Es war ein Tag wie jeder anderer.
Früh am Morgen hatte ich mich nach dem allmorgendlichen, ebenso einsamen wie üppigen Frühstück ankleiden lassen. Wie jeden Morgen hatte Camryn mir diese Blicke zugeworfen, besondere Blicke, welche mich noch vor einem Jahr bezirzen konnten, bis ich mir nahm, wonach es mir gelüstete. Seit allerdings Deandra ihren Platz in meinem Herzen gefunden hatte, beachtete ich solche Blicke nicht mehr. Nicht, dass ich nicht daran gedacht hätte, mir dennoch zu nehmen, was mir zustand. Ich wusste allerdings, wie Deandra darüber dachte, und ich respektierte ihren stillen Wunsch nach Treue, auch wenn man Sex mit einem Sklaven kaum als Seitensprung zu bezeichnen mochte, geschweige denn anderweitige Enthaltsamkeit während Verlöbnis oder Ehe per Gesetz zur Strafe standen. Im Grunde hatte ich freie Wahl, und doch akzeptierte ich bisher, dass Deandra verletzt sein würde, würde ich dieser freien Wahl nachkommen, und vermied diese offensive Verletzung.
Ich war also nach dem ientaculum aufgebrochen, wie jeden Morgen, wenn ich zu Hause schlief, was ohnehin selten genug das Fall war. In letzter Zeit schlief ich darüber hinaus mehr denn schlecht. Ich hatte mich im Kastell mit der Inventur der Lagerhäuser herumgeplagt, war knapp nur einem herunterfallenden Ziegel ausgewichen und hatte anschließend keine Muße mehr, meinen Dienst pflichtbewusst zu Ende zu bringen, was mir auch keiner nachsah, immerhin verbrachte ich sonst sehr viel mehr Zeit im Lager als es offiziell nötig war. Ich hatte eine Weile in meinem officium verbracht, mich dann jedoch auf den Heimweg gemacht. Auf dem Weg hatte ich kein Auge für die verschiedenen Händler oder für die Regenwolken, welche einen Wolkenbruch andeuteten. Lediglich die beiden verdreckten Kinder, die ihre Hände bittend ausstreckten, bedachte ich mit je einer Münze.
Nur wenig später war die villa bereits in Sichtweite und es begann zu regnen. Zuerst nur wenig, dann immer stärker. Da ich zu Fuß unterwegs war, es aber vermied, die letzten Meter rennend zurückzulegen, da es mir unangemessen vorkam, wurde ich recht nass. Kurz darauf erreichte ich das Haus, das sich vor einem gelblichen Himmel beinahe bedrohlich erhob. Ich ging hinein, kassierte einen verwunderten Blick vom ianitor und verlangte barsch und tropfend nach Camryn. Auf meinem Weg hinterließ ich nasse Spuren im atrium. Ich löste selbsttätig die Schnalle meiner paenula und ließ sie achtlos rutschen. Der leichte Mantel landete mit einem sehr nassen Geräusch direkt neben dem impluvium, doch ich ging einfach weiter und steuerte das balneum an. Weil es mir nicht schnell genug ging, brüllte ich kurz vor dem Eintreten noch einmal Camryns Namen.
"Camryn!"
Dann trat ich ins Bad und schlug missgelaunt die Tür hinter mir zu. Ein verwirrter ianitor fragte sich, ob es am Regen lag.