Hortus | Bridhe und ihr neuer dominus

  • Ich mochte den Garten der Villa Flavia Felix, und ich kam hierher immer wieder zurück, wenn ich Muße hatte oder Muße suchte - die anderen Familienmitglieder beschränkten sich mehr auf ihre Räumlichkeiten oder gingen gleich in der Stadt aus, sodass ich hier meine Freizeit in relativer Ruhe verbringen konnte. Schönheit gelang es immer, mich zu erfreuen, und dieser wohlgestaltete Garten mit den sorgfältig angelegten Rosenrabatten, der genau richtigen Verteilung von Statuen, Brunnen, Wegen und sonstigen augengefälligen Details wusste durchaus zu erfreuen. Dies sollte denn auch der erste Ort sein, an dem Bridhe mit mir Kontakt haben würde, der über bloßes Sehen hinausging - wenn sie aus dem wilden Norden kam, würde sie hier etwas ganz anderes zu sehen bekommen, etwas, das man in ihrer Heimat in dieser Form sicher nicht kannte und deswegen auch durch die Neuartigkeit erstaunte und ihr deutlich machen konnte, dass sie wahrhaftig innerhalb einer anderen Welt weilte.


    So hatte ich einem der anderen Haussklaven geboten, meine Neuerwerbung zu mir zu bringen, und saß, an eine Säule gemächlich gelehnt, auf einer der Bänke unweit der sauber gestutzten Hecke, welche das Gebäude vom hinten angrenzenden hortus abtrennte - man konnte Vögel zwitschern hören, und auch das leise Plätschern eines Brunnens in der Nähe - dieses besonderen Brunnens - vermochte sich in meiner Vorstellung zu einer zarten Melodie zu vereinen, die ihresgleichen suchte. Ich selbst hatte mich nicht besonders herausgeputzt, eine einfache, dunkelrote Tunika mit silberner Stickerei am Saum, wie ich sie zuhause oft trug, war neben den Sandalen meine ganze Kleidung, und die toga hatte ich bereits abgelegt, als ich vom Tempel ins Haus zurückgekehrt war. So blickte ich Bridhe entgegen, als sie von jenem anderen Sklaven vom Haus her auf mich zukam, und musterte sie interessiert, mir jetzt erst wirklich Zeit nehmend, ihre Gestalt genauer in Augenschein zu nehmen - sauber wirkte sie in jedem Falle ganz anders als auf dem Podest des Sklavenhändlers.

  • Nachdem mich Cangah in eine strahlende irische Göttin verwandelt hatte, kam ein Sklave und führte mich hinaus in den Garten. Ich war schon voll der Hoffung, ihn wieder zu sehen! Doch dort wartete ein Anderer auf mich. Es war der elegant gekleidete Herr vom Sklavenmarkt, der an einer Säule gelehnt auf etwas oder auf jemanden wartete.
    Ich schaute mich um. Dieser Garten sah so völlig anders aus, als ich es von zu Hause gewohnt war. Hier baute man nichts eßbares an. Stattdessen gab es hier Blumen, wunderschöne Blümen, die ihren verführerischen Duft versprühten. Seltsam, wie diese Leute ihren Garten gestalteten. Außer den Ziergewächsen, waren hier auch Figuren, Abbilder von Menschen zu finden. Oder waren dies vielleicht ihre Götter?
    Der Sklave führte mich zu diesem Mann hin, verbeugte sich kurz und verschwand. Ich blickte ihm nach und versuchte auch Severus zu finden, doch er war nicht zugegen. Also wandte ich mich wieder meinem Gegenüber zu. Ich spührte wieder dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend. Sein Blick wirkte finster auf mich. Ich wagte es kaum ihn anzuschauen, geschweige denn auch nur ein Wort zu sagen.
    Doch sicher würde er wenigstens eine Begrüßung verlangen.
    Was sagte Severus noch, als er mich begrüßte? Salve?
    Also ließ ich einige zaghafte Worte über meine Lippen kommen.


    Salve, Domus!


    Irgendwie hatte mich noch keiner darüber aufgeklärt, was Domus wirklich bedeutete und wie das richtige Wort fürHerr lautete.
    Heute hatte ich soviel Glück gehabt. Ich hoffte nur, meine Glückssträhne würde nun nicht abbrechen.

  • Ich hatte zugegebenermaßen viel erwartet, aber nicht, dass sie mich mit 'Hallo, Haus!' begrüßen würde. Für einen kurzen Moment zuckten meine Mundwinkel verräterisch, während ich das Lachen unterdrückte, das hier nicht hergehörte. Dann schüttelte ich sachte und vor allem milde tadelnd den Kopf, um ihr ihren Irrtum offenkundig zu machen.


    "Domus ist das Haus .." beim Wort 'domus' deutete ich zur Villa zurück, die wirklich ein Prachtstück an Behausung darstellte, "ich hingegen bin Dein dominus," beim klar und vernehmlich ausgesprochenen Wort 'dominus' deutete ich auf mich selbst und nahm eine herrschaftliche Pose ein - hoffentlich konnte diese Mischung aus Schauspiel und Deutung die gewünschte Erkenntnis vermitteln. Irgendwo in diesem Haushalt musste es doch auch jemanden geben, der ihr Kauderwelsch sprach, damit sie nicht gleich an ihrem zweiten oder dritten Tag unwissentlich ein anderes Familienmitglied beleidigte.


    "Mein Name ist Caius Flavius Aquilius," wieder deutete ich auf mich und sprach meine Namen sehr deutlich und klar aus, dann deutete ich auf sie und versuchte, ihren Namen einigermaßen korrekt wiederzugeben. "Bridhe. Du bist meine Sklavin - serva mea es." Ein bisschen kam ich mir vor, als müsste ich einem Kind das Sprechen beibringen, aber ich war mir fast sicher, dass sie spätestens nach zwei, drei Wochen die wichtigsten Worte gelernt haben würde, allein schon durch die anderen Sklaven, die sich mit ihr auch verständigen würden müssten.

  • Bei allen Göttern, war das peinlich! Meine Augen weiteten sich, mein Gesicht nahm eine krebsrote Färbung an und vor Schreck hielt ich die Hand vor meinen Mund. Vor lauter Scham hätte ich im Boden versinken können!
    Doch ihn schien mein Fauxpas nicht wütend zu machen, sondern es belustigte ihn eher, obwohl er es sich in keinster Weise anmerken ließ.
    Ich wollte mich natürlich sofort entschuldigen, doch so kopflos, wie ich in diesem Moment war, platzten mir die Wörter in meiner eigenen Sprache heraus, die er zweifelsohne nicht verstand.


    Gabh mo leithscéal!


    Wie sollte er auch!
    Zusehends wurde ich nervöser, denn ich befürchtete, diese Situation könnte noch eskalieren.
    Also atmete ich tief durch und kramte in meinen Gedanken nach den passenden Wörtern.


    Bridhe serva, Akkelus dominus!


    Mir fiel es schwer, diese fremden Worte und auch seinen Namen über meine Lippen zu bringen.


    So,so ich war alsoseine Sklavin und nicht die von Severus!
    Doch wer oder was war dann Severus?
    Ich wagte es nich so recht, noch in weitere Fettnäppchen zu treten und vermied es deshalb, nach Severus zu fragen.
    Es wäre sicher am geschicktesten, wenn ich überhaupt nichts mehr hätte sagen müssen. Doch mein Herr würde mich sicher nicht so einfach entlassen. Er wollte sicher mehr über mich erfahren.
    Also wagte ich den ersten Schritt.


    Bridhe na hEireann! Hibernia!


    Ich mußte schlucken,als ich das sagte, um die Trauer wegen des Verlusts meiner Heimat zu unterdrücken.
    Eireann! Würde ich es jemals wieder sehen?

  • Es klang seltsam fremdartig, was sie sprach, aber ich hatte schon Hibernier gehört, und so konnte ich zumindest einordnen, woher sie stammen musste, auch wenn mir das grundlegende Verständnis dieser Sprache fehlte. Sicherlich würde es interessant sein, sich auf dieser Ebene auszutauschen, ich hatte mich lange nicht mehr mit dergleichen beschäftigt, fiel mir auf, und so ließ ich ihren Wortschwall einfach über mich hinwegstürzen, ohne mich zu wehren. Sachte wedelte ich mit einer Hand in ihre Richtung, andeutend, dass dieses Missverständnis nicht so schlimm sei, wie sie es vielleicht denken mochte - zumindest schien sie nicht mehr so aufgeregt zu sein wie noch auf dem Sklavenmarkt, aber dort wäre wohl jeder Mensch unangenehm bewegt gewesen.
    "A-qui-li-us," sprach ich ihr meinen Namen nochmals langsam und deutlich vor, wohl wissend, dass er für ihre Zunge sehr kompliziert sein musste. Was sprach man mit einer Sklavin, die einen nicht verstand? Wenngleich, ich musste es versuchen, nicht zuletzt, dass sie schnell lernte, sich hier zurecht zu finden.


    "Du wirst mir helfen, Bridhe. Du wirst mich ankleiden," ich schauspielerte gekonnt, wie ich mir in eine unsichtbare Tunika helfen ließ. ".. mein Essen holen, wenn ich vom Tempel zurückkehre," vorsichtig schnitt ich auf einem unsichtbaren Teller unsichtbares Essen in essbare Stücke und tat so, als würde ich jemandem diesen Teller reichen, "... da sein, wenn ich hier im Haus bin ..." damit machte ich eine allumfassende Geste, die unsere Villa durchaus einzuschließen vermochte, ".. und des Nachts bei mir liegen." Ich tat so, als wolle ich schlafen, um dann auf sie und mich gleichermaßen zu deuten, hoffend, dass es einigermaßen verständlich geworden war, was ich von ihr erwartete. Stehgreifkomödien waren eigentlich nicht so wirklich mein Fall, und Talent dafür besaß ich auch nicht unbedingt - der direkte Kontakt zur konfrontierten Person war schon eher meine Sache.

  • Im ersten Moment schien es mir, er wäre sehr nett. Diese Erkenntnis ließ mich auch wieder etwas ruhiger werden. Ich war erleichtert, daß er für meine sprachlichen Defizite und meine Patzer Verständnis hatte! Also versuchte ich es noch einmal, die richtige Ausprache für seinen Namen zu finden.


    A-quil-ius


    Ich kam mir vor, wie mein kleiner Bruder, der vor zwei Jahren das sprechen gelernt hatte.


    Dann folgte ein Meer von Worten, die zwar langsam gesprochen, doch für mich zum größten Teil nicht verständlich waren. Um mir zu verdeutlichen, was er von mir in Zukunft verlangen würde, vollführte er einige witzige Verrenkungen vor mir. Ich hatte wirklich große Mühe, mir das Lachen zu verkneifen.
    Aha, ich sollte ihm also beim Ankleiden helfen. Das war für mich nichts neues. Das tat ich früher jeden Tag, denn meine kleinen Geschwister nutzten meine Gutmütigkeit immer voll aus. Gut, dieses "Kind" war um einiges größer...
    Das Essen sollte ich ihm servieren. Na schön, auch das würde ich schaffen.
    Dann war es offensichtlich sein Wunsch,ständig in seiner Nähe zu sein. Das könnte vielleicht eine Herausforderung werden.
    Aber was sollte seine letzte Anordnung bedeuten? Ich sollte mit ihm das Bett teilen?!
    Ich sah ihn überrascht an und ich merkte schon wieder, wie die Röte sich abermals über meinem Gesicht ausbreitete. Aber das konnte er doch nicht von mir verlangen? Oder doch?
    Ich begriff in diesem Moment, was es heißen sollte, Sklavin zu sein. Es machte mir nichts aus, jemanden zu dienen, doch jemand auch mit meinem Körper zu Diensten zu sein, erschrak mich.
    Die aufgekommene Heiterkeit war im Nu verschwunden. Ich senkte meinen Blick. Mein Glück vom heutigen Morgen schien verflogen.
    Was würde er tun, wenn ich mich gegen seine Wünsche auflehnen würde?

  • Sie schien mir noch so jung zu sein, fast einem Kind näher als einer Frau - denn ihr Gesicht verriet viel von ihren Regungen, etwas, was unseren Kindern sehr früh beigebracht wurde, zu verbergen zu lernen. Man hätte in ihr in diesem Augenblick lesen können wie ein Buch, und dass ihr der Gedanke, bei mir zu liegen, anscheinend nicht gefiel, war offenkundig - aber wie hätte er auch gefallen können, was mochte sie schon dabei denken? Sie kannte unsere Sitten nicht, und von jetzt auf sofort ein neues Leben lernen zu müssen war mehr, als die meisten Menschen verkrafteten.
    "Du hast mich nicht verstanden," sagte ich ruhig und langsam, dabei den Kopf schüttelnd. "Es ist einfach, und es wird Dich nichts kosten, Bridhe, nicht mehr, als Du zu zahlen bereit bist."


    Sie würde mich nicht verstehen, das wusste ich, aber die Worte dienten auch eher zu meiner Beruhigung denn zu ihrer. Ich deutete mit meinen Händen den Umriss meines Bettes an, das gut und gerne für drei gereicht hätte, würde ich dies wollen und tat dann so, als würde ich auf der einen Seite schlafen, indes, ohne mich groß zu bewegen. Dann deutete ich auf sie, vollführte die Schlaf-Gestik ein weiteres Mal und deutete neben meinen imaginären, schlafenden Umriss - in der vagen Hoffnung, sie würde es so nun auffassen, wie es gemeint war, als nebeneinander miteinander in einem Bett liegen, nur eben nicht aufeinander. Solches zu erzwingen hatte ich nicht nötig, wenn sie sich dazu einnmal entscheiden würde, dann aus eigenem Willen, nicht aus dem meinen.
    "Verstehst Du? Nicht das hier .." Ich machte eine ausgesprochen unmissverständliche Gestik und schüttelte den Kopf dazu, um dann mit zufriedener wirkendem Gesichtsausdruck meine nebeneinander-schlafen-Gestik zu wiederholen. Insgeheim hoffte ich, es würde uns niemand beobachten, schätzungsweise hätte sich jeder Sklave im Haushalt inzwischen totgelacht.

  • Offensichtlich konnte er genau meine Gedanken erahnen und was sich gerade vor meinem geistigen Auge abgespielt hatte! Denn sogleich begann mir er auf´s neue zu erklären was seine letzte Anordnung zu bedeuten hatte.
    Ich war doch sehr erleichtert, ihn mißverstanden zu haben und brachte dies auch durch eine Geste zum Ausdruck. Doch warum ich des nachts neben ihm liegen sollte, wollte mir einfach nicht in den Kopf gehen. Bei uns zu Hause schlief man ab und zu im Bett kleiner Kinder, wenn diese Angst vorm Einschlafen hatten. Aber wenn er das so wollte, na schön. So lange er seine Finger von mir lassen würde!


    Ich lächelte ihm gezwungenermaßen zu und nickte.
    Komische Sitten hatten diese Menschen hier! Ich konnte in diesem Moment nicht recht verstehen, wie dieses Volk im Stande war, die halbe Welt zu unterwerfen.
    Meine Nervosität war inzwischen wieder gewichen und völlig erleichtert sah ich ihn wieder an, innerlich vielleicht etwas belustigt, was ich mir aber nicht anmerken ließ.

  • Anscheinend hatte sich die Erkenntnis darüber durchgesetzt, was ich meinte, zumindest war dieser erschrecktes-Reh-Gesichtsausdruck gewichen und machte einem eher amüsierten Aussehen Platz. "Nun, ich habe Dich noch nicht gefragt, was Du kannst, Bridhe - was hast Du bisher gemacht? Kochen? Waschen? Kinderhüten? Kämpfen?" Jede Tätigkeit untermalte ich sicherheitshalber mit einigen passenden Gesten, denn die Worte konnte sie unmöglich bereits kennen. Im Grunde hatte ich gewusst, dass sie eigentlich für nichts besonderes nütze sein würde, als ich sie kaufte, denn ein erst gefangener Sklave unterschied sich von jenen, die seit Generationen einer Familie dienten, ziemlich deutlich - sie erinnerten sich an ihre Zeit in Freiheit, sehnten sich zurück, und die eigenen Bedürfnisse standen immernoch vor denen des Herrn. Dennoch ... vielleicht war es ganz gut so, dass mich allzu eifrige Dienstfertigkeit abstieß.

  • Aha, jetzt wollte er wohl wissen, worin denn meine Fertigkeiten bestanden. Sichtlich amüsiert sah ich ihm zu, wie er alles durch seine Gesten und Handbewegungen vormachte. Ich nickte nur zustimmend.
    Gerne hätte ich ihm von meiner Familie erzählt. Davon wie ich die letzten Jahre nicht anderes mehr getan hatte, als zu waschen, zu kochen und auch meine kleinen Geschwister zu hüten. Seitdem meine Mutter tot war, war ich, damals fast selbst noch ein Kind, eine Ersatzmutter für die Kleinen geworden. Deshalb war mir jede Abwechslung, die kam, willkommen. So zum Beispiel, wenn mein Vater mich zur Jagd mitnahm. Er hatte mich gelehrt,wie man mit einem Messer gekonnt umging und worauf es ankam, wenn man das Wild zur Strecke bringen wollte.
    Dummerweise hatte ich an jenem Tag kein Messer zur Hand, als sie mich verschleppten.
    Meine Gedanken waren abgeschweift und ich konnte nur noch an jene schrecklichen Szenen denken.
    Eine Träne suchte sich ihren Weg über neine Wange, doch ich wollte mich hier nicht ausheulen.
    Ich übermalte mein nun ernst dreinblickendes Gesicht mit einem gespielten Lächeln und wischte mir die Träne ab.

  • Von einem einfachen Gespräch kippte die Stimmung ausgesprochen schnell in etwas undefinierbares - hatte ich etwas falsches gesagt, dass ihr plötzlich die Tränen in den Augen standen? Wenn es etwas gab, mit dem ich nicht so leicht fertig wurde, dann waren es weinende Frauen, sie taten es viel zu oft und viel zu gerne, und immer musste man raten, ob es nun ein ernstes Problem war, das sich hier äußerte, oder nur eine vorübergehende Laune. Frauen waren, wie ich mal wieder feststellen musste, einfach ein Rätsel ohne dazugelieferte Auflösung. Wenngleich dieses Rätsel mit beiliegender Auflösung nur halb so interessant gewesen wäre.


    "Weine doch nicht. Was immer es ist, Du wirst sehen, morgen schon sieht die Welt wieder anders aus," hörte ich mich in freundlichem Ton sagen - in etwa in dem Tonfall, wie man auf ein Kind einredete, das sich eine Schramme am Knie geschlagen hatte - und blickte sie dann direkt an. "Heute abend wirst Du zu mir kommen, Bridhe," führte ich fort, um sie abzulenken, bedeutete ihr den Zeitpunkt anhand des Sonnenstandes und damit, dass dann die Sonne weg sein würde. "Weisst Du, wo mein cubiculum ist?"

  • Er hatte tatsächlich diese eine Träne bemerkt, denn seinem Tonfall und seiner Gestik nach zu urteilen, versuchte er mich zu trösten. In diesem Punkt waren wohl alle Männer gleich, wenn es um weinende Frauen ging.
    Vielleicht war er ja doch nicht so ein übler Kerl. Wären wir uns vielleicht unter anderen Umständen begegnet, hätten wir möglicherweise Freunde werden können. Doch so würde uns immer ein unsichtbares Band trennen, welches uns in zwei unüberwindbare Lager einteilte.


    Dann setzte er seine Rede fort. Das Wort cubiculum fiel und ich erinnerte mich an Cungahs Führung durch das Haus, kurz nach meiner Ankunft. Wenn ich mich recht erinnerte, war dies die Bezeichnung für das Schlafzimmer- fürsein Schlafzimmer.
    Er meinte es also ernst, mit dem was er von mir verlangte. Sicher, er stellte zwar sofort klar, was dabei meine Aufgabe war, doch mir war nicht ganz wohl, bei der Sache!
    Ich überlegte, wo denn sein cubivulum war. Ja, Cungah hatte mich ja extra darauf hingewiesen, wo sein cubiculum war. Sicher würde ich es wieder finden. Also nickte ich auf seine Frage hin.

  • Es schien sie beruhigt zu haben - glücklicherweise. Wo mein Zimmer war, wusste sie auch, nun, alles weitere würde wohl darauf warten müssen, bis sie sich besser ausdrücken konnte, ich war auch nicht unbedingt gewillt, bis in alle Ewigkeit einen mehr schlechten als rechten Komödienschauspieler zu geben, ein kleiner Rest an patrizischer Würde durfte schon sein.
    "Hast Du denn eine Frage? Willst Du etwas wissen?"

  • Ich hatte noch tausende von Fragen. Fragen über Fragen.
    Wie würde es mir hier ergehen? Wie würden mich die anderen Sklaven aufnehmen? War der Rest seiner Familie auch so gnädig und verständnisvoll? Was würde passieren, wenn ich durch meine Ungeschicktheit oder Unwissenheit jemanden verärgern würde?
    Wann dürfte ich wieder nach Hause? Dürfte ich jemals wieder nach Hause? Wie ging es meiner Familie?
    All diese Fragen beschäftigten mich. Doch ich wagte mich nicht danach zu fragen. Außerdem hätten mir dazu im Augenblick die Worte gefehlt.
    Vielleicht würde es sich ja auch ergeben, daß sich einige dieser Fragen von selbst beantworteten.
    Also schüttelte ich den Kopf.
    Gut, dieses Gespräch, wenn man es als solches hätte bezeichnen können, hatte mir ein wenig die Angst genommen. Doch ich fühlte mich etwas unbehaglich, hier vor ihm stehen zu müssen. Am liebsten hatte ich mich irgendwohin verkrochen oder etwas zu tun gehabt, damit ich mich von meinen vielen Fragen hätte ablenken können.

  • Im Grunde hatte dieses Gespräch an Grundlage verloren - denn diese Verständigung mit Händen und Füßen war es nicht, die mir vorschwebte, wenn ich an eine Unterhaltung mit einem Sklaven dachte, und sicherlich wären andere Besitzer ungeduldiger gewesen, als ich es war. Vielleicht war ich in solchen Punkten wirklich zu geduldig, zu weich, zu sehr bereit, im Sklaven auch den Menschen zu sehen, doch zumindest einer Sache hatte mich Rutger belehrt - einem Sklaven zu vertrauen. Ein zweites Mal würde ich sicher nicht mehr bereit sein, von einer drakonischen Strafe abzusehen.


    "Geh, Bridhe, und lerne das Haus kennen, und die anderen Sklaven. Wir werden uns wieder unterhalten, wenn Du unsere Sprache besser verstehst," sagte ich gelassen, während ich sie im Blick behielt. Das Wesentliche schien sie begriffen zu haben, und wenn sie nicht dumm war, würde sie in den nächsten Tagen versuchen, sich anzupassen - wenn nicht, gab es noch genug andere Orte, an denen eine für mich wertlos gewordene Sklavin würde arbeiten können. Zumindest eine wichtige Lektion musste sie nun auch verstanden haben - dass ich es war, der unsere Gespräche beginnen und beenden würde, zumindest vorerst.

  • Ich war sichtlich erleichtert als er das "Gespräch" beendete und mich fort schickte. Ich nickte ihm kurz zu und verschwand in Richtung Villa.


    Eines wurde mir in diesem Moment ganz klar, ich mußte um jeden Preis diese Sprache erlernen. Koste es, was es wolle. Nur so würde ich mich hier zurecht finden und mich behaupten können.
    Wenn man ins Wasser gestoßen wird, sollte man so schnell als möglich mit dem Schwimmen anfangen!
    Ich würde versuchen, alles in mich einzusaugen, so wie ein Schwamm.

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