Hortus | Ein Vater und seine Tochter

  • Stumm betrachtete Marcus den goldenen Käfig, der in den Zweigen eines Baumes des flavischen Gartens hing. Ein kleiner unscheinbarer Vogel hüpfte auf den geschnitzten Zweigen aus Ebenholz in dem Käfig. Selbst der Trink- und Körnernapf des Vogels war aus Gold und Silber angefertigt, die einzelnen Gitterstäbe waren mit funkelnden Rubinen veredelt, so klein, daß sie nur im strahlenden Sonnenlicht auffielen und leuchteten. Marcus hob die Hand und drehte den Vogelkäfig hin und her, der Vogel flatterte erschrocken an die Wand des Käfiges und schlug wild mit den Flügeln. Marcus ließ schnell wieder von dem Käfig ab, denn er meinte das rasende Herz in der kleinen Brust des Tieres sehen zu können. Marcus seufzte schwer und wandte sich zu dem älteren Mann hinter sich um. Streng sah er den Sklaven an, hochmütig war Marcus Mienenspiel in jenem Augenblick, denn Sklaven gegenüber war Marcus selten- eigentlich fast nie- so herzlich und verzeihend gegenüber wie seiner Familie. Zudem war Marcus im höchsten Maße unzufrieden, denn der Sklave brachte ihm nicht die gewünschte Nachricht, nämlich den Verbleib seines Sohnes.


    „Tot? Alle?“


    Der ältere Sklave, den Marcus als viel zu dick empfand, nickte und schüttelte sofort den Kopf.


    „Ja, nein…Herr, wir wissen es nicht. Genaueres ist uns unbekannt, die Soldaten waren zu schnell vor Ort und überlebende Sklaven sind auch nicht zurückgekehrt.“


    Marcus Lippen preßten sich fest zusammen und er sah ungnädig auf den Mann hinab, der sich vor ihm duckte. Marcus wunderte es nicht, daß die Sklaven nicht zurück gekehrt waren, schließlich drohten allen zweihundert Peitschenhiebe, was noch am Nachmittag für die beiden dümmlichen Sklaven anstand, die auf seinen Sohn gehört hatten und die Ratte in den Raum trugen. Marcus würde es nicht dulden, daß ein Sklave in der villa Flavia jemals wieder sich über seine Autorität hinweg setzte und eher seinem Sohn gehorchte, das würde ein Exempel am Nachmittag sein, was im Haus niemals mehr vergessen werden sollte. Wirsch winkte Marcus den Sklaven von dannen und dachte darüber nach Hannibal, der gestern Nacht wieder in der villa eingetroffen war- die junge Minervina sicher in die flavische Residenz bringend- rufen zu lassen. Doch stattdessen nahm er am Rande des Fischteiches Platz, betrachtete das Geschenk von Leontia an Lucullus im Wasser und winkte erneut einen Sklaven heran.


    „Suche meine Tochter und bitte sie, falls es ihr Recht wäre, doch in den Garten zu kommen. Vielleicht möchte sie mit mir auch das abendliche Mahl einnehmen.“


    Die forteilenden Schritte des Sklaven bemerkte Marcus schon nicht mehr. Marcus verschränkte die Arme vor seiner Brust und der rostroten tunica, betrachtete dabei die glitzernde Oberfläche des Teiches und hing seinen ganz eigenen Gedanken nach- so grüblerisch, wie es eigentlich wider seiner Natur war.

  • Ob es ihr recht war oder nicht, das sollte man mal lieber aussen vor lassen. Seit dem feststand, dass diese Frau ihre Stiefmutter sein sollte und wegen ihr ihr Bruder weggelaufen war, seit dem war ihr Brass auf ihren Vater nur noch größer. Arrecina vermisste ihren Bruder auch wenn er sehr oft eine Nervensäge war vermisste sie ihn schrecklich. Das war etwas was sie nie verzeihen würde und doch als der Sklave kam und ihr ausrichtete, dass ihr Vater wünschte sie zu sprechen beugte sie sich diesem Wunsch und legte sich eine Stola um ihre Schultern um sich dann langsamer als sonst in den Garten zu begeben. Sie ließ such mit Absicht Zeit, denn er konnte gerne auch einmal warten.


    "Du wolltest mich sehen Vater?" fragte sie ihn als sie angekommen war. Arrecina stand auf Abstand und umarmte ihn auch nicht. Sie wollte sich anhören was er zu sagen hatte und hoffte, dass es keine Schellte gab oder, dass er etwas gesehen hatte als sie sich von dem Fest entfernt hatte, denn Ärger wollte sie grade nicht haben. Es stand zwar viel zwischen ihnen aber er war ihr Vater und ausserdem auf den Weg in den Krieg.

  • Langsam ließ Marcus seine Finger durch das Wasser gleiten, wie ein feiner Schleier aus Kühle und Näße zog sich das naße Blau über seine Hand. Die Fische huschten schnell von dem Schatten seiner Hand davon und tummelten sich auf der anderen Seite des Teiches. Ein wenig Hunger keimte abermals in Marcus auf, während er über seine Kinder, insbesondere den verschwundenen Serenus und auch seine Tochter, immer noch Quell seiner Sorgen, nachdachte. So bemerkte er kaum, daß schon eine Weile vergangen war ehe seine Tochter den Garten betrat. Der Schatten ihrer schlanken Gestalt fiel auf den Teich und Marcus hob den Kopf. Ein warmes Lächeln glitt auf seine Züge und in seine braunen Augen trat der liebevolle Ausdruck, den er stets offenbarte, wenn er seine Tochter sah.


    „Cinilla, mein Sonnenschein.“


    Marcus stand auf und trat einen Schritt auf sie zu. Doch etwas an der Haltung, an dem Ausdruck in ihren Augen erschien ihm abermals derartig fremd, daß es ihn zögern ließ. Früher hätte er nicht gezaudert und hätte sie in seine Arme geschlossen. Du wolltest mich sehen… Reserviert und abweisend erschien ihm das. Der Fluch…oder doch die Feier von Gestern? Der Ausdruck von Haß, den Marcus an dem Abend bei ihr gesehen hatte, war nicht vergeßen, wenn er es auch bis zu jenem Augenblick verdrängt hatte. Marcus atmete tief ein.


    „Nun, möchtest Du vielleicht mit mir das Abendessen einnehmen?“

  • Langsam hatte sie angefangen es zu hassen wenn ihr Vater sie so nannte. Es war einfach so viel geschehen, dass sie bestimmte Kosenamen einfach nicht mehr ertragen konnte, aber nur die Liebe zu ihrem Vater, die immer noch in ihr weilte verhinderte es, dass sie es ihm sagte.
    Sie vermied es nun auch zu seufzen oder etwas anderes erkennen zu lassen, dass sie keine Lust hatte mit ihm zu essen. Ihre Gedanken waren wo anders, bei jemand anderen oder sagen wir einmal so, bei mehreren Personen.


    "Gerne Vater. Sicher werde ich mir dir essen," sagte sie freundlich und doch schwang da noch ein gewisses Etwas in ihrer Stimme mit. Wenn sie gewusst hätte, dass er immer noch an diesen Fluch dachte hätte sie wohl versucht ihm endlich einmal den Kopf zu waschen, dass niemand sie verflucht hatte und alles einfach nur ein Unfall gewesen war der zu einer weiteren Verkettung von vielen anderen Dingen geführt hatte von denen die meisten Dinge mehr als unschön gewesen waren.


    "Wo möchtest du essen?"

  • Mit einem Engel hätte Marcus seine Tochter verglichen, hätte er solche Wesen schon gekannt. Und es schien ihm- Marcus wollte es auch gerne so sehen- daß seine Tochter wieder milder gestimmt war, womöglich für den Moment jeglichen Groll- welcher Natur er war, konnte Marcus nicht genau benennen- begraben hatte. Marcus betrachtete seine Tochter. Wie groß sie geworden war! In seinem Geist war Arrecina doch noch immer das kleine Mädchen, seine kleine Tochter. Marcus lächelte sie warmherzig und voller tiefer Zuneigung an, die er nur derart seinen Kindern und seiner Mutter gegenüber verspürte.


    „Mein Sonnenschein, das freut mich sehr! Was ich essen mag? Nun, der Koch hat einiges zubereiten lassen. Ich hoffe, da ist auch einiges dabei, was Dir munden wird, mein Kind!“


    Sanft nahm Marcus die filigrane Hand seiner Tochter in die Seinige, so behutsam als ob er ein feines Vogelnest mit seinen Küken in die hohle Faust legen wollte. Einen Augenblick zögerte Marcus als er das Antlitz seiner Tochter betrachtete, ihr schönes Gesicht, ihre dunklen Augen und das seidige Haar. Sie schien ihm weniger ein Mädchen als eine Frau zu sein. Aber nein, schnell schüttelte Marcus diesen Eindruck von sich fort. Denn Arrecina war sein kleines Mädchen, sein Schatz und Ein und Alles, auf die er niemals von jemand oder etwas ein schlechtes Licht werfen ließ- egal was passierte. In dieser Hinsicht war Marcus nun mal völlig blind. So führte er sie zu einer schon bereit gestellten Liegeecke im Garten, zwischen einigen blühenden Kamelien- rot, weiß und goldorange. Marcus nahm auf einer der beiden Klinen Platz, überließ dabei seiner Tochter diejenige, die den schönen Ausblick auf die weißen Kieswege neben den Rosenbüschen und den Fischteich hatte. Es standen vier Platten auf dem Tisch- halbierte Eier, gefüllt mit verschiedenen Pasten, zartes Entenfleisch in einer feinen, sämigen Soße getunkt, frischer Flußfisch in der gelblichen, universalen Fischsoße, und gefüllte Blütenblätter mit einer Olivencreme bestrichen. Ein junger Sklave mit braunen Locken goß Arrecina und auch Marcus von einem goldenen Wein ein, der mit Honig und Gewürzen veredelt war. Marcus griff ganz ungeniert- schließlich war er in Gesellschaft seiner Tochter- nach einem Stück Fleisch, nahm sich von dem Brot, was in einer tönernen Schüssel noch von der Hitze des Ofens dampfte, und steckte sich beides in den Mund. Kauend betrachtete er seine Tochter und schluckte nach einigen Herzschlägen herunter.


    „Bist Du wütend auf mich, Arrecina?“

  • Arrecina hatte absolut keinen Hunger, aber sie tat es ihrem Vater zu Liebe, was sonst hätte sie auch anderes machen sollen. Sie wollte ihn nicht enttäuschen auch wenn ihr verdammt viel auf der Zunge lag was sie ihm gerne an den Kopf geschmissen hätte. Zwar sah sie ihn an, aber doch schien es als würde sie versuchen durch ihn hindurch zu sehen und sie versuchte das Bild einer Tochter aufrecht zu erhalten die kühl war und keine Gefühle offenbarte die sie ihm gegenüber empfand. "Dann sehen wir mal was dieser Koch uns zubereitet hat," lächlte sie und ging wie ein kleines Kind an der Hand ihres Vaters zu ihrem Platz und legte sich hin, dabei hatte sie aber keinen Blick für die schöne Umgebung übrig und auch dem Essen widmete sie nicht wirklich ihre Aufmerksamkeit und legte sich nur ein Stück Hühnchen auf den Teller rührte es aber nicht weiter mehr an.


    "Sauer? Wütend? Böse? Vater, du kommst nach Hause und schmeißt eineFeier wo mir meine Stiefmutter präsentiert wird die ich noch nie zuvor gesehen habe. Indess haut mein kleiner Bruder ab und du sitzt hier anstatt ihn zu suchen. Du wirst in den Krieg ziehen und mich wieder alleine lassen bei den anderen hier die sicher ihre eigenen Probleme haben. Warum bei den Göttern sollte ich einen Grund haben auf dich wütend zu sein?" fragte sie ihn in einem wirklich spöttischen Ton.


    So viele Gedanken geisterten ihr in ihrem Kopf herum seit dem gestrigen Abend der doch noch schön geworden war. Heute bereute sie es nicht mehr an der Feier teilgenommen zu haben ausser, dass sie nun wusste, dass sie eine Stiefmutter haben würde.

  • Der Bißen blieb Marcus wahrlich im Halse stecken als er die Antwort von Arrecina vernahm. Schnell griff Marcus nach dem Becher mit dem goldenen Wein und trank ihn aus, sah dabei seine Tochter unverwandt und erstaunt an. Früher hatte er seinen Goldschatz derart nie erlebt. Sie war doch immer so liebreizend, offen und herzlich. Wie sehr er den Germanen doch dafür haßte, daß er ihm seine Tochter genommen hatte. Und nicht nur das, er mußte den Keim des germanischen Zornes in seine Tochter gepflanzt haben. Marcus schluckte und schüttelte den Kopf, erstmal ratlos was er auf die Vorwürfe erwidern sollte. Denn wenn er wütend wurde, würde sein Kind sicherlich in Tränen ausbrechen und den Anblick konnte Marcus nicht ertragen, tat er doch dann alles, damit die Tränen versiegten und Arrecina wieder lächelte. Marcus stellte den Becher zurück und fuhr sich mit der Hand über den Nacken.


    „Aber mein Sonnenschein, meinst Du, ich bin davon begeistert gewesen, wieder heiraten zu müßen? Deine Großmutter hat das alles in die Wege geleitet und was soll ich da schon machen...?“


    Seiner Mutter konnte Marcus einfach nichts abschlagen, hatte es noch nie und würde es wohl auch niemals tun. Er zuckte etwas hilflos mit der Schulter und seufzte leise.


    „Und daß Dein Bruder verschwunden ist, das wollte ich doch auch nicht. Ja, bei Iuppiter und Mars! Ich mache mir doch große Sorgen um Lucius. Schließlich ist er noch ein Kind und sollte nicht alleine draußen unterwegs sein. Im Übrigen laße ich schon seit gestern Nacht nach ihm suchen, mein Kind. Das kannst Du mir durchaus glauben. Aber was würde es bringen, wenn ich kopflos wie ein enthauptetes Huhn durch die Straßen Roms irre, wenn er doch schon längst die Stadt verlaßen haben könnte? Alle Anzeichen sprechen dafür. Hannibal kümmert sich auch darum und wird Lucius gewiß bald wieder in die villa bringen.“


    Auf den letzten Grund ihres Zornes konnte Marcus schwer etwas erwidern, denn sie hatte Recht damit. Es war so: Er zog in den Krieg und ließ seine Kinder zurück. Marcus presste seine Lippen aufeinander und starrte auf ein Stück Brot, dessen Körner und kleine Kerben des Bäckermessers er nicht sah, nur die Vorstellung von seiner zornigen kleinen Tochter. Er sah auf und direkt Arrecina an.


    „Es tut mir leid, daß ich in den Krieg muß. Auch, daß ich in den letzten Jahren so wenig Zeit für Dich und Lucius hatte. Scheinbar war es doch der falsche Weg in der legio und ich hätte womöglich besser getan, wenn ich Gracchus Pfaden gefolgt wäre. Aber jetzt kann ich mich meinen Pflichten nicht entledigen, der Kaiser und der legatus würden mich auch nicht mehr aus dem Dienst entlaßen. Aber Du wirst nicht alleine sein, mein Sonnenschein.“


    Marcus versuchte noch mehr Äußerungen zu finden, die seinen Kummer darüber Ausdruck verleihen konnte, daß er seine Tochter so lange nicht sehen konnte und durfte. Doch er fand keine, er war schließlich noch nie ein Meister großer Worte gewesen. So fragte er schlicht:


    „Du bist unglücklich in der villa hier?“

  • Arrecina hielt seinem Blick eisern stand und vielleicht hätte sie wirklich gehofft, dass ihm der Bissen wirklich im Halse stecken geblieben wäre, aber doch liebte sie ihren Vater aber nur wenn er Lamm fromm war und das kam nur noch selten vor. Entweder bemutterte er sie, wie es Großmutter teilweise immer fertig gebracht hatte oder er sprach von Dingen die sie nicht hören wollte.
    "Ich habe deine Blicke gesehen und schiebe nicht immer alles auf Großmutter. Du magst deine Frau vielleicht liebst du sie sogar, aber du hättest deinen Kindern wenigstens ein Wort sagen können bevor du sie hier her bringst und uns vor vollendete Tatsachen stellst!"
    Noch immer hatte sie nicht wirklich etwas von dem Essen angerührt und sah ihren Vater einfach nur weiter an. Sie war neugierig auf seine Antworten und regelrecht gespannt was er alles noch so zu sagen hatte.
    Etwas machte sie aber stutzig.
    "Ich werde nicht alleine sein? Wer ist denn hier? Wo sind denn alle? Oder hast du etwas anderes vor?" Sie dachte dabei an ihre Gedanken die sie in letzter Zeit so oft gehabt hatte und wollte sie nicht weiter denken.
    "Sicher bin ich unglücklich wie mein Bruder auch. Das hier alles ist ein Käfig nicht mehr und nicht weniger. Es wird alles nur noch schlimmer anstatt besser Vater."

  • Langsam begann Marcus seinen Vetter zu verstehen. Immer dieses ständige Gefühl, man hinterließ mit dem eigenen Tun nur Chaos und Leid, Kummer und Sorgen. Dabei hatte Marcus sich nichts groß bei der ganzen Sache mit der Verlobung gedacht, zudem befand er durchaus, daß seine Kinder nicht das Recht hatten, derart fordernd bezüglich seiner Angelegenheiten zu sein. Aber unglücklich sehen, wollte Marcus keiner seiner beiden Kinder und war somit völlig ratlos.


    „Aber Arrecina, wie kommst Du darauf, daß ich Epicharis liebe? Ich kenne sie doch kaum. Sie ist eine freundliche, kluge und erfrischende Frau, so wie ich sie kennen gelernt habe. Aber das waren zwei Begegnungen bis jetzt vor der Verlobung...oder drei, ich weiß es nicht mehr so genau. Aber Epicharis hat wirklich nicht die derartige Verachtung verdient, die Lucius ihr entgegen gebracht hat. Ja, gut, ich verstehe, daß Du und er wütend auf mich seit, aber....aber...ach, verdammt und verflixt noch mal!“


    Marcus beugte sich vor und sah Arrecina eindringlich an.


    „Cinilla, Du hast Deine Familie hier. Leontia und Minervina zum Bespiel, aber auch Deinen Onkel Gracchus, Deinen Onkel Felix oder auch Deinen Onkel Aquilius...“


    Von dessem Techtelmechtel Aristides, den Göttern sei Dank, nichts wußte, sonst hätte er ihn mit eigener Faust das Herz aus dem Leibe gerissen und das auch noch genüßlich- Vetter hin oder her. Doch so versuchte er sogar noch mit dessen Nennung Arrecina ein wenig auf zu muntern.


    „Aber wäre es Dir lieber, wenn Du wieder zu Deiner Großmutter nach Baiae zurück kehrst? Ich, mein Sonnenschein, kann Dich nicht in den Krieg mitnehmen. Und wieso ist das ein Käfig hier? Du kannst in die Stadt gehen? In die Thermen, einkaufen, alles, was Du magst und Dich vergnügt, mein Kind. Oder....oder...“


    Marcus zögerte einen Augenblick.


    „...möchtest Du etwa verheiratet werden?“


    , fragte er schließlich, dabei eine große Hürde überwindend. Denn Marcus konnte den Gedanken nicht ertragen, daß ein Mann sich mit den widerlichen Gedanken- die nun mal jeder Mann in sich trug und Marcus insbesondere, deswegen kannte er sich auch so gut damit aus- seiner Tochter näherte.

  • Ja wie kam sie nur darauf? Woher sollte sie das wissen? Sie hatte diese vertrauten Blicke gesehen mehr nicht danach hatte sie sich nicht mehr weiter um ihn und diese Frau gekümmert. "Es waren eure Blicke mehr nicht aber es scheint mich ja auch nichts anzugehen. Es ist schon i ordnung. Wir sind eben nur die Kinder nicht mehr und nicht weniger. Wir haben nichts zu sagen."
    Als er Aquilius erwähnte schnürte es ihr den Magen zusammen. Wenn er jemals etwas davon erfahren würde wäre sie wohl nicht mal mehr in Ägyptus sicher vor seinem Zorn das stand schon einmal fest.
    "Tolle Familie Vater, man sieht sie nur zu Festen denn sie sind doch alle mit sich alleine beschäftigt," auch wenn das wohl nicht wahr war, denn es war Arrecina die sich von allem fern hielt.
    "Auch wenn ich hier raus kann lebe ich in einem Käfig, denn alleine den Namen Flavia zu tragen ist ein Käfig." Sie wollte ihm nicht weh tun zumindest nicht mit Absicht. Bei der Großmutter schüttelte sie nur energisch mit dem Kopf und kam gleich darauf ins stocken.
    "Wie kommst du auf die Idee, dass ich verheiratet werden will? Hast du etwa schon jemanden für mich ausgesucht Einen Patrizier der deinem Geschmack entspricht????" Leichter Zorn sprach aus ihr, denn für sie stand fest, dass sie keinen Patrizier heiraten wollte.
    "Und vielleicht will ich das wirklich," sagte sie dann was für ihren Vater sicher überraschend kommen mochte, aber sicher wäre es dann eine Person an die er niemals denken würde.

  • Einfach nur Sprachlosigkeit ergriff Marcus. Er sah seine Tochter lange an und ließ das Schweigen über dem Essen währen. Denn keiner der Antworten war etwas, womit er gerechnet hätte. Im ersten Moment war es Wut, die in ihm aufstieg, die in seinen dunkelbraunen Augen aufblitzte, welche dann sofort von Kummer abgelöst wurde. Seine Stirn schlug sich in Falten und er sah stumm in den Garten. In all den letzten Monaten hatte sich Marcus selber belogen, getäuscht und vor gegauckelt, alles würde wieder in Ordnung kommen, wenn seine kleine Tochter ein wenig Ruhe, die Besinnung der Familie haben könnte. Doch nun, und offensichtlicher ging es nicht mehr, erkannte er, wie sehr er sich selber etwas eingeredet hatte. Es schien ihm fast so, als ob er seine kleine Tochter verloren hätte und eine Fremde saß ihm gegenüber. Das stimmt nicht!, schollt sich Marcus und atmete tief ein. Doch dieses unbestimmte Gefühl wollte sich nicht mehr aus den Tiefen seines Geistes entfernen laßen.


    „Glaubst Du wirklich, Arrecina, daß ihr mir so egal seid? Du und Lucius?“


    Womöglich dachte sie das tatsächlich. In jenen Tagen war sich Marcus einfach nichts mehr sicher, was seine Kinder dachten oder fühlten. Womöglich lag es doch an der Zeit, die er in der Legion verbracht hatte, daß er nicht mehr in die Gesichter seiner Kinder sehen konnte und wußte, was los war. Früher hatte er sie selten länger als einen Tag nicht gesehen, doch in den letzten beiden Jahren war Marcus immer wieder Wochen oder Monate weg gewesen ehe er wieder zur Familie zurück kam. Ausnahmsweise war Marcus der Appetit vergangen und er ließ das Essen unbeachtet auf dem Tisch stehen. Doch ihre derart schlechte Meinung über die eigene Familie erschütterte Marcus umso mehr, der er doch ein Familienmensch war, dessen Loyalität gegenüber den Flaviern am Meisten zählte.


    „Bist Du nicht ein wenig ungerecht, gegenüber Deinen Verwandten hier in Rom? Welche Tür steht Dir nicht offen, wenn Du Dich alleine fühlst? Gracchus, der doch immer alles tut, damit es der Familie gut geht. Sicherlich, Minervina ist eine sprunghafte junge Frau, aber sie würde doch niemals einem Familienmitglied den Rücken zukehren. Oder Leontia? Und was soll das heißen, der Name Flavia wäre ein Käfig...?


    Marcus schüttelte ungläubig und verwirrt den Kopf.


    „Der Name Flavia öffnet Dir Tür und Tore in jedes, wirklich jedes Haus, von Rom. Welche Familie kann das schon sagen? Oder meinst Du, Du hättest bei den Aureliern oder Claudiern ein glücklicheres Leben? Eines mit weniger Standeserwartungen?“


    Seine Augenbrauen zogen sich unbedeutend zusammen, eine steile Falte erschien zwischen ihnen und er betrachtete Arrecina aufmerksam.


    „Oder heißt das, Du wärest lieber eine Plebejerin? Arrecina, wenn, dann gibst Du Dich noch mehr dem Lug und Trug hin, daß Du bei ihnen freier wärst. Was kann schon eine Frau der Decimer oder Iulier mehr als Du? Worin besteht der Unterschied? Wenn es nach Deinem Vergleich mit dem Käfig ginge, dann ist der Unterschied bestimmt nur in der Farbe des Gefängnisses zu finden. Du hast einen Goldenen und sie einen Silbernen. Und was ist mit den armen Plebs? Möchtest Du wirklich den ganzen Tag arbeiten? An einen Handwerker verheiratet sein, schon vor Jahren, und bereits drei Kinder haben, wo Du nicht weißt, ob das eine Kind nicht dem bösen Winterhusten verfallen wird, weil ihr nicht genug Geld habt, um einen medicus zu bezahlen?“


    Seine Kinder gaben sich scheinbar irgendwelchen Illusionen hin, wie das Leben gestrickt war. Marcus kam der spontane Einfall, so manch ein Patrizierkind täte es nicht schlecht, für einige Wochen oder Monate das Leben mit dem einfachen Pöbel zu teilen, um zu erkennen, was für Freiheiten und Luxus, Komfort und Annehmlichkeiten es hatte.


    „Oder möchtest Du lieber noch nicht mal eine Römerin sein? Vielleicht eine Griechin? Verheiratet und noch rechtsloser als eine Römerin? Eine Germanin womöglich? In einer Holzhütte lebend, ärmlich, bescheiden und im Winter in einem feindseligen Land? Weißt Du, daß ein Germane seine Frau nach Belieben töten kann? Eine Sklavin? Dann wärst Du in einem eisernen Käfig! Also, Arrecina, welche Familie, welchen Stand und welches Land würdest Du vorziehen gegenüber der Familie der Flavier?“


    Nun griff Marcus doch nach dem Wein, sah nur einen Herzschlag in die goldene Flüssigkeit und hatte die Hoffnung, er hätte sich am Ende verhört, aber scheinbar doch nicht. Denn die Worte hallten noch klar und deutlich in seinem Geist. "Und vielleicht will ich das wirklich," Marcus Nasenflügel erbebten.


    „Nein, ich habe noch niemanden für Dich ins Auge gefaßt...“


    ...weil einfach noch niemand gut genug für seine Tochter war und er sie immer noch als Kind betrachtete.


    „Du möchtest also verheiratet werden? Manus? Möchtest Du nicht mehr Teil der Familie Flavia sein? Hast Du gar schon jemanden in Aussicht? Gibt es etwas, was ich wissen sollte, Arrecina?“

  • Er hatte sie einfach nicht verstanden so wie es immer war. Er hatte Lucius niemals verstanden und sie auch nicht, aber das schien in der Familie zu liegen. Aquilius sie musste einfach zu ihm, denn er verstand sie ausserdem hatten sie ein Geheimnis. Langsam setzte sie sich wieder auf und griff nach ihrem Becher um einen Schluck zu nehmen und ihn dann wieder hinzustellen.Alles tat sie in bedachter Ruhe wollte sie ihren Vater nicht noch mehr erzürnen.
    Du interpretierst meine Worte wie sie dir gefallen und es dir passt Vater. Es gibt schon viele die sich hier um mich kümmern und Onkel Grachhus und Onkel Aquilius gehören ganz sicher dazu. Seit dem ich aber wieder hier bin ist alles nur noch schlimme geworden. Ich kann mich nicht an alles mehr erinnern was vorher gewesen war, aber nun habe ich das Gefühl, dass jeder meiner Schritte genaustens beobachtet und notiert wird. Wen hast du denn alles auf mich angesetzt, dass er ein Auge auf mich wirft? Ich bin mir sicher, dass ich nicht einmal auf die Latrine gehen kann ohne, dass du davon erfährst. Habe ich recht oder leide ich nun auch schon unter Verfolgungswahn?"


    Wieder griff sie nach ihrem Becher aber dieses mal um ihn einfach nur festzuhalten und nicht mehr los zulassen. Sie drehte ihn in ihren Händen hin und her. "Mein Bruder und ich haben zwar einen Vater aber einen den wir kaum zu gesicht bekommen und einen der mit uns rein gar nichts bespricht. Das tut weh Vater. Wir lieben dich und du willst doch auch, dass wir mit allem zu dir kommen, aber du kommst nie auch nicht wenn es etwas wichtiges wie eine Hochzeit ist."


    Sie seufzte und sie machte sich große Sorgen um ihren kleinen Bruder schließlich war er noch ein Kind. "Mir wäre mein Stand einfach nur egal wenn mein Leben dadurch nur besser wäre. Und wenn ich einen Mann getroffen hätte der mir gefiel was würde es denn bringen wenn er kein Patrizier ist? Du hast damals einen abgelehnt und wirst es nun auch machen ausserdem weiß ich nicht wirklich was er denkt ob er mich will oder nicht. Wir kennen uns ja kaum oder gar nicht," dachte sie laut nach. "Für dich wird nie einer kommen der gut in deinen Augen erscheint auh nicht wenn er direkt vor deiner Nase sitzt. Es tut mir leif wenn ich das sage aber du musst auch lernen los zu lassen und glaube mir ich will dir keine Schande machen und ich weiß, dass ich froh sein sollte den Namen Flavia zu tragen. Bis zu einem bestimmten Punkt bin ich es ja auch, aber wenn dann diese Themen auftauchen wenn es um Liebe und Gefühle geht, dann ist der Name das größte Hindernis was es gibt. Verstehst du mich?"

  • Verständnislos betrachtete Marcus seine Tochter. Was sie genau von ihm wollte, das sagte sie ihm zwar, aber dennoch konnte Marcus es nicht so ganz einordnen. Seine Vorstellung von ihrer Konstellation, Vater und Tochter, war doch durchaus anders. Doch ihr zu Liebe hörte er sich ruhig alles an, wobei die Falte zwischen seinen Augenbrauen nicht weg gehen wollte. Herrje, wo waren die Zeiten geblieben als Arrecina noch mit einer schönen Puppe oder in Honig getauchten Früchten zufrieden war? Wo sich Probleme nur auf die nächsten Stunden bezogen, damit sie nicht Langeweile ertragen mußte oder sie unzufrieden war, weil sie einen Sklaven nicht haben durfte? Die Vorstellung- ein kleines Mädchen vor sich zu haben- schwand mit jedem Wort immer mehr in Marcus. Denn seine Tochter hatte ein Stadium erreicht, was nur Frauen besaßen: Komplikation und das Bedürfnis, alles schwieriger zu machen, als es doch in Wirklichkeit war. Zudem alles stets und immer besprechen zu wollen, Gefühle zu erläutern und ähnliches. Marcus seufzte, lehnte sich gegen die Lehne seiner Liege zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust, bis er bemerkte, daß das eine Geste war, die er stets bei seiner verstorbenen Frau angewandt hatte. Abermals durch die Nase geschnaubt und Marcus stand auf, ging einige Schritte auf dem Weg neben der Liegegruppe hin und her.


    „Mein liebe Arrecina, ich habe noch nicht mal mit Deiner Mutter immer alles besprochen...“


    ...gerade nicht mir ihr.


    „Sicherlich, Lucius hat noch weniger von mir erlebt. Aber er ist stark und auch niemals, nicht einen Tag alleine gewesen, sondern stets im Schoße der Familie. Er ist ein Kind zudem. Denkst Du wirklich, ich bespreche meine Angelegenheiten mit einem Kind? Und bei Dir, Arrecina, habe ich meine Anwesenheitspflicht lange genug ernst und intensiv wahrgenommen. Bis Du schon lange im heiratsfähigem Alter warst, warst Du ständig bei mir und um mich herum. Jeder anderer Vater hätte Dich zu dem Zeitpunkt, vor drei Jahren bereits, einem anderen Mann überantwortet. Doch das wollte ich nicht für Dich...schließlich...ja...Du warst noch so jung.“


    Marcus griff sich an den Nacken und sah Arrecina verwirrt an.


    „Und was meinst Du damit, daß ich Dich beobachten laße? Das ist nicht wahr! Ich habe Dir stets vertraut. Warum hätte sich das nach Deiner Entführung ändern sollen, Arrecina. Ich habe niemanden auf Dich angesetzt. Ich habe nur gehofft, daß Du hier die Ruhe findest, Dich wieder an alles zu erinnern.“


    Kopfschüttelnd nahm Marcus wieder Platz, den Drang sich zu bewegen hatte er genug ausgelebt.


    „Liebe, Gefühle, glückliches Leben? Arrecina, Arrecina, glaubst Du das wirklich in einer Ehe zu finden? Außerdem ist mir doch auch an Deinem Wohl gelegen, sonst hätte ich Dich schon längst einem Mann wie Claudius Vesuvianus oder Tiberius Durus versprochen. Beides gute und ehrenhafte Männer...“


    Jetzt fiel Marcus erst ein kleines Detail in Arrecinas Rede auf. Den, den er damals abgewiesen hat? Wenn sie einen Mann traf, der sie glücklich machen würde, aber kein Patrizier war? Marcus kombinierte. Es dauerte. Ein Herzschlag, noch einer und dann ein Dutzend. Schließlich sah er von dem grünen Flecken Gras auf, was ihm als Gedächtnisstütze helfen konnte. Hätte er es nicht sogar heute schon von jenem Caecilier gehabt, dann wäre es ihm womöglich gar nicht aufgefallen.


    „Was...? Soll das heißen, Du bist Caecilius Crassus schon vorher begegnet? Hattet ihr etwa ein Techtelmechtel miteinander? Ist das der Grund, daß der unverschämte Kerl bei mir angetanzt ist?“


    Marcus sah seine Tochter sprachlos an, konnte diese Vermutung nicht wirklich faßen, aber es mußte so sein.


    „Und warum, meine liebe Tochter, hast Du es nicht für nötig erachtet, mich vorher zu informieren? Zudem: Der Mann ist aufs übelste aufgetreten, hat die Flavier und unseren ganzen Stand diffamiert und mir ins Gesicht gesagt, ich könne doch froh sein, einen solchen Kandidaten für Dich zu bekommen. Und so einem unverschämten Wicht hätte ich Dich geben sollen? So einem Grobian und Prahler?“


    Abweisend kratzte sich Marcus an der Wange und abermals eröffnete sich ihm eine weitere Erkenntnis.


    „Und wer ist das, von dem Du noch nicht mal weißt, ob er Dich haben will? Herrje, Arrecina, mir wirfst Du vor, ich würde nicht mit Dir sprechen, aber scheinbar wirfst Du Dich laufend Männern hinter meinem Rücken an den Hals...“


    Erst als Marcus das aussprach- er hatte nicht darüber nachgedacht- wurde er sich der Bedeutung klar. Schockiert starrte er seine Tochter, sein Kind an. Sie war doch noch so jung, nein, das konnte irgendwie nicht sein.

  • "Es ist einfach nur ein Gefühl welches ich habe nicht mehr oder weniger. Ich habe einfach nur das Gefühl, dass man mich beobachtet. Ja vielleicht werde ich ja auch schon verrückt, vielleicht hat mich die Sache viel mehr mitgenommen als wir alle glauben," sagte sie ziemlich ironisch obwohl sie auch etwas ernstes in ihren Worten sah. "Es tut mir leid wenn ich dich so angreife das will ich eigentlich nicht. Ich möchte nur, dass du siehst, dass ich vor allem kein Kind mehr bin und auch wenn es Lucius ist......aber versteh doch, es ist ein Einschnitt in die Familie und ich weiß, dass keiner von uns etwas hätte machen können, aber es wenigstens zu sagen Vater. Nur ein paar wenige Worte. Siehst du das denn nicht wenigstens ein?"
    Sie hoffte es sehr, dass er sie wenig etwas verstand. "Ich bin immer noch jung nur eben kein Kind mehr. Ich glaube nicht Vater, sondern ich hoffe. Ich weiß, dass Ehen geschlossen werden um das Fortbestehen zu wahren um ein gutes oder einigermaßen gutes Leben zu haben. Aber ich wünschte mir schon nicht an einen alten Mann zu geraten der nach einem Jahr das zeitliche segnet. Ich würde der Familie niemals Schande bereiten Vater, ich hoffe du weißt das," und doch musste sie genau in diesem Moment an Rutger denken, an seine Worte und an alles was sie mit ihm erlebt hatte. Ein Stich fuhr durch ihr Herz und es war ein Schmerz der ziemlich tief ging.
    Die Männer die er ihr nannte.....sie hatte Tiberius Durus kurz gesehen und nur wenige Worte mit ihm gewechselt, aber er hatte sie nicht interessiert oder war es anders herum? Sie wahr sich nicht sicher.
    "Ich kenne diese Männer nicht wirklich und ja ich habe Ceacilius Crassus schon getroffen. Es war in einem Park, ein Zufall, eine Begegnung und ja er kam zu dir und ich hätte ihn damals zum Mann genommen. Ich wusste nicht wie sein Auftreten dir gegenüber oder der Familie sein würde. Ich konnte das nicht wissen und deswegen musst du mir nicht zornig werden und ganz sicher schmeiße ich mich nicht jedem Mann an den Hals," sagte sie und dachte an Aquilius und Rutger. Ein Mauerblümchen war sie nicht gerade aber das waren Geschichten die gingen niemanden etwas an und schon gar nicht ihren Vater.


    "Ich hatte mit ihm nichts. Nur weil ich mit jemandem rede heißt das nicht, dass ich mit ihm etwas habe Vater. Und ich habe es nicht nötig mich den Männern an den Hals zu schmeißen nur lerne ich gerne bestimmte Personen die mir sympatisch sind kennen. Warum sollte ich es dir sagen? Du glaubst dann sicher ich habe auch mit ihm schon etwas." Arrecina seufzte und griff sich einen Augenblick an ihre Stirn. Es war wirklich ein anstrengendes Essen wenn man bedachte, dass sie noch nichts angerührt hatte.


    "Würdest du mich mit einem angesehenen Plebejer verheiraten? So er es denn wollen würde?"

  • Vielleicht hat mich die Sache mehr mitgenommen, als wir alle glauben. Der Zorn war mit jenen Worten aus Marcus völlig gewichen und mit einem Schlag kehrte die Besorgnis zurück, die Marcus all die letzten Monate um seine Tochter verspürt hatte, die an ihm zehrte und ihm schlaflose Nächte- metaphorisch gesehen- bereiteten. Denn Ironie war ein Stilmittel, das Marcus völlig abging. Man mußte schon mit dem ganzen Lattenzaun winken, bis Marcus auch nur ansatzweise erahnte, daß die Aussage nicht derart ernst gemeint war, wie der Urheber sie beabsichtigt hatte. Darum ging er schnell zu seiner Tochter und nahm neben ihr Platz.


    „Mein arme kleine Cinilla!“


    , sprach er und schien nicht so ganz die Worte über das Erwachsen-werden von ihrer Seite aus verstanden zu haben. Denn er hob die Hand und wuschelte ihr mit der Hand über den Kopf.

    „Das tut mir Leid. Natürlich, Du hattest einfach eine schlimme Zeit in den letzten Monaten. Ach, was bin ich doch für ein Holzklotz heute und in letzter Zeit gewesen. Es tut mir so Leid, mein Sonnenschein. Und natürlich bin ich Dir doch nicht böse. Wie könnte ich? Du bist doch mein Goldschatz, Cinilla. Du bedeutest mir doch alles auf der Welt!“


    Und mit ihren Worten kam tatsächlich alles wieder in Lot, denn daß sich seine kleine Tochter an Männer heran warf und gar lüsterne Gedanken hegte, das war völlig ausgeschloßen für Marcus. Und er wollte und konnte das nicht denken, schlug sofort jegliche Vermutungen nieder. Stattdessen betrachtete er seine Tochter und- trotz ihrer Worte- wurde sie wieder das kleine Mädchen in seinen Augen. Nur das mit der Hochzeit paßte immer noch nicht so ganz in diese Vorstellung.


    „Es tut mir leid, mein kleiner Sonnenschein. Natürlich glaube ich nicht, daß Du Dich allen Männern an den Hals wirfst. Das war wieder grob von mir. Du kennst mich doch, ich kann so schwer mit Worten umgehen. Ich bin nun mal nicht wie Manius. Aber natürlich darfst Du Dich auch mal mit einem Mann unterhalten...“


    ...solange das unter den Augen von Sklaven geschah, aber das war für Marcus derart selbstverständlich, daß er es nicht laut aussprach. Doch das mit dem Plebejer gefiel Marcus nicht, aber überhaupt nicht. So wurde er wieder etwas ernsthafter und väterlich strenger, sprach jedoch weiterhin wieder milder als noch einige Herzschläge zuvor.


    „Arrecina, wenn Du einen Plebejer heiraten willst, dann wirst Du ihn manus heiraten müßen und die Flavier aufgeben. Denn alles andere widerspricht allem, was unserer Familie wichtig ist. Zudem ist es durchaus eine Schande außerhalb des Standes zu heiraten. Selbst wenn es jemand ist aus einer guten plebejischen Familie. Nun, womöglich wäre noch einer von der nobilitas ganz passabel, aber eigentlich mußt Du auch dort Dich dem Mann überantworten, ganz und gar. Und dann könnte ich Dich nicht mehr beschützen, mein Kind.“

  • Da war er wieder, dieser besorgte, nein dieser überaus besorgte Vater den sie gar nicht haben wollte. Es war bis zu einem bestimmten Punkt ganz nett wenn man jemanden hatte der sich um einen sorgte aber ihr Vater verfiel da immer wieder in ein so schreckliches Muster als würde er mit einer vierjährigen sprechen und das verletzte Arrecina immer wieder aufs neue.
    Doch sie wusste, dass wenn sie das jetzt sagen würde, dass sie ihren Vater auch ziemlich verletzen würde und das wollte sie ja auch nicht. Also musste sie das einfach schlucken und auch das durch die Haare wuscheln einfach über sich ergehen lassen auch wenn man es fast nicht ertragen konnte. Sie verkniff sich ein teifes Seufzen und zwang sich zu einem Lächeln. Es war wirklich erzwungen, aber er bemerkte das doch sicher wieder nicht.


    "Lass uns einfach nicht über das Vergangene sprechen. Bitte, ich versuche einfach nicht mehr dran zu denken, dann wird das schon wieder werden da bin ich mir sicher. Bis jetzt ist immer alles wieder gut geworden und das wird es hier auch werden. Mach dir deswegen keine Sorgen."


    Was er weiter zu sagen hatte beunruhigte sie sehr. Also lebte sie doch in einem Käfig wenn sie nicht einmal ausserhalb heiraten durfte. Es war wirklich einfach nur zum verzweifeln und gemein. Sie wollte doch nicht die Familie verlassen, aber sie wollte auch keinen stocksteifen Patrizier zum Ehemann.
    "Warum gibt es diese ganzen Regeln? Ich verstehe es nicht und werde es niemals verstehen Vater. Das ist alles gemein. Was wäre wenn dieser Plebejer ein angesehener Mann wäre, ein Senator und noch besser? Wäre es dann immer noch schlimm? Wäre er dann nicht einem Patrizier ebenbürdig?"

  • Stumm und völlig unscheinbar standen vier Sklaven in einige Schritt Entfernung um den Vater und die Tochter. Doch selbst wenn es bei intimeren Gesprächen gewesen wäre oder selbst bei den Latrinen, es wäre Marcus nicht aufgefallen. Sein ganzes Leben lang war er von Sklaven umgeben und sah in den Meisten nicht mehr Wert als einer Vase oder einem schönen Reittier. Nur bei wenigen Sklaven hatte Marcus bis jetzt eine Ausnahme gemacht- Hannibal, Salambo oder den alten Reitmeister des Gestüts seiner Mutter, was sie vor einigen Jahren erst verkauft hatte. Doch nun unterhielt er sich darum ohne Zögern oder Zaudern mit seiner Tochter und war mehr als froh über den Vorschlag seines Kindes, das Vergangene ruhen zu laßen. Er nickte und willigte damit ein und kam lieber zu dem, was sie am Schluß ansprach. Wobei er eigentlich gar nicht gerne über solche Angelegenheiten mit seiner Tochter redete. Regeln, Standesdünkel und Erwartungshaltungen der Familie. Wie oft hatte Marcus sie verflucht, aber sich stets diesen ergeben. Meist seiner Mutter zu Liebe und irgendwann, weil er es nicht mehr anders gewohnt war.


    „Arrecina, ein Patrizier oder eine Patrizierin zu sein verlangt nun mal auch eine gewisse Würde und Standesdenken zu pflegen. Wir sind nicht der Pöbel, wir können nicht unseren Launen und unserer Liebe nachgeben. Wir müßen den niederen Ständen mehr noch ein Vorbild sein und ihnen beweisen, was es heißt ein ehrenhafter Römer oder Römerin zu sein. Wir gehören zu den Familien, die Rom zu dem gemacht haben, was die wunderschöne Stadt heute ist. Das Herz des größten Imperiums was es wohl je gegeben hat und jemals exestieren wird.“


    Sicherlich irrte sich Marcus dahingehend, aber er wußte es nicht besser und konnte es auf die Zukunft bezogen auch nicht ahnen. Er hob seine Hand und strich sanft seiner Tochter eine Strähne zurück, die er gerade noch aus ihrer Frisur gewuschelt hatte.


    „Das ist eine Last, die nicht nur Du tragen mußt, sondern ich auch. Ich würde nicht noch mal in meinem Leben heiraten, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Aber ich möchte nicht, daß Du unglücklich wirst, darum sage ich Dir das mit der manus Ehe. Ein anderer Patrizier und Vater hätte Dir das noch nicht mal als Option vorgeschlagen. Aber ich verstehe nicht ganz, warum Du eine derart schlechte Meinung über die Patrizier hast, also die anderen Männer. Es gibt doch sicherlich den ein oder anderen Mann aus unserem Stand, der Dir gefallen könnte. Und was einen Plebejer angeht? Nun ja, ein Senator ist nicht unbedingt einem Patrizier ebenbürtig. Ein Mann der nobilitas könnte man das noch zugestehen, wobei es eine andere Würde und Bürde ist, die dieser trägt. Aber, Arrecina, möchtest Du wirklich einen consul heiraten? Die sind doch mindestens dreißig Jahre älter als Du...wie der Jetzige!“

  • "Wen kenne ich denn schon aus unserem Stand? Sind die meißten nicht einfach schon vergeben oder versprochen? Ich sage ja nicht einmal, dass ich aus Liebe heiraten muss. Diese Dinge können sich ja auch mit der Zeit ergeben, aber wenn es einen Mann gibt den ich mag, weil er nett ist und ich wüsste, dass ich ein gutes Leben bei ihm haben könnte, wäre es doch vorteilhafter diesen zu wählen als einen Wildfremden. Ich denke auch aus diesem Grund darüber nach weil ich Angst habe dich nicht wieder zu sehen. Was ist wenn dir etwas in diesem Krieg passiert? Was ist dann mit mir und wer bestimmt über mich? Ich habe Angst, dass es dann schlimm wird und die Götter mögen sich hüten es so weit kommen zu lassen, denn ich will dich nicht verlieren Vater. Es sind diese Ängste die mich das alles haben überlegen lassen und den Mann von dem ich spreche....er ist sehr nett, er sieht gut aus und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es etwas schlechtes wäre."


    Vielleicht verstand ihr Vater nun mehr warum sie jetzt überhaupt von sich aus an eine Vermählung dachte, denn es war einfach die Angst ihren Vater zu verlieren und dann einem anderen Familienmitglied einfach ausgeliefert zu sein der dann machen konnte was er wollte mit ihr. Vielleicht sah dieses Familienmitglied dann einen älteren Mann als Ehemann eher für sie als einen jüngeren und davor hatte sie Angst. Sie wusste, dass sie Pflichten hatte als eine Patrizierin und wenn es auch nicht immer gute waren so war es schon klar, dass sie diese auch eingehen würde mit allen Konsequenzen. War sie in vielen Dingen rebellisch so konnte sie auch einiges verstehen, wenn auch nicht alles.
    "Du kennst den Mann von dem ich eigentlich rede. Er war auch auf deiner Feier gewesen und ich glaube so viele plebejische Senatoren waren da nicht."

  • Nun war der Zorn gänzlich verraucht. So schnell wie er auch über Marcus gekommen war. Aber Marcus war ein Mann, der von Temperamenten schnell erfaßt, aber genauso eilends wieder verlaßen wurde. Und er schollt sich einen unbedachten Narren als er die Worte seiner Tochter vernahm. Natürlich! Warum hatte er einfach nicht früher daran gedacht? Zwar machte er sich Sorgen, um seine Tochter, war oft in Gedanken bei ihr, aber auf das Naheliegendste ist er nicht gekommen. Wahrscheinlich, weil Marcus sich nicht in eine Frau hinein denken konnte und das ganz gewiß auch niemals tun wollte. Dennoch wollte er nicht weiter sie mit Vorwürfen oder Diskussionen um standesgemäße Ehebünisse belästigen. Sie war doch noch so jung!


    „Mein Sonnenschein. Das tut mir Leid. Daran habe ich nicht gedacht. Aber Du mußt Dir keine Sorgen machen, für Dich wird gut gesorgt werden, wenn mir etwas paßiert und Du wirst ganz gewiß nicht mit einem alten Patrizier verheiratet werden, nur weil er ein Patrizier ist.“


    Marcus lächelte und wollte damit beruhigend auf Arrecina einwirken. Er nahm seine Tochter dann in den Arm und zog sie an sich, strich ihr väterlich durch die Haare und tätschelte ihr sanft den Rücken. Sanft, weil er sie immer für so zerbrechlich hielt, daß eine kräftigere Berührung sie sicherlich bersten laßen würde. Besonders in letzter Zeit schien Arrecina in seinen Augen noch filigraner geworden zu sein. Aber Marcus schob es immer noch auf den Verlust des Babyspecks hin- was er freilich schon seit zehn Jahren tat- und dann entließ er sie wieder aus der Umarmung. Ratlos betrachtete Marcus sie und dachte nach. Meridius oder Durus? Nein, letzter war ja Patrizier und kam somit schon von ihrer Argumentation nicht in Betracht. Und Meridius war bereits verheiratet, das wußte Marcus sicher.


    „Senator Purgitius Macer? Ähm, Arrecina...Du weißt schon, daß der Mann Dein Vater sein könnte? Oder Decimus Meridius? Der ist verheiratet, Arrecina.“


    Purgitius Macer kannte Marcus nicht länger als von gestern Abend, hatte nur von dessen großen Ruf gehört und seine freundliche Art am Abend erfahren können. Doch immer wenn es um seine Tochter und Männer ging wurde Marcus ungnädig gegenüber den Männern, die sich möglicherweise an seinen Schatz heran machen wollten. Ein Runzeln erschien zwischen Marcus Augenbrauen, doch da Marcus annahm, sie hätten nur die Begegnung auf dem Fest unter aller Augen geteilt, konnte er noch keinen Grund finden den aufkeimenden Unmut Ausdruck zu verleihen.


    „Er ist bestimmt schon verheiratet, Cinilla. Aber komm, mach Dir keine Sorgen, ich kehre schon aus dem Krieg zurück. Nun? Magst Du mit mir heute noch in die Stadt gehen? Du könntest Dir noch ein paar Dinge auf dem Markt aussuchen, ganz was Du willst. Na, hast Du Lust dazu, mein Sonnenschein?“

  • Und wieder.....immer wenn sie was sagte hatte er Einwände vorzubringen das war nicht zum aushalten und sie wollte das Thema zum Ende bringen und zwar mit ihrem Vater und nicht vielleicht später mit einem anderen Familienmitglied denn es war einfacher gesagt, dass er zurückkam als es vielleicht wirklich war. Alles was er machte ließ sie über sich ergehen, seine Tätschelleihen, seine Streicheleinheiten und seine Worte, doch dann musste sie einfach reden und holte vorher etwas Luft.


    "Nein es ist ein wichtiges Thema und ich möchte es beenden. Wir können gerne später etwas machen Vater, aber bitte lass uns darüber reden. So alt ist er gar nicht und er hat keine Frau." Sie musste aufpassen was sie sagte, denn sie wollte ja nicht verraten, dass sie ganz alleine mit ihm gewesen war, aber das hatte sie auch so erfahren können wenn sie mit ihm geredet hatte, deswegen sagte sie es auch ihrem Vater.


    "Wir haben beim Essen miteinander gesprochen und er ist ein sehr netter Mensch, weder alt noch aufdringlich oder sowas. Lass doch einmal mit dir reden und blocke nicht immer ab wenn es um das Thema Männer geht. Du kannst dich davor nicht ewig drücken. Du hast selber gesagt ein anderer Vater hätte mich schon längst verheiratet. Ich bin 15 und ich bin nicht mehr dein kleines Mädchen von früher denk bitte daran und vergiss das nicht. Er ist Senator einer der angesehensten, könntest du dir das nicht vorstellen? Gut ich weiß nicht einmal ob er überhaupt sein Einverständnis geben würde, aber im Moment geht es in erster Linie um dich und deine Meinung dazu auch wenn ich denke ich kenne sie, denn in deinen Augen ist kein Mann gut genug für mich, keiner der nicht du bist. Habe ich Recht?" Da schlug sie einmal ein solches Thema an und dann schien es einfach nach hinten los zu gehen.

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