• Erst spät kehrte der Germane aus der Stadt zurück. Mit dem eisernen Klopfer pochte er an das Hintertor. Ajax, der Wächter, tauchte aus seinen Träumereien auf, spähte erst mal durch eine kleine Luke und zog dann den schweren Riegel zurück.
    "Ganz schön spät.", grollte Ajax missgünstig.
    Durch das aufschwingende Tor trat der Germane in den Hof, und die beiden Männer tauschten einen kalten Blick aus. Einmal würde Ajax versuchen, ihm alles heimzuzahlen, dessen war sich der Germane sicher. Aber heute blieb es bei tödlichen Blicken.


    Müde vom Training war er, doch auf eine wohlige Weise. Die Massage zum Abschluss war auch wie immer sehr angenehm gewesen. Entspannt und guter Dinge überquerte er den Hof, begierig darauf, seine Bridtha wiederzusehen. Hoffentlich war sie überhaupt noch wach.
    Ein Eimer klapperte. Er blickte dorthin und spürte, wie sein Herz einen Sprung machte, als er tatsächlich sein Schwanenmädchen dort stehen sah, das Gesicht den Sternen zugewandt.
    "Bridtha!"
    Von einem Ohr bis zu anderen strahlend ging er schnell auf sie zu. In dem schwachen Licht entging es ihm ganz wie abgearbeitet sie war. Überschwenglich schloss er sie in die Arme.
    "Bridtha min Skaz! - Ach, ich hatte vielleicht Sehnsucht nach Dir! Sag, wie gehts Dir meine Süße?"

  • Ich war völlig überrascht und hätte niemals zu hoffen gewagt, daß ich an diesem Tag noch ein einziges gutes Wort zu hören bekommen sollte, geschweigedenn, daß mich jemand so umarmt. Ich drehte mich um und im Halbdunkel erkannte ich Rutger. Rettend schlang ich meine Arme um ihn und leise, fast unhörbar, begann ich vor Glück zu weinen. Meine Tränen saugten sich in den Stoff seiner Tunika, ich war nicht fähig, noch etwas zu sagen. Nur ein Schluchzen gab ich von mir.
    Doch nach einer Weile ging es wieder. Ich schaute ihn an. Sicher mußte ich mit meinen verheulten Augen, dem wirren Haar und dem Schmutz im Gesicht, furchtbar aussehen.


    Ich bin so froh, daß du da bist!


    Ich versuchte zu lächeln, doch das wollte mir nicht wirklich gelingen. Stattdessen kullerten erneut Tränen über mein Gesicht. Eigentlich wollte ich ihm von all den Vorkommnissen des heutigen Tages nichts erzählen. Doch sicher würde er nachfragen, warum ich mich so verhielt, wie ich mich gerade verhielt.

  • Was war denn nur los?! Hilflosigkeit überkam ihn, als Bridhe zu weinen begann. Er hielt sie in den Armen, strich ihr langsam, beruhigend übers Haar, und zügelte sich, sie jetzt nicht mit Fragen zu bedrängen. Schließlich sah sie ihn an, noch immer ganz aufgelöst. Ihre wunderschönen Augen so traurig, so verweint zu sehen, tat ihm in der Seele weh. Zärtlich strich er mit dem Daumen eine Träne von ihrer Wange - und eine Schmutzspur - und fragte ernst:
    "Meine Liebste. Was ist passiert?"
    Und was war das da an ihrem Auge...war das etwa...? Scharf zog er die Luft ein. Eine tiefe Furche trat zwischen seine Brauen, er presste die Lippen zusammen und fasste vorsichtig ihr Kinn, drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite, so dass das Licht, das aus einem der Fenster der Villa drang, ihr Gesicht beschien. Deutlich zeigte sich die dunkle Verfärbung und Schwellung am Oberlid.
    "Wer war das? Wer hat Dich geschlagen?"
    Seine Stimme bebte vor Ingrimm, und ein wildes, mordlustiges Flackern trat in seine Augen. Sciurus! Hatte er sich Morgen nicht klar ausgedrückt? Dem Neiding würde er wie versprochen alle Knochen brechen. Ihm das Herz aus der Brust reissen. Und ihn an seinen Gedärmen aufknüpfen.

  • Es war richtig rührend, wie er um mich besorgt war. Doch ich wußte auch, wie er reagieren würde, wenn er wütend war. Ich hatte es erst heute Morgen erlebt, wie er sich mit Sciurus wegen mir gestritten hatte. Ich wollte nicht daran Schuld sein, wenn er sich ins Unglück stürtzte, würde ich ihm die ganze Geschichte erzählen. Aber ich wollte ihm auch nichts vorlügen. Das hatte er nicht verdient! So beschloß ich, gar nichts zu sagen.


    Es ist.. es ist nichts! Es ist nur... Ach, bitte frag nicht!


    Ich versuchte, alles so gut es ging zu überspielen. Wollte von Thema ablenken und begann die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken.


    Wie war dein Tag heute? Was hast du gemacht?


    Ich war mir nicht sicher, ob ich überzeugend genug war. Doch ich hoffte, er würde nicht weiter fragen.

  • "Nichts?!"
    Die Wut schnürte ihm die Kehle zu. Bridhes Ablenkungsmanöver wischte er mit einer barschen Handbewegung zur Seite, dann nahm er sie fest bei den Schultern. Eindringlich bohrte sich sein flackernder Blick in ihre tränenverschleierten Augen. Seine Nasenflügel bebten, seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, und der Zorn ließ einen rohen, brutalen Zug in seinem Gesicht zutage treten.
    "Wer. Hat. Es gewagt. Dich. Zu SCHLAGEN?!!!", verlangte er heftig zu wissen. "Sciurus?!"
    Ja, es mussste Sciurus gewesen sein, natürlich.
    "Dem werd ich's zeigen...", knurrte der Germane, ließ von Bridhe ab und marschierte schon los, in blindlings toller Wut, um den vermeintlichen Schuldigen zu finden, ihn grün und blau und kurz und klein zu schlagen, und was er dergleichen noch an Drohungen wahrzumachen hatte.
    Nie wieder - NIE WIEDER! - sollte diese Kröte - DIESE SPEICHELLECKENDE EITERBEULE! - es wagen, es auch nur in Gedanken in Erwägung zu ziehen, die Hand gegen SEINE FREUNDIN zu erheben!!!

  • So wütend hatte ich ihn noch nie erlebt! Er machte mir wirklich Angst, so wie er sich gerade gab. Doch um noch Schlimmeres zu verhindern, antwortete ich ihm schließlich.


    Bitte Rutger, es war nicht Sciurus! Er war es nicht! Es war...


    Ich zögerte erst. Ein Zittern lag in meiner Stimme und leise, fast unhörbar offenbarte ich ihm den Namen.


    Aquilius!


    Wortlos verharrte ich einen Moment, um die richtigen Worte zu finden.


    Er hat mich geschlagen, nachdem ich gelogen hatte. Ich habe gelogen und was noch schlimmer ist, ich habe gebettelt! Gebettelt, damit er mich nicht fort schickt.


    Und dann waren sie wieder da,meine Tränen.
    Mit verheulter Stimme fuhr ich fort.


    Wir dürfen uns vielleicht nie wieder sehen! Er sagte, er könne es mir verbieten!


    Ich klammerte mich wieder fest um ihn, wollte ihn nicht mehr loslassen und wollte sicher sein, daß er einfach in meiner Nähe bleiben würde.
    Alles, was ich über den Tag hinweg versucht hatte, zu verdrängen, brach nun wieder aus mir heraus.

  • Hitzig war er losgestürmt, und schon ein paar Schritt weit gekommen, als Bridhes Offenbahrung ihn traf wie ein Blitzschlag. Erstes - sie nannte ihn bei seinem Namen. Und zweitens - gegen Aquilius konnte er nichts tun. Er blieb stehen, das Gesicht ihr abgewandt, während die Wut auf seinen Zügen einem Ausdruck von hilfloser Frustration wich. Er presste die Kiefer aufeinander, seine Wangenknochen mahlten, und einen Augenblick lang schloss er resigniert die Augen.
    Jämmerlich. Du Niemand. Nicht mal Deine Freundin kannst du beschützen - Severus...
    Tief atmete er ein, sog die kalte Nachtluft in seine Lungen, und versuchte das Wirrwarr in sich zu klären. Verdammt. Es war seine Schuld. Und Bridhe musste dafür büssen. Wäre er doch seinem Vorsatz treu geblieben, hätte er sich doch bloß nie wieder auf eine Frau eingelassen. Er wusste doch aus Erfahrung ganz genau, wie schnell er sich in so was verstrickte, sentimental wurde und dann Dummheiten machte...


    Sich wieder zu ihr umwendend, versuchte er diesen Aufruhr in sich zu verbergen. Mühsam gefasst war seine Miene. Bridhe klammerte sich an ihn, und er schloss fest die Arme um sie. Der Gedanke, sie vielleicht wirklich nicht mehr wiedersehen zu dürfen, schmerzte gewaltig. Es hatte ihn erwischt, wurde ihm in dem Moment schlagartig klar, es hatte ihn richtig erwischt...
    "Schschsch..."
    Er hielt sie ganz fest in den Armen, streichelte ihr Haar und sprach mit belegter Stimme leise auf sie ein.
    "Schscht.... Schäm Dich nicht, meine Liebste, mach Dir keine Vorwürfe... das hier zwingt doch jeden einmal in die Knie... jeden. Ich hätte Dich nicht alleine lassen dürfen, ich hab nicht nachgedacht, ich wollte Dich einfach nicht mehr hergeben... Du hast mir halt völlig den Kopf verdreht, Bridtha. Komm, nicht weinen, das wird schon wieder, irgendwie... aber ich kann nichts machen gegen Aquilius - es tut mir leid! - Ich schulde ihm Treue... da kann ich nichts machen..."
    Wie feige das klang, in seinen Ohren. Erbärmlich geradezu.
    "Komm, Dir ist kalt, lass uns hineingehen. Ich mach Dir auch ein warmes Bad wenn Du willst, zum Aufwärmen."

  • Ich sah wie seine Wut einer gewissen Hilflosigkeit gewichen war und ich konnte es auch an seiner Stimme hören. Es mußte schrecklich für ihn sein! Bestimmt gab er sich die Schuld.
    Doch was war das? Was hatte er da gesagt? Er hätte mich nicht alleine lassen dürfen? Wie hätte er das denn anstellen wollen?
    Nein! Das alles war einzig und alleine meine Schuld gewesen! Ich wollte in den Schuppen. Ich wollte, daß er mich liebt. Ich wollte die Nacht bei ihm sein. Ich hatte heute Morgen gelogen . Nur ich alleine!
    Hätte ich mich heute Morgen anders verhalten, wäre sicher alles nicht so schlimm gekommen. Ich hatte es verdient, in der Küche zu verrotten! Und auch den Schlag ins Gesicht hatte ich verdient! Was war ich denn nur? Einfach nur noch erbärmlich!


    Nein, nein! Dich trifft keine Schuld! Ich wußte, was ich gestern Abend tat! Ich wußte auch, daß es Folgen für mich haben würde. Ich wollte es so, hörst du?! Es tut mir Leid!
    Meine Stimme war gefaßt. Die Tränen waren verronnen. Ernst blickte ich an.
    Für dich würde ich noch viel mehr Schläge einstecken! Ich lasse mir nicht vorschreiben, wen ich lieben soll und wen nicht!
    Entschlossen küßte ich ihn. Ich war froh, daß er jetzt da war. Heute Morgen hätte er mir nicht helfen können. Doch jetzt schon!
    Erst jetzt spürte ich die Kälte des Abends und es begannn mich zu frösteln. Oh, ja! Ein Bad!
    Ein warmes Bad? Das klingt gut, leannán!
    Das wäre wirklich schön! Das warme Wasser täte sicher meinem müden Körper gut.

  • Seine Bridtha! Schöner denn je schien sie ihm, als sie so entschlossen dreinblickte, so kämpferisch sprach! Er hatte wirklich nicht nachgedacht, letzte Nacht, hatte sich einfach hinreissen lassen, sie dagegen schien bewusst die Folgen in Kauf genommen zu haben. Das war mutig und ein großer Liebesbeweis. Oder einfach nur Auflehnung gegen den, der sie seinen Besitz nannte und sie in sein Bett zwang? Sie war stolz, seine schöne Keltin, und mehr und mehr schien es ihm als wäre sie auch eine verwandte Seele.
    Dass natürlich trotzdem er schuld war, daran gab es für den Germanen aber nichts zu rütteln. Denn schließlich hatte er ja sie verführt, sie war ohne Zweifel seine Beute und nicht umgekehrt... ganz eindeutig.
    Er lächelte bewegt und ein bisschen verlegen, und erwiderte innig ihren Kuss. Dann legte er ihr den Arm um die Schultern, nahm den Eimer, und ging mit ihr hinein in den Sklaventrakt. Der Badezuber dort war zwar nicht mit dem Luxusbad zu vergleichen, in dem sie zuletzt zusammen geplanscht hatten, aber sonst war eigentlich nichts an ihm auszusetzen. Und so sah man den Germanen bald noch ein paarmal über den Hof gehen, Feuerholz und Wassereimer tragend, um seiner Liebsten vor dem Schlafengehen nach diesem unschönen Tag wenigstens noch ein angenehmes warmes Bad zu bereiten.

  • Es war schon dunkel geworden. Ich hatte mich zurechtgemacht, hatte eine neue Tunkia angezogen und hatte mir das Haar zurechtgesteckt.
    Als Krönung des Ganzen, hatte ich den Halsreif angelegt, den er mir geschenkt hatte. Ich trug ihn heute zum ersten mal. Essollteein Zeichender Versöhnung sein. Ich konnte so nicht mehr weiter leben.


    Ich hatte mich in der Remise versteckt und lugte zur Tür hinaus auf den Hof. So konnte man mich nicht sehen, doch ich konnte so fast den ganzen Hof überblicken.
    Ich wartete auf Severus und hoffte inständig, er würde mit mir sprechen wollen.

  • Ich wartete und wartete. Je länger ich wartete, desto mehr schwand meine Hoffnung, Severus heute Abend zu treffen. Wieder würde eine Nacht und dann ein Tag vorüber gehen, ohne endlich Klarheit über viele Dige zu bekommen, die innerlich an meiner Substanz nagten und die im Begriff waren, mich langsam aber sicher zu zerstören.
    Völlig entmutigt, wollte ich mich schon aus der Remise schleichen. Heute Nacht würde ich mir irgendwo einen Platz zum schlafen suchen. Aquilius hatte mich fort geschickt und ich glaubte nicht, daß es klug wäre, dann doch zu ihm zu gehen. In der Sklavenunterkunft wollte ich aber auch nicht schlafen.
    Ich sehnte mich nach den Nächten, die ich zusammen mit Severus verbracht hatte. Doch mir schien es, als ob diese Nächte schon Ewigkeiten zurücklagen.
    Als ich über den Hof schlich, hörte ich plötzlich ein Geräusch, das mich zusammenfahren ließ. Ich hielt inne und versuchte zu lauschen, woher das Geräusch gekommen war. Doch es war nur eine Katze, die nach Maüsen ausschau hielt. Sanft strich ich ihr über ihr Fell. Es war hoffnungslos! Ich müßte mich einfach noch gedulden. Irgendwann bekäme ich die Gelegenheit mit ihm zu Sprechen. Doch dann wäre es vielleicht schon zu spät!

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