Begrüßungszeremonie des Eparchos

  • Normalerweise war es um diese Uhrzeit still und dunkel im Tychaion. Nur das Prasseln des Ewigen Feuers der Polis erhellte den runden Saal hinter den geschlossenen Toren des Tempels. Will man den Stadtlegenden der Alexandriner Glauben schenken, war dies die Zeit, in der die Stadtgötter nachts ungestört ihr eigenes Konzil abhielten. An diesem Abend kamen die Götter aber nicht weit: Das Knacken des Schlüssels im Schloss schreckte sie aus ihren Ratsgesprächen und so machten sie sich daran, zu den Nischen ihrer Schreine zurück zu kehren und wieder einmal für einen Tag lang so zu tun, als seien sie nur einfache Statuen für die Heiligtümer. Schenkt man den Ammenmärchen der Alexandriner hingegen keinen Glauben, so hat sich nichts im Saal verändert, außer dass er sich langsam mit verschlafenen Prytanen in Nachtkleidung füllt.


    Denn natürlich blieb die Ankunft der "Alexander" nicht unbemerkt: Die Hafenwächter und Lotsen, waren naturgemäß die ersten, die mitbekamen, dass das Schiff sich den heimatlichen Gefilden näherte. Da diese Berufsgruppe den eindeutigen Befehl erhalten hatte, nach eben genau jenem Schiff Ausschau zu halten, ging diese Entdeckung auch nicht so einfach unter. Im Gegenteil: Es dauerte nicht lange, da waren alle, die sich von den Geschäften des Tages ausruhten, wieder hellwach und auf den Beinen. Die Prytanen wurden unsanft aus ihren Betten gerissen und eilten zum Prytaneion. Der Praefectus war angekommen und zum Zeichen der Treue der Polis zu ihrem Basileus musste schnellstmöglich alles organisiert werden. Wichtige Vorarbeit wurde zwar bereits geleistet, die Götterbilder waren politert und Bereit für den Transport aus den Tempeln, die Blumenkränze und -Körbe lagerten in den Speichern, die Epheben hatten ihre Schuhe geputzt und man wusste genau welcher Bürger bei der Zeremonie wo stehen würde. Sogar den Juden und Ägyptern räumte man bei dieser Gelegenheit das Recht ein, dem Empfang beizuwohnen - in der zweiten und dritten Reihe natürlich. Die Planung bis dahin war recht einfach, denn genau genommen sah jeder Empfang eines jeden Praefectus seit der Zeit des göttlichen Augustus genau gleich aus.


    Nur eine Kleinigkeit fehlte noch und ohne diese würde alles ins Wasser fallen: Man musste den ganzen Aufwand noch bezahlen. Denn die Händler und Künstler der Stadt, obwohl sie natürlich glühende Patrioten waren, brauchten auch was zu essen. Und ohne diese Leute würde sich der Empfang als ein wahres Trauerspiel gestalten. Und das konnte keiner zulassen, der der Meinung war, Alexandria sei die schönste und bedeutendste Stadt des Reiches. Man braucht nicht extra zu erwähnen, dass jeder der Prytanen so dachte. Aber Vaterlandsliebe und Gelbeutel lassen sich eben nicht immer miteinander vereinbaren.
    Der Betelnusskauende Verwalter der Stadtkasse ging seufzend die Listen durch und merkte hie und da an, dass noch so einiges fehlte, während die alten Herren versuchten, sich vor allzu hohen Zahlungen zu drücken und sich gegenseitig die Hauptlast zuschieben wollten.


    Das heftige Gezeter und Debattieren hatte auch den netten Nebeneffekt, dass die verschlafene Runde langsam aufwachte. Man einigte sich auf dem Kompromiss, städtische Schuldscheine auszufülllen, die dann die nächste Generation von Prytanen beziehungsweise, wenn alles gut läuft, der Praefectus selbst, bezahlen durfte. Ansonsten ruhte man sich auf seinen Lorbeeren aus, beglückwünschte sich gegenseitig und ging wieder nach Hause...


    Ach so: Und natürlich wurden Herolde ausgesandt, die ordentlich Radau machen sollten, damit in der Früh alles auf den Beinen sein sollte...

  • Von nun an herrschte in der Stadt hektisches Treiben: Herolde liefen laut brüllend durch jede Straße und hämmerten an jede Tür, so dass man meinen konnte, der Krieg sei ausgebrochen (was, ehrlich gesagt, ja zusätzlich stimmte, aber das ist eine ganz andere Geschichte). Bürger aller Coleur wachten auf und machten sich daran, ihre Pflicht zu erfüllen. Man warf sich in Festtagskluft, schmückte und bemalte die Häuser (die Phatrien spielten einmal wieder ihr beliebtes "wer hat den Schönsten Häuserblock"), die Straßen wurden von jeglichen Dreck gereinigt und das Pflaster mit den Duft von Rosen, Jasmin und allen möglichen Gewürzen gesprenkelt um den üblichen Gestank zu vertreiben. Die Tore der Tempel wurden weit geöffnet, so dass die Götterbilder auch einmal frische Luft bekamen und dem kommenden Spektakel zusehen konnten. Entlang den Häuserfassaden und über die Boulevards wurden bunte Girlanden aus allerlei Pflanzenwerk gespannt, die Springbrunnen wurden aufgedreht und jemand kratzte noch einen Klecks Taubendreck von einer Inschrift. Jede Statue in der Stadt, die nicht niet- und nagelfest war, wurde an den Weg gestellt und die Händler beeilten sich, ihre Geschäfte zu öffnen, damit die hungrigen Festteilnehmer mit der Verpflegung nicht allzu lange warten mussten.


    Man entschied sich für die Aufstellung der Prozession für den Argeus-Boulevard hin zum Alexanderplatz, von wo aus der Weg über den Meson Pedion weiter ging hin zur Agora, wo die Prytanen den Präfekten empfangen würden und große Reden geschwungen werden konnten.

  • Mittlerweile graute der Morgen und die schläfrige Nachtwache am Tor staunte nicht schlecht über das, was sie da sah: Beide Seiten der Wege vom Tor weg waren überfüllt von Griechen in Festtagskleidung. Ein riesiges Menschenheer! Zuerst dachte die Wache an einen Aufstand aber Aufstände hatten selten diesen geordneten Charakter. Außerdem waren sie in der Regel deutlich lauter! und bewegter. Nein, das ganze machte eher den Eindruck als würden sie alle auf Jemand warten.


    In der Mitte des Weges stand ganz offensichtlich ein Empfangskomittee: Die Archonten und Prytanen standen, flankiert von den Epheben, die große Schilder mit den Abbildungen verschiedener Gottheiten trugen, in Festagskleidung, geschminkt, bekranzt und mit den für die Prytanen charakteristischen Purpurschuhen vor dem Tor. Die Prytanen, an erster Stelle hatten allesamt einen zufriedenen Gesichtsausdruck.


    Ein paar Reihen weiter hinten rechts hielt ein Blumenmädchen die Spannung nicht mehr aus und warf schon mal eine Handvoll Blüten auf die Straße. Irgendwo anders schrie ein Baby.


    Jetzt fehlte nur noch der Präfekt...


    Sim-Off:

    Ab jetzt kann und sollte jeder hier mitspielen. ;) Die Epheben sollten bitte bedenken, dass sie mit den Prytanen in der Mitte der Prozession mitgehen. Viel Spaß. :)

  • Leonidas als Kandidat hatte sich natürlich für diesen besonderen Anlass besonders herausgeputzt. So trug er nicht nur einen seidenen, dorischen Chiton, auf den ein aufwendiges Muster aufgestickt war. Darüber hatte er einen scharlachroten Chlamys gelegt, sodass ihn auch jeder gut sehen konnte.
    Auch seinen Körper selbst hatte er vorbereitet: Gewaschen und gesalbt hatte er sein Gesicht ordentlich geschminkt und extra noch einmal einen Koyreus* kommen lassen, sodass sein Bart sauber gestutzt und sein haar kunstvoll drapiert war.


    So vorbereitet hatte er sich am Meson Pedion beim "Standplatz" seiner Phyle eingefunden und erst einmal jeden einzelnen mit einem freundlichen


    "Chaire!"


    und dem dazugehörigen Namen begrüßt. Alle in seiner Phyle waren nicht gerade arm und so konnte man davon ausgehen, dass an ihren Stimmen noch die des ein oder anderen armen Griechen aus dem Hafengebiet hing.


    Nach dem ein oder anderen kleinen Plausch war es dann so weit: Alles wartete gespannt auf den Eparchen.



    *Barbier

  • Selbst in der Herberge in der Nähe der Agora waren die Rufe der Herolde nicht unbemerkt geblieben und so erfuhr auch Medeia, zwei Tage nach ihrer Ankunft, von dem Eintreffen des Stellvertreter des Kaisers und zukünftigen Regenten der ägyptischen Provinz. Die Menschen drängten sich bereits in einer dichten Masse als Medeia endlich (sie hatte Stunden zum Herrichten gebraucht) die Herberge verließ. Pumilus marschierte ihr einen Schritt voraus und Olympia einen Schritt hinter ihr. An ihren Seiten flankierte sie ein grimmiger, vernarbter Mann, den ihr ein Gelehrte vom Museion als Doryphoroi* vermittelt hatte. Dieser stieß einige Passanten grob mit der Schulter beiseite und folgte dann seiner Schutzbefohlenen. Medeia blieb stehen und reckte sich, um über einige Köpfe hin weg zu spähen. So einfach war das nicht, denn zahlreiche Frauen trugen hohe Perücken (zumindest diejenigen, die es sich leisten konnten) und auch die Männer sparten nicht an extravagantem Haarschmuck um Alexandria die eigene Pracht an einem solchen Tag zu beweisen.


    Doch auch Medeia hatte, trotz ihrer sonstiger Angewohnheit nicht zu protzig zu wirken, heute nicht mit Aufwand gespart. Denn nun war sie doch in einer Provinz, wo man endlich wieder Luxus und Pracht wirklich zu schätzen wusste und es nicht gleich mit Sittenlosigkeit und Traditionslosigkeit verwechselte. Zwar trug Medeia keine Perücke, sondern nur ihr eigenes Haar auf dem Haupt. Doch suchte sie dieses 'Manko' mit der Kleidung wett zu machen, welche aus einem langen, moosgrünen Chiton (mit zahlreichen goldenen orientalischen Mustern eingewebt) bestand. Darüber trug sie einen goldenen, an der Seite offenen Peplos aus Coae vestes, welche das Grün mild durch schimmern ließ und ein Spiel mit den orientalischen Mustern erlaubte. Beide waren mit einem goldenen Gürtel und einer prachtvollen goldenen Schließe direkt unter ihrer Brust gegürtet, ganz der griechischen Mode entsprechend. Dazu trug sie die roten Locken kompliziert hoch gesteckt (Olympia hatte über eine Stunde dafür gebraucht) und mit goldenen Binden befestigt. Ihre Füße wurden von der weiblichen Variante des Krepis geziert, gefertigt aus feinstem Schlangenleder. Olympia hatte sie noch am vorigen Nachmittag auf dem großen Markt erworben. Angelegt hatte Medeia zahlreichen Schmuck wie hängende Ohrringe aus Perlen und Gold, dazu eine Kette aus goldenen Plättchen mit einigen Perlen angebracht, die sich sogar bis zu ihrem Hals hoch schlangen und diesen um wanden. Um ihren rechten Schenkel trug Medeia einige Periskelidia**, die sich jedoch höchstens zeigen würden, wenn Medeia sich hinsetzen und die seitlich geschlitzten Teile ihrer Gewänder etwas auseinander rutschen würden.


    Derart heraus geputzt schwebte Medeia (wenn sie nicht durch einige Rempeleien aus ihrem Gang gebracht wurde) durch die Menschen, auf der Suche nach einem guten Aussichtspunkt. Medeia suchte danach sich einen Weg näher an das Tychaion zu bahnen. Mehr noch von ihren Sklaven, doch sie kam nicht sehr weit. So gab sie seufzend auf. Das bunte Treiben, die Wolken der zahlreichen Duftwässerchen (auch Medeia hatte nicht mit ihrem Rosenöl geknausert) hüllten Medeia in eine Woge aus schier betäubenden Odeuren ein- Moschus mischte sich mit den verbrannten Hanfkörnern, Lavendel mit süßlichen Blumendüften, Schweiß mit intensiv riechendem Weihrauch, der an manchen Stellen geschwenkt wurde. Medeia fuhr sich an ihre Stirn, fühlte schon einige Schweißperlen aufsteigen und merkte, lange würde sie es nicht durchhalten. „Tuch!“ Olympia reichte ihr ein Tüchlein aus ägyptischem Linnen. Medeia tupfte sich die Stirn ab. „Saft!“. Schon befand sich ein tönerner Becher in Medeias Händen, sie trank einen Schluck und spähte. Wer wohl der neue Praefectus war? Medeia hatte nicht den blassesten Schimmer.


    *Leibwächter
    ** Schenkelbänder

  • Auch Timokrates steht brav in der für ihn zugeteilten Reihe. Zum Glück wohnt er in einer besseren Deme und wurde dort akzeptiert, so dass er nicht ganz hinten stehen muss. Insgeheim muss er grinsen als er an seinen Patron denkt. Der fette Jude steht sicherlich irgendwo ganz hinten und ärgert sich grün und blau darüber, dass sein ganzes Geld nichts nützt in der Stadthierarchie.* Interessiert schaut er sich um: Lauter ihm vertraute Gesichter, die ganze Nachbarschaft. Da der dicke Händler von Gegenüber, der schaut mal wieder nach den schönen Knaben, die Sau. Und die kratzbürstige Frau des Demenvorsitzenden, die einem alle fünf Minuten mit irgendeinen Blödsinn stört. Wie schön, im trauten Kreis von Bekannten und Freunden zu sein. Timokrates wünscht sich unwillkürlich auf sein altes Schiff zurück.


    Leider steht Timokrates, wenn auch taktisch gut, so betrachtungstechnisch ziemlich blöd da: Eigentlich ist er mehr oder weniger dazu gezwungen, nach vorne auf die Straße zu starren. Laaaangweilig! Irgendwie könnte sich der blöde Eparch ruhig mal beeilen.


    ____________
    * Nicht dass wir uns falsch verstehen: Timokrates hat nichts gegen Juden. Nur gegen Vorgesetzte.

  • Endlich erschien der neue Praefectus Alexandriae et Aegypti, den die Einheimischen auch mit dem griechischen Titel als Eparchos bezeichnet.


    Germanicus Corvus hatte sich ein wenig Zeit gelassen. Er glaubte, dass er dadurch die Erwartung der Menge noch steigern könne und damit gleichermaßen den Effekt seines Auftretens. Ähnliches hatte er zumindest schon einmal im Theater gesehen, wo der am meisten bejubelte und bekannteste Schauspieler sich immer einen Moment länger Zeit gelassen hatte, auch der Bühne zu erscheinen, als man erwartete und der Beifall dann umso größer ausfiel.


    Vor Corvus marschierten zwei Centurien der Legion.


    Dann folgte eine Turma der Legionsreiterei. Einer der Kavalleristen trug ein Feldzeichen der Legio XXII Deiotariana. Ein Zweiter führte eines, dass einen bronzenen Falken zeigte, dass Wappentier der Gens Germanica. Corvus hatte dieses Feldzeichen eigens für diesen Anlass und in weiser Voraussicht bereits in Rom anfertigen lassen.


    Dann folgte Germanicus Corvus, der Praefectus Aegypti. Er ritt auf seinem treuen Lieblingspferd Ganymed. Man hatte den dunkelbraunen Hengst gestriegelt und sein Fell eingeölt, so dass es in der Sonne mit dem vergoldeten Zaumzeug aus Beständen das Statthalterpalastes um die Wette glänzte.
    Corvus selbst hatte seine römische Uniform gegen ein ziviles Gewand in reinem Weiß getauscht. Selbst auf den schmalen Purpurstreifen als Zeichen seines ritterlichen Standes hatte er verzichtet. Dafür zierte ihn ein weiter Umhang, ebenfalls in weiß, aber mit unzähligen Goldfäden durchwirkt, die in der Sonne schimmerten.


    Germanicus Corvus war ein vergleichsweise junger Statthalter und diesen Umstand wollt er für seine Zwecke ausnutzen. Die ganze Aufmachung sollte die Fantasie des gemeinen Volkes beflügeln. Corvus wusste von Pompeius Magnus, dass dieser sich in jungen Jahren gerne als neuer Alexander präsentiert hatte. Das römische Volk liebte solche Inszenierungen, auch wenn sie jeglicher Grundlage entbehrten und er ging davon aus, dass die Alexandriner den Römern in dieser Hinsicht nicht unähnlich waren. Wer wollte, der sollte in ihm gerne einen Widerschein des als göttlich verehrten, jugendlichen Stadtgründers erkennen können, auch wenn Corvus bereits einige Jahre älter war, als Alexander ihm Jahr seines Todes gewesen war.


    Hinter dem Präfekten trugen acht nubische Sklaven eine offene Sänfte, in der sich seine Ehefrau Germanica Aelia dem (hoffentlich) jubelnden Volk präsentierte.


    Dahinter folgte eine Abordnung der Beamten der Regia Praefecti und dahinter weitere Centurien, die in Reih und Glied marschierten.


    Mit huldvollem Lächeln grüßte Corvus von seinem Pferd herab die Menge am Straßenrand. Er hatte das auf der Überfahrt lange geübt.

  • Kaum öffnen sich die Tore der Basileia, erklingt ein atemberaubendes Getose und Gejohle. Jubelschreie aus myriaden von Kehlen ertönen: Kyrie, Kyrie!, alle möglichen Götter werden angerufen und Statthalter und Kaiser in den höchsten Tönen gelobt. Das ganze Schauspiel wird in einem Blumenmeer gebadet, aus der Zuschauermenge, von den Dächern, aus Körben und Füllhörnern regnen Blüten und Blütenblätter und bedecken die Rüstungen der Soldaten. Bauchige Rauchbecken schwängern die Luft mit Düften von Weihrauch und allerlei Gewürzen. Man sieht sofort: Die Alexandriner lassen sich nicht lumpen, ihren Präfekten angemessen zu empfangen.


    Als der Eparch selbst aus dem Tor heraus tritt, verstummt die Menge plötzlich wie auf Kommando. Wie eine Welle breitet sich ehrfürchtiges Schweigen aus, von vorne, wo die Leute den Präfekten als erstes sahen, immer weiter bis hin zur Agora. Und mit der Welle der Verstummung bewegt sich eine andere Welle durch die Zuschauer: Alle knien sich auf einmal nieder.


    Nach einer kleinen Pause treten ein paar Priester in Prozessionsgewand vor und stimmen einen Hymnos auf Kaiser Iulian an, der sogleich aus tausenden von Mündern erklingt:


    "Heil dir gesalbter Sohn des Serapis,
    Geliebter der großen Göttin,
    Dionysos auf Erden,
    Der du die Meere und Länder bezwingst,
    Der du dem Menschen Recht und Gesetz bist,
    Der du die Witwen und Weisen schützt
    Und die Armen und Trostlosen nicht alleine lässt,
    Heil dir, wandelnder Gott auf Erden,
    Gestirn das den Tag erhellt,
    Iulianos,
    Erhabener,
    Basileus,
    Autokrator,
    Sebastos,
    Kaisar,
    Göttlicher Wohltäter,
    Herr über die drei Erdteile,
    Heil dir, Herr der Elemente,
    Wir grüßen dich!"


    Nachdem die Priester ihren Gesang beendet haben, ist es wieder still. Alles kniet weiter und wartet auf die Antwort des Eparchen.

  • Der Empfang war beeindruckend, ohrenbetäubend, überschwänglich und auch ein bisschen einschüchternd. Als er selbst durch das Tor ritt, verstummte die Menge und die Menschen sanken kniend zu Boden. Alles geschah in einer großen, gemeinsamen Einstimmigkeit, als wenn ein unsichtbarer Gott dabei Regie führen würde. Corvus Hals wurde vor Aufregung ganz trocken.


    Dann traten mehrere Priester vor ihn und hoben zu einer sehr orientalischen Begrüßung an. Viele Zuschauer stimmten mit ein.
    Corvus lauschte und als das letzte Wort verhallt war, reckte er sich im Sattel seines Pferdes und entgegnete mit lauter Stimme:


    “VOLK VON ALEXANDRIA, ich spreche für Iulius Ulpius Iulianus, dem Imperator Caesar Augustus von Rom und Beherrscher der Welt, dem Schutzherrn und Patron dieser Stadt!
    Er hat mich zu euch entsandt. In seinem Namen danke ich euch für diesen Empfang. Ich überbringe euch seine liebenden Grüße. Alle Alexandriner sind seine Kinder, für deren Wohlergehen er stets sorgen wird, die er vor allem Unheil der Welt zu beschützen gelobt. und deren Freiheit er gegen jeden Feind verteidigen wird. Er versichert euch seiner unverbrüchlichen Liebe und Zuneigung. Seine väterlichen Gedanken sind immer bei euch.


    Ich bin seine Hand. Ich spreche mit seiner Stimme. Seine Liebe ist auch die meine.


    HEIL DIR IULIANUS! UND FRIEDE UND DER GÖTTER SEGEN DER STADT ALEXANDRIA, DIE EINZIG IST AUF DIESER WELT!“

  • Dem Eparchen schritt eine Welle des Schweigens voran, die einem unbedarften Zuschauer erstaunt hätte - Leonidas hingegen hatte schon mehrere Eparchen kommen und gehen gesehen, also wusste er, was kam.


    Während er sich auf den erfreulicherweise sauber gefegten Boden kniete, wurde er fast etwas von der Sonne am Betrachten des offensichtlich gar nicht mal so alten Eparchen geblendet. Die Sonne von seiner Kleidung reflektiert, was das Hinsehen noch weiter erschwerte. So konnte Leonidas hauptsächlich die Truppen-Parade betrachten und dabei wieder einmal schmerzlich daran erinnert werden, dass Alexandria nur auf dem Papier eine freie Stadt war - die Legionen waren nur einen Steinwurf weit entfernt!

  • Glühend stach die Hitze auf Medeia hinab, der intensive Geruch der Menschen tat sein Übriges und ihr wurde ganz schummrig auf der Agora. Die Häuser schienen zu flimmern, die Menschen verzerrten sich und Medeia schnappte nach Luft. Jubel brandete auf und laute Kyriestimmen waren um sie herum zu hören. Medeia riss sich zusammen und versuchte an einer hoch geflochtenen Perücke vorbei zu spähen. Da, da war jemand auf einem Pferd und in einem strahlend weißen Gewand, dass es sie fast blendete. Verblüfft öffnete sich Medeia Mund nachdem sie den Mann, den neuen Praefectus von Ägypten, länger gemustert hatte. Das war doch Germanicus Corvus, der noch vor kurzer Zeit so völlig nahbar auf seiner eigenen Hochzeit gewirkt hatte. Und hier schien er wie ein Gott durch die Menschen zu reiten, wie ein Kaiser, der sein neues Land besichtigte und die Menschen fielen sogar huldvoll auf die Knie als er an ihnen vorbei ritt. Medeia, die nicht den Gedanken hegte sich vor einem römischen Mitbürger, der nicht der Kaiser war, nieder zu knien, sank dennoch auf den Sockel einer Statue und hielt sich an dem muskulösen Bein dieser Statue fest.


    Durch die Blumenschleier erblickte Medeia dann noch die Sänfte und ihre Kollegin der Acta. Medeia seufzte leise. Die Verwunderung durchdrang sie, aber durchaus noch ein anderes sehr unangenehmes Gefühl. Die feinen Stiche des Neides. Medeia verzog ihre Lippen und winkte Olympia heran, damit diese ihr noch ein wenig Saft reichte und mit dem süßen Nachgeschmack im Mund ertrug sich das Ganze doch sehr viel besser. Sogar in die Jubelrufe konnte Medeia mit ihrer Stimme einfallen. Denn gleichwohl der Neid eine durchaus niederträchtige Schwäche von ihr war, schätzte sie ihre Kollegin von der Acta durchaus und ihren Mann hatte sie als äußerst zuvorkommend und höflich kennen gelernt. Gebannt lauschte sie den Worten des neuen Praefectus, die zwar nicht immer ganz verständlich bis zu ihr drangen, aber vom Sinn her klar wurden. Lächelnd nickte sie und betrachtete die Alexandriner um sich herum. Der Praefectus hatte wohl ganz genau den richtigen Ton getroffen, so schienen es ihre Gesichtsausdrücke zu bekunden.

  • Und genauso schnell wie alle auf die Knie sanken, als der Eparch die Straße betrat, standen alle wieder, nachdem eben jener seine Ansprache beendet hatte. Ein Geschrei und Getöse setzte an, welches das vorhergehende um Weiten übertraf. Kyrie Iulianos!Kyrie Roma! skandierte es aus aller Munde, vom Himmel regnete es Blumen in allen Formen und Farben und die Leute wedelten mit Palmzweigen, ein im Osten des Reiches typischer Brauch für den Empfang eines Gottes.


    Die Begrüßungsrede war ein voller Erfolg! Man konnte es zwar nicht erkennen, vor allem nicht, wenn man der römische Statthalter in Alexandria war, denn alles richtete sich nach Protokoll und nach außen hin hätten die Alexandrinier zu solch einer Zeremonie niemals gezeigt was sie wirklich dachten, aber wer sich unter der Menge der Bürger befand, konnte es ganz klar erkennen: Hie und da lästerten zwar einige der wie immer spottlustigen Alexandriner über die Rede, bei der sie Inhaltsleere oder den mangelnden religiösen Bezug anzumerken hatten, einige sprachen aber auch von einem erbaulichen Meisterstück und eine alte Witwe hatte Tränen in den Augen, so sehr gefiel ihr der strahlende Jüngling mit der festen Sprache.


    Nur ein paar Römer unter der Prozession hatten so ihre Schwierigkeiten, da sie nicht genau wussten, wie sich verhalten sollten. Sollten sie ebenfalls niederknien und dem Präfekten als Gott huldigen oder geziemte sich das nicht für römische Bürger? Eines der üblichen Probleme interkultureller Kommunikation.* Aber Alles in Allem hatte der Präfekt seine Feuertaufe bestanden.


    ____________
    *THX @ Medeia, dass sie mich auf die sicher anwesenden Rhomäer aufmerksam gemacht hat ;)

  • Natürlich ist auch Timokrates ganz neugierig, was für ein Mann der Eparch sein würde. Leider stellt sich heraus, dass sich seine Phatrie doch nicht allzu nahe am Ort des Geschehens befindet. Das Geschrei verstummte, er kniete sich nieder, aber von den Worten des Präfekten hörte er keinen Ton, nur eine etwas dumpfe, leise und verwaschene Stimme, die irgendetwas sagte, was alle Anwesenden ja irre zu begeistern schien.


    Endlich dürfen sie sich alle wieder aufstellen und Timokrates erhofft, wenigstens so einen Blick auf den Eparchen werfen zu können. Aber nein: ein großer und breiter Mann, ein wahrer Gigant, hat es sich nicht nehmen lassen, sich ein bisschen weiter nach vorne zu drängeln, so dass sein Rücken wie ein dunkler Schatten auf Timokrates fällt. Dieser widerum macht sich daran, seinen Kopf hin und her zu bewegen um doch etwas von dem Spektakel mitzuerleben, aber auch der Koloss bewegt sich, schreit euphorisch und hampelt mit Armen und Körper herum. Dazu kommt auch noch, dass sich die Leute um Timokrates ein wenig gestört fühlen von seiner Art.


    "He, lass das!"
    "Meinst wohl, dass du ne Extrawurst gebraten kriegst. Wir sehen auch nix."
    "Nicht mit mir, mein Lieber, nicht mit mir!"
    "Wir sitzen alle im selben Boot!"


    Na toll! Ab und zu kann er den Blick auf ein paar Legionärshelme erwischen, das wars dann auch wieder. Verdammte Zeremonien echt!

  • Das Volk jubelte. Seine Rede schien zumindest halbwegs den richtigen Ton getroffen zu haben. Germanicus Corvus war erleichtert und das würde man ihm vielleicht auch angesehen haben, wenn man genau neben ihm gestanden hätte.


    Von erstarkter Zuversicht getragen schwang er sich vom Rücken seines Pferdes und übergab die Zügel einem Palastbediensteten, der sogleich herbeigeeilt kam.
    Dann schritt er zu Fuß auf die wartende Gruppe der Priester zu und senkte ehrfurchtsvoll das Haupt.


    “Ich bin der Gesandte des Basileus. Ich bin Decius Germanicus, genannt Corvus, Sohn des Sextus Germanicus Ursus.“

  • Schon von Weitem waren die Stimmen der durcheinanderredenden Alexandriner zu hören gewesen. Corvus schien das nichts auszumachen, aber ich wurde immer nervöser, mit jedem Schritt, den die Sänfte auf die Menge zutat. Ich hatte es schon immer gehasst, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Heute war dies natürlich meinem Gatten vorbehalten, doch fühlte ich mich in der Sänfte nur umso mehr wie auf dem Präsentierteller.


    Und dann - ohrenbetäubendes Gejubel aus tausenden Kehlen. Ich blinzelte erstaunt und absolut beeindruckt. Selbst dem Kaiser konnte man kaum einen größeren Empfang bereiten.
    "Bei allen Göttern... ", murmelte ich mit heiserer Stimme. Wenn ich auch alles erwartet hatte - das sicher nicht.
    Die plötzliche Stille war allerdings noch unangenehmer als das laute Gejohle, die sich hinknienden Einwohner für eine Römerin ein wahrhaft ungewöhnliches Ereignis.
    Wie froh war ich, dass ich nichts sagen musste, ich hätte vermutlich immer nur 'Bei allen Göttern' hervorgebracht. Nichtsdestotrotz pochte mein Herz wild und ich kam nicht umhin, aufgrund dieser überschwänglichen und völlig übertriebenen Begrüßung Sympathie für dieses Land zu entwickeln. Wer ließ sich schließlich nicht gerne feiern?


    Ob des erneuten Jubels zuckte ich zusammen. Wer hätte gedacht, dass Corvus ein Redner war, der solche Begeisterungsstürme hervorzurufen vermochte? Ich wünschte, ich hätte zugehört, anstatt, taub für alles andere, die Menschenmenge zu betrachten.

  • Die Priester schauen etwas ratlos, als Corvus sich vor ihnen verbeugt. Ein solches Verhalten ist für den theoretischen stellvertretenden Oberpriester des Landes äußerst ungebührlich.


    Zum Glück sind die Priester aber Meister der lautlosen, unauffälligen Kommunikation, eine Begabung, die sich dieser Berufsstand durch Jahrhunderte des Umgangs mit den Gläubigen, vor allem hinsichtlich der Fragen der Repräsentation der Götter angeeignet hat. Schließlich ist es nicht einfach, den Leuten vorzumachen, dies und jenes hätte gerade eine Gottheit gemacht und nicht ein Kollektiv geldgieriger alter Säcke. Ein paar unauffällige Blicke, Handbewegungen und Muskelzuckungen später steht der Beschluss fest: Der Praefectus will sich wohl den Segen der Götter holen und hat es eilig das ganze Trara auf einmal hinter sich zu bringen, weswegen er sich den obligatorischen Tempelbesuch unter den Augen Aller spart. Nun denn, jetzt ist Improvisation gefragt. Der Oberpriester hält also seine Hand zum Segen über das Haupt des Rhomäers und verkündet mit pathetischer Stimme:


    "Nun denn, Dekios Germanikos Korvos, Sohn des Sextos Germanikos Ursos, Eparch der Rhomäer und Hand des Basileus, vernehme den Willen der Götter:"


    Vom plötzlichen Singsang der anderen Priester begleitet, fährt der Oberpriester fort:


    "Kyrie Zeus Soter, Kyrie Hera Teleia! Kyrie Dionysos, Kyrie Apollon! Kyrie Isis, Kyrie Poseidon! Kyrie Zeus Soter , Kyrie Hera Teleia...!"


    "Die Sonnenscheibe steht hoch am Himmel und wird nicht untergehen, die See wird ruhig zu deinem Füßen liegen, reich werden die Ernten des Nils ausfallen und der Himmel selbst übergibt dir dein Szepter."


    Dann hält er wieder inne. Mal schauen, wie die kleine Darbietung auf die Leute wirkt...

  • Die Darbietung schien auf die Leute eher einschläfernd zu wirken. Germanicus Corvus versuchte sich davon nicht beirren zu lassen. Mit aller ihm möglichen Würde sagte er:
    “Ich werde den Willen der Götter achten. Sie sollen stets mit mir zufrieden sein. Ich danke euch.“

  • Die Priester, froh, anscheinend das Richtige getan haben, verneigen sich und der Festzug kann weiter gehen in Richtung Agora, wo die Würdenträger der Polis auf die Ankunft des Statthalters von Alexandria und Ägypten warten...

  • Germanicus Corvus ging den weiteren Weg zu Fuß, während sein Pferd weiter hinter ihm am Zügel geführt wurde.
    Endlich erreichten sie die Agora und damit das Ziel des festlichen Umzugs.
    Die Würdenträger Alexandrias erwarteten ihn bereits. Mit zur Begrüßung offenen Armen schritt er auf sie zu und sagte nicht zum ersten mal an diesem Tag:
    “Ich bin der Gesandte des Basileus, des Kaisar, des Autokrators Lucius Ulpius Iulianus, des Schutzpatrons dieser Stadt! Er hat mich zu euch geschickt. Ich bin Decius Germanicus Corvus. Ehrwürdige Prytanen der freien Stadt Alexandria, ich grüße euch!“

  • Zum Glück befanden sich die Archonten so weit hinten in der Zeremonie, was ihnen das Privileg gab, die Worte des Praefectus nicht huntertmal hören zu müssen. Umgeben von ihren singenden und Weihrauchschwenkenden Epheben, eingekleidet in das ihnen vorbehaltene Purpurschuhwerk, standen sie, nach Rangordnung aufgestellt in der Mitte des weiträumigen Platzes, allesamt höchst zufriedene Gesichter aufgesetzt.
    Kaum erschien der Praefectus mit seinem Tross vor ihnen, verneigten sie sich ehrfurchtsvoll, aber nicht untertänig und grüßten den Abgesandten des Basileus. Dann stand der Eponminatograph auf, in der Hand ein samtenes Kissen halten, auf welchem der goldene Stadtschlüssel präasentiert wurden. Er schritt als erstes auf den Präfekten zu, gefolgt von den anderen Prytanen und Archonten, die allesamt ihre eigenen, kostbaren Geschenke trugen: goldene und perlenbesetzte Kränze und Kronen, allerlei Schmuck, hergestellt von den besten Goldschmieden der Stadt und des Reiches, Behälter voll Weihrauch, Zimt und Koriander, Statuetten aus Gold, Marmor und Elfenbein und dergleichen mehr. Man sah förmlich, wie die Stadtkasse bluten musste in der letzten Zeit.
    Feierlich postierte sich der Eponminatograph vor dem Präfekten und überreichte ihn den Stadtschlüssel.


    Eine Kapelle stimmte ein pathetisches Lied an und der Eponminatograph sprach:


    "Die ganze Stadt ist erfreut über deine Anwesenheit, oh Eparchos des Basileus der Rhomäer! Als Zeichen unserer Ehrerbietung und Dankbarkeit übereichen wir dir hiermit den Schlüssel unser stolzen Stadt. Die Tore Alexandrias seien dir immer geöffnet, die Mauern der Stadt bieten dir Schuitz vor deinen Feinden und das gastliche Feuer der Hestia heißt dich immer willkommen."


    Der Eponminatograph überreicht dem Statthalter sein Geschenk.

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