Arbeitszimmer | Brüder unter sich G&L

  • Noch vor dem Sonnenuntergang erreichte ich die Villa. Der Tag war nicht so hart wie die vergangenen und ich mußte nicht in ein Bad eilen, bevor ich meinen Bruder aufsuchte. Die Zeit war gekommen ihn um Rat zu bitten. Viel zu selten hatte ich Zeit ihn zu sehen. Nach oder aufzuholen, was wir in unserer Jugend versäumt hatten.


    Ein Klopfen schallte durch die Villa, als ich erhoffte Gracchus in seinem Officium anzutreffen. Sicher war das nicht, aber Hoffnung bestand.

  • Beinahe unsichtbar tanzten die silbrigfarben glänzenden Staubpartikel durch den schmalen schimmernden Lichtstreifen, welchen die goldfarbene Abendsonne in das Cubiculum warf. Ein subliminaler Blütenduft durchzog die Luf, ein heimlicher Hauch, Reminiszenz an jenen gewaltigen Mandelbaum im Hortus der Villa Flavia, der nun Tag um Tag seine zartrosefarbenen Blüten der Frühlingssonne entgegen strecke. Gedankenverloren strich Gracchus über den lockigen Kopf des Quirinus jener kleine Statuettengruppe der alten Göttertrias, welche Furianus ihm zu den Saturnalien geschenkt hatte, spürte unter seinen Fingerkuppen das kalte Metall und lächelte versonnen als er die Figurine mit einem kleinen Stoß zum Drehen brachte. Panta rhei - alles fließt und alles dreht sich. Gerade schickte er sich dazu an, dem Mars einen Stoß an sein wohlgeformtes Hinterteil zu verpassen, als ein mahnendes Klopfen ihn davon abhalten und innehalten ließ. Er stoppte die Drehung der Figurine augenblicklich, legte ein Schriftstück vor sich hin und beugte sich, einen Griffel in die Hand nehmend darüber, um nicht den Anschein zu geben in frühlingshaften Träumereien eingesponnen zu sein, wie dies augenscheinlich der Fall war.
    "Ja."

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  • "Salve Bruder..." begrüßte ich ihn und suchte mir eine Sitzgelegenheit.


    "Ich möchte mit dir über meine Zukunft reden. Zwar habe ich mich einigen Qualifikationen unterzogen, doch fürchte ich nicht ganz zu wissen was ich will."


    Ein entschuldigender Blick traf Gracchus, der ein wenig abgearbeitet aussah. Sicher die Amtszeit als Magistrat...

  • "Lucullus, salve."
    Den Griffel zur Seite legend richtete sich Gracchus auf und wartete, bis sein Bruder Platz genommen hatte. Sie sahen und sprachen sich nicht übermäßig häufig, hatten es nie, woran sich auch in Rom nichts geändert hatte. Noch immer war sich Gracchus nicht gänzlich sicher, wie das Verhältnis zwischen ihnen gehalten war, war gar ein wenig misstrauisch, obgleich er seiner Pflichten wegen seinem Bruder gegenüber dies niemals würde offenbaren. Augenscheinlich war sich auch Lucullus dieser Pflichten nur allzu bewusst, andernfalls wäre er nicht gekommen. Als sein Bruder ausgesprochen hatte, weshalb er dies getan hatte, unterdrückte Gracchus mühsam ein Seufzen, welches in seinem Bauch im Entstehen inbegriffen war und schluckte es herunter, noch ehe die Möglichkeit bestand, dass es seine Kehle würde emporsteigen. Ihr Vater hatte für sie alle sehr genau vorbestimmt, wohin sie zu gehen hatten, doch nicht nur, dass einige von ihnen, wie er selbst und deplorablerweise auch ihr Bruder Animus, von jenem Weg mehr oder minder weit abgewichen waren, zudem hatte sich nach dem Tod des Vespasianus augenscheinlich auch in seinen Geschwistern Zweifel eingenistet, wusste doch keiner mehr so recht, was er wollte, selbst nach dieser langen Zeit. Noch bevor er einen Satz gesprochen hatte, fühlte sich Gracchus bereits mit Lucullus' Anliegen überfordert. Minervina hatte ebenfalls nicht gewusst, was sie wollte, wusste nur, was sie nicht wollte, doch wollte andererseits auch nicht auf das hören, was Gracchus ihr sagte, obleich sie seinen Rat wollte hören. Gracchus wusste nicht, was seine Geschwister von ihm wollten, war sich nicht sicher, was sie von ihm erwarteten, doch augenscheinlich waren sie wie ihr Vater der Ansicht, dass er sich um die Familie zu kümmern hatte, was er zwar nicht wollte, dennoch tat, doch heillos damit überfordert und augenscheinlich auch wenig erfolgreich war, zumindest aus seiner eigenen Sicht heraus.
    "Nun", begann er daher zögerlich. "Ich werde dir kaum sagen können, was du willst, Bruder."

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  • Seit dem Tod unserer Eltern hatte ich immer einen Vater mehr vermisst, denn einer Mutter. Es stand in unseren Genen geschrieben, welchen Weg wir zu gehen hatten und während unserer Jugend bekamen wir alle nur erdenklichen Lehrer aufgebürdet, die unserem Geiste dieses Verständnis einbleuten, bis der Kopf zu schmerzen begann. Doch waren sie zeitiger als nötig verstorben. Erst der Vater, dann die Mutter. Schon damals waren wir getrennt von ihnen aufgewachsen.


    Heute doch schien es mir so zu gehen, als müßte ich meinen Bruder Gracchus, den Ältesten in der Ahnenfolge als Vorbild nehmen und ihm die Vaterrolle aufdrängen. Seine Antwort war nicht so unerwartet, aber doch überraschte sie mich mehr, als ich je zugeben würde.


    "Gracchus.... was ich will wird sich nie erfüllen. Was ich soll, wurde uns von Kindheitsjahren gelehrt. Was ich muß, habe ich begonnen. Wofür ich vorbestimmt bin, ergründet sich mir nicht. Deswegen bin ich hier. Aus diesem Grund suche ich dich auf Bruder."


    Es war nicht leicht dieses kalte Band, das unsere Familie zusammen hielt, zu erwärmen. Schon garnicht, wenn wir uns kaum sahen. Wenn wir wenig bis garnichts miteinander zu tun hatten oder es uns nicht trieb einander näher zu kommen.

  • Augenscheinlich erwartete sein Bruder von ihm eine Art der Entscheidung, eine Weisung womöglich, wie sein Vater sie ihm gegeben hätte, doch Gracchus war nicht gewillt, jeden Schritt, welchen sein Vater ihm aufgedrängt hatte, weiter zu gehen, nicht, nachdem er bereits aus seinem eigenen Weg ausgebrochen war und dennoch seine Pflicht erfüllte. Seine Pflicht war es, dafür Sorge zu tragen, dass seine Geschwister ihren Weg dorthin fanden, wo ihre Herkunft sie vorsah, doch letztlich führten alle Wege nach Rom und Gracchus war es gleich, welchen davon sie wählten, solange er ihnen angemessen war.
    "Wofür du bestimmt bist, ist, was du tun sollst und tun musst. Es gibt kein anderes Ziel ohne Scheitern."
    Es waren harte Worte und sein eigener Tofall erinnerte ihn zunehmend mehr an seinen Vater, doch gleichsam konnte Gracchus mehr und mehr verstehen, weshalb sein Vater gewesen war, wie er gewesen war, und von ihnen verlangt hatte, was er verlangt hatte.
    "Dein Problem ist es einzig, einen Weg zu finden, welcher dich dorthin führt und du solltest diesen Weg weise wählen, Lucullus, denn er kann gleichsam deinen Wünschen entsprechen und dennoch angemessen sein, oder aber ebenso angemessen, doch steinig, kurvenreich und hart. Quäle dich nicht unnötig auf deinem Weg, denn wir mögen Patrizier sein, doch dies muss nicht implizieren, dass uns keine Freude am Leben gegönnt sein darf. Es gibt viele Möglichkeiten, dem Imperium angemessen zu Diensten zu sein, wähle jenen für dich aus, der dir am ehesten liegt. Welcher dies ist, Lucullus, dies musst wiederum du selbst entscheiden, denn ich habe weder die Gewalt, noch die Absicht dich auf einen Pfad zu zwingen."

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  • Was hatte ich auch erwartet? Unser Verhältnis war von jeher distanziert gewesen. Mit gesenkten Kopf saß ich da, grübelte über diese Worte, die keine Aussage machten und hob meine Augen dann wieder auf die Höhe von Gracchus an.


    "Ich weiß wie gern ich in den Tempeln bin. Tag ein Tag aus gehe ich dort den Pflichten nach. Genauso gern würde ich die Welt bereisen und sehen. Und ich fürchte ich muß irgendwann mein behütetes Heim aufgeben um im Cursus Honorum zu dienen. Das ist es was ich nicht möchte...."


    Einen dicken Seufzer unterdrückte ich. Er hatte soviel Luft in meinem Bauch aufgestaut, das es äußerst schwer war ihn zu halten.


    "... noch nicht Gracchus. Doch ich möchte dem Quirinaltempel vorstehen."


    Wie eine steinerne Säule saß ch nun vor ihm. Die Augen fest auf die Seinen gerichtet. Fast als müßte er meinem Blick eher ausweichen als ich dem Seinen. Worte gab es in dieser Welt so viele, Gedanken noch mehr. Doch was uns fehlte waren Gefühle. Auch zueinander.


    "Meine Qualifikation erlaubt es, meine Herkunft verlangt es und ich...? ... habe eine Entscheidung zu treffen."

  • Den Wunsch danach, die Welt zu bereisen und zu sehen, konnte Gracchus in keinster Weise nachvollziehen, denn weite Reisen waren ihm ein Graus, und bereits auf Minervinas diesbezüglichen Wunsch hatte er nur mit Unverständnis regieren können, doch womöglich lag es an ihrer beider eher indefiniblen Position, während in Gracchus schon in Rom sitzend kaum Ennui und Monotonie erwachsen wollte. Die ungeschönte Aussage jedoch, dass Lucullus den Weg des Cursus Honorum nicht allzu bald beschreiten mochte, verwunderte Gracchus, erschreckte ihn beinahe ein wenig, denn sein Bruder offenbarte damit gleichsam, welch Vertrauen er in ihn setzte, welch Bindung augenscheinlich auch zwischen ihnen beiden bestand. Er wusste selbst, dass jene familiären Bindungen schwerer wiegten als vieles andere, ungeachtete dessen, dass sie über Jahre hinweg nur über weite Entfernung und in beinahe durscheinender Konsistenz bestanden hatten, doch obgleich sich Gracchus dessen bewusst war, dass sein Einsatz für jene Familie äußerst weit würde gehen, so war er doch wie auch im Falle Minervinas ein wenig erstaunt, dass Lucullus ihm solcherlei Gefühl entgegen brachte. Es war tatsächlich jener unscheinbare Aufruhr seiner Emotio, welche Gracchus dazu brachten, den Blick von seinem Bruder zu nehmen und sinnierend an die hinter ihm liegende Wand zu blicken.
    "Wenn du dich erst in Rom bindest, wirst du nicht wieder davon fort kommen. Hast du bereits darüber nachgedacht, den Cultus Deorum um eine Versetzung zu bitten? Der Dienst an den Göttern bietet viele Möglichkeiten die Welt zu sehen, wenn es einem Mann danach steht. Auch ..."
    Auch Aquilius war Rom entkommen, dies war es, was Gracchus auf der Zunge lag, doch er sprach es nicht aus, war es doch lange sein Glauben, doch letztlich nicht die Tatsache gewesen. Dennoch war dies möglich. Mehr noch würde es Lucullus ebenso vor weiteren Schritten bewahren, welche gravierender noch würden sein, als der Weg in die Politik. Amtszeiten kamen und gingen, doch manch anderer Status blieb bestehen und brachte weitere Pflichten mit sich.
    "Hast du bereits über eine angemessene Verbindung nachgedacht?"

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  • "Was ich will wird sich nie erfüllen, Gracchus... das sagte ich doch eben." Mit Mühe konnte ich ein Augendrehen unterbinden. "Mein Platz ist in Rom. Nur hier kann ich den Göttern angemessen dienen." Für einen Moment wich ich mit den Augen ab von ihm drehte mich um und sah das dort nichts war außer die kahle, leere Wand. Die Worte 'Verbindung' und 'angemessen' hallten mir durch den Kopf. Eine Ehe... natürlich! "Es ist nicht leicht einen angemessenen Partner in Rom zu finden. Gefallen könnte ich sicher an einer Tiberia finden, doch mein letzter öffentlicher Kontakt ist schon Monate her... ich fühle mich im Zurückgezogenen hier in Rom einfach wohler." Woran das lag? Ich konnte mir selbst diese Frage nicht beantworten. Spaß gehörte zur Pflichterfüllung wie ein Schiff zum Ozean. Vielleicht, doch reine Vermutung war es, der Gedanke daran sich seinem Stand zu sehr zu entfernen. Eine schwere Last lag auf uns. Härter als auf jedem anderen Römer............. Ich blickte geradeaus. Durchbohrte die Wand am Ende dieses Raumes und sah meine Jugend vor mir ablaufen.

  • Harrsche, scharfe Worte lagen auf Gracchus' Zunge und wollten sich ihren Weg in die Freiheit bahnen, doch er schluckte sie hinunter und begrub sie unter einigen Lagen Selbstzweifels. Wer wusste schon, was Lucullus tatsächlich wollte, vermutlich war die Welt zu bereisen nur ein Vorwand für gänzlich anderes, ebenso wie Gracchus' Studien jahrelang Vorwand gewesen waren, um in Aqulius' Nähe zu verweilen. Dennoch konnte er die Härte nicht gänzlich aus seinen Worten verdrängen.
    "Es ist ebenso unerheblich, woran du Gefallen findest, wie das, was du willst. Dies gilt sowohl für eine Verbindung, als auch für deine öffentliche Präsenz. Bezüglich ersterem kann ich versuchen dir behilflich sein, wenn du dies möchtest, doch dann erwarte ich, dass du meine Vorschläge ernsthaft prüfst. Eine Eheschließung ist eine politische Angelegenheit, sie hat mit persönlichen Sympathieen, Antipathieen, Vorlieben und Neigungen nicht das geringste zu tun. An deiner Bekanntheit wirst du selbst arbeiten müssen, obgleich dir die Familie durch Einführung in die richtigen Kreise auch hierbei behilflich sein kann. Ohne die richtigen Kontakte wirst du niemals weit kommen, Lucullus. Die notwendigen Stimmen für ein Vigintivirat mögen noch von Patron zu Patron ausgehandelt werden, doch für die Quaestur werden die Senatoren dich näher in Augenschein nehmen, sind sie doch äußerst kritisch, da hernach schon die Aufnahme in den Senat folgen kann. Es genügt längst nicht mehr, seinen Namen und seine Ahnen zu nennen."
    Ein Umstand, welchen Gracchus nicht unbedingt bedauerlich fand, gab es doch deplorablerweise genügend patrizische Familien, die sich tatsächlich nur allzu gern auf den Taten ihrer Vorfahren ausruhen wollten.

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  • Monotone Worte ströhmten auf mich ein, Gracchus hatte diese Stimme eines der unzähligen Griechen aufgenommen, die immer und immer wieder unseren Status als Symbol predigten. Sie verlangten die Einhaltung der Traditionen und Tugenden noch vor dem Dienste am Staat und Rom. Ich war es leid diese Worte eines Lehrers zu hören. Doch Gracchus war mein Bruder. Deutlich älter als ich. Er hatte politische Erfahrung erfahren und lange Jahre im Cultus gedient. Er hatte eine ihm fremde Frau geehelicht und ich spürte etwas, das seine Neigung verraten könnte, aber wer es nicht wußte und ich wußte es nicht, würde niemals auf diese einfache Lösung kommen.


    "Ich weiß das alles und ich wurde genau wie du darauf vorbereitet, Bruder."


    Ein Blick so unsicher wie nicht selten dieser Tage brach sich an Gracchus Gesicht. Ich war lange, wahrscheinlich zu lange auf dem Land gewesen. Die Einsamkeit und Ferne zu Rom hatte mir eine gehörige Portion Sicherheit geraubt. Weder die Liebe noch die Lust hatte ich kennen gelernt. Eine Frau, wozu? So kreisten diese Gedanken mir durch den Kopf. Das Recht und Wissen war auf der Seite meines Bruders und ich nickte ihm bei jedem seiner Sätze zu. So als wöllte ich sagen: Ja Gracchus... hilf mir bitte eine Frau zu finden, die den Ansprüchen und Gesetzen unseres Standes genügt. Ja Bruder führe mich dahin von wo es ein kürzerer Weg zu Berühmtheit und Bekanntheit ist, auf das ich ähnlich deines Aufstieges in den politischen Sog Roms im Cursus Honorum dienen kann. Ja mein Brüderchen zeig mir den aurea mediocritas (den goldenen Mittelweg). Doch es war wie in einem Fluch beschrieben, ich bekam kein Wort heraus. Der Bruder blieb ein Buch mit sieben Siegeln und unsere Nähe formte sich in mir als kalter Schauer statt wärmender Freundschaft.


    Wie trocken mein Hals doch war. Wie karg meine Stimme wohl klang, als ich endlich einige Laute hervor presste.


    "basis virtutum constantia* Ich möchte mir noch etwas Zeit nehmen und den Göttern an höherer Stelle dienen. Hilf mir den gerechten Weg zu finden ........ und ........ ein Weib."


    Mehr war es ein Flüstern denn ein Reden. Ich senkte den Kopf. Röte stieg mir in die Wangen. Der Bruder, Gracchus sollte sowas nicht sehen...



    *Beständigkeit ist die Grundlage der Tugend

  • Natürlich wusste Gracchus, dass sein Bruder dies alles wusste, doch er wusste noch immer nicht, was sein Bruder wirklich von ihm erwartete. Vermutlich das, was beide wussten, was von ihm erwartet wurde, doch nur Gracchus wusste, dass er nicht all diese Erwartungen erfüllen konnte, denn er war nicht bereits dort, wo sein Vater gewesen war, als jener begonnen hatte für die Familie zu planen, und versuchte fortwährend mehr schlecht als recht das Gleichgewicht zu halten zwischen Pflicht, Familie und sich selbst. Jener Blick seines Bruders der ihn traf, unsicher und ratlos, erinnerte ihn an seine eigene Zerrissenheit, jene Unentschlossenheit, welche ihn beinahe in den Abgrund gerissen hatte, doch gleichsam er mehr Verständnis für Lucullus aufbringen konnte, als jener es würde ahnen, so konnte nichts davon durch die harte Hülle dringen, welche beide um sich herum errichtet hatten, welche um sie beide herum errichtet worden war. Er war es leid, jene Phrasen aus Pflicht und Verantwortung zu wiederholen, darum schwieg er, ließ die Stille, die Leere zwischen ihnen hängen, ließ seinen Bruder im luftleeren Raum hängen, ließ ihn dort, wo ein jeder von ihnen augenscheinlich sein musste, was nicht zu durchbrechen war und sich gleichsam immer würde fortsetzen wie sehr sie sich auch quälten, bei ihren Kindern, Kindeskindern und ihnen folgenden Generationen. Erst als vor dem Fenster ein Hund kläffte, worauf Kinderlachen folgte und Gracchus vor seinem inneren Auge sah, wie der junge Serenus samt seinem Hund und seiner kleinen Sklavin den Garten durchquerte, als er sich fragte, wie wohl Lucullus' Kindheit gewesen sein musste, der so weit weg von allem und doch so nah unter der Hand seines Vaters aufgewachsen war, als er sich fragte, wieso ihre Eltern sie alle hatten so weit auseinander reißen müssen, obgleich sie so viel Wert auf die familiäre Verbundenheit legten, ob es womöglich gerade deswegen gewesen war, erst in diesem Augenblick rang er sich zu weiteren Worten durch.
    "Noch bleibt dir Zeit, beständig zu sein."

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  • War es Willen, der mich in das Zimmer von Gracchus trieb oder Not? Hatte es einen Abschnitt in meinem Aufenthalt in Rom gegeben, der ihn mir näher gebracht hatte, der Gracchus zu dem gemacht hatte, was er war? Mit jeden Augenblick in diesem Raum fühlte ich mich ferner von ihm. War er mir fremd, so fremd oder bildete ich mir da nur wieder etwas ein? Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen zu tief saß noch der Scham kein eigenes Werben um ein Weib bisweil durchgeführt zu haben. Doch was wollte ich eigentlich, was hier, was von ihm, der mir so fremd war, wie jeder Andere in diesem Haus auch. Mit jedem Wort, jeder gesprochenen Silbe verstand ich immer weniger von dem was ich hier tat, was ich hier suchte, was ich hier machte was ich hier lebte. Mit jedem Satz merkte ich das ich ein einfaches Landei war. Ja ein Landei ein Mensch der zu lange auf dem Lande verbracht hatte und die große weite Stadt zu wenig schätzen lernte und das in einem Zustand, den man auch mit Jugend umschreiben könnte. Sicher war es eine Frage des Standes und nicht wenig Römer würden es als Erlösung sehen die Stadt dann wenn der Wille bestand zu verlassen. Ich aber war zu lange in einem Provinzkaff aufgewachsen und hatte dort viel zu lange gelebt, gearbeitet, wurde unterrichtet und nun? Nun war ich in Rom einer Stadt mit sovielen Möglichkeiten und was tat ich? Ich drehte mich im Kreis. Hing wie eine Klette an Dingen, die mich biedern machten, die mir keinen Namen verschafften, den man als Lob oder zumindest als bekanntes Gesicht durch die Straßen trug.


    Ich schaute Gracchus nun doch an. Er war so erwachsen und doch nicht unendlich älter als ich. Was wäre wenn alles anders gekommen wäre, was wäre wenn es das kleine Wörtchen Wenn in meinem Wortschatz nicht gäbe? Wäre ich dann anders geworden, hätte ich dann mehr Mut und Offenheit entwickelt? Ich wußte es nicht, ich wußte so manches nicht und ich war wohl dort wo ich sein sollte. Denn die Götter bestimmten meinen Weg... was zweifelst du dann, ging es mir durch den Kopf, "...ich zweifle nicht", antwortete ich eher in Gedanken, als mit Hingabe... doch es war gesprochenes Wort und ich zog entschuldigend die Schultern nach oben.


    "Gracchus.... ich würde dich gerne bitten..." Wie schnell es mir doch den Hals zudrückte... aber er war mein Bruder und er hatte es mir vor Kurzem angeboten. ".... ich möchte, das du mich bei der Wahl eines Weibes unterstützt."


    ...und? Ja und was... mensch Junge er ist dein Bruder... ja gut, aber... was aber nichts aber nun los... "Ja und... ich also wie kann ich im Cultus Deorum, besser gesagt im Collegium weiter voran kommen." Na war doch garnicht so schwer...

  • Obgleich durch die Beteuerung der Zweifellosigkeit seines Bruders ein wenig verwirrt, nickte Gracchus ernst und versuchte zudem überzeugend zu klingen, um Lucullus seine Zweifel zu nehmen.
    "Wir werden eine geeignete Gattin finden."
    Ob der nächsten Frage seines Bruder schlich sich mehr Verwunderung auf Gracchus' Gesicht, als er normalerweise bereit war, dies zuzulassen, doch er zog nicht nur die Brauen zusammen, zudem lachte er auf.
    "Verzeih, aber das willst du von mir wissen? Wie du im Cultus Deorum vorankommen kannst?"
    Er lehnte sich zurück und schüttelte lachend den Kopf.
    "Aber vielleicht kann ich dir tatsächlich helfen. Sieh mich an, lieber Bruder, und du siehst, was du nicht tun musst. Ich trat dem Cultus Deorum lange vor dir bei, durchlief alle Stufen. Damals war dies noch so, zudem geschah es aus Verpflichtung heraus, hatte ich zuvor doch ein Gelübde dem Iuppiter abgelegt. Nun, ich glaube von mir behaupten zu können, dass ich meine Aufgaben stets gewissenhaft, pflichtbewusst und zum Wohle und zur Freude der Götter und des Staates erfüllt habe. Wenn diese, meine Amtszeit als Vigintivir beendet ist, werde ich in den Dienst an den Göttern zurückkehren, erneut als Sacerdos publicus, der ich zuvor gewesen bin."
    Die Belustigung war aus Gracchus' Gesicht gewichen.
    "Als ich nach Rom kam, hatte ich ein Ziel vor Augen. Doch Roma verdirbt die Männer, sie will nicht umgarnt und umworben werden, sie will nicht deinen Eifer und Elan, sie ist eine Lupa, die bezahlt oder bestochen werden will. Gehe zu deinem Vetter, deinem Patronus, und er wird gewiss die notwendige Summe zu entrichten wissen."

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  • War Rom wirklich so? Ich mußte an mir halten, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Glaubte Gracchus ich würd es wegen Geld verlangen? Was dachte mein Bruder überhaupt. Ich liebte die Götter und ich war sehr froh ihnen dienen zu dürfen. Geld war mir von jeher egal gewesen. Solange ich bei Felix wohnen und speisen konnte, entsann ich mich auch nicht eines Grundes Geld verdienen zu müssen.


    "Du kommst weit herum Bruder, kannst du mir schon eine Verbindungsmöglichkeit nennen?"

  • Während sein Bruder sich um Geld oder nicht Geld sorgte, sorgte sich Gracchus um gänzlich andere Dinge, die zwar nebensächlich auch mit Geld zu tun hatten, doch nicht in jener Weise, dass man dies anhäufen, sondern dass man dies aufwenden musste für jede Art von Gegenleistung, unabhängig ob dies vordergründig mit den kaiserlichen Metallstücken zu tun hatte oder nicht. Er war sich dahingehend im ersten Moment nicht ganz sicher, auf was Lucullus sodann ansprach, es schien ihm, als hätte er ohnehin Mühe, den Gedankengängen seines Bruders zu folgen, fehlte ihm doch gleichsam derzeitig auch die notwendige Konzentration für etwaige Subtilitäten, vor allem hinsichtlich seiner Familie. Er wägte kurz ab, ob er die augenscheinlich verklärte Sicht des Lucullus ihnbezüglich sollte revidieren, entschied sich jedoch dagegen.
    "Nein. Doch sind die Möglichkeiten augenscheinlich begrenzt, soll dies nicht nur der Erwartung genüge tun, sondern gleichsam Vorteil für die Zukunft bringen. Es gibt wenige patrizische Gentes, deren Einfluss tatsächlich noch beachtenswert ist und deren einflussreiche Mitglieder nicht nur anderen verpflichtet sind."
    All zu viele patrizische Senatoren stimmten nur noch einem anderen nach dem Mund, und war dieser andere nicht ihr Vetter Felix, der durchaus einen großen Anteil der Patrizier im Senat hinter sich versammeln konnte, so würde eine Verbindung schlimmsten Falles nur zu Komplikationen führen.
    "Möglicherweise bietet sich auch die Gelegenheit, eines der bestehenden Klientelverhältnisse zu festigen. Wir sollten ohnehin auch Felix mit in diese Überlegungen einbeziehen."

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  • "Ihn aufzusuchen hast du mir schon geraten. Ich selbst bin mir nicht bewußt auf den letzten Festen überhaupt eine gute Partie gesehen zu haben. Wenn man in einigen Gentes kaum mehr jungen Buben und Mädchen trifft, ist es schwer daran zu glauben, das die Fortpflanzung ein wichtiges Mittelchen unseres Standes ist, um ihn zu erhalten. Andere mögen auf Mittel zum Zweck setzen und verseuchen ihre Wurzeln mit plebeiischen Blut. Ich hoffe nur du wirst dies nie von mir verlangen."


    Ein kontrollierender Blick von mir traf ihn. Aber Gracchus war eigentlich Patrizier mit Haut und Haaren. Selbst er hatte sich für eine Zweckehe unter Gleichen entschieden.


    "Gut...." das Gespräch hatte kaum etwas gebracht. Ich wußte weniger als vorher und wurde nurmehr unsicherer, was die Zukunft anbelangte. Der Weg zu meinem Patron würde mir sehr schwer fallen.

  • "Seit der göttliche Augustus versuchte mit seinen Gesetzen den Diskordanzen des Bevölkerungspegels entgegen zu wirken, scheint sich deplorablerweise kaum viel geändert zu haben. Dennoch kann dies kein Freibrief sein, dem Zeitgeist und dem Verfall der familiären Werte folgen zu wollen. Doch ich assekuriere dir, ich werde kaum mehr von dir verlangen, als unser Vater es tun würde."
    Das schloss im Grunde genommen so gut wie nichts aus, denn ihr Vater hatte allerhand von ihnen verlangt. Dass Gracchus seinem Bruder jedoch keine Verbindung aus den unteren Schichten würde nahelegen, dies war ohnehin selbstverständlich, gleichsam hatte er kaum Beziehungen in die oberen Schichten, weshalb auch dies vermutlich außen vor blieb und er sich bei seinen Bemühungen auf ihren eigenen Stand würde beschränken.
    "Sag, wo wir gerade von traditionellen Verpflichtungen sprechen, wie ist es derzeitig um die Salii collini bestellt? Wer führt den Vorsitz?"

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  • Gracchus verstand es mit vielen unverständlichen Worten das auszudrücken, was ich vorher mit drei Silben hatte verlangt. Nun gut demnach waren wir uns einmal einig. Seine zusätzlich auftauchende Frage rüttelte eine Vereinigung in mir wach, deren Hauptaufgabe bereits im März rituell begleitet wurde. Jene nächste Veranstaltung fand erst im Oktober statt und ich war mir nicht ganz sicher, warum Gracchus mich zu diesem Kultverein befragte. Immerhin stand er unter einem anderen Stern, denn die Sodales Palatini verehrten den Mars Gradivus, wir dienten vornehmlich dem vergöttlichten Romulus.


    "Ein Aurelier, um genau zu sein Aurelius Corvinus steht dem Kultverein der Salli Collini als Magister vor."


    Ich versuchte dabei zu ergründen, was mein Bruder mit der Frage im Schilde führte. Mit etwas Glück brauchte ich mich nicht weiter quälen...

  • Als hätte er dies erwartet, was er gewissermaßen durchaus getan hatte, nickte Gracchus.
    "Immer noch also. Nun gut."
    Mehr gab es dazu nicht zu sagen, weshalb er dies auch nicht tat. Mit indefiniblem Gesichtsausdruck blickter er seinen Bruder an.
    "Kann ich sonstig noch etwas für dich tun?"

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