Arbeitszimmer | Gracchus et Minervina

  • Fast hätte sie vergessen zu klopfen. Eine wichtige Angelegenheit musste mit ihrem liebsten Bruder besprochen werden, oder besser nicht nur eine, sondern eine ganze Menge. Zunächst war se Wochen nicht hier gewesen, und dann eine sonderbare Nachricht von Leontia. Es soll Licht in die Sache gebracht werden.

  • Im Studium einiger äußerst desolater Schriften inbegriffen - desolat deswegen, da es sich um Berichte aus der näheren und ferneren Umgebung Roms handelte, welche vom Status des Verbleib Gracchus' Neffen Serenus kündeten, und jener Status noch immer unbekannt war - saß Gracchus hinter seinem Schreibtisch und runzelte ob der Tristesse der immer wieder gleich lautenden Nachrichten die Stirn. Als es an der Türe klopfte, rieb er sich kurz die Defatigation aus den Augen, gab dann einem der Sklaven einen Wink zu Öffnen. Der Besuch seiner Schwester war durchaus agreabel, gab es doch einiges zu Besprechen.
    "Minervina, komm herein und nimm Platz."
    Bis seine Schwester ihm gegenüber saß, ordnete Gracchus die Tabulae sorgfältig zu einem kleinen Turm, dessen Kanten beinahe glatt waren, und schob diesen beiseite.
    "Wie geht es dir? Konntest du ein wenig Ruhe finden?"

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  • Minervina setzte sich zu Gracchus. Oh ja, ich fand Ruhe... sie zögerte. Nun da sie vor ihm saß war sie sich sicher, dass an dem Brief etwas nicht stimmen konnte. Ich hörte du reist nach Ägyptus.... Es brannte ihr auf der Seele. Intrigen, Entführungen oder ähnliches war nicht das, was sie bevorzugte, deshalb brauchte sie diese Klärung. Sie machte sich Sorgen um Leontia. Sie war die einzige Frau aus ihrere Familie, mit der sie wirklich über alles sprechen konnte.

  • Verneinend schüttelte Gracchus den Kopf.
    "Nach Mantua, demnächst, in einiger Zeit. Antonia hat dort Grundbesitz geerbt, sie muss einige Dinge klären. Wenn ich nur wüsste, wann dies sein soll, es scheint mir, als laufe die Zeit hinfort."
    Nicht nur die Zeit, auch die Familie, zumindest sein Neffe, was diese Angelegenheit allerdings nicht weniger delikat sein ließ, gerade in Abwesenheit Aristides', welcher derzeitig wahrlich genügend andere Sorgen hinsichtlich des anstehenden Feldzuges hatte.

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  • Minervina zog den Brief hervor und legte ihn vor Gracchus hin. Die Passage würde er schon finden. Ich bekam diesen Brief von Leontia. Du wirst auch erwähnt... Nun waren die Sorgen wohl begründet. Die Patrizierin wurde nervös.

  • Nach Gracchus' Wissen war Leontia zu ihrem Vater nach Ravenna aufgebrochen, deplorablerweise noch bevor er mit ihr sprechen konnte, denn anscheinend hatte ihr Vater eine neue Verbindung für sie ausgesucht, eine Tatsache, welche Gracchus weder schätzte, noch gut heißen konnte, denn gänzlich abgesehen davon, dass er Aetius nicht zutrauen mochte, einen Gatten für Leontia zu finden, welcher diese tatsächlich verdient hatte und ihrem Esprit gerecht wurde, wünschte er ohnehin nicht, dass Leontia irgendjemanden würde heiraten, denn dies würde sie zwangsläufig der Villa entreißen. Natürlich war er sich dessen bewusst, dass er nicht auf Dauer würde verhindern können, dass sie die Villa würde verlassen müssen, doch ein wenig mehr Zeit hatte er sich durchaus erhofft. Er nahm den Brief und begann ihn zu lesen, vermutete dabei seine Erwähnung in keinem guten Zusammenhang, denn vermutlich berichtete Leontia nur über die Abneigung ihres Vaters ihm gegenüber, welchen dieser vermutlich tagtäglich Kund tat und womöglich war dies eben ein Grund, weshalb er Leontia so bald zu sich zurück zitiert hatte, ging der Mann doch aufgrund einer unglücklichen Verkettung einiger harmloser Umstände von der irrigen Annahme aus, Gracchus wäre an Leontia mehr interessiert, als ihm dies als Vetter zustand, hinsichtlich ihrer verwandtschaftlichen Beziehung ohnehin eine völlig absurde Annahme, gleichsam völlig absurd, da Gracchus sich kaum je zu einer Frau hatte mehr hingezogen gefühlt, als in platonischer Freundschaft, doch war dies Aetius nicht bekannt, was eben auch seine Annahme bewies. Doch je weiter er in der Nachricht seiner Base las, desto merkwürdiger schienen ihm die Worte, spätestens als sie ihn in Geschehnissen erwähnte, derer er sich nicht im Mindesten bewusst war. Wann war sie aufgebrochen? Er hatte geglaubt, es wäre geschehen, bevor er zur Subura aufgebrochen war, doch musste es nicht augenscheinlich während seiner Abwesenheit gewesen sein und damit während seiner Anwesenheit? Sie war mit ihm aufgebrochen. Nach Agyptus, vielleicht, vielleicht sonstwohin, die ganze Welt war möglich. Mit ihm. Leontia. Mit einem Mal spürte Gracchus, wie kalter Schweiß seinen Rücken hinab lief, sein Atem wurde schwer, die Luft schien ihm zum Ersticken, Hände wie Schraubzwingen zerdrückten seine Lungen, seine Kehle dörrte aus wie das Land jenseits der afrikanischen Küste, Hitze stieg in ihm empor, umhüllte seinen Geist und für einen Moment wurde ihm ganz blümerant vor Augen. Mit zittriger Hand ließ er den Brief sinken, zwang sich zu Ruhe, zwang sich dazu, durchzuatmen, und griff zu einem Glas mit Wasser. Er trank einige Schluck und blickte zu seiner Schwester, schwankend, was er jener erzählen sollte. Die Wahrheit? Mit jedem Menschen, der die Wahrheit wusste, stieg auch die Gefahr, doch konnte sie in Hinsicht auf Familienmitglieder gleichsam bei deren Nichtwissen steigen. Dennoch war er noch nicht bereit, dies mit irgendwem zu teilen, der nicht Caius war, mit welchem er schon immer alles geteilt hatte.
    "Entschuldige, die Sorge um unseren Neffen schlägt mir auf mein Gemüt. Ich fürchte, ich finde zu wenig Schlaf, dazu die Arbeit, die Hitze, ich schwanke wahrlich zwischen Defatigation und Defätismus,"
    versuchte er die Schwäche zu erklären und fuhr dann fort in seiner Lüge, nicht ohne dabei sich gleichsam noch schlechter zu fühlen ob dieser Unwahrheit.
    "Es war eine spontane Idee, Leontia muss den Brief in ihrem Enthusiasmus sofort verfasst haben, nach dem sie gefasst worden war. Doch letztlich ließ sich meine Abreise nicht bewerkstelligen, du weißt, die vielen Pflichten, die Familie, das Amt. So reiste sie denn allein, natürlich in Begleitung zahlreicher Sklaven."
    Wer wusste schon, wo sie nun war? Vielleicht auf dem Weg nach Aegyptus, vielleicht auf dem Weg in ihr Verderben. Es zog Gracchus das Herz zusammen, seine Base in solcherlei Gefahr zu wissen, welche womöglich deletär würde sein. Wieder wurde ihm blümerant vor Augen, Quintus war ein Episit, er würde in der Lage sein, Leontia zu verschlingen und sie würde in ihrer irrigen Annahme, ihm gegenüber zu stehen, ihre Kehle bereitwillig an sein Gebiss halten. Gracchus fasste sich an die Schläfe und rieb sie vorsichtig, fragte sich nicht zum ersten Mal, womit er solch eine Familie verdient hatte, konnten all seine Makel dies doch nicht aufwiegen. Es musste der Fluch sein, keine andere Erklärung konnte es geben, der Fluch seiner Vergangenheit, welchen er erneut bestärkt hatte durch den Fluch seiner Nichte, der Fluch, der um ihn herum wütete, um ihn herum zerstörte, während er gefangen im Auge des Sturmes gezwungen war, dabei zuzusehen.

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  • Minervina zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. Gracchus verhielt sich sehr merkwürdig. Von stillem Wasser in aufbrausende See waren es nur Sekunden gewesen, und der Grund war wohl eindeutig. Leontia. Da konnte er noch viel über Serenus erzählen... Nein, das glaubte sie nicht. Irgentetwas war faul und sie würde es schon herausfinden. Spätestens wenn sie nach Ägyptus reist wird sie die Wahrheit erfahren. Vielleicht war Minervina nicht die Einzige die relativ große Geheimnisse in sich trug. Geheimnisse die einen innerlich zerfressen. Und obwohl sie ihren Bruder liebte war sie sich sicher, dass er schon länger die ein oder andere Bürde mit sich herumtrug.
    Gut, ich habe mir wohl unnötig Sorgen gemacht. Sie lehnte sich im Sessel zurück, nachdem sie den Brief wieder genommen hatte. Es war Zeit ihre Bürde abzulassen. Es war Zeit, die ganz Wahrheit ans Licht zu bringen. Es war Zeit Gracchus von Crassus erzählen.
    Wie du weisst bin ich nach Hispania aufgebrochen. Doch will ich nicht mit der Reise dorthin beginnen oder mit der Entführung. Es begann schon in Rom...
    Minervina schluckte. Sie hatte alles vorbereitet und konnte sofort nach Ägyptus aufbrechen, denn sie hatte das Gefühl, dass Gracchus sie verstoßen würde. Vor ein paar Monten, kurz nachdem ich in Rom angekommen war, bekam ich eine Einladung für das Fest der Ishta, wo eine neue Kopta geweiht werden sollte. Obwohl du mir nahegelegt hattest nicht dorthin zu gehen war ich dort. Es war eine nette Gesellschaft und niemand erkannte mich. Schließlich war ich neu in Rom... Doch dort lernte ich einen Mann kennen, zunächst wusste ich nicht wer er war, aber das erste mal in meinem Leben fühlte ich einer Verbindung zu jemandem, der nicht meine Familie war. Und ich denke du weisst wer es ist...
    Es war zwar erst der Anfang der Geschichte, doch wollte sie einmal die Reaktion ihres Bruders abwarten.

  • Obgleich er sich nicht dessen sicher war, ob Minervina ihm tatsächlich Glauben schenkte, so war dies ohnehin derzeitig einerlei. Früher oder später würde sich Quintus durch diese Familie fressen, durch die gesamte Gens und ebenso, wie niemand jene vergessen konnte, die dem Vergessen diktiert worden waren, so würde auch er sich nicht mehr aus dem Bewusstsein der Flavia tilgen lassen, gleichsam würde er auf immer an Gracchus' Person hängen, denn wer ihm ein einziges Mal würde begegnen, der würde nur allzu schnell sie beide miteinander assoziieren. Gleichsam konnte Gracchus jedoch auch den Worten seiner Schwester nicht ganz folgen, umtrieb ihn doch weiter die Sorge um Leontia und die Familie, zudem schien alles so zusammenhanglos. Ishtar, er erinnerte sich, dass sie darüber gesprochen hatten. Weshalb war sie dort gewesen? Weshalb war sie nach Hispania gereist? Tropfen der Erinnerung fielen auf Gracchus' heißen Geist und verdampften in Bruchteilen eines Augenblickes in substanzlose Nichtigkeit.
    "Es tut mir Leid, Minervina, doch ich kann dir nicht gänzlich folgen."
    Der Dampf der Erinnerung, des Wissens, des Erkennens und Verdrängens hüllte ihn in einen feinen Nebel und es war ihm unmöglich, noch irgend eine klare Kontur darin zu erkennen.

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  • Dafür dass sich Gracchus damals sehr aufgeregt hatte und se auch wusste dass sie diesen Mann kannte schein er sich nun wirklich dumm zu stellen. Es ist Gaius Caecilius Crassus, der Prätorianerpräfect. Ich wusste damals nicht wer er war, doch im Laufe des Abends wurde alles klarer. Als er dann sagte er müsse nach Hispania, war es für mich wie ein Zeichen. Ich wollte schon immer die Provinzen besichtigen und ich konnte diesen Wunsch mit dem, Crassus wiederzusehen verbinden,... sie zögerte und spielte nervös mit ihren Fingern.. wobei ich sagen muss ihn zu sehen überwiegte. Dann kam ein weiteres Zeichen, die Befreiung der Elefanten. Minervina stockte wieder, wie immer, wenn sie versuchte über jene zu reden wurde sie blass, ihr Blick wurde leer und sie begann schneller und flacher zu atmen. Es war, als würde sie wieder in einen Schockzustand fallen. Doch sie fing sich wieder und klammerte das Thema "Elefanten" und "schlimmste Zeit ihres Lebens" aus. Es ging hier um wichtigere Dinge, es ging hier um ihre Zukunft. Ja die Elefanten... murmelte sie, ehe sie wieder aufblickte und zum Thema zurückkehrte Wie ich dir im Brief geschrieben habe ist dieser Caecilier ein aufrichter Mann, so habe ich ihn kennengelernt. Aber ich habe auch seine typisch Plebejische Seite kennengelernt, nämlich die, die fast alle des Pöbels vertreten. Als ich im Lager der Prätorianer untergebracht worden war entfachte eine heisse Diskussion. Ich verteidigte natürlich meine Familie, denn sie ist alles was ich habe, und er konterte mit sturen Argumenten gegen alle patrizischen Gens,, die weder sinnhaftig noch bodenständig waren. Ich wollte dir auch einen Brief schreiben, der von Crassus abgefangen worden war... Nun hörte es sich an, als wäre dieser Caecilier ein böser Mensch, das war zwar nicht ihr Ziel, aber Gracchus sollte sich ja slebst ein Bild machen. Auch wenn sie von Arrecina und ihm wusste und auch, dass er ihn icht mochte... So verlies ich das Lager der Prätorianer und reiste nach Tarraco... den Rest der Geschichte kennst du ja... Sie neigte den Kopf um eine Moralpredigt über sich ergehen zu lassen.

  • Mit impenetrabler Miene blickte Gracchus seine Schwester an, nur die die Straffung der Muskeln in seinen Wangen mit welchen er seine Kiefer aufeinander presste, verriet ein wenig der Indignation, welche er in sich aufkommen verspürte. Nicht, um ihren Horizont zu erweitern war sie nach Hispania gereist, einem Mann gefolgt wie eine Trosslupa war sie, doch viel mehr traf ihn, dass sie ihn deswegen hatte versucht hinters Licht zu führen, vermutlich gar ohne ein Quäntchen des schlechten Gewissens. Er schluckte schwer, presste mühsam seinen Ärger, gleichsam seine Enttäuschung hinunter. Vermutlich lag es in ihrer Familie, das Lügen lag ihnen im Blut, ihr, Quintus und auch ihm selbst, wie er durch ihn getrieben feststellen musste.
    "Gab es einen Grund, gab es einen einzigen Grund, weshalb du mir diese Farce vorspieltest? War ich nicht immer konziliant? Was habe ich dir getan, Minervina? Was, dass du es für notwendig erachtest, mir den unbändigen Drang deines Wissens als Vorwand für diese überaus gefähliche Reise aufzubinden? Bin ich der Tyrann in diesem Hause? Ist es das, was ihr in mir seht, gleichsam in mir sehen wollt, von mir verlangt? Oder trägst du den Vorwurf deines Vaters in dir, dass ich nicht fähig bin, für diese Familie Sorge zu tragen, bis sie selbst für sich Sorge trägt?"
    Langsam schüttelte er den Kopf. Er hatte gut Lust, seinem Vater zu sagen, dass er Recht hatte und dass er sich nun, da es bewiesen war, getrost in den Hades scheren konnte.
    "Wegen Caecilius Crassus ..."
    Als er sie anblickte war sein Blick beinahe ein Starren, als versuche er bis in die Tiefen ihres Kopfes vorzudringen, um ihre Gedanken zu ergründen.
    "Wer glaubst du nur, bist du, Minervina? Und wer glaubst du, bin ich?"

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  • Sie konnte seinen Zorn wahrlich spüren. Aber auch Minervina wurde entgegengesetzt ihrer eigenen Meinung nicht traurig sondern selbst auch verärgert. Gracchus war nicht ihr Vater und er hatte keine Macht über sie, rechtlich gesehen, seelisch jedoch schon. Sei ehrlich zu dir selbst Gracchus, du findest es schrecklich, dass ich das getan habe. Du findest es schrecklich und abstoßend, dass ich einem Mann, einem Plebejer, nachgefahren bin. Und du hättest es auch schrecklich gefunden wenn ich es dir damals gesagt hätte. Konziliant? Nein... sie schüttelte den Kopf Nein du bist nicht konziliant. Vielleicht bist du es nach außen hin, aber innerlich zerfrisst es dich, und ärgert es sich, es lässt dich nicht los... Und das wollte ich nicht. Ich wollte einfach nicht... ich wollte es dir nicht sagen um dich selbst zu schützen. Alleine die Zweifel, die dir unser Vater in den Kopf gesetzt hatte bestätigen das, was ich dachte. Als er Crassus ansprach wurde sie langsam wieder ruhiger. Sie wusste dass er recht hatte, sie wusste dass es unrecht war. eine ehe zwischen patrizier und plebejer.... Ich bin eine Patrizierin und du bist mein Bruder. Meinte sie nur seicht. Denn genau so war es. Vielleicht waren in ihm ständig Zweifel, ständig irgentwelche Gespenster die ihm Selbstzweifel einredeten. Aber so war sie nicht.

  • In einer harschen Bewegung stand Gracchus auf und wandte sich mit wenigen Schritten zum Fenster hin, die Kiefer wieder fest aufeinander gepresst, bis er einen leichten Schmerz auf der rechten Seite spürte. Ihre Worte trafen ihn hart, doch er war nicht bereit, ihr dies gegenüber einzugestehen. Das Verhältnis zu seiner Schwester war ein äußerst seltsames, nicht von jener wachsamen Vorsicht geprägt, mit welcher er seinem Bruder Lucullus begegnete, nicht von jener ehrfurchtsvollen Bewunderung, welche er seiner Schwester Agrippina entgegen brachte, die für ihn viel mehr die Virgo vestalis maxima denn seine Schwester war, und natürlich auch nicht von jenem zweifelnden Unmut, welcher in ihm seinem Zwilling gegenüber schwelte. Für jene Beziehung zu Minervina fehlten ihm die Begrifflichkeiten, gleichsam er sich für sie und ihr Wohl verantwortlich fühlte, so war er nicht bereit, ihr entgegen zu treten, nicht nach den Geschehnissen der letzten Wochen. Draußen im Garten lag die Welt friedvoll und in Harmonie da, die Bäume trugen ihre blassen Früchte und streckten sie der Sonne hin, auf dass sie sie zur Reife bringe, das Gras leuchtete satt und grünfarben dem blaufarbenen Himmel entgegen, welchen kaum eine Wolke trübte und Gracchus wünschte sich, man müsse Menschen nur hinaus in die Sonne stellen, auf dass die dort reiften. Schließlich nickte er, sprach mehr zu der Welt dort draußen, denn zu seiner Schwester.
    "Ganz recht, du bist eine Patrizierin. Doch du bist nicht irgendeine Patrizierin. Du bist eine Flavia, Tochter des Vespasianus und der Diva Nyreti. Du jagst einem Larven hernach, wenn du glaubst, einem Mann durch das Imperium folgen zu müssen, ganz gleich, welchem Mann, so es nicht der Imperator selbst ist. Es ist demütigend und beschämend und bei allen Göttern, wir sollten besser darauf achten, dass dies Geständnis diesen Raum nicht verlässt. Er zieht in den Krieg und du ziehst ihm hernach wie ..."
    Er beendete nicht den Satz, sondern drehte sich um, um sie anzublicken. Wie hatte er nur so töricht sein können?
    "Werde dir endlich deiner Pflicht bewusst, Minervina. Du magst der Pflicht eines Weges wie deine Schwester diesen einschlagen musste entgangen sein, doch dies befreit dich nicht gleichsam von dem, was du bist. Versuche nicht etwas anderes zu erzwingen, als das Schicksal dir zugedacht hat, versuche nicht besseres zu sein, als deine Familie es dir gewährt. Animus wollte dies, besser, schlauer und erhabener sein als wir alle, doch sieh nur, was es ihm gebracht hat: Schande, Vergessenheit und den Tod. Wenn dir nur ein Funken an dieser Familie liegt, dann höre auf mit diesem Intrigenspiel. Wenn dir an meiner Meinung gelegen ist, dann akzeptiere sie so wie sie ist und höre auf damit, sie mir vorzuwerfen, denn es bindet dich ohne nichts an mein Wort. Im anderen Fall, bitte mich weder um meine Meinung, noch um meine Hilfe."

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  • Sie neigte beschämt den Kopf denn langsam rann ihr eine Träne über das Gesicht. aber ich liebe ihn doch... flüsterte sie unhörbar, bis ihr Bruder wieder eine kurze Pause einlegte um dann gleich weiter auszuholen. Der Vergleich mit Animus tat ihr weh, denn sie wusste wie sehr sie ihn hasste. Vorwürfe prasselten auf sie herab und sie schluckte es ohne ein Wort zu sagen, ohne ein Murren und ohne einen Atemzug auch nur daran zu denken... Sie nickte zwischendurch. Gracchus wusste garnicht was er alles von ihr verlangte. Sie war gerade mal zwanzig, ihre Eltern hatte sie kaum kennengelernt, eine Amme zog sie groß und Anfang des Jahres wurde sie dann ins kalte Wasser geschmissen. Große Gefühle und tiefe Furcht. Seitdem sie hier war, war ihr Leben nur turbulenter geworden. Wie sehr hatte sie sich ihre Vater hergewunschen, der ihr den Weg gewiesen hätte, seiner kleinen Tochter. Jeder in ihrer Familie hatte einen Platz gefunden, jeder hatte es geschafft Anerkennung zu ernten, nur sie war das schwarze Schaf. Das Kücken, das niemand haben wollte. So fühlte sie sich nun mal. Und auch wenn Gracchus ihr dann trotzdem noch ein Intrigenspiel vorwarf wusste sie, dass er der selbe war. Auch er spinnte ein Netz, vielleicht wusste sie jetzt noch nicht welches, doch das würde sie herausfinden. ...ich habe doch nur dich... Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wusch mit dem Handrücken eine salzige Träne von er Wange. Ja, vielleicht war sie eine sehr impulsive Frau, aber auch nah am Wasser gebaut. Nachdem du Crassus eingeladen hast, denn das hast du ihm ja versprochen, werde ich wieder zurück nach Ägyptus reisen.

  • Beinahe mechanisch widerlegte Gracchus ihren leisen Einwurf mit Worten, die so lange in seinen Geist waren eingetrichtert worden, dass er längst an sie glaubte, dass er aus tiefstem Herzen daran glauben mochte, denn alles andere würde ihn nur noch tiefer in Verzweiflung stürzen.
    "Eine Ehe geht man nicht aus Liebe ein, eine Eheschließung folgt politischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten. Wir alle haben uns unseren Verpflichtungen zu stellen. Liebe wirst du anderswo finden, Minervina, nicht in deiner Ehe."
    Er hoffte, sie würde jene Art von Liebe nicht innerhalb der Familie suchen, denn auch dies führte nur zu Bitterkeit, wie er selbst nur all zu genau wusste. Eine andere Art von Liebe vielleicht, eine solche, wie sie selbst für ihre Familie zu hegen schien, jene unumstößliche familiäre Liebe, welche jener so ähnlich sein musste, wie auch ihre Mutter sie gehegt hatte, ohne dass Gracchus sich dessen bewusst gewesen war. Doch noch konnte sie dies auch von ihm nicht erhoffen, denn dieses bedingungslose Gefühl, welchem gleichsam eine Art öffentlicher Existenz gestattet war, war ein äußerst kostbares Gut, einem Samen gleich, aus welchem eine schillernde Blume erwachsen konnte, ebenso wie ein winziges Schattengewächs, doch gleichsam was würde daraus entstehen, in Gracchus wuchsen die Pflanzen nur äußerst langsam. Er zwang sich dazu, sich nicht von ihr abzuwenden, als sie die Träne von ihrer Wange strich. Sein Verhältnis zu seiner Schwester war ein äußerst merkwürdiges, er konnte ihrer unumstößlichen schwesterlichen Liebe nichts entgegen setzen, sie weder annehmen, noch von sich weisen, doch ihre Tränen ließen in ihm ein Gefühl des Schames aufkommen wie auch jenes Gefühl des Zweifels, welches ihn im Angesicht seiner Gattin immer wieder überkam, die zwar nicht mit Tränen auf ihn reagierte, doch ebenfalls auf keine sonderlich erfreuliche Weise, und welches dazu führte, dass er sich wie ein Unmensch fühlte. Wenn nur er nicht derzeitig so derangiert und sich seiner Selbst wie seiner Umgebung so unsicher wäre. Seit dem Fluch verlor er die Kontrolle über seine Familie, selbst seine Arbeit, seine Pflicht begann darunter zu leiden, doch stand noch immer die Familie vor der Pflicht. Caius überforderte ihn, seine Gattin brachte ihn ohne ihr Wissen und Zutun zur Verzweiflung, an seinen Bruder mochte er gar nicht denken. Zudem musste irgendwer sich um Serenus kümmern, doch wer sollte dies tun, wenn nicht er? Aristides stand mit einem Fuß bereits in Parthien, auf seinen Bruder konnte er kaum bauen, zog es doch Felix schon sonstig kaum aus seinen Gemächern, Furianus jagte seinen Ämtern hinterher, Lucullus vergrub sich in Schriften und Tempeln, Aquilius ... womöglich, doch versuchte er gerade selbst sein Leben zu ordnen, seine Karriere voran zu bringen. Dazu Leontia, teuerste Base Leontia, nicht zu wissen, wo sie war, nicht zu wissen, wo er war, brachte Gracchus beinahe um den Verstand. Er musste sich um Leontia kümmern, er musste sich um Serenus kümmern, er musste das Problem Quintus aus der Welt schaffen, er musste sich um Minervina kümmern, und zudem stand noch immer die Reise mit seiner Gattin nach Mantua aus, er musste sich auch um Antonia kümmern. Aegyptus zog an Gracchus Ohren vorbei, in seinen Geist ein, streifte ihn doch nur leicht, ohne ihn recht zu tangieren, denn andernfalls hätte er seiner Schwester sicher erneut widersprochen, anderenfalls hätte ohnehin nur erneut eine Diskussion auf sie beide gewartet, über Grundsätze und Grundsätzliches, über Vergangenes und Zukünftiges. Crassus zog in seinen Geist ein, Crassus - als wäre er schon mit ihm verschwägert - um ihn musste er sich ebenfalls kümmern.
    "Weiß Caecilius, dass du seinetwegen in Hispania warst?"

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  • Immernoch den Kopf geneigt nickte sie. Er hatte Recht, in allen Punkten. Es war ihre Pflicht als Patrizierin diese adelige Linie weiterzuführen und lediglich zweitrangig was sie dachte oder fühlte. Das Einzige was sie für ihre Familie tun konnte war, wenn sie nicht auch den Weg ihrer Schwester einschlagen würde, einen Patrizier zu heiraten und Erben in die Welt zu setzen. Und erst jetzt, nach all den Eriegnissen wurde ihr das klar. Nur war ihr nicht klar wie sie es schaffen würde das Crassus beizubringen. Als Gracchus sie nach ihm fragte hörte sie nur halb zu. Ja Gracchus, natürlich weiss er das... sie sah ihn mit wässrigen Augen an ... denn er liebt mich... Ein tiefer Atemzug, eine kurze Pause, zu kurz um auf eine Reaktion von ihrem Bruder zu hoffen. Erlaube mir nach Ägyptus zu reisen um mich neu zu finden. Wenn ich zurückkehre, werde ich mich meinem Schicksal stellen und einen Aurelier, Tiberier oder Claudier heiraten... jemanden, den du mir aussuchst und für passend befindest. Ich verstehe, dass ich dich entäuscht habe aber ich will alles wieder gut machen. Sie nahm seine Hand. Nie wieder werde ich dich entäuschen...

  • ... denn er liebt mich... hallte es in Gracchus' Geist nach. Konnte er ihr dies verwehren? Immerhin, Caecilius war der Praefectus Praetorio, womöglich würde er sich mit dem Gedanken arrangieren können, sofern niemand erwartete, dass er mit seinem Schwager mehr Kontakt pflegen musste als allgemeinhin notwendig. Die Berührung seiner Schwester riss ihn aus Gedanken, langsam sickerte erneut Aegyptus zu ihm hindurch, schaffte doch dieses mal nicht, an ihm vorüber zu ziehen.
    "Aegyptus? Nein!"
    Es war ihm schneller und dringlicher echappiert, als ihm dies recht war. Er war in Aegyptus, vermutlich, er würde sie verschlingen, wie er Leontia verschlungen hatte. Wenn nur der leiseste Verdacht bestand, dass sie ihm dort in die Arme laufen würde, musste er dies verhindern. Gracchus fasste seine Schwester an den Schultern und redete eindringlich auf sie ein.
    "Minervina, gerade erst bist du aus Hispania gekommen. Reichte denn diese Reise nicht? Musst du dich erneut in Gefahr begeben? Was ist so schlimm an Rom? Bitte, Minervina, bleibe hier und finde deine Wurzeln dort wo sie liegen! Ich werde ohnehin mich aus der Stadt begeben müssen, es sind verschiedenste Angelegenheiten zu regeln Antonia betreffend, Serenus, die Familie, du brauchst also vor mir nicht zu flüchten, noch werde ich dich drängen ... Meinetwegen, wenn es nicht Rom sein soll, so nimm eine der Villen in Italia, oben im Norden oder Baiae, aber bitte, Minervina, bitte nicht noch eine Schiffsreise."

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  • Ein wenig erschrocken über seine Reaktion, sah sie ihn an. Ägyptus war wohl der Ort an dem sie am wenigsten in Gefahr weilte. Gracchus Augen zeigten Angst, ja fast Entsetzen. Natürlich war es wieder eine Schiffsreise, aber sie war ja auch von Hispania hier hergereist. Minervina verstand nicht was in ihren Bruder gefahren war. Was sprach er da von weggehen aus Rom? Fragen kreuzten durch ihre Gedanken. Antonia? Aber sie war doch hier! Und Serenus? WAS WAR HIER EIGENTLICH LOS? Dennoch nickte sie zustimmend. Wenn es dein Wunsch ist, dann werde ich noch in Rom bleiben. ...vorerst, fügte sie in Gedanken hinzu...


    Sie wartete kurz bis sie fortfuhr. Wagte kaum ihren großen Bruder zu fragen, doch sie merkte, dass die Angelegenheit in der sie hier war nur die Spitze des Eisberges seiner Probleme war.


    Was ist los Gracchus? Irgendetwas ist anders, irgendetwas ist passiert... oder irgendwer?

  • "Hm?"
    Derangiert betrachtete Gracchus seine Schwester, sein Blick huschte über ihr Gesicht, als würde er sich erst nun ihrer Anwesenheit überhaupt wieder bewusst werden. Was wusste sie? Sie konnte nichts wissen. Sie war weit nach Quintus' Verschwinden geboren worden, immer im Glauben, das fünfte Kind ihrer Eltern zu sein, es konnte nicht anders sein, da selbst er dies hatte geglaubt und Quintus bis vor kurzem nichts von seiner Abstammung hatte gewusst. Es war niemand mehr am Leben aus ihrer Familie, welcher darum wissen konnte.
    "Es ist ... diese Familie."
    Die Andeutung eines Kopfschüttelns bewegte seinen Kopf. Nichts konnte sie wissen, nicht von Quintus, nicht von Caius, nichts von dem Fluch, nichts. Und er konnte nicht ihre Illusionen zerstören.
    "Das ist alles sehr kompliziert, Minervina. Niemand ist ohne Fehler, vergiss das nie."
    Irgendwann würde er es ihr erklären müssen. Wenn es nach ihm ging, niemals, doch irgendwann würde vielleicht der Zeitpunkt kommen, an welchem es geschehen musste. Er wollte sie bitten, ihm zu vertrauen, doch nicht einmal dies konnte er - wegen Quintus, Quintus war seine größte Sorge, ob deren es ihn viel mehr drängte sie zu bitten, ihm niemals zu vertrauen. Ein feines Lächeln kräuselte stattdessen seine Lippen, sein Antlitz geriet zu einer seit langem perfektionierten Maske der Sorglosigkeit.
    "Doch sei ohne Sorge, es ist nichts, was nicht wieder in Ordnung kommen wird. Nun jedoch bitte ich dich, mich zu entschuldigen, Minervina. Ich habe noch einiges zu tun."
    Er musste eine Suche vorbereiten, er würde Sciurus losschicken und die Spur seiner Base und sich selbst - Quintus in Gestalt seiner selbst - verfolgen müssen. Wenn es nur nicht bereits zu spät war, viel zu viele Tage des Vorsprungs hatten sie bereits, sie konnte wer weiß wohin verschleppt sein.

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  • Sie nickte Gut, Crassus wird in zwei Tagen hier zum Essen erscheinen. Ich werde alles vorbeireiten... Sie drehte sich um und stand schon in der Tür, als sie sich noch ein letztes mal zur Seite drehte. Danke Gracchus und schon war sie verschwunden.

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