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Ein strahlendblauer Himmel wölbte sich über der Stadt. Einige kleine Wölkchen, wie spielerisch mit dem Pinsel hingetupft, segelten, von einer frischen Brise getrieben, rasch durch das Meer von Bläue. Gleißend stand die Sonne über dem allem, kündigte mit der Wärme ihrer Strahlen schon die Gluthitze des Sommers an.
Es war am frühen Nachmittag, als sich auf dem Pons Cestius ein Menschenauflauf bildete. Ein ganzer Haufen von Leuten drängte sich in der Mitte der Brücke zusammen, sie reckten die Hälse, und sie blockierten den Weg, so daß kaum noch ein Durchkommen war.
"Was in Plutos Namen ist denn da vorne los?!"
schimpfte ein älterer Landmann, der mit einem Handkarren, vollbeladen mit gackerndem Hühnervolk auf dem Weg zum Viehmarkt war, und in dem Gedränge steckengeblieben war.
"Gibts da was umsonst oder was?"
"Nein"
belehrte ihn sein fuchsgesichtiger Nebenmann, der in dem Gedränge gerade Ausschau nach leicht zu stehlenden Geldbörsen hielt,
"Da will sich einer ersäufen. Nen junger Kerl, steht da aufm Geländer und man weiß nicht, tut er’s jetzt, oder tut er’s nicht. Da drüben kannste sogar drauf wetten."
"Diese Jugend, nur Flausen im Kopf!"
wetterte der Bauer drauflos.
"Wollen nicht arbeiten und machen dann Sperenzchen. Und kaum geht mal was nicht wie sie wollen, heißt es gleich Ach und Weh und Heulen und Zähneknirschen. Und denken natürlich nicht dran, dass anständige Leute VIELLEICHT auch mal hier durch müssen! - Heda du Bengel, Finger weg von meinen Hühnern. - Also zu meiner Zeit…"
Der Dieb nickte unbestimmt, und tauchte ins Gewühl, wo eine Börse winkte. Durch eine Lücke zwischen den Köpfen konnte der Bauer jetzt auch einen Blick auf den Selbstmörder werfen - einen hübschen Jüngling, der, von der Menge erwartungsvoll begafft, leicht schwankend auf dem steinernen Geländer stand, das lange Haar im Winde wehend.
Verächtlich verzog der Landmann das Gesicht. Genau wie er es sich gedacht hatte, ganz bestimmt. Und dass die Leute alle nicht besseres zu tun hatten! Er fasste die Griffe seines Handkarren fester.
"Heda, aus dem Weg, ich muss zum Viehmarkt und zwar heute noch!"
Rabiat bahnte er sich seinen Weg, ohne dieses Beispiel für den Verfall der Jugend, und der Sitten im allgemeinen, noch eines Blickes zu würdigen.