In einem tiefen Purpur strahlte die Sonne im Abendlicht auf die Berge hinter Antiocheia, illuminierte sattrot den breiten und strömenden Fluß Orontes, der sich durch die Stadt und an der Stadt entlang wandte und die Ufer und das Land darum herum mit seinem kostbaren Naß näherten. Zypressen wuchsen am Rande des Weges, den Marcus entlang schritt. Doch auch eine Fülle von Orangenhainen, Granat- und Jasminbüschen konnte Marcus ausmachen, wie auch die knorrig verdrehten Olivenbäume, deren silbrig grünen Blätter jetzt in ein blutiges Rot getaucht waren. Wie eine Oase erschien die Landschaft mit all den Weinhängen und Feldern rund um Antiocheia. Die Stadt litt in keiner Weise unter Wassermangel, jedes Haus hatte sogar seinen eigenen Wasseranschluss, durch den Fluss oder den Quellen von Daphne. Venus blinzelte als Erstes im Abendlicht auf die drittgrößte Stadt des Imperiums hernieder, die von der Größe Rom und Alexandria kaum nach stand. Beeindruckend ragte die riesige Stadtmauer hinauf, ebenso die Tempel der Stadt, die zahlreichen Theater und Thermen, die in jedem Stadtviertel von einer ungeahnten Pracht waren. So manch ein gebürtiger Mann aus Antiocheia behauptete, dass die Thermen gar in dieser Stadt geboren wurden.
Doch nicht nur die Pracht zeichnete die Stadt aus, nein, es war auch der Ruf der Zügellosigkeit. Der Preis des lebhaftesten Nacht- und Spielelebens gebührte ohne Zweifel der griechischen Hauptstadt in Syria, die ihre Künste und ihre Lebekunst in das ganze Imperium, insbesondere Rom getragen hatte. Wer kannte nicht die syrischen Flötistinnen- die ambubaia- die syrischen und oft ungeschlagenen Wagenlenker, die syrischen Tierhatzen und die syrischen Fabelgeschichten- von Liebes-, Räuber. Kuppler-, Wahrsager- und Traumgeschichten bis zu Fabelreisen? All diese mehr unterhaltsamen Geschichten entstammten den Federn der Syrer von Antiocheia. Musikanten, Tänzer, syrische Spitzbuden tummelten sich auf den Straßen und den unzähligen Taberna und den syrischen Lupanaren und Vergnügungsetablissements. Ebenso gefürchtet, geliebt und gehaßt war jedoch auch der Hang der Syrer zu ihrem beißenden Spott, der selbst vor dem Kaiser nicht halt machte und ebenso in der Stadt in den Theatern oder an Straßenaufführungen gefrönt wurde. Es versprach ein unterhaltsamer und vergnüglicher Abend für Marcus und seinen Mitcenturio Bruseus zu werden.
Als sich das Purpur mit dem Blau mischte, trat Marcus mit Bruseus über die Brücke, die über den breiten Strom hinweg gebaut worden war. Marcus deutete auf die Richtung, in der das Wasser floß.
„Dort geht es nach Daphne. Das ist nicht nur ein großes Heiligtum, sondern auch eine wahre Lustmeile. Wir müssen unbedingt noch dort vorbei schauen, wenn wir die Zeit erübrigen können, Galeo!“
„Wie lange ist es her, daß Du hier warst?“
„Hm...ein paar Jahre. Aber ich sag Dir, das Lupanar von..ähm...so ne syrische Gottheit...Elagabalus...oder ne, irgendwas anderes. Naja, es ist eigentlich ein Tempel, aber dann doch wiederum nicht. Ach, Du wirst schon sehen. Es gibt aber angeblich nirgendwo bessere ambubaia"
Marcus grinste breit und anzüglich, wich einigen Kamelen aus, die durch das Stadttor geführt wurden und ihn mit ihren Kamelaugen einen Moment anglotzten und dann langsam und träge sich zwischen all die vielen Menschen- die orientalischen Hellenen und Syrer, die die kühleren Abendstunden nutzen wollten- drängten.