Sepulcreta - die Gräberfelder an den Ausfallstraßen

  • - SEPULCRETA MOGONTIACI -
    - Die Gräberfelder der Stadt -


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    Nicht weit der Stadtmauern lagen die Gräberfelder, direkt an der Straße in den Norden. Hier bestatteten die Römer ihre Toten, und auch etliche Germanen oder Kelten, welche sich den römischen Sitten annäherten. Die Erde war stellenweise schwarz von den Überbleibseln größerer und kleinerer Scheiterhaufen, auf denen die Toten in die Nachwelt entlassen wurden.


    Die Gräber der wohlhabenderen Menschen lagen beinahe direkt an der Straße, gut sichtbar für all jene die die Stadt betraten oder verließen, um auch den Nachfolgenden von Taten und Stand der Toten zu zeugen, während die Gräber der weniger wohlhabenden bis in den kleinen Wald unweit der Straße erstreckten. Es waren vor allem Germanen die sich hier, nahe der Natur, bestatten ließen.

  • Sie banden ihre Pferde an einem Baum auf einem der Pfade durch das Gräberfeld an, und legten die letzten Schritte zu Fuß zurück. Etwa zehn Schritte vor dem schlichten Grabstein des Quintilius Iuba, der die Urne mit der Asche des Mannes bedeckte, blieb Loki stehen.


    "Dort ist es.", deutete er, und drehte sich gleichzeitig um und starrte zu den Pferden, um Narcissa ihre Ruhe am Grab zu geben, sie gleichzeitig aber nicht aus den Augen zu lassen.

  • Statt nur zehn Minuten hatte Narcissa sich sogar eine ganze viertel Stunde gegönnt um sich wieder halbwegs zu sammeln. Mit zwei Fingern massierte sie sich die rechte Schläfe, während sie überlegte, wie sie es fertig bringen konnte ein wenig besser auszusehen als im Moment. Eilig zog sie sich ihre besten Stoffe an und strich nochmal ihr Haar glatt, ehe sie dort hin ging, wo Lando auf sie wartete.


    Stumm stieg sie auf das Pferd, das er für sie vorbereitet hatte und zusammen ritten sie ans Gräberfeld am Rande Mogontiacums. Narcissa fühlte sich elend, als sie vom Pferd rutschte und sich umsah. Lando hatte das Grab schnell gefunden und Narcissa trat schluckend davor. Tatsächlich stand dort der Name ihres letzten Bruders. Eine Weile stand Narcissa einfach nur da, doch dann sagte sie etwas. Schrecklich kläglich klang es. "Ich habe nichts, was ich ihm dalassen kann..."

  • Loki wusste nicht, ob er sich umwenden sollte, also blieb er erst einmal so stehen und dachte nach, ob sie mit sich selbst oder mit ihm gesprochen haben mochte.


    "Eure Liebe als Schwester sollte ihm mehr als Geschenk genug sein, er war ein fröhlicher Mann, keiner jener die Wert auf teure Kleider legten. Und wenn ich ihn recht einschätzte, dürfte er mit genau jener Liebe am glücklichsten in der Nachwelt leben.", sagte er mit belegter Stimme. Nicht alle Menschen hatten das Glück ihre Vergangenen an einem Ort ehren zu können, an dem ihre Statt war.

  • "Aber... er soll doch etwas von mir haben, an das er denken kann... aber ich habe keinen Ring und keine Kette oder so etwas..." Unglücklich sah sie an sich herunter und überlegte, was sie dort lassen können für ihn als Andenken.


    Langsam schlang sie die Arme um sich selbst und blieb da stehen. Sie war froh, dass sie nicht allein war. Aber sie hätte nicht gewollt, dass Montanus dabei war. Sie wollte nicht, dass er bei ihr stand und sie in den Arm nahm. Sie wollte nur für ihren Bruder hier sein und allein um ihn trauern. "Jetzt... jetzt habe ich überhaupt keinen Bruder mehr...", hauchte sie etwas später und seufzte danach schwer. Auch einige Tränen liefen ihr nun wieder über die Wange und es war ein beruhigender Gedanke, dass ihre Worte wenigstens von irgendjemandem gehört wurden, anstatt klanglos zu vergehen.

  • Loki blickte immernoch zu den Pferden, aber hinter seiner Stirn arbeitete es angestrengt. Die Römerin wollte ihrem toten Bruder unbedingt etwas Materielles dalassen, und es schien ihr sehr wichtig.


    "Wir könnten in die Stadt reiten um ein Grabgeschenk zu kaufen, oder ihr lasst ihm dies hier.", er griff in seine Tasche und holte einen ungeschliffenen Bernstein hervor.


    "Den habe ich auf einer meiner Reisen in meiner Heimat gefunden, ihr nennt es Sucinum, glaube ich. Es ist ziemlich wertvoll, ich wollte es heute eigentlich zu einem Mann bringen der daraus einen richtigen Edelstein machen kann. Ihr könnt ihn eurem Bruder mitgeben, wenn ihr wollt."


    Auf ihre letzten Worte wusste Loki nicht viel zu sagen: "Alleine ist nur der, der alleine sein will."

  • "Das... das ist wohl lieb gemeint. Aber ich kann es nicht annehmen. Es wäre nichts von mir...", entgegnete Narcissa unglücklich. Dann würde er eben heute nichts bekommen und sie würde ihn ein anders Mal nochmal besuchen und dann etwas von sich mitbringen.


    Mit einem Seufzen nahm sie den Blick von dem Namen ihres Bruders und senkte den Kopf. Es sah aus, als hätte sie sich wenigstens einigermaßen wieder gefangen. Inzwischen lag Enttäuschung in ihrem Blick. Er hatte ihr doch geschrieben. Warum war es ihm dann plötzlich so schlecht gegangen? Warum hatte er nicht die Wahrheit geschrieben? Dann wäre sie sofort zu ihm gereist. Sie hätte bei ihm sein können. Aber nun war alles zu spät und er hatte sie vor vollendete Tatsachen gestellt. Nervös strich sie sich mit der linken Hand über den rechten Handrücken und sah dann wieder auf das Grab.

  • Na dann halt nicht... Loki zuckte mit den Schultern, er hatte es wenigstens versucht. Einige Momente lang war es still, dann hörte er die Römerin seufzen...


    "Es gibt ein Testament. Er wusste dass es mit ihm zuende geht.", murmelte Loki knapp, er hatte es aufgegeben den richtigen Ton treffen zu wollen, ihm war es wohl irgendwie nicht gegeben...

  • Narcissa schüttelte jedoch den Kopf. Sie wollte jetzt nicht wissen, was in dem Testament alles stand. Wie sie ihren Bruder kannte hatte er alles ihr vermacht. Sie konnte es sich schon denken. Aber es war einfach nicht gerecht und Narcissa wollte das alles gar nicht. Viel lieber hätte sie ihren Bruder behalten. Das war etwas viel wertvolleres als ein paar Münzen oder Güter.


    Nachdem sie noch eine Weile dort gestanden hatte, drehte sie sich langsam um und kam wieder auf Lando und die beiden Pferde zu. "Ich denke wir können gehen... ich werde ein anderes Mal nochmal herkommen.", meinte sie und wartete ab.

  • Loki antwortete stumm mit einem Nicken, und stellte sich neben das Pferd um Narcissa beim aufsteigen zu helfen.


    Später ritten sie stillschweigend zurück in die Stadt. Loki verkniff sich weitere Kommentare, schließlich würde sie auf ihn zukommen, wenn sie es wirklich wollte. Nichtsdestotrotz hatte er die Chance ergriffen ihr den Bernstein in die Tasche zu legen, als sie auf ihr Pferd stieg... er hatte irgendwie das Gefühl, ihr zeigen zu müssen dass auch im Tode nicht alles schlecht war auf dieser Welt...

  • Naricssa ließ sich von ihm aufs Pferd hochhelfen und nickte ihm dann dankend zu, sobald sie sicher im Sattel saß und die Zügel in den Händen hielt. Dass man ihr etwas in die Taschen gesteckt hatte, hatte Narcissa natürlich dabei nicht bemerkt. Aber sie würde es früher oder später sicherlich noch bemerken.


    Nun ritten die beiden wieder zurück zur Casa.

  • Ein flaues Gefühl machte sich in Lokis Magen breit, als sie das Gräberfeld betraten. Loki hatte Flava während des Weges hierhin nicht von der Hand gelassen, und als sie vor den ganzen Grab - und Gedenksteinen standen beobachtete Loki die Quintiliern recht genau. Er führte sie zwischen den Steinen her, bis wenige Schritte in eine weitere Reihe hinein. Schließlich blieb er stehen und deutete auf einen Stein.


    "Dort.", murmelte er nur, während er darauf wartete dass sie sich von ihm löste und zu dem Stein ging. Er selbst hielt es für angebracht erst einmal hier zu warten.

  • Flava hatte Iuba kaum gekannt, hatte kaum noch Erinnerungen an ihn, und doch zog sich alles in ihr zusammen als sie zu dem Gräberfeld kamen. Sie drückte Landos Hand fester, dankbar, dass er sie nicht losgelassen hatte und ließ sich von ihm zögernd zu dem entsprechenden Grab führen. In der richtigen Reihe vor dem entsprechenden Grabstein, wies Lando sie noch einmal darauf hin. Wieder verstärkte sich kurz Flavas Händedruck, ehe sie sich von Lando löste und ein paar kleine Schritte nach vorne ging, um dort langsam in die Hocke zu sinken.


    Sie berührte den Grabstein und las den Namen ihres Bruders. Wieder kamen ihr die Tränen, doch waren diese nicht ganz so bitter, wie noch vorhin. Sie verharrte ein paar Momente, die Hand auf dem Grabstein, den Kopf gesenkt und versuchte sich an die gemeinsame Zeit zu erinnern.
    Nach einer Weile küsste Flava ihre Handinnenfläche und drücke diese dann auf den Grabstein, ehe sie sich wieder erhob und sich die Tränen von dem Gesicht wischte.


    „Ich kann mich erinnern, wie er mich am Zopf zog und wie er mir die Puppe wegnahm. Das ist so lange her.“ Sie sprach mit einem wehmütigen Lächeln und spürte einen kleinen Stich im Herzen, ehe sie sich zu Lando umdrehte und schlich sagte: „Danke“ Sie wusste selbst nicht, wofür genau sie ihm dankte, ob dafür, dass er sie hierher geführt hatte, oder dafür, dass er bei ihr war. Doch sie hatte einfach das Gefühl ihm danken zu müssen.

  • Loki wartete, und schaute sich um. Es waren wieder einige Gräber hinzugekommen, seitdem er hier das letzte Mal gewesen war. Und da fiel ihm ein, dass er das letzte Mal mit Narcissa hier gewesen war. Er überlegte erst ob er Flava davon erzählen sollte, beließ es dann aber doch dabei.
    Schließlich raffte sich die junge Frau wieder auf, und Loki versetzte es einen Stich ins Herz ihr Gesicht wieder mit Tränen überströmt zu sehen.


    Als sie sich bei ihm bedankte, schaute er sie nur matt lächelnd an, hob eine Hand und streichelte ihr die letzte Träne von der Wange.


    "Man muss sich nicht dafür bedanken dass ich einem den Tag versaue. Das mache ich ohne etwas dafür zu wollen."

  • Flava musste wegen Landos Worten wider Willen kurz Lachen, auch wenn es eher wie ein seltsames Schluchzen klang, sie lächelte danach zumindest ansatzweise. Sie nahm seine Hand, ehe er sie wieder ganz sinken lassen konnte und hielt sie fest. Ihre Finger wirkten winzig im Gegensatz zu seinen, drückten die seinen jedoch sachte. Bittend sah sie ihn nun an.


    „Würdest du mich auch zum Tempel begleiten?“


    Sie wollte den Göttern ein Opfer darbringen. Einmal für all ihre Brüder und zum anderen für Narcissa, dass sich die Schwestern in diesem Leben noch mal treffen würden. Inzwischen war sie fest davon überzeugt Narcissa so lange nicht für tot halten zu dürfen, bis sie zumindest deren Grabstein gesehen hatte. Dann würden sie sich auch sicher wieder sehen! Aber alleine traute sie sich irgendwie nicht zu den Tempeln zu gehen.

  • Es war ein dermaßen seltsames Gefühl, seine Hand in der Hand einer Frau zu spüren, die nicht seine Schwester war, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
    Was bei Loki war da los?
    Ihm war flau im Magen, und das nicht nur wegen der morbiden Umgebung des Gräberfeldes. Ein Blick in ihre verheulten Augen, und irgendwas in Loki machte Klick. Wobei er sich selbst nicht erklären konnte was bei Wodan hier los war.
    Er konnte ihre Bitte natürlich nicht ausschlagen, und so nickte er einfach, während er ihre Hand richtig in seine nahm, und sie langsam wieder in die Stadt zum Tempelbezirk führte.

  • Flava war Lando unendlich dankbar, dass er einwilligte und auch, dass er weiter ihre Hand hielt. Sie brauchte momentan einfach die Nähe von jemandem, auch wenn sie das seltsame Kribbeln in ihrer Magengegend verwirrte.
    Sie ließ sich von Lando führen, denn selbst kannte sie den Weg zum Tempelbezirk noch nicht so genau.

  • SEPULCHRUM PETRONIORUM


    AN DER VIA BORBETOMAGA


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    PETRONIUS CRISPUS HATTE SEINER ERSTEN FRAU HEILRUNA EIN MITTELGROSSES GRABMAL ERRICHTEN LASSEN. DER VON IHM ANGESTELLTE STEINMETZ WILLIGIS HATTE EIN RELIEF, DAS DIE DAMALIGE FAMILIE, BESTEHEND AUS MARCUS, HEILA UND IHREM GEMEINSAMEN SOHN LUCIUS ANGEBRACHT UND DARUNTER EINE INSCHRIFT GEMEISSELT.


    FÜR DEN FALL SEINES TODES PLANTE CRISPUS JEDOCH, EINE NEUE UNTERSCHRIFT UNTER DAS KUNSTWERK ZU SETZEN UND NEBEN HEILA BEGRABEN ZU WERDEN.


    Der Leichenzug bewegte sich vom Haus der Petronier langsam die schnurgerade Straße entlang bis hin zum Stadttor. Da es unverkennbar war, zu welchem Zweck die Gruppe die Stadt verließ, wurden sie ohne Beanstandungen hindurchgelassen. Eine Weile mussten sie noch an älteren Gräbern vorbeiziehen, bis sie zu einer Lücke kamen, die alsVerbrennungsplatz ausgewählt worden war.


    Einige Arbeiter aus Crispus' Steinbruch hatten hier Reisigbündel aufgeschlichtet, worauf Heila nun gelegt wurde. Mit noch immer geröteten Augen trat Crispus, nachdem er die Last abgelegt hatte, vor und bat um Ruhe. Er hatte sich vorgenommen, ein paar Worte zum Abschied zu sagen.


    "Wir bestatten heute meine Frau, eure Tochter, Mutter, Nachbarin und Freundin.


    Ich kenne sie seit vielen Jahren, wir hatten eine wunderbare Zeit. Sie hat immer ihren Eltern geholfen, aber auch mir, wenn ich Probleme oder Sorgen hatte. Vor allem hat sie mir aber einen Sohn geschenkt, der prächtig geraten ist. Leider hat das Schicksal beschlossen, dass sie nie erleben darf, wie er zum Mann wird. Sie ist bei der Hausarbeit von einer Leiter gestürzt und in unserer Küche verstorben. Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung.


    Jetzt müssen wir sehen, wie wir ohne sie zurecht kommen. Ich gelobe, Lucius im Andenken an sie aufzuziehen und werde mein bestes geben. Aber ich werde niemals seine Mutter ersetzen können."


    Er brach in Tränen aus, als er daran dachte, wie sehr Heila im Haus und insbesondere ihm fehlen würde. Gunda trat heran und stützte ihn, doch er stieß sie beiseite und ergriff die Fackel, die einer der Arbeiter bereit hielt um Heilas Scheiterhaufen zu entzünden.


    Er wollte es zuende bringen. So stieß er die Fackel in den Reisighaufen, der sofort Feuer fing (er war auch teilweise mit Öl begossen worden, damit es schneller ging). Eigentlich hatte Crispus ein paar persönliche Gegenstände mit ihr verbrennen wollen, doch die germanischen Sitten sahen so etwas nicht vor, weshalb ihre Eltern dagegen gewesen waren. So brannte sie ganz allein in ihren neuen Kleidern, wovon man aber nichts erkennen konnte, denn die Flammen loderten hoch und alle mussten ein wenig Abstand von dem Haufen nehmen.


    Eine Weile standen alle schweigend vor dem Scheiterhaufen, doch schließlich trat Gunda vor und sprach das Wort


    "Ilicet!"


    was bedeutete, dass die Gäste gehen durften. Dies taten auch die meisten Nachbarn, Willigis und seine Leute. Zurück blieben nur Crispus, Lucius, Armin, Morag und Gunda. Sie warteten geduldig, bis der Haufen heruntergebrannt war. Crispus, Armin und Lucius weinten still, während sie an die schönen Momente mit Heila dachten. Crispus erinnerte sich wieder an ihr ersten Treffen, die Vorstellung bei ihren Eltern, ihr erstes Mal, an die Nachricht, dass er ein Kind bekommen würde.


    Nach einiger Zeit schienen die Kinder müde zu werden, sodass Gunda sie bei der Hand nahm und nach Hause brachte. Crispus und Morag blieben mit einer großen Amphore Wein zum Löschen des Haufens zurück. Seine Tränen waren getrocknet und er blickte über den inzwischen ziemlich heruntergebrannten Scheiterhaufen hinweg in die Ferne, wo die Sonne bereits den Horizont küsste. Langsam malte sich ein gewisser Trotz auf die Züge des Petroniers: Es musste weitergehen! Und es konnte weitergehen!


    Während Morag weiter teilnahmslos da stand, begann Crispus in Gedanken, Heila zu erzählen, was er nun vorhatte: Er würde Lucius in die Schule schicken, selbst versuchen, zum Magistraten zu kandidieren und ihr zu Ehren zu Wohlstand und Ansehen kommen. Und er würde sie niemals vergessen und immer wieder zu ihrem Grab kommen und mit ihr beraten, was zu tun sei.


    Endlich war der Scheiterhaufen heruntergebrannt. Von Heila war kaum etwas übrig außer Knochen und Asche. Nur hier und da glimmte der Reisig noch, doch das meiste war verbrannt. Crispus beschloss, dass es genug war und ergriff die Amphore.


    "Gallicus, hilf mir!"


    meinte er und der Sklave half ihm. Gemeinsam löschten sie die Überreste des Feuers und begannen schließlich, die Knochen einzusammeln und in ein Tongefäß zu füllen, das Sigubald als Urne für seine Tochter angefertigt hatte. Es dauerte eine ganze Zeit und die Dämmerung hatte sich schon breit gemacht, als sie fertig waren.


    "Beeil'n wir uns!"


    mahnte Morag, der die Totengeister fürchtete, die nachts die Friedhöfe unsicher machten. Doch Crispus war sowieso fertig, weshalb er sich erhob und den Deckel auf die Urne legte.


    "Wir müssen die Urne nur noch zu Heilas Grab bringen, dann sind wir fertig."


    sagte er und deutete auf die Amphore.


    "Du kannst sie schon nach Hause tragen."


    Das ließ sich Morag nicht zweimal sagen! Er ergriff die Amphore und ging schnellen Fußes in Richtung Stadt, während Crispus allein zurück blieb. Er blickte sich um: Ringsherum waren nur Gräber - keine Menschenseele, nicht einmal ein Tier war zu sehen.
    Die Urne mit beiden Händen haltend machte er sich schließlich auf den Weg die Straße hinab. Nach kurzer Zeit erblickte er das aus Kalkstein gehauene Grabmal. Willigis hatte ganze Arbeit geleistet, wie er feststellte. Sofort erkannte er sich und seinen Sohn auf dem Relief, nur Heila war nicht ganz so gut getroffen (der Steinmetz hatte sie ja auch nur tot gesehen). Doch alles in Allem war Crispus sehr zufrieden - eine würdige Ruhestätte für Heilas Überreste!


    Er öffnete das Bauwerk und stellte die Urne an ihren Platz. Dann verschloss er das ganze. Morgen würde Willigis kommen und das Grab fest verschließen, damit niemand die Urne stehlen konnte. Doch eine Nacht würde schon nichts passieren.


    Zum Schluss betrachtete der Petronier noch einmal das Grab, seufzte tief und wandte sich schließlich in Richtung Stadt. Ohne Eile schlenderte er auf seine Zukunft ohne die Frau seines Lebens zu...aber es würde schon gut gehen!

  • Es war das erste Mal, dass Crispus die Parentalia beging und der Toten gedachte, während seine Frau Heila ebenfalls in der Unterwelt weilte. Doch der Schmerz saß noch zu tief - noch immer brach er regelmäßig hervor, wenn er allein mit Asulf ausritt, wenn er an den Friedhöfen vorbeikam. Daher war dieses Jahr besonders wichtig für ihn. Und so hatte er beschlossen, gemeinsam mit Lucius und dem Rest der Familie hinaus zu gehen und am Grab von Heila seiner Ahnen zu gedenken. Es war seit langer Zeit zum ersten Mal der Fall, dass er an diesen Feiertagen wieder an Gräber trat und nicht in seiner Unterkunft ein kleines Opfer in den Herd warf.


    Natürlich war alles gut vorbereitet worden: Morag hatte Asulf mit Speisen und Decken beladen, Gunda hatte die Speisen gekocht und zum Transport vorbereitet. Und so marschierten sie schließlich in einer Art Prozession aus der Stadt: Allen voran Crispus, gehüllt in eine einfache Toga (ohne Abzeichen seines magistratischen Ranges, denn dies war an diesen Tagen verboten), danach folgten die übrigen. Hier und da lagen bereits Familien in dicken Mänteln vor den Grabmählern ihrer Familien - noch immer war es etwas kalt. Wieder einmal wurde klar, dass dieser Brauch in einem südlicheren Land erfunden worden war. Aber Crispus' Ahnen waren ebenfalls aus Hispania, daher würden sie diese Feier trotz aller Kälte erwarten. So schritt er weiter...

  • Mit gemischten Gefühlen lief sie hinter ihrem Onkel her. Sie hatte sich dick angezogen, denn das Wetter war für ihren Geschmack noch immer viel zu kalt. Verziehen hatte sie ihrem Onkel immer noch nicht und bis jetzt so wenig wie möglich mit ihm geredet. Auf der einen Seite bereute sie, dass sie nicht abgehauen war und auf der anderen Seite war sie froh wegen Lucius, dass sie noch da war, denn sie musste nur in dessen Gesicht heute schauen um zu wissen, dass ihm eine Frau beziehungsweise eine Mutter fehlte.
    Crispinas Herz war selber schwer, doch sie wollte es nicht zu sehr zeigen, doch sie trauerte um ihren Vater. Es war das erste mal, dass sie auf diesem Wege an ihn dachte, so lange war er ja noch nicht tot. Es schmerzte immer noch und heute wurde sie erst recht daran erinnert, dass er nicht mehr am Leben war und, dass sie ihm zu verdanken hatte wo sie nun warm nämlich hier bei ihrem Onkel der nun das Sagen über sie hatte.


    Langsam waren ihre Schritte und sie hielt auch weiterhin den Kopf leicht gesenkt und blickte nur Lucius immer wieder an. Sie fühlte sich irgendwie für ihn verantwortlich, wollte an seiner Seite sein, als wäre er ihr kleiner Bruder.

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