Der Tag war schwül gewesen, und wegen des bevorstehenden Krieges hatten besonders viele Menschen den Tempel des Mars Ultor besucht und geopfert - viel mehr Arbeit als sonst hatte sich daraus ergeben, und auch wenn man auf einen Ansturm vorbereitet war, man war doch nicht unbedingt auf die sorgenvollen Gesichter der Mütter, der Brüder und Ehefrauen vorbereitet, die für ihre Kinder, Männer und Geschwister opferten. Dass jeder Krieg Opfer erforderte, war mir immer bewusst gewesen, aber es war eine Sache, vom Verlust einer Legion zu hören, zu wissen, wieviele Soldaten darin untergegangen waren, und eine andere, aus einer nüchternen Zahl die Gesichter der Angehörigen gemacht zu sehen, denen man ihre Sorgen und Ängste durchaus anmerken konnte. Mars würde sie schützen, dessen war ich mir sicher, und doch hatte mich dieser Tag, wie schon die vorhergehenden, erschöpft. Ich hatte wenig Lust darauf gehabt, mich zu meiner vor sich hin lebenden Familie zu gesellen und das Gerede über Alltagssorgen anzuhören, welches sich im atrium oder beim Essen zweifelsohne ereignen würde - Furianus, der ein neues Amt anstrebte, Felix, der irgend etwas aus dem Senat zum Besten gab, Lucullus, der endlich genesen war und seinen Tempeldienst wieder aufgenommen hatte - all das verblasste vor den Gesichtern der Mütter, Frauen, Schwestern und Brüder.
So war mir das balneum der Villa zu einem refugium geworden, hier kam abends meist niemand her und ich konnte meinen Blick über die Mosaiken wandern lassen, mich ein wenig dabei entspannen, während mir eine Sklavin den Rücken schrubbte und das Haar wusch, und dann ohne Ziel und Sinn im Wasser vor mich hin dümpeln, bis es Zeit war, schlafen zu gehen, um den nächsten Tag voller sorgenvoller Gesichter anzugehen. Schlecht verborgene Sorgen waren immer die schlimmsten, sie hatten auch das Gesicht meiner Mutter zu Lebzeiten entstellt, je mehr Wirrungen unseres Familienzweigs an die Öffentlichkeit gedrungen waren ... seufzend griff ich nach meinem Weinbecher, in dem sich ein süßer, dunkler Roter befand, und nahm einen Schluck, die Gedanken an meine Eltern fortspülend. Ich wollte mich nicht erinnern, nicht jetzt, nicht heute, nicht an meine Eltern - und fast beneidete ich meine nun verlobten und verheirateten Verwandten darum, jemanden zu haben, der ihnen aufmerksam zuhören würde, wenn sie von ihren Sorgen sprachen. Zumindest gehörte das zu den Aufgaben einer Ehefrau, auch wenn viele diese Aufgabe nicht gern erfüllten. Wie wohl meine künftige Frau aussehen mochte, was würde sie mögen? Doch immer, wenn ich versuchte, mir ein Gesicht vorzustellen, blickte ich in die Augen nur eines einzigen Menschen, des einzigen, den ich nicht haben konnte ... wieder seufzte ich und leerte den Becher, zu träge, die Sklavin herbeizurufen, dass sie mir nachschenken mochte. Dass sich Schritte auf dem Gang näherten, bemerkte ich indes nicht ...