Es war eine kalte Nacht. Gegen Abend hatte sich ein leichter Wind erhoben, der Staub mit sich brachte, und die Asche verbrannter Felder. Mitternacht war schon vorüber. Wolkentürme trieben über den Himmel und verdeckten die schmale Sichel des Mondes, deren bleiches Licht ihren zerklüfteten Rändern einen geisterhaften Schimmer verlieh.
[Blockierte Grafik: http://img164.imageshack.us/img164/8564/spherretqt0.png] | Gnaeus Gavius Rocus
In seinen Mantel gehüllt kauerte Gnaeus Gavius Rocus, Kundschafter bei der Legio I, auf seinem Posten. Der lag am Hang eines der lang geschwungenen Hügel, die sich um das Feldlager der Legionen herum erhoben, auf der dem Lager abgewandten Seite. Dort verharrte er, wie es ihm schien schon seit einer Ewigkeit, verborgen hinter einem Gesträuch mit fleischigen Blättern und langen Dornen, und behielt die Umgebung im Auge. Vom Lager war hier, auf der anderen Seite des Hügels nichts zu hören und nichts zu sehen. Finsternis war um ihn, und er hätte der einzige Mensch auf Erden sein können.
Geduldig und besonnen lauschte er in die Dunkelheit, kaute dabei, wie es seine Gewohnheit war, auf einem längst faserig gewordenen Stück Süßholz herum. Seine scharfen Sinne nahmen die Geräusche und Gerüche um ihn herum auf, filterten sie, ordneten sie zu. Das Rascheln da zu seiner Linken war nur ein Windhauch im trockenen Gras. Weiter vorne, das schabende Geräusch, könnte das Kriechen einer Schlange sein. Vorsorglich umfasste er den Griff seines Gladius. Es sollte hier ganz giftige Biester geben, mit denen wollte er keine Bekanntschaft machen.
Rocus hatte sein halbes Leben unter dem Adler verbracht, er hatte iberische Aufständische in ihren Sierras belauert und in den undurchdringlichen Urwäldern jenseits des Limes kampfestrunkene Barbaren auskundschaftet. Er war beileibe kein Neuling. Doch das Land, in dem er sich nun befand, die endlosen trockenen Hügel, die sengende Sonne, die trostlosen Aschegründe, hatten etwas an sich, das an seinen Nerven zerrte. Es war, als würde alles ihnen entgegenrufen: "Geht! Ihr habt hier nichts zu suchen."
Rocus dachte zurück an die lichten Wälder, die klaren, kühlen Bergbäche seiner Heimat in den cottischen Alpen - weit weg, irgendwo am anderen Ende der Welt. Auch die Gerüche waren fremd hier, trockener und schärfer. Die dicken Blätter des Busches vor ihm sonderten einen leicht stechenden Geruch ab, er roch die Flechten auf dem Stein neben ihm, und im Wind lag die Bitterkeit von Asche und Ruß und... - Pferd?