Die Trauer um meine Mutter war zu schrecklich um sie zu ertragen. Die letzten Tage und Nächte, ich wusste nicht wie lange, war ich genau wie früher zu meinen besten Zeiten in einer schäbigen Bude in der Subura versumpft, wo das Opium nicht so teuer war, und der Besitzer mir wegen einer alten Geschichte sogar Kredit gewährte.
In einem warmen weichen Nebel war die Zeit verstrichen, und der Schmerz in weite Ferne gerückt. Weder dachte ich daran dass man mich vielleicht in der Casa vermissen könnte, noch verschwendete ich einen Gedanken an Callistus' Sicarii.
Doch als dann eines Morgens mein Geld endgültig alle war, und mein Kredit mehr als ausgeschöpft, warfen sie mich raus und der Schmerz war unerträglich wie zuvor.
Es war noch ganz früh am Morgen, als ich übernächtigt durch die Straßen tigerte, die zu dieser Stunde beinahe leer waren. Wie ausgestorben. Gerade erst wich die Nacht der Morgendämmerung. Mir war flau vom Opium, und die Trauer machte mich wahrhaft blind, so dass ich bloß mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte. Schließlich zog die aufgehende Sonne meine Aufmerksamkeit auf sich - es war schon länger her, dass ich um diese frühe Stunde wach gewesen war; ich ließ mich einfach auf die nächstbesten Treppenstufen fallen und sah zu wie die goldene Scheibe langsam über den Horizont stieg und den Himmel mit einem warmen Glanz erfüllte. Aber das konnte mich nicht beeindrucken. Ja, die Sonne ging auf, wie jeden Morgen, egal ob meine Mutter gestorben war, mein Leben verpfuscht war, meine Familie mich verachtete.
'Wärst Du doch von der Brücke gesprungen, Faustus, dann hättest Du Dir das alles erspart!', dachte ich, wie ich das zur Zeit ständig dachte, und: 'Wie komm ich bloß an Geld für neues Opium? Ich könnte Tante Lucilla fragen ob sie mir Geld gibt.... Oder mal sehen ob Orestes das Zeug für ein paar Gefälligkeiten nicht direkt rausrückt... ja, das versuch ich mal...'
Und ich erhob mich von den Stufen, um aufzubrechen und diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, als mir zum ersten Mal bewußt wurde, wo ich da eigentlich Platz genommen hatte: auf den Stufen des Mars Ultor-Tempels. Da stand ich, und sah wie die ersten Sonnenstrahlen den Marmor des Daches berührten, ihn zu einem strahlend weißem Leuchten erweckten, in dass sich golden das Aufblitzen der Inschriften und des Zierrates mischte.
Ein seltsames Gefühl von Erhabenheit packte mich, zugleich widerte mich mein Vorhaben von eben ganz extrem an. Ich weiß nicht ob es eine komische Laune war, oder etwas anderes, aber jedenfalls stieg ich die Stufen hinauf und ging auf das Portal des Tempels zu. Er stand offen, obwohl es noch so früh war, und ich trat ein.
Durch das feierliche Halbdunkel hindurch ging ich langsam an den Säulenreihen vorbei, bis ich vor der majestätischen Statue des Kriegsgottes stand. Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte forschend hinauf in sein strenges bärtiges Gesicht, dessen Ausdruck mir zu gleichen Teilen zusammengesetzt erschien aus den Zügen meines Vaters, denen von Onkel Livianus, und denen des Triumphators, Onkel Meridius. Verachtung konnte ich allerdings keine darin lesen. Und da hatte ich eine verrückte Idee!