Atrium | Aquilius et Victor

  • Der junge Sklave führte den Septemvir in das Atrium der Villa Flavia hinein. "Bitte gedulde dich einen Moment, Flavius Aquilius wird bereits benachrichtigt. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?" Er goss, ohne die Antwort abzuwarten, aus einer bereitstehenden Kanne frisches mit Wein angereichertes Wasser in einen Becher und bot diesen auf einem Tablett dem Valerius an.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Vic ist dem Sklaven ins Haus gefolgt und bleibt dann doch ein bisschen beeindruckt im Atrium stehen. Nicht schlecht der Schuppen, das muss er schon zugeben. Und der Service stimmt auch. "Jo, danke. Er nimmt den Becher entgegen, probiert das Gemisch und befindet es für etwas lasch, doch für den Empfang nicht übel. Interessiert schaut er sich dann die Wandmalerei an, die ganz schön anders aussieht, als die in der Casa del Vic. Eigentlich sieht man sie überhaupt, während in der Casa Valeria nur noch ein verwaschener Abklatsch Farbpigmente an den Mauern hängt. Auch die Statuen und der ganze Schnickschnack sind nicht schlecht, aber eigentlich auch nur unnötiger Krempel. Mag ja alles ganz schnieke aussehen, aber Vic wollt hier nicht wohnen, da käme er sich vor wie ein Fisch auf dem Trockenen oder ein Regenwurm im Wasser. Außerdem sieht das alles so weibisch aus. Aquilius ist nicht verheiratet, das weiß Vic, der Senator Felix auch nicht. Aber irgendwer der hier wohnt muss es sein. Er fragt sich, ob die ganzen Flavier aus dem Cultus Deorum wohl alle in dieser Villa hausen. Vielleicht wird er Aquilius unauffällig danach fragen. Oder einfach Mercurinus aus der Regia, der weiß sowas immer.

  • Ich hatte gerade einige Schriftrollen geordnet - beziehungsweise von einem Sklaven ordnen lassen und diesen dabei beaufsichtigt - als mich der junge Sklave benachrichtigt hatte, dass mein Besucher vom cultus deorum eingetroffen war. Schnell scheuchte ich den Sklaven heraus, ließ die ungeliebte Arbeit liegen - erstaunlicherweise hatte sich mein Postaufkommen durch die Übernahme von Flavia Calpurnias und der Villa unseres Familienzweigs in Tarraco Betrieben enorm vervielfacht - und schritt gen atrium, um den septemvir zu begrüßen. Dass ich mir in der Villa eine Toga schenkte, würde Valerius Victor hoffentlich nachvolliehen können, ich hatte auch nicht unbedingt Lust, mich bei diesem heißen Wetter noch einwickeln zu lassen - so musste es meine dunkelrote Tunika mit den Silberstickereien an den Ärmeln tun, die glücklicherweise noch keine Weinflecken hatte, ein Zustand, von dem ich ahnte, dass er sich bald ändern würde.


    "Salve, Valerius Victor," begrüßte ich ihn und trat auf ihn zu, dem Sklaven, der ihm eingeschenkt hatte, zunickend, auf dass ich auch ein Getränk erhalten würde - ungemischt, hier in der Villa panschten sie nur zu gern den guten Wein zu einer flachbrüstigen rotgefärbten Wassermasse, was es zu verhindern galt. "Es freut mich, dass Du so schnell Zeit gefunden hast - kann ich Dir etwas anbieten? Essen? Oder wollen wir unser Gespräch einfach nur mit einem guten Wein versüßen?" Auch wenn ich den Wein mochte, ohne Grundlage dafür würden wir sicher bald kotzend im Garten enden, zumindest hatte ich diese Erfahrung nicht nur einmal gemacht.

  • "Salve Flavius Aquilius." Obwohl Aqulius einer von den flavischen Priestern ist, die Vic irgendwie alle suspekt sind, ist er ihm nicht ganz so suspekt wie die anderen. Denn immerhin verrichtet er seinen Dienst hauptsächlich im Tempel des Mars. Wenn es etwas gibt, was Vic verstehen kann, dann ist das eine Bindung zu Mars, dem Vater aller Römer, Gott des Krieges und der Manneskraft. Ein weiterer Pluspunkt ist das lockere Auftreten des Flaviers, der immerhin in seiner eigenen Villa nicht affektiert mit Toga rumläuft. Doch damit es es noch nicht getan, denn es folgt auch gleich noch eine Einladung zum Essen. Victor kratzt sich am Hinterkopf. Viel gegessen hat er den Tag über nicht. Ein paar geräucherte Würste aus den Opfergaben an Volturnus vom Vortag und ein paar Kekse von den morgendlichen Opfern im Tempel des Mars Ultor.


    "Etwas zu Essen wär nicht schlecht. Obwohl die Regia mitten in der Stadt steht komm ich den Tag über nur selten dazu, mal was zu Essen." Er zieht eine Schulter hoch. "Da hat mans als Sacerdos doch wesentlich besser. Vor allem im Mars Ultor-Tempel werden doch ne Menge schmackhafte Gaben geopfert. Oder ist das nicht mehr so?"

  • "Geopfert wird viel, aber ausser mir gibt es genug andere, die sich eindeutig ein bisschen schneller die besten Gaben einverleiben ... in sofern bin ich immer froh über ein reichhaltiges Abendessen, wenn ich hierher zurückkehre. Und oftmals bleibt auch tagsüber einfach nicht die Zeit, sich lange beim Essen auszuruhen, gerade jetzt gilt Mars viel Aufmerksamkeit und die Arbeit potenziert sich," antwortete ich und schnippste nach dem Sklaven, der sich schon hatte entfernen wollen. Mit kurzen, knappen Worten bestellte ich für uns beide etwas zu essen, denn auch ich war noch nicht groß dazu gekommen, den Hunger des Tages zu stillen, und inzwischen wussten die Haussklaven auch, dass ich nicht gerne auf mein Essen wartete. Gemütlich nahm ich auf einer der Sitzbänke im atrium Platz und bedeutete meinem Besucher, es mir gleichzutun, wir mussten hier nicht herumstehen wie in einer Statuengalerie, hier gab es ohnehin nicht allzu viel zu sehen, jedenfalls nicht nach meiner Ansicht.


    "Hast Du schon vernommen, dass mir eine discipula zugeteilt wurde? Eine Octavierin ... im ersten Augenblick, als sie mich ansprach, dachte ich mir, sie wolle von einem Marspriester lernen, was es bedeutet, die Venus für Mars zu sein," bemerkte ich dann leicht schmunzelnd in der Erinnerung an das Gespräch mit Octavia Severa. "Die Frauen, die sich dem Dienst an den Göttern verschreiben, werden auch immer jünger, und die älteren Priesterinnen scheinen mir immer beschäftigter, wenn ich bedenke, dass ich mich nun um sie kümmern soll und nicht eine Priesterin." Kümmern und kümmern waren ohnehin zwei verschiedene Dinge, aber wer hätte das nicht besser und genauer gewusst als ein anderer Priester des Mars?

  • "Jo, mit dem Krieg vor Augen ist Mars immer sehr gefragt, das war noch nie anders und wird sich vermutlich auch kaum jemals ändern." Höchstens vielleicht, wenn mal niemand mehr an Mars glauben würde, aber das kann ich sich Vic sowieso nicht vorstellen. Er legt sich auf eine Kline und bemüht sich, sich nicht so arg zu fläzen, immerhin ist er zu Besuch. Seine Zurückhaltung löst sich aber schnell auf als Aquilius die Sache mit Mars und Venus erwähnt und Vic in schallendes Gelächter ausbricht. Er leert den Becher bis zu letzten Tropfen und schüttelt lachend den Kopf. "Tschuldige, aber der war verdammt gut. Jo, da muss man als Sacerdos Martialis schon aufpassen, das kann ich dir sagen. Wenn eine Frau den Tempel des Mars aufsucht, dann erwartet sie schließlich geballte Manneskraft, hrhr."


    Vic schwamrt es langsam, worum es Aqulius geht. Wahrscheinlich ist schon etwas passiert und der Flavier sucht nun einen Ausweg. Vic hatte sich nur einmal mit einer Angehörigen des Cultus Deorum eingelassen. Allerdings war diese selbst Sacerdos, ebenfalls verheiratet und hatte gewusst, was sie tut. "Ich glaub, das mit der Discipula hab ich tatsächlich gesehen. Manchmal hab ich das Gefühl, der ganze Verwaltungskram läuft allein über meinen Schreibtisch. Als gäbs nur einen Septemvir in Rom." Er schaut Aquilius ernst an. "Gibts Schwierigkeiten mit ihr?"

  • "Nein, nein," winkte ich schnell ab, ganz so tief gesunken, dass ich mich gleich an einer unschuldigen discipula vergriff, war ich nun auch wieder nicht, ich hielt mich da eher an die engeren Verwandten. Über den Gedanken schmunzelnd, was der septemvir wohl sagen würde, hätte er meine Gedanken gelesen, nahm ich einen Schluck des vollmundigen Falerners aus meinem Becher und lehnte mich gemütlich zurück. "Du hättest sehen sollen, was für Stielaugen die anwesenden sacerdotes gemacht haben, als diese discipula in den Tempel kam - ich musste mir das Lachen ziemlich verkneifen. Wann ist der cultus Martialis nur zu einer Versammlung der alten Männer geworden? Manchmal komme ich mir vor, als würde ich den Altersdurchschnitt empfindlich absenken, wenn ich anwesend bin." Auf einen Wink meinerseits hin trat ein anderer Sklave herbei und blickte Valerius Victor abwartend an, schließlich hatte er den Becher gerade geleert und wollte vielleicht nachgeschenkt haben - Wein und Wasser dafür standen in jedem Fall bereit, auch wenn ich die Villa sonst nicht besonders zu schätzen wusste, der Service war ausgezeichnet.


    "Gibt es eigentlich irgend etwas, was ich bei der Ausbildung beachten muss - abgesehen davon, sie nicht zu schwängern? Sie ist meine erste Schülerin, und ich will es nicht gerade zu Anfang schon verderben," ging ich so locker an das Thema heran, wie er es getan hatte. Unter all den Patriziern, mit denen ich tagtäglich zu tun hatte, war der septemvir als offensichtlicher Plebejer wirklich eine angenehme Ausnahme, und erfrischend noch dazu. Ich fragte mich, wieso wir uns nicht schon früher einmal getroffen hatten, um uns auszutauschen, aber wahrscheinlich waren es die Standesgrenzen, die wirkungsvoll verhinderten, dass solche Verabredungen ausserhalb des üblichen Tempeldienstes zustandekamen.

  • Irgendwie hätte es Vic wirklich nicht gewundert, wenn da schon was schief gegangen wäre. Trotzdem ist er froh, dass es nicht so ist. Sowas bringt immer nur Scherereien. Würde der Septemvir Aquilus Gedanken lesen können und würde der Septemvir dann noch die entsprechenden Verwandten kennen - zumindest die weiblichen - dann würde er den Patrizier voll und ganz verstehen können. Da er beides nicht tut, kann er ihn weder verstehen noch nicht verstehen. Stattdessen lässt er sich Wein nachschenken. "Hrhr, das ändert sich wohl nie. Schon als ich als Commentarius nach Rom gekommen bin waren die Sacerdotes alt. Jetzt bin ich älter und die Sacerdotes auch. Aber anderswo ist es auch nicht besser. In Germania haben sie mich auch einem Sacerdos an die Seite gestellt, der konnt schon fast nicht mehr laufen. Nuja, gäb es nicht immer noch so ein paar Patrizier, die sich wegen der Tradition und dem ganzen Zeug zum Tempeldienst melden würden, dann würd der Cultus Deorum wohl früher oder später von Peregrini überrannt werden. Die Jungs und Mädels aus gutem Haus ziehts doch alle zu Ruhm und Ehre." Ob das schlecht wäre, darüber schweigt sich Vic aus. Immerhin kommt er genau aus der angesprochenen Schicht und wie der Cultus Deorum in Rom funktioniert, das hat ihn schon immer sehr irritiert. Vor allem das mit den getürkten Opfern.


    Er lässt sich den Wein schmecken und denkt über Aqulius Frage nach. "Du solltest sie nicht verschrecken und nicht überfordern. Bist du eigentlich mit Flavius Gracchus verwandt? Dem hatten wir vor ner ganzen Weile schon eine Patrizierin geschickt. Ich weiß nich, was er mit ihr gemacht hat, aber da er im Iuppiter-Tempel seinen Dienst verrichtet will ich mal ausschließen, dass er sie geschwängert hat. Auf jeden Fall war die ziemlich fix wieder aus dem Cultus Deorum draußen. Vielleicht isser auch einer von diesen verbohrten Traditionalisten, die patrizische Frauen nicht außerhalb der Villa sehen können ..." Vic merkt gar nicht, dass er vielleicht besser nicht zu viel sagen sollte. Irgendwie geht er davon aus, dass so einer wie Aquilius sowieso nicht mit so einem wie Gracchus verwandt sein könnte. Der Flavier war ihm schon während der Ausbidlung ein bisschen suspekt, obwohl er fachlich durchaus was drauf hat.


    "Also am besten ist es, du packtst dein Wissen in gut verdaubare Häppchen und servierst sie ihr nach und nach. Du wirst dann schon feststellen, wie fit sie ist und was du dir sparen kannst."

  • Auch ich ließ mir nachschenken, da der Falerner in meinem Becher die unangenehme Eigenschaft offenbart hatte, zur Neige zu gehen, zugegeben, ich war nicht ganz unschuldig daran. Während der angenehme Geschmack des Weines noch auf meiner Zunge pulsierte und ich langsam fühlte, wie meine Glieder durch den Alkohol an Wärme gewannen, lauschte ich seinen Ausführungen, jenen über Gracchus doch mit steigendem Erstaunen. Sollte mein korrekter Vetter so ungeeignet gewesen sein, eine discipula zu unterrichten? Obwohl .. eine Frau ... nun, das mochte der Knackpunkt bei der ganzen Sache gewesen sein. "Nun ...." meinte ich nach einer Weile und räusperte mich dann etwas. "Flavius Gracchus ist mein Vetter, und wir sind zumindest einige Jahre über gemeinsam aufgewachsen, letztendlich sind wir eher Freunde denn Vettern, es gibt wenig Geheimnisse zwischen uns." Und ein Geheimnis, das wir miteinander teilten, dachte ich, aber das würde der septemvir sicher nicht erfahren. Das mochte den Redefluss meines Besuchers vielleicht ein wenig dämpfen, im eigenen Haus über ein Familienmitglied herzuziehen mochte vielleicht bei den Plebejern üblich sein, ich erlaubte mir das allenfalls über Furianus, der nicht wirklich ein Patrizier war.


    "Vielleicht hat er ihr einfach zuviel abverlangt, mein Vetter nimmt den Dienst im cultus deorum sehr ernst und erwartet dies auch von allen anderen, die diesen Weg beschreiten. Zudem, wenn du Dir überlegst, wie überspannt die meisten Frauen aus patrizischen Familien sind, ist es nicht erstaunlich, dass die Aussicht auf Arbeit und Verpflichtungen ein wenig erschreckend für sie gewesen sein dürfte. Denn wie ein verbohrter Traditionalist kam mir Gracchus niemals vor, ich glaube auch nicht, dass er dies ist. Höchstwahrscheinlich war es ihr dann doch zuviel Aufwand für zuwenig Lohn, oder irgend etwas in der Art - oder sie hat sich einer anderen Freizeitbeschäftigung zugewandt," überlegte ich und schüttelte dann den Kopf. "Ich denke, jene Octavierin wird sich eher bemühen, den Weg zu gehen, den sie sich ausgewählt hat, sie scheint mir energisch zu sein. Was sie kann, werde ich herausfinden ...willst Du über ihre Fortschritte informiert werden oder reichen die üblichen, langweiligen Berichte aus?" Ich hasste Berichteschreiben, und ich hatte das vage Gefühl, dass es ihm ebenso ging wie mir.

  • "Aha, Vetter." Und ein gut gelittener noch dazu. Da ist Vic wohl mal wieder mitten ins Fettnäpfchen reingelatscht. Das stört ihn allerdings wenig. Sowas hat ihn früher noch nicht gestört und seit er Septemvir ist stört es ihn noch weniger. Septemvir ist er auch nur geworden, weil er seine Klappe zu weit aufgerissen hat. Ob das gut ist, sei dabei natürlich dahin gestellt.


    "Na, wenn du es sagst. Ich hatte auch so ein paar Ausreißer in meiner Laufbahn. Manche fangen an und verschwinden klammheimlich in die Provinz. Wer weiß aus welchen Gründen. Die wenigsten melden sich ab, vielleicht ist sie mir deswegen im Gedächtnis geblieben. Aber du hast sicher recht und mit Patrizierinnen kennst du dich wahrscheinlich besser aus als ich." Mit Patriziern im allgemeinen sowieso. Früher mal waren Patrizier für Vic fast schon auf göttlicher Stufe, direkt neben dem Kaiser. In Malaca gibts nämlich keine Patrizier, dort kennt man nur Geschichten. Je mehr Patrizier Vic dann aber in Rom kennen gelernt hat, desto weiter sind sie auf der Leiter seiner Achtung nach unten gefallen. Ganz weit vorn auf diesen unteren Sprossen steht die Schnäpfe von Ehefrau von seinem Patron. Eigentlich ist das für Vic genau so eine Paradepatrizierin von denen Aquilius spricht. Zu fein für diese Welt. Einzige Ausnahme in diesem Bild bildet Aurelia Deandra, die Frau mit den vielen As, obwohl auch ihr Ansehen bei Vic gelitten hat. Er weiß zwar nicht mehr warum, aber es hat irgendwas mit Mänteln zu tun. Es geht einfach nichts über plebeische Frauen. So wie Helena. Obwohl. Eigentlich geht nichts über einfache Frauen. So wie Vio. Vielleicht. Vic kratzt sich am Hinterkopf, irgendwie hat er den Faden verloren.


    Er trinkt einen Schluck Wein, schmeckt schon besser das Mischverhältnis. Außerdem fällt ihm auch wieder ein, worum es eigentlich geht. "Och, Berichte brauchen es nicht groß werden. Schreib dir einfach auf, was du mit ihr gemacht hast. Also, nicht unbedingt was du gemacht hast, hrhr, was du ihr beigebracht hast eben. Aber keine Romane." Berichte lesen ist eine von den schlimmsten Sachen überhaupt für Vic. Zwar hat er das mit dem flüssigen Lesen in seinem Leben auch noch gelernt, aber länger als die anderen Septemviri braucht er trotzdem. Wahrscheinlich landet deswegen immer alles auf seinem Tisch. Das meiste davon liest er überhaupt nicht, sondern packt es nur auf irgendeinen Stapel, der früher oder später dann umfällt. Dann räumt es ein Scriba weg. Dieses System hat sich bisher bewährt.

  • "Nunja, wenn sie letztendlich entschieden hat, dass der cultus deorum nichts für sie ist, so ist es doch besser, sie hat die Entscheidung früh getroffen, denn als Priesterin unzufrieden alt zu werden und mit ihrer Einstellung den Nachwuchs zu vergraulen," meinte ich leichthin und zuckte mit den Schultern. Dass Gracchus eine Schülerin erschreckt haben könnte, schien mir so unwahrscheinlich, dass ich nicht einmal ernsthaft diesen Gedanken erwog. Vielleicht war ich auch einfach zu sehr daran gewöhnt, dass Gracchus nicht derjenige innerhalb unserer verkorksten Familie war, der irgendwelche Fehler beging, dafür war er einfach zu korrekt. Dass er keine Berichte haben wollte, war mir nur recht, vielleicht konnte man das alles dann auf einen gelegentlichen Wein am Abend nach dem Tempeldienst hinauslaufen lassen, um sich zu besprechen, dann war mir die Schreiberei erspart. Ich würde mir wirklich noch einen secretarius anschaffen müssen, wenn das so weiterging mit der Post.


    "Es wundert mich fast ein wenig, dass so wenig Nachwuchs für den cultus Martialis vorhanden ist, alle stürzen sich mit wehenden Fahnen in den Krieg, die Begeisterung für Mamarce scheint ungebrochen, aber die wenigsten entschließen sich, Ihm auch auf andere Weise zu dienen," führte ich den Gedanken fort, der sich mir immer wieder gestellt hatte, tagaus, tagein, wann immer ich im Tempel den alten Männern dabei zugesehen hatte, wie sie die Opfergaben abräumten und den Altar für den nächsten Opfernden frei machten.


    "Wie kam es eigentlich, dass Du septemvir wurdest, Valerius Victor? Ich hätte vermutet, dass Dir die Aufgabe als sacerdos Martialis eine Lebensaufgabe ist, und doch findet man Dich nun unter den Schreibtischhengsten des collegiums...?" Wo er, meiner Ansicht nach, verschwendet war, er konnte mitreißen, begeistern, und beim Berichtelesen und -schreiben waren solche Gaben doch eher verschwendet. Der Sklave trat wieder herein und rückte uns einen Tisch zurecht, auf dem andere Sklaven mehrere Schalen mit Oliven, bereits vorgeschnittenen gebratenen Fleischstücken, Käse und einem Teller frischen Fladenbrotes anreichten, ein rustikales Abendessen, das mir nach einem kekserfüllten Tag gerade recht kam. Irgendwann konnte man diese Kekse einfach nicht mehr sehen.

  • "Tjo, der Dienst im Cultus Deorum bringt wenig Ruhm und Ehre mit sich. Aus dem Krieg kommst du mit ner Phalera oder gar nicht heim und solang du dort bist, wirst du rundum versorgt. Aus dem Tempel kommst du jeden Tag nur mit ein paar Keksen heim. Vielleicht ist die Arbeit im Tempel einfach zu alltäglich."


    Vic nimmt sich Fleisch, Käse und Brot und beißt erstmal ab, bevor er weiter spricht. "Wie ich so tief sinken konnte, weiß ich auch nicht genau." Er grinst schief. "Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das eine Belohnung, eine Bestechung oder eine Bestrafung sein sollte. Aus meiner Sicht ists wohl das letzte. Ich wollte nur dem Mars dienen und als mir hier in Rom die Aufsicht über den Mars Ultor-Tempel gegeben wurde, war das für mich das Höchste. Je länger ich aber in Rom war, desto merkwürdiger fand ich das ganze Prozedere im Cultus Deorum. Ich war immer der Meinung in den Collegien sitzen Leute, die was bewegen, vor allem im Collegium Pontificium. Aber so isses nicht. Da wird nichts bewegt. Da wird nichts für die Götter getan. Da läuft alles nur auf Politik und Macht und ne bequeme Kline raus. Ich hab den Fehler gemacht, das vor dem Pontifex Maximus anzuprangern. Daraufhin hat er mich ins Collegium Septemvirorum gesetzt. Entweder damit ich selbst was bewegen kann. Oder damit ich den Mund halte. Oder weil er genau wusste, wie es läuft und genau wusste, was die da mit mir machen. Die Septemviri bekommen von den Pontifices alles aufgebrummt, was die nich tun wolln. Und ich bekomm von meinen Collegae alles aufgebrummt, was die nicht tun wolln. Es is ein Collegium voller Schläfer. Entweder du bist der Idiot, der sich abrackert und die ganze Arbeit macht, oder du legst dich mit dazu und pennst ebenfalls vor dich hin. Mann, ich hab das alles so satt. Wenns ne Möglichkeit gäbe, wieder in die Tempel zurück zu gehen, die könnten mich alle mal. Wenn du nen Rat von mir willst, dann mach deine Arbeit und versuch nicht, irgendwas am Cultus Deorum zu ändern. Und lass dich niemals in ein Collegium befördern."


    Am liebsten würde er alles hinschmeißen und zurück nach Malaca gehen. Zu Vio und seinen Kindern. Wer weiß, ob die überhaupt noch in Malaca sind. Bei all dem ist Vic wiederum egal, ob Aquilius vielleicht genau so einer ist, der nur deswegen in den Cultus Deorum ist und genau deswegen in einem Collegium enden will. Er hat ihn gefragt, da muss er auch die Antwort aushalten. Vic nimmt seinen Becher und hebt ihn. "Prosit, auf die ehrenvollen Collegien!"

  • Ich blieb zuerst beim Käse und dem Brot, um mir den Geschmack für das Fleisch nicht zu verderben, beim Essen, wenn nicht bei anderen Dingen, begann ich meistens langsam und gemütlich, ließ mir Zeit - und ich ahnte, dass unser Gespräch noch eine Weile dauern würde.
    "Das heisst, man ist entweder jemand, der es aufgegeben hat, irgend etwas bewegen zu wollen und sich in seinem Titel und dem Salär sonnt, oder aber man bekommt den Bodensatz des Weins zu trinken und kann sich jeden Tag aufs Neue wegen etwas abrackern, das nicht gewürdigt wird? Es klingt schon fast, als wäre das Leben als septemvir einem politischen Amt nicht unähnlich, nur ohne das Prestige und die Gelegenheit, vom Kaiser einige Lorbeeren zu ernten," meinte ich bedächtig und nahm noch einen Schluck Wein aus meinem Becher. er klang frustriert, und wenn jedes seiner Worte stimmte, dann wohl auch zu recht. Dass die meisten Priester Roms sich in ihrer Position ausruhten, war mir wohl bewusst, ich erlebte es auch im Marstempel oft genug, aber dass es so schlimm war, hätte ich auch nicht vermutet.


    "Es wundert mich, dass die flamines nichts tun, um die septemviri zu unterstützen, letztendlich nützt eure Arbeit doch allen. Was wäre denn der cultus deorum ohne Menschen wie Dich, die ihreOhren offen halten und am Puls des Augenblicks bleiben? Unsere Religion wird nicht selten als erstarrt und hinterwäldlerisch abgetan, die Menschen laufen in Strömen in die Tempel der Isis und was weiss ich noch alles, weil sie dort etwas zu finden glauben, was unseren Kulten fehlt - vielleicht liegt es nicht unerheblich auch an der Art unserer Priester und all jener, die höher gestiegen sind und vergessen haben, was den alltäglichen Dienst ausmacht," spann ich die Überlegung weiter und atmete leise ein. War es überhaupt richtig, den Posten als flamen Martialis anzustreben, würde ich dann genauso werden wie alle anderen? Nun nahm ich doch ein Stück Fleisch und kaute bedächtig, während mir einige unerfreuliche Bilder im Kopf umhergingen. "Auf die ehrenwerten collegien," erwiederte ich und spülte das Fleisch mit reichlich Wein herunter.

  • "Ich weiß nich, obs fehlende Würdigung is. Mich kratzt es nicht am Ar... öhm ... Allerwertesten, was irgend so ein ... öhm ... jo, wat irgendwer denkt. Es is nur irgendwie so, dass du mit der Zeit das Gefühl nich los wirst, dass es sowieso völlig nutzlos ist, was du tust. Weißt du, als ich in Germania war, da bin ich mit dem Sacerdos zur Legio gezogen, kurz vor der großen Schlacht gegen die Barbaren. Wir ham da nen Opfer durchgeführt und da haste gespürt, dass es was bringt. Nicht nur, dass Mars da sicherlich auf die Soldaten runter geschaut hat, ne, da konntest du auch in den Augen der Männer sehen, dass sie auf den Schutz der Götter vertrauen. Das ist ein großer Punkt am Cultus Deorum, du opferst nicht nur für die Götter, in so nem Fall opferst du für die Männer, die da in den Krieg ziehen. Oder wenn du in Rom nen großes Opfer durchführst, dann opferst du für die Einwohner, für den Staat. Als Septemvir arbeitest du um der Arbeit willen. Und ich arbeite, damit irgendwer anders sich ausruhen kann. Das isses was mich ankotzt." Vic hält inne und sieht tatsächlich einen Augenblick lang etwas verlegen aus. "Öhm, ich meine, was mich aufregt." Leider hat er aus dem Dilemma noch keinen Ausweg gefunden. Nur ein Austritt aus dem Cultus Deorum könnte ihn aus diesem Collegium wieder raus bringen, und so weit will er dann doch nicht gehen.


    Er kratzt sich am Hinterkopf und kaut eine Weile auf seinem Fleisch herum. "Ich glaub nicht, dass unserer Religion was fehlt. Es ist eine starke Religion für ein starkes Volk. Dieses ausländische Gewäsch ist nur was für die, die sich aus dem Leben flüchten und nie mit dem zufrieden sein können, was sie haben. Dieses Judenzeug und Christengebrabbel zum Beispiel kannst du denen vor die Füße werfen, die im Dreck leben und keinen Elan haben, hoch zu kommen. Was sollen sie sich auch anstrengen. Wenn sie in diesem Leben den Wurm spielen bekommen sie von ihrem großen Gott hinterher das Paradies." Vic tippt sich an den Kopf. "Total bescheuert. Barmherziger Gott, jo sicher. Die einzigen, die was davon haben sind die, vor denen die Gläubigen sich in den Dreck schmeißen. Do ut des, daran wird sich nie was ändern. Hilf dir selbst, dann helfen dir auch die Götter."

  • Wenn ich ehrlich war, erschreckte mich diese Tirade aus Wut und Frustration ziemlich, hatte ich ihn doch immer für einen Mann gehalten, der zwar an seiner Tätigkeit nicht unbedingt die größte Freude fand, doch aber irgendwo davon überzeugt war, einen wertvollen Beitrag zu leisten. Nun zu sehen, dass dem keineswegs so war, ließ mich mein bisheriges Bild überdenken und überarbeiten - dass ich sicherlich niemals versuchen würde, septemvir zu werden, stand in diesem Augenblick unverbrüchlich fest. Und auch, dass ich mit meinem Ärger sicherlich so schnell auch nicht den Kaiser behelligen würde, nicht zuletzt, damit dieser nicht auf dumme Gedanken kam, wie er es bei Victor auch schon getan hatte. Letztendlich war ein Priester, der wirklich von seinem Wirken überzeugt war, der wirklich ein Mittler zwischen den Göttern und Menschen war, nicht für einen Schreibtisch geboren.
    "Ich glaube, man hat Dir mit der Berufung keinen wirklichen Gefallen getan, Valerius Victor, und ich bedauere es wirklich, dass Du nicht mehr zu Seinen aktiven Priestern zählst - ich hätte gerne an Deiner Seite einmal ein großes Opfer bestritten, wirklicher Eifer an der Sache ist inzwischen sehr selten geworden."


    Ich nahm einen Schluck Wein, und garnierte den vollmundigen Geschmack mit einem Stück Käse, bevor ich fortfuhr. "Es klingt vielleicht seltsam, aber seit ich zurück bin, scheinen mir viele der Tempel leer, auch wenn es viele Priester gibt. Wirklichen Eifer, wirkliche Überzeugung von dem, was wir tun, ist selten, oder selten geworden, und vielleicht ist es das, was die Menschen spüren, wenn sie diesem Christenschwachsinn huldigen oder was es sonst noch so alles gibt." Wieder folgte ein Schluck Wein, und ich blickte in seine Richtung, sinnierend und vielleicht auch für einen Moment lang bedauernd. Es war schade, dass wir uns nicht früher hatten einmal aussprechen können, und ich bedauerte die verlorene Zeit.

  • Neben etwas Käse wendet sich Vic hauptsächlich dem Wein zu, der wirklich ziemlich gut ist. Zuhause neben dem kleinen Tisch mit Mars, Bacchus und Ianus zählt er mit einer Strichliste an der Wand die Tage bis zum nächsten Iovis epulum. Das ist das einzige im Septemvirsdasein, worauf er sich wirklich freut. Und selbst dabei ist alles noch getürkt. Vielleicht hat auch das zu seiner Verbitterung beigetragen, erkennen zu müssen, dass in den Collegien nichts mehr so ist, wie es scheint.


    "Zumindest die Flavier können ja mit gutem Eifer vorangehen. Bist du mit Flavius Lucullus eigentlich auch verwandt? Aber es stimmt wohl schon, der Cultus ist zu einer Nebensächlichkeit verkommen, gerade bei den höheren Bevölkerungsschichten. Aber irgendwann werden auch wieder andre Seiten anbrechen, da verwett ich meinen Ar...m drauf."

  • "Ähm ja. ..er ist mein Vetter, wenn ich nicht irre - es gibt hier so viele Flavier, langsam verliere ich wirklich die Übersicht, mit wem ich wie verwandt bin. Am ehesten sollte ich wohl von jedem Mann hier sagen, er sei mein Vetter, irgendwie stimmt es bei jedem ein wenig," erwiederte ich grinsend und verdrängte die Tatsache schnell, dass ich mich an Lucullus' Gesicht nicht erinnerte - ein weiteres Überbleibsel meines Fiebers und der langen, unfreiwilligen Zeit als Fischer. Seinen Namen hatte ich war nun mehrfach von Gracchus vernommen, aber sehr viel mehr als die Tatsache, dass er wie ich sacerdos war, blieb nicht in meinem Gedächtnis hängen. "Wahrscheinlich gibt es bald keine Ecke mehr in Roma, in der man nicht auf irgendeinen Flavier stößt, meine Vettern sind ziemlich begeistert dabei, sich Nachkommen zu schaffen, und selbst ich werde demnächst Vater."


    Warum ich das erzählte, wusste ich nicht genau, vielleicht hatte mir der ein die Zunge gelöst, vielleicht wollte ich auch einfach ein anderes Thema einschlagen als das allmähliche Verkommen unserer Staatsreligion, das für keinen sacerdos ein angenehmes war. "Hast Du eigentlich Frau und Kinder? Ich werde mir wohl bald eine Frau suchen müssen, und das ist eine wirklich heikle Sache," meinte ich mit einem Seufzen und kippte noch einen Schluck Wein nach.

  • Scheint eine ganz schön große Familie zu sein diese Flavia. Für Vics Geschmack zu groß, er ist froh, wenn er die Casa für sich alleine hat. Abgesehen von den Oppas natürlich. Seit Amatia verheiratet ist, sind die aber sauer mit ihm. Er weiß nicht genau warum, aber es ihm egal, hauptsache sie lassen ihn in Ruhe. Bei einem Stück Käse überlegt Vic, mit wem Aquilius verheiratet ist, aber er kommt nicht drauf. Die einzige Flavier-Verbindung, die er wüsste wäre die zwischen Furianus und Tiberia Claudia, aber die ist schon wieder hinfällig. Den Sacerdos direkt fragen will er dann doch auch nicht.


    "Meinen Glückwunsch, so ein kleiner Racker bringt schnell das Haus durcheinander." Manchmal mehr als man sich das wünscht. "Jo, ich hab auch eine Frau und Kinder dazu. Nuja, nicht so richtig, also schon richtig, aber nicht hier. Öhm." Erstmal ein Schluck Wein. "Ich hab sie geheiratet als ich noch kein römischer Bürger war und auch die Kinder sind vorher zur Welt gekommen. Es is also keine Ehe nach römischem Recht, daher sind auch meine Kinder keine römischen Bürger. Nuja, aber das macht nichts, sie leben sowieso in Malaca. Dat is in Hispania. Da schert sich kein Mensch drum, ob du Römer bist oder nicht. Und wenn sie zur Armee wollen, dann gehn sie sowieso zur Ala wie ihr Vater, wat anderes kommt gar nicht in Frage."


    Er kratzt sich am Hinterkopf. "Aber um ehrlich zu sein hab ich keine Ahnung, was sie wollen. Ich hab sie schon seit ner Ewigkeit nicht mehr gesehen." Genau genommen nicht, seit er zur Ala ist. Geld schickt er immer noch nach Hause, manchmal auch ein paar Zeilen an Vio. Aber da sie weder Lesen noch Schreiben kann kommt nur selten was zurück und wenn, dann nur, dass alles in Ordnung ist. Es wär wirklich mal Zeit, nach Hause zu reisen. "Nuja, aber in deinem Fall wird dat wohl einfacher sein, hrhr."

  • Aquilius und Vic plaudern noch über dies und das, doch irgendwann geht jeder Abend vorbei und jeder Septemvir nach Hause. Vic ist ziemlich abgefüllt, mit bestem Essen und noch besserem Wein. Irgendwann würde er den Sacerdos nochmal dazu bringen, ihn einzuladen, und wenns in einem anderen Leben wäre. Vielleicht wär Aquilius dann auch der Priester und Vic nur der Novize - wer weiß das schon. 8)




    Sim-Off:

    Sorry, ich hab da ein Rendevous mit dem Hades. Stell dir einfach vor, ich hätte den Weinkeller geplündert. ;)

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