Die Antwort bestätigte Menecrates Verdacht, aber sie befriedigte keineswegs seine Neugier. Er zog sich einen Stuhl vor den Schreibtisch, setzte sich darauf und verschränkte Arme vor der Brust. Er dachte sich, sagen würde er nichts brauchen, die Geste müsse Bände sprechen.
Arbeitsraum Claudius Menecrates
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Als Menecrates sich setzte und die Arme verschränkte war es Wulfgar bewusst, dass er noch mehr wissen wollte. "Haben Dominus Menecrates noch genauere Fragen?" Was sollte er besonders sagen? Um seine Götter, seinen Stamm, seine Kultur, seinen Militärischen Werdegang? Oder wollte er wissen, wie das Leben im Dorf von ihm war?
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So richtig reden wollte der Sklave nicht. Meencrates schwankte zwischen Ärger wegen Harigastus' Verschlossenheit und Nachsicht wegen möglicher Kommunikationsschwierigkeiten.
"Du verstehst mich, oder?", fragte er daher sicherheitshalber nach. "Ich möchte mehr über dich und deine Vergangenheit erfahren. Biete mir etwas an. Ich sage dir dann schon, was mich interessiert und was nicht."
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"Ja ich verstehe euch Dominus Menecrates." Wulfgar nickte. Sicherlich würde er nicht die ganze Lebensgeschichte von ihm wissen wollen, aber interesse schien der alte dennoch zu haben. "Wie ich sagte. Ich bin von Stamm der Chatten. Meine Sippe lebt in den Wäldern des Taunus. Bei uns gilt die verehrung von alten weisen, genauso wie von mächtigen Kriegern. Viele unserer Frauen sind die Verbindung zu unseren Göttern, welche uns das Essen geben, uns verlieben lassen oder im Kampf Siegreich. Doch fordern sie immer Opfer um auf unserer Seite zu sein." Er machte eine kurze Pause um das soeben gesprochene sich setzen zu lassen. "Ich war Krieger bei uns Chatten, wie viele meiner Väter und deren Väter. Ich war ein guter Kämpfer, darum war ich," er überlegte kurz an der übersetzung, "Sechster des Kopfes. Je näher man dem Feind ist umso größer die Ehre, die einem zuteil wird. Wenn wir Chatten andere im Kampf töten, schneiden wir unsere Haare ab, welche die Farbe von Feuer haben. Haare legen wir auf die Feinde und deren Waffen, damit Götter unsere Ehre sehen können." Wieder überlegte er. "Wenn wir haben keine andere Wahl als uns gefangen nehmen zu lassen, wir sind ohne jede Ehre und Sklaven. Wir erst wieder müssen unsere Ehre mit Kampf und Sieg erringen. Aber dazu muss der Mann uns als ehrbar sehen, der uns besitzt. Sonst keine Ehre."
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Die Ausführungen zu Abstammung, Familie und Herkunft reichten Menecrates. Familiengeschichten konnten selten seine Aufmerksamkeit fesseln, wohl aber alles Militärische. "Wie genau muss ich mir die Truppenaufstellung vorstellen, wenn es einen Kopf gibt und du Sechster warst?" Die Tradition mit den Haaren verschob Menecrates wieder in die Rubrik verzichtbares Beiwerk. "Und ich möchte noch etwas über eure Kampftaktiken erfahren."
Er besann sich kurz und dachte noch einmal über Harigastus‘ letzten Gedanken nach. "Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, was ein Sklave leisten müsste, damit ich ihn als ehrbar ansehen kann. Über derlei denkt man hier in Rom nicht nach, viele sprechen nicht einmal mit ihren Sklaven." Ob Menecrates darüber einmal nachdenken würde, ließ er offen. Im Feld oder Krieg zählte für ihn niemals der Stand oder Ordo, allein der Mut, die Verlässlichkeit und der Kampfgeist zählten, wenn es darum ging, wen er im Ernstfall an seiner Seite wissen wollte.
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Scheinbar hatte Menecrates noch nie das Vergnügen gegen den Eberkopf der Germanen zu kämpfen, schloss Wulfgar. So musste er kurz überlegen wie er es ihm am besten erklären konnte. Er legte seinen linken Arm Waagerecht vor seine Brust. "Wenn wir warten auf Feind, wir stehen in Reihe. Jeder neben Jeden. Doch wenn Horn zum angriff bläst, wir stürmen so vor." Er machte eine Keilspitze mit seinen Händen. "Vorne Rennt der, der ist zuerst bei Gegner. Ist Erster des Kopfes. Er haben meiste Ehre, da er als erstes zuschlagen kann. Er gibt auch Befehle weiter. Ein sechster im Kopf, wie ich, gibt sie weiter an die Massen der Krieger, die Folgen."
Dann noch die Kampftaktiken. Hier wurde es kniffelig. Wie sollte er es am besten erklären? "Naja. Kämpfen mit dem, was haben. Schild, Schwert, Axt, Speer. Wir vertrauen auf Wodan und daher Schild benutzen oft wie Waffe. Dann wir nehmen ganzen Körper mit in Kampf. Treten, schubsen. Halt alles, was geht. Wichtig ist Herz von Kämpfer zu haben." Dann fiel ihn noch was ein. "Wir auch haben Schützen, aber selten in offener Schlacht. Mehr von Seite um Feind gut zu sehen. Alles ist gerecht, wenn es führen zu Sieg."
Zu seiner letzten Ausführung musste Wulfgar selber gestehen, das er sich nie so wirklich darüber Gedanken gemacht hatte. Aber eines war sicher. "Wenn Sklave zum Beispiel retten Leben von Freien, er meistens ist ehrbar genug um nicht mehr zu sein Sklave. Aber ansonsten ich selber auch nie richtig darüber nachdachte. Hatte nie einen Sklaven. Wollte auch nicht." -
Alle jetzt gewonnenen Erkenntnisse würde Menecrates nicht mehr gewinnbringend für das römische Heer nutzen können, denn er war ja längst im Ruhestand. Interessieren tat es ihn allemal. Die Germanen standen also vor einem Angriff zunächst in Reihe. Alle? Offensichtlich. Es konnte sich dabei niemals um größere Verbände handeln, denn sonst wäre der Zeitverlust viel zu groß, wenn sie sich in Angriffsformation begeben mussten. Menecrates stellte sich gerade vor, wie eine Legion in Reihe stehen würde. Nein, das ging gar nicht.
"Angriff in Keilform, meinst du das?" Ähnlich sah Harigastus' Geste aus und eine solche Angriffsform kannte der Claudier natürlich aus der Legion.Als die Kampftechnik erläutert wurde, erschien eine steile Falte über Menecrates' Nasenwurzel. Treten? Schubsen? Das klang wenig nach Disziplin und einheitlichem Vorgehen, sondern vielmehr nach Individualismus. Aber er sparte sich darüber einen Kommentar. Die zerstreute Kampfweise sagte ihm persönlich etwas. Trotzdem nahm er bislang an, es gäbe auch hier geschultes Vorgehen, denn sonst konnte er sich die Teilerfolge der Germanen zu Beginn des letzten Jahrhunderts nicht erklären. Für ihn ging nichts ohne geradlinige Struktur.
"Wie meinst du das mit dem Herz? Geht es um das Herz des Angreifers oder das des Gegners?"
Und stimmt, er musste nicken. Rettete ein Sklave das Leben eines Römers, wog das schwer. Auch Menecrates würde sich da erkenntlich zeigen, keine Frage. -
'Keilformation' Das Wort hatte Wulfgar schonmal gehört mit Zusammenhang des Eberkopfes der Germanen. So nickte er. "Ja. Wir aber nennen Eberkopf. Wie ein wilder Eber stürmen wir los und schlagen auf den Feind." Diese Taktik hatte sich über viele Jahrhunderte bewehrt gehabt unter seinem Volk, das wusste Wulfgar von den Geschichten.
Als Menecrates ihn auf das Herz ansprach, musste er kurz auflachen. "Verzeiht Dominus. Nein, ich meinen Herz von Krieger muss schlagen für den Kampf. Wenn nicht mutig, dann er kein Krieger und nicht Wert eines Platzes im Kampf oder Sippe. Wer zu feige ist, der nicht verdient zu leben. Wir nicht essen Herz von Feind. Wenn er stirbt im Kampf, er muss soweit es geht ganz auf die andere Seite zu den Göttern. Wir nicht nehmen Trophäen. Dazu wir nehmen unsere Haare." Das ein Feigling es nicht verdient zu leben war zwar eher seine Meinung, aber das musste ja nicht jeder wissen. -
Ein wilder Eber erschien ihm eher unberechenbar als diszipliniert. Damit würde sich Menecrates nicht anfreunden können. Er erhob sich und trat wieder hinter seinen Schreibtisch. Die Erklärung mit dem Herz ließ er sich durch den Kopf gehen, nahm sie als Wissen auf, ohne sie jedoch zu kommentieren.
"Welchen Umgang mit Waffen bist du denn bislang gewohnt?" Er hoffte, dass Harigastus bereits mit mehr als nur Behelfswaffen gekämpft hatte, konnte sich dessen aber nicht sicher sein. "Und wie sieht es außerdem im Ringkampf aus?" Seine Sklaven gut einschätzen zu können, war die eine Seite, Menecrates verfolgte aber zur Zeit auch noch andere Pläne.
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Damit konnte er doch etwas anfangen. "Gelernt habe ich mit Speer zu kämpfen und zu werfen. Auch mit dem Schwert bin ich gewohnt." Natürlich konnte er mit diesen Waffen gut umgehen, sonst hätte er ja nicht seinen Posten im Heer bekommen. Auf die andere Frage musste er kurz etwas überlegen. "Ja das kann ich auch, wenn es das ist was ich meine. Zwei gegeneinander und keine Waffen? Dann ja."
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Also das übliche Programm vermerkte Menecrates bei sich. Vielleicht würde sich diese Fähigkeit ausbauen oder bei Gelegenheit nutzen lassen. Er wusste nun, was er erfahren wollte und war gerüstet für die kommenden Verhandlungen im Ludus.
"Das war es dann, Harigastus. Du kannst wegtreten."
Er angelte sich seinen Stuhl, der noch immer mittig im Raum stand und zog ihn hinter den Schreibtisch. Dann nahm er sich eine Wachstafel und machte sich Notizen zum soeben beendeten Gespräch.
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Geschafft endlich wieder zu Hause. Was heißt hier zu Hause? Spinne ich jetzt? Mein zu Hause ist in Kreta. Ich werde hier noch Olympia reif gemacht. Soviel wie in den letzten Tagen, bin ich bisher in meinem ganzen Leben nicht, auf meinen Füßen unterwegs gewesen. Zuerst zum Forum Romanum, natürlich erfuhr ich dort nicht allzu viel, dann gings weiter, durchfragen bis zum Eintrittstor zur Casa Opimia. Ich schätze die Auskunft die ich habe wird dem Iavolenus nicht gefallen. Der Typ sitzt nun in der Zwickmühle entweder arbeiten oder abhauen.
Nun stand ich vor dem Arbeitsraum von Menecrates und klopfte laut und vernehmlich an die Türe.
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Er nickte kurz, stand stramm ging 2 Schritte rückwärts und drehte sich dann erst um, um den Raum zu verlassen.
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Einige Ideen, wer wohl vor seiner Tür stand, gingen ihm durch den Kopf, bevor er "Herein!" rief. Er legte den Griffel zur Seite, lehnte sich im Stuhl zurück, streckte sich einmal und schaute dann erwartungsvoll zur Tür. Seine Hände lagen auf der Tischplatte und er überlegte, ob er sich wohl bald eine Essenspause einrichten sollte.
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„Dominus ich habe versucht soviel wie möglich über den Magister Septemvirorum heraus zu finden.
Nach dem Tode des Aurelius Corvinus, streiten die Epulonen wohl wer dessen Nachfolger wird. Zuerst wollten sie Jünglinge, dann eine Frau, das Collegium Pontificium hat, auf ihre Anfrage, wohl untersagt Frauen ein zu stellen. Bei der letzten Contio wurde Trebonius Seius vorgeschlagen, worauf eine lebhafte, aber fruchtlose Diskussion stattfand. Zum Schluss gingen einige recht frustriert nach Hause.“ Tief einatmend fügte ich dann hinzu:
„Von einem Magister Septemvirorum, wusste aber keiner der Informanten etwas. Einige beharrten darauf, dass dieses Amt unbesetzt sei.“ -
Der Türhüter hatte ihn am Morgen herein gelassen und in den Arbeitsraum seines Partons geführt.
“Salve Patronus.”
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Zitat
Original von Linos
„Dominus ich habe versucht soviel wie möglich über den Magister Septemvirorum heraus zu finden.
Nach dem Tode des Aurelius Corvinus, streiten die Epulonen wohl wer dessen Nachfolger wird. Zuerst wollten sie Jünglinge, dann eine Frau, das Collegium Pontificium hat, auf ihre Anfrage, wohl untersagt Frauen ein zu stellen. Bei der letzten Contio wurde Trebonius Seius vorgeschlagen, worauf eine lebhafte, aber fruchtlose Diskussion stattfand. Zum Schluss gingen einige recht frustriert nach Hause.“ Tief einatmend fügte ich dann hinzu:
„Von einem Magister Septemvirorum, wusste aber keiner der Informanten etwas. Einige beharrten darauf, dass dieses Amt unbesetzt sei.“Mit Manuel nahten die Informationen, auf die Menecrates wartete. Wie immer, wenn sein Privatsekretär Bericht erstattete, lauschte er aufmerksam. Manuel besaß wirklich Talent, Auskünfte zu beschaffen. Menecrates freute sich über den guten Griff auf dem Sklavenmarkt.
Und wieder waren die Informationen allesamt interessant. Etwas verstand er jedoch nicht."Ist ja interessant", erwiderte Menecrates, wobei dieser Spruch nicht zum ersten Mal über seine Lippen kam. Dann stutzte er. "Moment, du sagst nach dem Tode des Aurelius. War Aurelius denn Septemvir? Ich meine, zeitgleich wie Pontifex?" Menecrates blickte verwirrt, konnte aber gleichzeitig nicht von sich behaupten, den Lebensweg dieses Mannes verfolgt zu haben.
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Bei der berechtigten Verwirrung und Frage von Menecrates schoss mir vor Schreck die Röte ins Gesicht. „Verzeih mir Dominus, ich bin noch nicht so vertraut mit den Namen und mir unterlief ein Fehler. Der Name des verstorbenen Septemvir war Ceionius Petro.“
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Zitat
Original von Lucius Iulius Antoninus
Der Türhüter hatte ihn am Morgen herein gelassen und in den Arbeitsraum seines Partons geführt.“Salve Patronus.”
"Salve, Antoninus. Das trifft sich heute besonders gut." Menecrates wies auf einen Stuhl und überließ es Antoninus, ob er sich setzen wollte. Er selbst saß hinter dem Schreibtisch und kramte in seinen Notizen, dann blickte er auf."Wir müssen gleich noch über das Vorhaben ‚Beförderung‘ sprechen. Ich bin aktuell an einem Punkt, wo ich noch mehr Informationen von dir brauche. Zunächst aber mein Anliegen an dich, was ich ja bereits angekündigt hatte.
Du kannst dich für mich sehr nützlich machen, indem du jemanden in alltagstauglichen Kampftechniken, gern auch mit Übungsschwert, trainierst und ihm darüber hinaus darin schulst, eine Führungsrolle wahrnehmen zu können. Ich möchte eine talentierte Sklavin in die übertragene Position eines Optios versetzen. Sie soll die ihr Untergebenen später ausbilden und im Gefahrenfall selbstständig die Verteidigung organisieren können. Du verstehst? Traust du dir das zu?" -
Zitat
Original von Linos
Bei der berechtigten Verwirrung und Frage von Menecrates schoss mir vor Schreck die Röte ins Gesicht. „Verzeih mir Dominus, ich bin noch nicht so vertraut mit den Namen und mir unterlief ein Fehler. Der Name des verstorbenen Septemvir war Ceionius Petro.“
"Ah, gut. So verstehe ich das." Menecrates war keineswegs sauer, sondern schätzte es stets, wenn jemand in der Lage war, einen Fehler einzugestehen. Ausreden oder gar Schuldzuweisungen an andere verabscheute er hingegen sehr.
"Und hast du etwas über einen Opimius Naso herausfinden können? Ich meine nämlich, dass der vor Jahren einmal Magister war. Ich kann mich nicht erinnern, dass er das Amt aufgegeben hat, aber gleichzeitig kann ich mich auch nicht erinnern, zuletzt einmal etwas von ihm in diesem Amt gehört zu haben."
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