosus Iulianus? Ihr Bruder?
Ah.. , ein Geistesblitz rettet sie aus der Irritation. Ja.. äh.. mein Adoptivbruder.
Angesichts der Tatsache, dass sie diesen Mann nur auf diversen Feierlichkeiten gesehen hat, kann sie sich kaum an ein Gesicht erinnern. Lediglich der familiäre Aufruhr, als ihr Vater einen Plebejer adoptierte ist ihr noch gut im Gedächtnis.
Da sie mit ihrem Gegenüber schon selbst so manche Scharade gespielt hat, hält sie es für unnötig, übermäßige Trauer zu heucheln. Stattdessen blickt sie fest in die Augen ihres Mannes und nickt.
Dann danke ich dir, dass du mich umgehend benachrichtigt hast, Manius.
Auf den nur rar stattfindenden Informationsaustausch zwischen den Eheleuten geht die Claudia gar nicht weiter ein. Zu unwahrscheinlich scheint ihr, dass sich Gracchus nach einer kurzweiligen Unterhaltung mit ihr sehnte. Geschweigedenn, dass sie selbst dem anklagenden Blick, der zweifellos auftauchen würde, standhalten könnte. -
Ihre mangelnde Bestürzung verwunderte Gracchus nicht weiter, doch die Nachricht über den Tod des Iulianus war immerhin nicht die eigentlich deplorable Angelegenheit gewesen. Viel unangenehmer war nun die Erbschaftsangelegenheit.
"Da dein Bruder keine testamentarische Verfügung hinterlassen hat, greift die gesetzliche Erbfolge und sein Besitz geht in diesem Falle an die gradnächsten Agnaten, respektive seine Geschwister über, von welchen einzig du noch geblieben bist. Du findest die gesamte Erbmasse aufgelistet auf dieser Tabula."
Er brachte es nicht über sich, auszusprechen, dass kein nennenwertes Vermögen, kein Landbesitz, keine Waren und keine Betriebe hinterlassen worden waren, und er presste die Kiefer aufeinander, um sein Innerstes aus seinem Antlitz zu halten. Es war somit tatsächlich wahr, was man sich über die Claudia sagte, sie waren völlig verarmt. Bisherig hatte Gracchus vermutet, Antonias Vater Arbiter hätte seinen Besitz an seinen verbliebenen Sohn übertragen, denn dass Antonia keine größere Summe oder gar Land von ihm geerbt hatte, dies wusste er. Doch augenscheinlich war Antonias Mitgift das größte Vermögen gewesen, welches der alte Claudier besessen hatte, anderes würde bedeuten, Imperiosus hätte sein gesamtes Erbe verschleudert. So oder so war die zu treffende Erkenntnis äußerst unangenehm und wäre eine Scheidung nicht äußerst unpassend bezüglich Gracchus' eigener Zukunftspläne, so wäre er beinahe versucht, entsprechendes mit Felix zu besprechen, denn nachdem die Ehe keinen politischen Einfluss und nun nicht einmal pecuniären Vorteil brachte, so blieb nur noch wenig, solange kein Nachkomme in Aussicht war. Doch er versuchte sich damit zu trösten, dass sie nicht nur eine favorable Verbindung nach Außen hin darstellte - ihre Schönheit, Tugendenhaftigkeit und ihr Name reichten dafür bei weitem aus - er gab auch die Hoffnung nicht auf, das sie ihm eines Tages einen Erben würde gebären. So reichte er ihr denn die Tabula, nur ein leichtes Zittern seiner Hand verriet die Regungen in seinem Innersten.
Claudius Imperiosus IulianusStand: sui iuris
Berechtigte Erben: Claudia Antonia, Schwester durch Adrogatio
Erbmasse: 2.95 Sesterzen -
Als Antonia die Wachstafel entgegen nimmt und kurz - sehr kurz - liest, was darauf steht, lacht sie beinahe laut los. Doch angesichts des Todes eines Familienmitglieds schafft sie es, sich zurückzuhalten.
Stattdessen blickt sie teils ungläubig, teils fassungslos wieder auf.
Das kann doch nicht sein.. , keucht sie kopfschüttelnd. Nicht einmal 3 Sesterzen?
Die claudische Stirn legt sich in tiefe Falten. Noch einmal blickt sie auf die ins Wachs geritzte Zahl. Vielleicht hat sie nur das Komma an der falschen Stelle.. oder eine Zahl übersehen? Doch nein, das ganze 'Erbe' ihres Bruders starrt ihr wie Hohn entgegen.
Das kann doch nicht sein.. , wiederholt sie noch einmal, jedoch um einiges leiser. Hatte es so schlimm um ihre Familie gestanden? Ihre Mitgift hatte ihr Vater doch ohne Probleme aufgebracht? Oder war es am Ende gar nicht so 'ohne Probleme' gegangen? Hatte er Schulden machen müssen? Oder war der plebejische Bruder nur einfach nicht umsichtig mit seinem Erbe umgegangen?
Nicht wissend, dass ihr Mann ähnliche Gedanken hegt, sieht sie wieder auf.
Da muss ein Fehler vorliegen.
Vollkommen überzeugt, dass irgendein Sklave im Tabularium, oder sonst einer Verwaltung, irgendwelche Unterlagen verschusselt hatte, spricht Antonia diese Worte aus.
Die Claudier sind gewiss nicht die reichste Gens des Imperiums.. aber.. , wieder sieht sie auf die Wachstafel, .. aber doch auch nicht die Ärmste! Hast du diese Angaben überprüft? -
Es brauchte nicht einmal das Drehen des Kopfes, ein kurzer Blick zu Sciurus genügte, und nach dessen Kopfschütteln war sich Gracchus sicher, dass der Sklave den Tatbestand bereits umfassend geprüft hatte. Sein Blick hielt sich an Antonia fest, die unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Sachlage sicherlich zu Recht einen Teil ihrer Contenance eingebüßt hatte und zumindest dies beruhigte Gracchus, schien sie sich der Verhältnisse ihrer Familie doch nicht im Geringsten bewusst gewesen zu sein.
"Es tut mir leid, Antonia."
Was blieb noch zu sagen? Dass ihre Mitgift würde ausreichen, sie im Falle einer Eventualität zu versorgen bis sie erneut vermählt war? Dass andernfalls, wenn es hierfür längst zu spät war, ihr Erbe würde sich um ihr Wohl kümmern? Dass sie faktisch obgleich ihrer Eigenständigkeit zum flavischen Haushalt gehörte und er Zeit seines Lebens dafür Sorge tragen würde, dass sie einen angemessenen Lebensstandard aufrecht erhalten konnte? Womöglich hätte Gracchus etwas in dieser Hinsicht sagen sollen, doch obgleich er dies bei sich dachte, sprach er nichts davon aus, denn es schien ihm bereits zu vertraut, als dass er es gegenüber seiner Gattin erwähnen wollte, klang doch ein Hauch von Unendlichkeit dieser Ehe dabei mit, einer Unendlichkeit, derer er sich nur allzu bewusst war, die er jedoch gerne aus seinem Geiste verdrängte. All dies wäre viel müheloser gewesen, hätte ihr Vater sie in eine Manus-Ehe gegeben, denn in diesem Falle hätte Gracchus Antonias Vermögen verwaltet und ihr so nicht mitteilen müssen, wie groß denn das Erbe war. Dennoch war er froh, diese Last nicht auf seinen Schultern zu tragen, denn eine Manus-Ehe würde halten, dieser Tag samt seinen schlechten Nachrichten jedoch früher oder später verstreichen.
"Ich werde die Übertragung des Erbes veranlassen und dabei mehr als diskret vorgehen, dessen sei dir versichert. Niemand denn wir beide muss darum wissen, welche Summen geflossen sind."
Die Verschwiegenheit der entsprechenden Verwalter würde er mit geringfügigen Summen erkaufen, so dass ihn dieses Erbe letzten Endes mehr Sesterzen kosten würde, als es ihr einbrachte, doch letztlich lag es in ihrer beiden Sinne, dass dies nicht publik wurde. -
Einen Moment lang unsicher, ob Gracchus ehrliches Bedauern, oder nur eine der üblichen Höflichkeitsfloskeln aussprach, nickt Antonia stumm und senkt den Blick. Und wenn er es ehrlich meinte, bedauerte er nur, dass nun von Seiten ihrer Familie weder Einfluss, noch Geld als Unterstützung für seine politische Karriere zu erwarten war?
Ein wenig unruhig blickt sie ihren Mann wieder an.
Nein. Es.. tut mir leid.
Was genau ihr leid tut lässt sie unausgesprochen, ist sich jedoch recht sicher, dass er schon verstehen würde, was sie meint.
Sie schien wirklich nichts richtig zu können. Die Familie eine Enttäuschung, ihre Fruchtbarkeit ließ zu wünschen übrig und die Götter allein wussten, was er noch alles an ihr auszusetzen hatte.
Nur wenige Augenblicke hält sie Gracchus´ Blick stand, ehe sie sich erhebt und die Falten ihres Kleides glättet.
Ich danke dir. Für deine Diskretion.
Dass es ebenfalls in seinem eigenen Interesse lag, dass diese unrühmliche Geschichte nicht bekannt wurde, ist der Claudia zwar bewusst, dennoch hält sie es für angebracht. -
Zögernd erst, doch schließlich bestimmt, erhob sich Gracchus, umrundete den Schreibtisch und trat nah vor Antonia hin. Obwohl die Bindung zu ihrer Familie augenscheinlich nicht sonderlich ausgeprägt gewesen war, so stand sie nun doch völlig allein in der Welt, von ihrer weitläufigeren Verwandtschaft abgesehen. Mochte Gracchus auch zu seinen Vettern und Basen ebenfalls eine weitaus engere Bindung denn zu seinen Geschwistern haben, so waren jene doch seine Familie und ein gewichtiges Faktum seines Lebens, selbst da er sie in seinem Leben kaum gesehen hatte, ohne welches dieses Leben sicherlich einfacher würde sein, doch im Grunde auch ebenso ein wenig sinnleer. Er legte eine Hand unter Antonias Kinn und hob ihren Kopf, so dass sie ihn ansehen musste, und die Berührung ihrer zarten Haut brachte ein seltsames Gefühl in ihm hervor. Antonia gehörte ebenfalls zu seiner Familie, mehr noch, sie würde gemeinsam mit ihm eine eigene Familie gründen für die er mehr noch würde verantwortlich sein als für seine Geschwister. Zumindest, wenn sie dieses marginale Hindernis hinsichtlich der Nachkommenszeugung würden lösen können.
"Verliere dich nicht selbst und dir wird immer ein Platz in der Flavia zustehen."
Ein feines, subliminal Lächeln kräuselte seine Lippen und er legte den Kopf leicht schief als er sie betrachtete. Obwohl sie ihm nicht körperlich begehrenswert schien, so passte sich ihr Bildnis doch perfekt in die Erhabenheit des Frühlings mit ein, gleich den filigranen, rosafarbenen Mandelblüten, gleich den goldenen Blättern der sprießenden Frühlingsblumen und dem zarten Grün des frischen Grases. -
Da ihre eigentliche Planung beinhaltet hatte, das Peristyl auf schnellstem Wege wieder zu verlassen, ist Antonia einigermaßen erstaunt, dass ihr Gatte sich erhebt und auch noch auf sie zukommt. Erst recht, als sie seine Hand auf ihrer Haut spürt.
Widerstrebend hebt sie ihren Kopf. Sein Satz wird ihr noch einige Zeit im Kopf herumspuken, doch für den Moment nickt sie lediglich und ringt sich ein schwaches Lächeln ab.
Wenn du.. mich dann nicht mehr brauchst.. ?
Die Antwort glaubt sie zu kennen und so verabschiedet sich und verschwindet wieder in den Untiefen der Villa Flavia. -
Mit einem Blinzeln versuchte Gracchus seine Derangierung hinfort zu treiben, während sein Blick seiner so überaus hastig hinfort eilenden Gattin nach folgte. Er hatte wahrlich nicht das geringste Gespür dafür, was in ihr vor ging, was sie begwegte, geschweige denn, was sie wollte und wünschte. Augenscheinlich wünschte sie jedoch wieder seine Distanz, und obgleich dies tatsächlich nicht weiter verwunderlich war, so kamen doch erneute Zweifel in Gracchus auf, ob sie nicht doch seine Person, sein Wesen, respektive sein Äußeres abstieß, wiewohl sie jenes geleugnet hatte. Ein leiser Laut erhob sich tief aus seinem Bauch und entkam schlussendlich seiner Kehle - Mischung aus Verwunderung, Kummer, Missfallen, Verzweiflung, einen Hauch Ärger und ein Hauch Zufriedenheit - dann wandte er sich um und setzte sich zurück an den Tisch. Obgleich er in seiner Arbeit mit höchster Konzentration fort fuhr, so schaffte er es dennoch nicht, Antonia gänzlich aus seinen Gedanken zu vertreiben.
-
~ Tage später ~
Noch immer trieb der Mandelbaum seine Blüten weit in den Himmel und flutete mit seinem unaufdringlichen Odor den Garten der Villa Flavia. Gracchus konnte nicht genug davon bekommen, hatte darum seinen Arbeitsplatz erneut in den Garten verlegt, denn der Duft nach Mandel war der Duft nach einem gewissen Öl und damit gleichsam nach Caius, und obgleich dies nicht forwährend in seinen Gedanken Platz fand, so schwebte die sublime Emfpindung doch über allem, ließ eine fortwährende Remineszenz in ihm anklingen, welche ihn mit einem Gefühl der Zufriedenheit belegte. Selbst die sich ständig repetierenden Vorgänge der Abarbeitung der Lectio konnten seine Laune nicht trüben, unermüdlich kämpfe er sich Name um Name, Tabula um Tabula vor, prüfte Stammbäume und Abstammungen, verteilte akkurat Vermögen und Besitz, mochte er noch so gering oder enorm sein. Doch schlussendlich gelangte er zu einem Namen, welcher ihn stutzen ließ. Der Gedanke an ein Dejavu stieg in ihm auf, als er sich des Namens vergewisserte und die Linien der Verwandtschaft im entsprechenden Stammbaum prüfte.
"Wie kann dies sein?"
Er hob die Tabula und hielt sie seinem Leibsklaven Sciurus, in diesem Falle seinem Sekretär, hin.
"Warum wurde er nicht bei der letztigen Erbverteilung berücksichtigt?"
Der Sklave prüfte den Namen mit einem kurzen Blick. "Er galt zu diesem Zeitpunkt bereits als vermisst. Ich habe mir erlaubt, Nachforschungen bezüglich seines Todes anzustellen. Er verstarb anscheinend auf einer Reise, sein Leichnam wurde in der Fremde traditionsgemäß verbrannt und die Asche erreichte erst vor kurzem samt der Nachricht das Anwesen in Mantua."
"Tatsächlich? Wie deplorabel. Nicht, dass er traditionsgemäß ... einerlei. Geh und suche meine Gattin. Spute dich und sage ihr, ich muss sie in dringender Angelegenheit sprechen."
Eine Hand erhoben und die Unterlippe knetend ließ Gracchus versonnen seinen Blick durch den Garten schweifen. Die familäre Situation seiner Gattin war augenscheinlich nicht so deplorabel gewesen, wie es zuletzt für ihn den Anschein gehabt hatte - nur hintergründig schalt er sich des Versäumnisses, so schlecht über diese Familienverhältnisse seiner Gattin informiert zu sein - doch nun war sie es tatsächlich. Da er sich jedoch zuletzt schon um Beruhigung ihrerseits bemüht hatte, was nicht vonnöten gewesen war, so würde er sich dies am heutigen Tage sparen können, gleichsam da sie ohnehin schon von jenen Ereignissen informiert zu sein schien, es vermutlich nur versäumt hatte, ihm davon zu berichten. Er beugte sich vor und griff nach der Tabula mit den Vermögenswerten, gefasst auf jeden noch so marginalen Betrag. -
Antonia schien es, als wolle ihr Mann sie in den letzten Tagen so oft sehen, wie im gesamten letzten halben Jahr. Grund genug, sich zu wundern.
Nichtsdestotrotz lässt sie sich dieses Mal ein wenig mehr Zeit, folgt dem Sklaven nicht sofort ins Peristyl, sondern lässt sich zunächst von ihrer Sklavin zu Ende frisieren. Wie ein zerrupftes Huhn wollte sie ja nicht unbedingt aussehen.
Doch schließlich ist sie wieder am Ort der Peinlichkeit angelangt, in der Hoffnung, es könne nicht schlimmer werden als beim letzten Mal.
Salve Manius., grüßte sie also, einmal wieder, in ihrem unnachahmlichen Tonfall, der ihr selbst gar nicht wirklich bewusst ist.
Schon wieder etwas Wichtiges?
Es muss am Frühling liegen. Vielleicht wollte er sich ja doch noch einmal dazu durchringen.. doch im Peristyl? Wohl kaum.
Ein geistesgegenwärtiger Sklave hat bereits einen Korbstuhl für sie bereit gestellt, in den sich die Claudia nun setzt.
Hochzeit oder Todesfall?, fragt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht, nicht ahnend, dass sie damit genau ins Schwarze trifft. -
Bis seine Gattin sich dazu bequemte zu erscheinen, hatte Gracchus mehr als genügend Zeit, die Aufstellung der Vermögenswerte mehr als ausreichend zu begutachten.
"Antonia."
Eine extensivere Begrüßung blieb ihm im Halse stecken, als sie seinen Praenomen auf jene Art und Weise aussprach, wie nur sie dazu in der Lage zu sein schien, welche seine Bedeutsamkeit zu der eines winzigen Staubkornes degradierte, sein Antlitz dem einer Gorgo anglich und seiner Person jegliches Anrecht auf Existenz absprach, völlig zu schweigen von seim Anrecht als Ehegatte. Gerade hatte er seine Sinne wieder sortiert, als Antonia ihre Frage stellte und ihn damit vollends aus jeglichem Konzept brachte. Verwirrt öffnete er den Mund leicht um etwas zu sagen, wusste doch augenblicklich nichts zu antworten, blinzelte während er gleichsam den Mund wieder schloss und nahm schließlich die Tabula auf, um sich an etwas festhalten zu können.
"Todesfall."
Als er das Wort, ausgesprochen durch seine eigene Stimme, in seinen Ohren nachhallen hörte, zwang er sich dazu, die Beherrschung über sich selbst zurück zu gewinnen.
"Ein erneuter Todesfall."
Um nicht mehr sagen zu müssen, reichte er ihr die Tafel und nicht zuletzt das leichte Zittern seiner Hand verriet die Regungen in seinem Innersten.
Decimus Claudius DonatusStand: sui iuris
Berechtigte Erben: Claudia Antonia, Schwester
Erbmasse:
~ 250 Sesterzen
~ ca. 1 Heredium Grundbesitz (Italia) -
Nicht im geringsten ist sich die Claudia bewusst, wie jene zwei Worte der Begrüßung ihren Mann so aus der Fassung bringen. Im Gegenteil, sie wirkt sogar recht gut gelaunt. Erst das Wort 'Todesfall' wandelt ihr Schmunzeln in einen ernsten Gesichtsausdruck. Nimmt sie zunächst noch an, dass Gracchus einen Scherz macht, belehrt sie die Wachstafel, die er ihr reicht, doch eines Besseren. Die unruhige Hand ihres Gatten, die sie am Rande wahrgenommen hat, ist umgehend vergessen.
Augenblicklich fühlt sich ihre Kehle staubtrocken und der Kopf völlig leer an. Donatus. Dass er lange von niemandem in der Familie gesehen wurde, war ihr zwar bekannt, doch dass er nun tot sein soll kann sie einfach nicht glauben.
Erst nachdem sie ein gutes Dutzend Mal den Namen gelesen hat, blickt sie stirnrunzelnd auf.
Das ist doch wohl ein schlechter Scherz? Manius? Das ist doch nicht wahr!
Nicht allein, dass ihr Bruder verstorben war macht Antonia so fassungslos, nein, vielmehr die Tatsache, dass sie nun die Letzte ist, die von ihrem Zweig der Familie noch lebt.
Ist das denn sicher? Wirklich eindeutig sicher?
Doch so gut kennt sie Gracchus mittlerweile, dass sie weiß, dass kein Fehler vorliegen kann. -
Augenscheinlich traf die Nachricht Antonia völlig unvorbereitet und Gracchus schalt sich nun, dass er nicht im Voraus in Erfahrung gebracht hatte, was sein Gattin wusste und was nicht, denn wäre er sich dessen bewusst gewesen, der Überbringer nicht nur der Erbbenachrichtigung, sondern gleichsam der Todesnachricht zu sein, so hätte er ob dessen einen anderen Ort gewählt und sich vor allem besser auf seine Worte vorbereitet. Nun auch wurde ihm ihre Reaktion auf die Nachricht des Dahinscheidens ihres Bruders Imperiosus erst gänzlich und einleuchtend gewahr, denn während er durch seine Unterlagen beeinflusst, in welchen Donatus längst nicht mehr aufschien, davon ausgegangen, dass ihr jegliche Familie bereits abhanden gekommen war, so hatte sie doch nur ihren ohnehin nicht besonders wertgeschätzten Adoptivbruder dahinscheiden sehen, im Glauben daran, Donatus sei wohlauf. Doch für solcherlei Überlegungen wie dies alles in jenem tatsächlichen Falle zu handhaben war, war es bereits zu spät, die Misere vor Augen und kaum mehr zu ändern. Nie zuvor hatte Gracchus seine Gattin solchermaßen aufgelöst erlebt, denn obgleich ihre Reaktion nicht allzu heftig ausfiel, so war es doch mehr, als er ansonsten an Gefühlsregung von ihr zu Gesicht bekam, so dass er mit jener neuen Situation ein wenig überfordert war. Einem natürlichen Instinkt folgend drängte es ihn danach, sie zu berühren, ihr durch seine Nähe Trost zu spenden und ihr aufzuzeigen, dass trotz allem sie nicht alleine war, so wie er dies in Ansätzen schon vor Tagen versucht hatte, doch nach ihrer letztigen Zurückweisung befürchtete er gleichsam, damit alles nur mehr zu verschlimmern. Er blieb darum sitzen, legte seine Hände vor sich auf den Tisch und nickte leicht.
"Es ist sicher. Seine Asche wurde bereits nach Mantua überführt."
Womöglich würde seine Gattin zum Familiensitz reisen wollen, auch schon deswegen, die Ländereien zu prüfen und deren ordnungsgemäße Verwaltung sicher zu stellen.
"Es tut mir Leid, Antonia. Wenn du nach Mantua reisen möchtest, so werde ich dich begleiten ... sofern dies deinen Wünschen entspricht." -
Fast ist sie versucht, an ihren Nägeln zu kauen. Doch ihre patrizische Erziehung hält sie davon ab, zu starke Gefühlsausbrüche, oder Nervosität zu zeigen.
Als sie die Bestätigung hört, sackt sie dennoch ein wenig in sich zusammen.
Mantua? Ja., ist zunächst alles, was sie sagt.
Ruckartig sieht sie jedoch auf und ihrem Mann in die Augen.
Du willst mich begleiten?, wundert sie sich, erklärt es sich jedoch damit, dass er sich sicher überzeugen wollte, dass sie wenigstens ein brauchbares Grundstück geerbt hatte, nachdem ihr Adoptivbruder nur eine klägliche Summe hinterlassen hatte. In jedem Fall will die Claudia jedoch nicht alleine dorthin reisen und so nickt sie zustimmend.
Es wäre mir sicher eine.. Hilfe, wenn du mitkommen könntest. -
Natürlich hatte er sein Angebot ernst gemeint, immerhin war dies seine eheliche Pflicht, doch gleichsam war er der Hoffnung verfallen gewesen war, sie würde auf seine Begleitung verzichten wollen.
"Wir werden allerdings das Ende der Amtszeit abwarten müssen. So bedauerlich dies alles auch ist, doch familäre Pflichten müssen hinter denen meines Amtes nachstehen."
Im Grunde bedauerte Gracchus schon jetzt das Ende seiner Amtszeit, würde er sich doch nicht länger hinter seinen magistratischen Pflichten vor familären Pflichten verstecken können. Minervina kam ihm in den Sinn, er musste nach Hispania.
"Womöglich werde ich dich von Mantua aus nicht zurück nach Rom begleiten. Ich werde nach Hispania weiter reisen, um meine Schwester nach Hause zu holen."
Er vermied es irgend etwas genauers bezüglich der Umstände seiner Schwester zu erwähnen.
"Womöglich könnte uns Serenus begleiten, so dass du auf dem Rückweg nicht alleine bist. Es wird ihm gut tun, seinen Vater zu sehen."
Obgleich Gracchus nur allzu oft mit der Kindlichkeit seines Neffen überfordert war, so war er doch im Prinzip gleich dessen Vater völlig davon überzeugt, dass Serenus ein vollwertiger kleiner Römer war und daher durchaus dazu geeignet, seine Gemahlin auf der Reise zu begleiten und im Notfall für ihr Wohl Sorge zu tragen. -
Irgendwo in der Nähe schepperte es. Das typische Geräusch einer Keramik, welche sich in ihre Bestandteile zerlegte. Ein Sklave fluchte recht derbe.
Dann schoss die Lieblingskatze von Tante Leontia durch das Peristyl, dicht gefolgt von Serenus Kampfhund Nero. Beide Tiere verschwanden auf der entgegenliegenden Seite wieder aus der Sicht. Wenige Augenblicke steckte Dido den Kopf ins Periystyl.
"Dominus, hier sind sie nicht!"
"Los weiter, wir fangen sie am Mandelbaum ab. Dahin rettet sich die Katze immer."Und schon huschten Serenus und Dido zusammen mit 5 anderen Kindern aus den patrizischen Gentes Cornelia, Iulia und Horatia weiter johlend durch die Villa in Richtung Garten. Onkel und Tante im Peristyl wurden im Spieleifer mal eben komplett ignoriert.
-
Noch ehe Antonia antworten kann, strecken besagter Neffe samt Leibsklavin ihre Nasen ins Peristyl, nur um wenige Augenblicke später wieder zu verschwinden. Doch da ihr im Moment nicht der Sinn nach Kinderstreichen steht, dringt die Tatsache, dass die beiden wohl auf Katzenjagd waren, nicht wirklich in ihr Bewusstsein.
Stattdessen wendet sie sich langsam wieder zu ihrem Mann um und fragt nüchtern: Serenus?
Ihre Begeisterung hält sich in Grenzen, hat sie sich unter einem braven kleinen Neffen doch immer etwas anderes vorgestellt, als diesen Rotzlöffel. Dass Gracchus es jedoch nicht einmal in Betracht zieht, sie mit nach Hispania zu nehmen, überrascht sie nicht. Allzu traurig ist sie darüber allerdings auch nicht. Größere Sorge bereitet ihr, ob sie den stürmischen Flavierspross bändigen könnte.
Was das Abreisedatum nach Mantua angeht, richte ich mich natürlich nach dir.
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