Ein Bad für Callista

  • Sorglich scheint das Wasser Callista zu umspülen. Träge und genüsslich bewegt sie sich zurück in die Mitte des Beckens. Belustigt bemerkt Callista das Zögern von Minna. Zart gleitet der Schwamm über ihren Körper. Er wäscht alles prekäre von ihrem Leib. Träge verschließen sich Callistas Augen. Ihre Wimpern sind von feinen Tropfen benetzt. Der Dampf perlt an ihrer Haut ab. Sammelt sich zu feinen Gerinnen an ihrer Schulter. Sie vermengen sich mit dem öligen Wasser aus dem Schwamm. Phlegmatisch heben sich Callistas Augenlieder. Aintzanes Frage beirrt Callista. Hinwieder fällt Callista ein. Sie sind nicht in Ägypten. Eine Sklavin in ihrer Villa hätte keine Scheu nackt die Gänge entlang zu gehen. Schließlich tut Callista das hin und wieder selber. Indolent zuckt Callista mit der Schulter.
    "Sicherlich, schöne Limnade."
    Die fröhliche Stimmung fällt von Callista ab. Melancholie schleicht sich in ihr Herz.
    "Und reiche mir vorher die rote Fiola."
    Die einzige Phiole, derer sich Callista vollauf sicher ist.


    "Elfa."
    Auch diesen Namen vermag Callista nicht tadellos zu wiederholen. Womöglich gibt sie sich auch keine Mühe dafür.
    Die Vorstellung indes von einem solchen Wesen gefällt Callista. Sie könnte auch eine Elfa sein. Zumindest wäre sie das gerne. Aber lieber möchte sie eine Göttin sein. Die Ambrosia ist erstrebenswerter als eine nordisch barbarische Geistfrau zu sein.
    "Draccus."
    Seltsam sind die Worte von Fiona. Schwer kann Callista sie mit ihrer Zunge aussprechen. Zischend wie eine Schlange scheint die Sprache des Nordens zu sein.
    "Eine Feuer spuckende Echse. Wie reizvoll."
    Verwundert sieht Callista zu der blonden Nymphe, Minna, und zu Fiona. Warum taten die Beiden so extraordinär? Callista kann ihre Gesichter nicht interpretieren. Jedoch verspürt Callista auch keinen Drang dazu. Sie senkt erneut ihre Augenlieder ehe die letzten Worte bei ihr einschlugen. Einem Peitschenhieb gleichend.
    "Was?"


    Benohé legt den Schwamm bei Seite. Sie beobachtet unablässig die anderen Sklavinnen. Auch sie bemerkt einen seltsamen Funken. Ebenso die Ungehaltenheit der Anderen. Welche Callista zu entgehen scheint. Zum Glück. Denn Benohé weiß um die Empfindlichkeit ihrer Herrin. Kritik verträgt sie nicht. Ganz besonders nicht von Sklaven. Selbst Benohé würde das nicht wagen. Auch in Gestik und Mimik nicht. Erschrocken sieht Benohé von dem ranken Rücken ihrer Herrin auf. Tod und Unterwelt sind keine Themen für die Ohren ihrer Herrin. Angst durchflutet ihre Herrin. Immer wenn sie an ihren eigenen Tod denkt. Jedenfalls wenn sie ihn nicht romantisch verklärt. Geschwind legt Benohé den Schwamm zur Seite und legt ihre Finger an den Nacken ihrer Herrin. Deutlich spürt sie die angespannten Muskeln. Das Aufwallen von Wut in ihrer Herrin. Die Leibsklavin ist bemüht mit sanften Berührungen die Wut zu mildern. Benohé gefällt die Elegie von Fiona. Die Eleganz ihrer Geschichte und die feinsinnige Art. Das Naturell der Geschichte ist Callista jedoch entgangen.


    Dementsprechend erbost ist sie.
    Wie kann diese Sklavin es wagen.
    List und Lüge, Callista. So ist das Spiel.
    Dennoch. Sie verbirgt etwas.
    Wahrheit?
    Oder die Lüge.
    Callistas Augen strahlen den Unwillen aus. Callista will keine schlimmen Geschichten hören. Ihr Leben ist ein einzige Misere. So befindet sie immer wieder. Und mit Fabeln möchte sie erheitert werden.
    "Du scheinst ein Sehnen nach dieser Unterwelt, Inus Avalaccus, zu verspüren. Ist das so, Serva?"
    Distanziert und schneidend richtet sie die Worte an Fiona.

  • Innerlich schien es Fiona fast zu belustigen, wie betört doch die Römerin von den Elfen und Drachen war. Bislang war es ihr verborgen geblieben, Fionas Gleichnis zu deuten. Doch Fiona hatte Callistas Aufmerksamkeit unterschätzt. Offenbar war ihr Minnas entsetzter Blick nicht entgangen. Nachdem Fiona dann auch noch den Begriff Inys Affallach erklärte, schien es ihr völlig zu dämmern.
    JA! Sie sehnte sich nach der Unterwelt. Sie sehnte sich danach, endlich wieder mit den Ihren vereint zu sein.
    Ein winziger Moment schien es, als ob in Fiona das Feuer von einst wieder entflammen würde, als sie das Verlangen verspürte, der Römerin die volle Wahrheit und noch ein bißchen mehr, ins Gesicht zu schleudern.
    Herausfordernd blickte sie Callista in die Augen, ohne auch nur einen Augenblick an die Konsequenzen zu denken. Voller Überzeugung und mit einem zarten Lächeln im Gesicht, antwortete sie ihr.
    Ja! Das tue ich, Herrin. Ich sehne mich jeden einzelnen Tag nach Inys Affallach!
    Letzteres sprach sie langsam und deutlich mit einer solchen Hingabe aus, als wolle sie Callista in die Geheimnisse ihrer Sprache und deren Aussprache einweihen.
    Ihr Blick blieb weiterhin an Callista hängen und sie versuchte zu ergründen, was sie in diesem Moment dachte.

  • Aintzane bekam eine bestätigende Antwort auf ihre Frage. Callista fügte auch noch ein Wort hinzu, welches so ähnlich klang wie "Limonade"... wollte die Herrin ein Getränk haben? Sie brauchte eine Sekunde, bis ihr klar wurde, dass sie damit gemeint war und es vermutlich nichts boshaftes war. Das hoffte sie einmal.
    Einen Befehl bekam sie noch. Eine rote Phiole. Sie langte nach hinten, auf ein winziges Schränkchen, das im Raum stand, nahm sich die rote Phiole hinunter und stellte sie neben der Frau hin. "Bitte.", meinte sie.
    Schon wollte sich Aintzane abwenden von der Römerin und sich ein Kleid suchen gehen, da bemerkte sie die betroffenen Blicke der Sklavinnen rund um sich.
    Sie blickte herum. Dann sah sie, dass alle Augen auf Fiona gerichtet waren.
    Zeitgleich mit Callista ging es ihr auf, was Fiona mit der Geschichte ausgedrückt hatte. Es war nicht einfach nur irgendeine Geschichte gewesen. Es war ihre Lebensgeschichte.
    Wie ein Blitz durchzuckte jene Erkenntnis Aintzane. Fiona hatte den Anwesenden ihre Vita erzählt... und Aintzane hatte es als gute Geschichte empfunden. Sie war schockiert über sich selbst. Wie uneinfindsam und trampelhaft war sie gewesen, dass ihr diese Bedeutung so komplett entgangen war?
    Sie blickte zu Fiona hin. Tiefe Traurigkeit lag in ihren Augen. Aintzanes Geschichte war fast schon unheimlich ähnlich. Bilder, die sich ihr aufdrängten, musste sie mit Gewalt zurückhalten.
    Stattdessen ging sie langsam zur Tür hin, machte sie auf und schloss sie. Da hörte sie noch von hinten Fiona, gedämpft durch die Tür. Sie sehne sich jeden einzelnen tag auf ihre Toteninsel.
    Das war zuviel. Aintzane ging hastig weg, hin zu ihrem Zimmer, wo sie das Kleid aus ihrem Kasten herauskramte.
    Schließlich ging sie wieder langsam zum Zimmer zurück. Und stand davor. Irgendwie überkam sie eine Scheu. Was sollte sie jetzt tun? Anklopfen, ohne Zweifel. Aber sie zögerte kurz.


    Sim-Off:

    Lasst Aintzane ruhig ein bisschen warten. Ich bin am Wochenende weg. ;)

  • Furor flammt in Callista auf. Die sonst angenehmen Berührungen ihrer Sklavin bändigen nicht den Unmut in ihr. Gänzlich sind alle anderen Sklavinnen vergessen. Ihre Finger schließen sich gedankenlos um die Phiole. Bebend erhebt sich ihre Brust.
    Dieses freche Luder.
    Ein Biest ist sie.
    Dafür wird sie bestraft.
    Indessen ist Callista noch stumm. Nur die Schritte von Aintzane sind zu hören. Und das sanfte Plätschern von Wasser.
    "Herrin, die Fiola?"
    Benohé versucht Callista auf den gelinden Mohnsaft zu lenken. Dieser versetzt Callista in eine andere Gemütslage. Vermag sie zu beruhigen. Aufgebracht schüttelt Callista den Kopf. Sie schleudert die gläserne Phiole auf den Boden des Bades. In Tausend Scherben zerspringt das Glas. Klirrend. Der erlesene Mohnsaft verteilt sich auf dem Boden.
    Das Wasser kräuselt sich zu feinen Wellen. Die kleine Patrizierin erzittert vor Jähzorn. Und doch ist sie auch aus dem Konzept gebracht. Die Todesverachtung verunsichert Callista.
    Wie soll sie eine Sklavin dann bestrafen? Sie würde den Tod nicht fürchten. Alle Strafen wären sinnlos. Callistas Augen verengen sich. Bohrend sucht sie in der Sklavin zu lesen. Womöglich lügt ihr die Sklavin ins Gesicht? Gehört das noch zum Spiel? Nein. Diese Renitenz in den Augen der Sklavin ist echt. Zu genuin. Das hat Callista schon zuvor gesehen.
    "Du."
    Atemlos ist Callista.
    "Meine Großmut nutzt Du aus. Schamlos sprichst Du. Versuchst Du gar, Dich über mich lustig zu machen, unverschämtes Ding?"
    Tatsächlich sieht Callista in Sklaven kaum mehr als Objekte. Die ihr Wohlgefallen bereiten sollen. Ihre Geneigtheit ist verspielt. Callistas Grausamkeit geweckt.
    "Dann wollen wir doch sehen, ob Du tatsächlich den Tod nicht fürchtest, dummes Ding."


    Bestialisch ist das Lächeln von Callista. Sie deutet Benohé vor sich zu treten. Auch ihre eigene Sklavin hat Callista verärgert.
    "Hole Nofritari. Geschwind, meine Benohé. Und über Deine Strafe sprechen wir später."
    Reumütig senkt Benohé ihre langen Wimpern. Das Wasser teilt sich vor der Sklavin als sie auf die Treppen steigt.
    "Und, meine Benohé. Weiche nicht den Scherben aus."
    Die Sklavin bleibt stehen und nickt ergeben. Ohne den Schmerz zu zeigen tritt sie über die scharfen Glasreste hinweg. Auf dem Marmorboden verbleiben ihre Blutspuren.
    Grausam glüht der Funke der Hartherzigkeit in Callistas schönen, schwarzen Augen.
    "Mein Urteil war verfrüht. Euer Benehmen geziemt sich nicht. Selbst im Spiel darf nie der Respekt vor den Herrschaften vergessen werden. Mir dünkt, das rechte Maß der Erziehung wurde bei euch versäumt."
    Insgemein ist nun Callistas Judikat.
    "Eventual habt ihr die Peitsche gespürt. Womöglich auch nicht. Aber, Servae, ich dulde keine Insolenz von Sklaven. Demut, Gehorsam und Devotion verlange ich. Wenn ihr glaubt, meine Imagination endet bei der Peitsche, dem Kreuz oder den Löwen, so irrt ihr."


    Genug des Bades. Callista bewegt sich durch das träge Medium. Ihre Füße setzen sich auf die blanken Stufen. Vor den Scherben bleibt Callista stehen. Das rote Blut auf dem hellen Stein gefällt ihr. Ihr Mundwinkel hebt sich verlustierend.
    "Du. Serva."
    Schöne Nymphen, Neráida, Limnaden. All das scheint vergessen zu sein. Callistas Anrede wendet sich an Minna.
    "Räume die Scherben fort."
    Ihr Blick gleitet zu Leah.
    "Reiche mir ein Tuch."
    Fiona scheint eine Gefallene zu sein. In der Gunst von Callista. Sie beachtet sie nicht mehr.


    Stillschweigend trägt Benohé das Verlangte zu der Tür. Sie wird Aintzane ansichtig. Mit einer Bewegung ihres Kinns deutet sie Aintzane ihr zu folgen. Benohé tritt in das Bad.
    "Herrin, die Schöne vom Nil."
    Callista streckt die Hände dem Korb entgegen.
    "Komm aus dem Wasser heraus, törichtes Mädchen."
    Ungeachtet ist das Alter von Fiona. Callista öffnet den goldgeflochtenen Korb.
    "Erblicke Deine Strafe, Serva."
    Goldbraun glänzt der Panzer des ägyptischen Skorpions. Träge liegt das Tier am Boden seines Heimes.
    "Greife hinein und nimm meine Nofritari. Sie wird Dich mit all ihrer Liebe begrüßen."
    Süffisant sind die Worte von Callista.
    "Gegebenenfalls überlebst Du ihren Stich. Er ist nicht immer tödlich. Vielleicht kannst Du jedoch Deinen Geschwistern folgen."
    Callista lächelt zynisch.
    "Ist es immer noch Dein Wunsch in die Unterwelt zu treten? Hast Du mir am Ende die Wahrheit gesagt, Serva?"

  • Entsetzt blickte sie Fiona an, wie diese von ihrer Sehnsucht nach dem Tod sprach. Callista war sichtlich erbost über ihre Antwort. Man spürte es förmlich an dem Funkeln in ihren dunklen Augen. Ihre Leibsklavin versuchte sie noch zu besänftigen, doch dafür war es eindeutig zu spät. Mit großen Augen verfolgte Minna, wie die Claudierin ihrer Leibsklavin die Ampulle aus der Hand riss und durch das Bad schmiss. Sie zuckte reflexartig zusammen, als das Glasgefäß schellend auf dem Boden zerbrach. Was war nur in diese Frau gefahren? Und als ob das nicht genug wäre, befahl sie auch noch ihrer Sklavin durch die Scherben zu laufen! Es tat ihr leid mit anzusehen, wie diese folgsam gehorchte und sich dadurch die Füße aufschnitt.


    Sie nickte nur stumm, als die Herrin sie aufforderte, die Scherben aufzusammeln. Die feinen Scherben glänzten wie kostbare Edelsteine und das leuchtend rote Blut auf dem Boden bildete einen deutlichen Kontrast zu den hellen Marmorfliesen. Hätte Minna nicht gewusst, dass es sich hierbei um Blut handelte, hätte sie diesen Anblick als wunderschön bezeichnet. Doch so spürte sie nur Ekel in sich aufsteigen. Es war nicht Benohés Blut, was sie anwiderte, sondern diese unfassbare Grausamkeit von Callista. Mit ausdrucksloser Miene begann sie die vielen winzigen Glasstücke aufzusammeln. Dabei schnitt sie sich in die Finger und warmes Blut rann ihren Fingern entlang, doch das war ihr in diesem Moment vollkommen egal. Ungeachtet von dem Schmerz, fuhr sie fort und wischte anschließend das Blut mit einem Tuch weg.


    Die Atmosphäre in dem Raum war furchtbar erdrückend, beinahe unerträglich für Minna, als Benohé mit einem Korb zurückkehrte. Die Arme blutete noch immer an den Füßen. Unsicher betrachtete Minna den Korb, den sie gebracht hatte. Sie wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Dennoch war sie überzeugt davon, dass es nach alldem irgendetwas Schlimmes damit auf sich hatte. Als der Korb geöffnet wurde, konnte sie nichts erkennen, war sie doch zu weit entfernt davon, jedoch glaubte sie, etwas rascheln gehört zu haben. Was hatte diese Frau nur Schreckliches vor? Ihr gefährliches Lächeln jagte ihr eine ungeheure Furcht ein. Tödlich? Minna wollte nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. Dieses Miststück! In ihr stieg eine unsagbare Wut auf. Sollte ihre Freundin zu Schaden kommen und das nur wegen dieser kaltherzigen Römerin, sie würde es bitter bereuen, dazu war Minna fest entschlossen. Wenn es sein muss, würde sie sogar ihr eigenes Leben dafür riskieren. Sie wollte weg von diesem furchtbaren Ort und zwar sofort. Noch besser wäre es, wenn diese Patrizierin weg wäre. Ja, sie soll samt Leibsklavin verschwinden, am besten so schnell wie sie gekommen ist! Zu gerne hätte sie etwas gesagt, doch sie wusste, dass sie dann die Nächste wäre, die Callistas gnadenlose Härte zu spüren bekäme. Schweigend und angsterfüllt beobachtete sie Fiona und hoffte, dass sie sich nicht auf das gefährliche Spiel einlässt.

  • Fiona bemerkte die angsterfüllten Gesichter der Sklavinnen. Doch in ihrem Gesicht zeite sich keine Regung, kein Zeichen von Angst oder Panik.
    Ohne zu zögern stieg sie aus dem Becken. Das Wasser rann an ihrem nackten Körper herab. Zielstrebig steuerte sie auf Callista zu. Dabei trat sie in eine Scherbe des zerbrochenen Gefäßes, doch all dies schien sie nicht zu bemerken. Scheinbar konnte ihr der Schmerz nichts anhaben. Sie war darüber erhaben.
    Wie zum Dank verneigte sie sich vor ihr.
    "Danke Herrin, für dieses wahrhaft großzügige Geschenk! Du bist zu gütig!"
    Dann wandte sie sich dem Korb zu, in dem sich der Skorpion befand.
    Ohne irgend ein Anzeichen der Angst, schaute sie hinein und betrachtete sich das Tier. Noch nie hatte sie ein solches Geschöpf gesehen, doch über die Eigenschaften diese Tieres hatte sie schon einiges gehört.
    Sie führte ihre linke Hand zum Korb hin, doch bevor sie hineingreifen wollte hielt sie inne und blickte fragend zu Callista.
    "Darf ich, Herrin?"
    Sie hatte bereits mit allem abgeschossen und legte ihr Schicksal in die Hände ihrer Götter. Sie sollten nun entscheiden, ob sie leben oder sterben sollte.

  • Weich perlen die Hundert Wassertropfen von Callistas Leib. Funkeln. Glänzen im Schein des Öllampen. Eine Lache aus dem öligen Nass bildet sich um Callistas Füße. Voller Hingabe betrachtet sie den Skorpion. Viele Füße bewegen sich geschwind in dem Korb. Ihre Schöne ahnt von ihrem Auftritt. Drohend ist ihr Stachel erhoben. Callista lächelt und sieht in Fionas Gesicht.
    Der Triumph schwindet. Die Siegesfreude verbrennt lodernd zu einem Haufen von schaler Asche.
    Keine Angst in den Augen der Sklavin zu sehen verunsichert Callista. Wo bleibt das Vergnügen der Bestrafung? Ohne den Schrecken?
    Sie lügt immer noch.
    Nein. Es ist echt. Sie möchte sterben.
    Und wenn schon. Was interessiert mich das?
    Die Apathie von Fiona treibt Callista zur Weißglut. Verstört sie gleichermaßen. Und die scheinbare Dankbarkeit verstimmt Callista.
    Schmollend verzieht sie ihren Mund. Ärgerlich blitzen ihre Augen.
    "Verhöhne mich nicht, infames Ding."
    Womöglich meint es Fiona ernst? Callista sieht sie prüfend an. Die Serva ist ihr hinwieder ein Änigma. Undurchschaubar. Verworren.
    Soll ich dem Einhalt gebieten? Mit der Peitsche strafen?
    Sie werden Dich nicht mehr ernst nehmen, Callista.
    Traun. Das werden sie nicht.
    Giftig lächelt Callista Fiona an.
    "Nur zu, meine Liebe. Greife hinein. Erfreue Dich an dem Kuss des Todes. Labe Dich an dem Gift der Vergänglichkeit."


    Medisant lacht Callista. Sie dreht sich zu den anderen Sklavinnen um.
    "Meint ihr, ich tue das nur bei mir unliebsamen Sklaven? Meine Benohé, trete vor."
    Humil verneigt sich Benohé vor Callista. Zärtlich streicht Callista über das schwarze Haupt ihrer Sklavin.
    "Ist sie nicht schön? Und stets so gehorsam. Aber ich dulde keine Fehler. Makel sind mir ein Grausen. Meine Benohé darf nicht fehlen."
    Perfektionistisch ist Callista nur bei anderen. Nicht bei sich selber.
    "Berichte, meine Benohé. Wie fühlt sich das Gift der Schönen vom Nil an?"
    Ins Nichts wandert der Ausdruck von Benohé.
    "Anfangs brennt es nur. Als ob eine Biene den Stich verursacht hat. Aber der Schmerz breitet sich aus. Feuerstiche bohren sich durch den Körper. Der Schmerz erreicht das Herz. Verkrampft es. Unerträglich wird es. Selbst wenn man glaubt, es nicht mehr aushalten zu können. Es wird schlimmer. Und überdies bringt die Bewusstlosigkeit keine Erleichterung. Tage hat mich das Fieber gemartert. Die Träume waren das Schlimmste. Aber man fühlt sich neu geboren. Überlebt man den Stich."
    Zufrieden ist Callista. Sie musterte verhohlen Fiona. Erschreckt sie dabei?
    "Und Benohé ist meine liebste Sklavin."
    Callista wartet. Den Korb in ihren Händen. Sie sieht Menschen gerne beim Sterben zu. Und wenn Fiona es überlebt, soll es ihr auch recht sein. Die Qual kommt. Ohnedem.

  • Völlig unbeeindruckt von dem was Benohé berichtete, hatte Fiona ihre Entscheidung für sich getroffen. Zumal sie sich jetzt nicht die Blöße geben wollte und gegen ihre Prinzipien zu handeln.
    Wie sollte dieser Stich des Skorpions noch schmerzhafter, ja noch schrecklicher sein,als das, was sie tagtäglich über sich ergehen lassen mußte. Sie war es leid! Sie hatte es so satt, dieses Leben, falls man es als solches überhaupt noch bezeichnen konnte. Früher einmal war sie fast so weit gewesen, sich mit einem Leben als Sklavin abzufinden. Doch nach Ostia hatte sich alles grundlegend verändert. Selbst die neuerlichen Pläne, die sie mit Minna schmiedete, konnten sie nicht recht davon überzeugen, sich für das Leben zu entscheiden.


    Doch die Claudierin, dachte wohl immer noch, sie wolle ihr etwas vormachen. Sie sollte erfahren, wie sehr ernst sie es meinte.
    "Es liegt mir fern, dich zu verhöhnen, Herrin! Wenn es dir recht ist, möchte ich nun das Tier nehmen. Sollen die Götter entscheiden, was mit mir geschiet."
    Mit diesen Worten streckte sie ihre Hand in den Korb. Sie konnte den Sorpion fühlen, wie er aufgeregt im Korb umherkabbelte. Es dauerte keine Minute, bis sie einen stechenden Schmerz in ihrer Hand verspürte. Der Schmerz durchdrang ihren Körper und ließ sie aufzucken. Sie fühlte, wie sich das Gift scheinbar durch ihren Körper vorarbeitete.
    Es war, als wollte ihr das Herz zerreißen und es wurde unendlich schwer, zu atmen. Schweißperlen traten auf ihre Stirn. Sie begann zu röcheln. Nicht mächtig noch irgendetwas zu sagen, brachte sie nur ein lautes Stöhnen hervor. Schemenhaft sah sie die Sklavinnen um sich herum, die sie fassungslos zusahen, was mit ihr geschah.
    Wenn das der Weg nach Inys Affallach war, so wollte sie ihn weiter gehen, bis zum Ende.
    Sie verkrampfte und hatte große Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten.
    Dann wurde alles schwarz um sie herum und sie spürte nicht mehr, wie sie zu Boden ging.

  • Die Tuer war offen gestanden. Also hatte Aintzane nichts weiter zu tun, als der Aufforderung der Callista Folge zu leisten.
    Es war unmoeglich, irgendetwas zu tun, um den Wahnsinn zu verhindern. Denn Wahnsinn war es. Die Frau, diese Roemerin, war komplett verrueckt, das stand fuer Aintzane fest. Es war eben jene Verruecktheit, die sich hinter der unschuldigen Fassade einer schoenen Frau mit blumiger Ausdrucksweise zu verbergen pflegt, und dan unvermutet und schnell zum Vorschein kommt.
    Nein, sie stand bei Callista still, denn die Ansicht des Korb mitsamt seiner kriechigen, giftigen Insassen liessen sie verstummen. Sie hoerte nichts mehr um sie, die Roemerin, die gehaessige Wortbrocken von sich gab, und die Inderin, die sie umschmeichelte wie eine Katze und dem Zuschauer Anlass zur Vermutung gab, dass sie schier danach trachtete, das Hinterteil ihrer Herrin abzulecken.
    Fuer so etwas hatte Aintzane nur Verachtung uebrig. Ihre echt empfundenen Emotionen sparte sie sich allerdings fuer Fiona und ihren Anblick.
    Tatsaechlich nahm sie den Skorpion in die Hand. Sie tat es wirklich. Nein. In Aintzanes Hirn arbeitete es.
    Dann sah sie es. Die Schweissperlen. Der Ausdruck in Fionas Gesicht. Das Aufzucken und Zittern. Die Atemnot.
    Aintzane scherte sich jetzt nicht mehr um irgendetwas. Sie sprang nach vorn und schlug Fiona seitlich auf ihre Hand. Der Skorpion wurde, wie Aintzane es beabsichtigt hatte, aus Fionas Hand weggeschleudert und landete mit einem Klatschen inmitten von Callistas wertvollen Fiolae, von denen einige zersplitterten. Das hatte sie nicht beabsichtigt, doch dagegen konnte sie nichts tun. Sicher wuerde jetzt ein Geschrei und ein Gezeter anheben, doch sie kuemmerte das nicht.
    Dann nahm sie die Hand her. Sie war komplett angeschwollen. Die Wunde sah man ganz klar, und man sah auch, wie weit das Gift im Arm fortgeschritten war. Sie umklammerte mit festen Griff den Arm und saugte an der schwaerenden Wunde. Amilamia, grosse Goettin der Naechstenliebe, steh mir bei, dachte sie innerlich, als sie das schaal schmeckende Gift in ihren Mund sog und neben sich ausspuckte.

  • Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Fassungslos und starr vor Angst muss Minna mit ansehen, wie ihre Freundin ihre Hand in den Korb steckt und anschließend bewusstlos zu Boden sackt. Dieser Schmerz in ihren Augen. Es war fürchterlich. Sie schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. "Fiona, nein!" Von da an ging alles sehr schnell. Aintzane war die Erste, die reagierte und zur verwundeten Fiona eilte. Auf der Stelle sprang sie auf und eilte Aintzane hinterher. Diese begann sofort das Gift aus Fionas Wunde zu saugen. Sie selbst nahm Fionas Kopf, legte ihn behutsam auf ihren Schoss und wischte mit einem Zipfel ihrer Tunika die Schweissperlen von der Stirn. Tränen liefen ihr über die Wangen und immer wieder murmelte sie vollkommen aufgelöst Fionas Namen. Oh Freya, große Göttin der Vanen, lass sie nicht sterben!


    Sie sah kurz zu dem fremdartigen Tier hinüber, das Aintzane aus Fionas Hand geschlagen hatte und nun leblos in der Ecke lag. War es tot? Minna wusste es nicht. Es war ihr auch egal. Dennoch, die Tatsache, dass sie ein solch eigenartiges Tier zuvor noch nie gesehen hatte, machte sie nur noch verzweifelter. Wie sollte sie nur wissen, womit man das Gift behandeln konnte? Sie fühlte sich unendlich hilflos.


    Voller Hass blickte sie Callista an. Dieses elende Biest! Das würde ihr noch leid tun, das getan zu haben! Doch nur einen Augenblick später wandte sie sich wieder zu Fiona, schließlich ging es hier um ihr Leben und das war weitaus wichtiger als die Anwesenheit dieser grausamen Römerin. Ob Callista nun vor Zorn vollends durchdrehen und sie alle bestrafen würde, war ihr in diesem Moment völlig egal. Eine Bestrafung, gleichgültig welche es sein würde, wäre ihr immer noch lieber als tatenlos zuzusehen, wie ihre Freundin um ihr Leben ringt.

  • Von all dem, was um sie herum geschah, bekam Fiona nichts mit. Röchelnd lag sie da.Sie schien zu glühen. Das Fieber schüttelte sie. Ihr Bewußtsein hatte sie verloren.


    Erst war alles dunkel, dann sah sie ein gleißendes helles Licht, daß sie magisch anzog. Sie ging dem Licht entgegen. Plötzlich war sie wieder am Ufer des Sees. Auf der anderen Seite des Sees sah sie ihre Geschwister und Eltern stehen. Sie winkten ihr zu und riefen etwas . Diesmal konnte sie es genau hören. Geh in die Höhle und spring in den Abgrund. Wie automatisiert, begann sie in den See zu gehen. Das kalte Wasser saugte sich in ihre Schuhe und in ihr Gewand. Wie von Geisterhand befand sie sich plötzlich in der dunklen Höhle. Es war ein Leichtes, den Abgrund zu finden. Denn es war, als leuchtete ein blaues Licht ihr den Weg. Sie stand schließlich am Rand und blickte hinunter in die tosenden Wasser. Sollte sie wirklich springen. Ja, ich will springen! Jetzt!

  • Insurrektion. Sedition. Meuterei. Fassungslos starrt Callista die Sklavinnen an. Sie ist maßlos entgeistert. Verstört. Darum fehlt auch der Zorn in ihr. Eben hält sie noch den Korb in der Hand. Ergötzt sich bis anhin am Anblick der dolorosen Fiona. Im anderen Augenblick wird sie zur Seite gestoßen. Ihr geliebtes Tier wirbelt durch die Luft. Sein Körper liegt zerschmettert auf den hellen Fließen des Bades. Ihre traute Nofritari. Ihre Schöne vom Nil.
    Callistas Mund steht offen.
    Ich träume.
    Nein. Der Schmerz der Glasscherbe ist zu echt, Callista.
    Traun.
    Erst jetzt merkt Callista das winzige Fragment der Phiole in ihrem Fuß. Sie ist selber in eine liegen gebliebene Fiolascherbe getreten.
    "Au."
    Kein Geschrei, kein Gezeter. Callistas Augen füllen sich mit Tränen.
    Es entgleitet ihr. Die Kontrolle. Die Macht. Erst die Auflehnung von Fiona. Die Dreistigkeit. Die Todesverachtung. Und nun rebellieren die anderen Sklavinnen offen gegen sie. Und zu guter Letzt blutet sie am Fuß. Schmerzen kann Callista nicht ertragen. Aber noch mehr nicht die Ohnmacht.


    Nebstdem kommt die Tobsucht. Ihre Lippen erbeben. Sie wischt sich die Tränen von der Wange.
    "Merda."
    Ihre Finger graben sich in Benohé schmale Schultern. Sie stützt sich an ihrer Sklavin ab. Fluchend zieht sich Callista die Scherbe aus dem Fußballen. Indigniert wirf sie ebendie zur Seite. Humpelnd tritt sie auf Aintzane zu. Sie hat keine Peitsche. Darum muss sie sich anders behelfen. Mit der flachen Hand schlägt Callista zu. Ihre scharfen Fingernägel reißen dabei die Haut des Baskin auf.
    "Impertinentes Ding. Habe ich Dir erlaubt, Dich der Sklavin zu nähern?"
    Callista fühlt sich im Nu abermals hilflos. So viel Unverschämtheit ist ihr noch nicht untergekommen.
    Das wird Konsequenzen haben.
    Aber welche? Dein Vater ist zu weichherzig.
    Weichherzig. Wie sie das Wort schon hasste. Weichherzig, schwachherzig, klein, zerbrechlich. Ohne Mut, Kraft- und Saftlos. Gnade. Mildtätigkeit. Voller Erbarmen.
    Das ist ein Wesenszug für die schwachen Menschen.


    Schwer hebt sich die Brust von Callista. Perikulös glühen ihre schwarzen Augen. Mordlust stehen in ihr geschrieben. Und doch ist Callista konfus. Wen soll sie zuerst bestrafen? Aintzane oder Minna? Wenn doch nur ihr Bruder hier wäre. Er würde das für sie nun regeln. Er würde die Sklavinnen dem Tode übereignen. Da ist sich Callista sicher.
    "Zurück."
    Ungehört ist ihre Stimme.
    "Weg von der Sklavin. Oder meint ihr, ich mache meine Drohung nicht wahr?"
    Ihre Stimme schallt laut von den Marmorwänden wieder.
    "Sehnt ihr euch desgleichen nach dem Tod? Wie dieses dumme Ding?"


    Hinter Benohés ausdrucksloser Firnis arbeitet es. Wie kann sie ihre Herrin ablenken? Wie sie aus dem Raum hinaus locken? Kalt ist der Zorn der Callista nicht minder gefährlich. Aber derart hitzig ist er tödlich. Für alle Sklaven in ihrer Umgebung. Geschmeidig gleitet die dunkelhäutige Sklavin an die Tür. Sie sieht durch den schwarzen Spalt.
    "Herrin?"
    Benohé bleibt bei Callista ungehört. Unhold ist all ihre Aufmerksamkeit auf die Sklavinnen gerichtet.

  • Nochmals versuchte Aintzane an Fionas Hand zu saugen, doch es ging nicht mehr. Immerhin hatte sie die Giftreserven, die direkt unterhalb von Fionas Haut festhingen, durch ihr Saugen entfernen koennen. Nochmals spuckte sie den ekeligen Geschmack neben sich aus, als sie Minna sah, die sich neben Fiona hinueberbeugte und ihren Kopf nahm. Sie war erleichtert. Immens erleichtert. Sie hatte Beistand. Sie war keine Aussenseiterin im Widerstand gegen Callista. Ja.
    Die Augen all jener Sklavinnen und der Roemerin, die noch zuvor fassungslos auf das fliegende und am Grund leblos aufpralllende Tier aus der Wueste gestarrt haben, wandten sich nun Aintzane, Minna und Fiona zu.
    Die Roemerin... was wuerde sie bloss tun? Ein leises "Au" liess sie von sich hoeren, gefolgt von einer Serie von leisen, aeusserst undamenhaften Fluechen.
    Das Naechste, was Aintzane spuerte, war die Ohrfeige. Schmerzhaft gruben sich die perfekt zugefeilten langen Fingernaegel der Roemerin in die Haut ihrer linken Wange.
    Sie blickte auf, waerend sie sich selbst mit der linken Hand an ihre Wange griff. Als sie die Hand in ihr Gesichtsfeld fuehrte, sah sie, wie das Blut die Innenflaeche ihrer Hand rot verfaerbt hatte.
    Sie liess die Hand sinken. Oft konnte man Aintzane Widerwillen, Grantigkeit, Agonie oder Trauer ansehen. Doch die Emotion, die aus ihren Augen blitzte, war etwas, was man sonst nur selten bei ihr sehen konnte. Hass. Zurueck, befahl die Roemerin. Aintzane bewegte sich keinen Zoll.
    In diesem Augenblick besann sie sich auf eine alte Freundin. Sie war zwar Roemerin, wie auch Callista, doch sie war hilfreich, auch wenn andere Roemer keinen Wert auf sie legten und ihre Prinzipien missachteten. Es war Iustitia, die Goettin der Gerechtigkeit. Sie wuerde kommen. Frueher oder spaeter. "Drohung? Tod?", wiederholte Aintzane ohne jegliche Gefuehlsaeusserung in ihrer Stimme. "Das ist..." Sie wollte gerade zu einer rebellischen Antwort ansetzen, da schaelte sich auf einmal die Figur der Inderin aus dem Halbdunkeln, in dem sie vorher gewesen war. Sie versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Doch es misslang. Aintzane nickte ihr zu, auf ihrem Gesicht bildete sich eine Andeutung eines gehaessigen Grinsens. "4 zu eins...", murmelte sie leise, unhoerbar, zu sich selbst. Ein paar Sekunden stand sie da.
    Dann entschied sie sich gegen den Aufstand. Es war nicht passend. Ihre Freiheit wuerde noch etwas warten muessen. Doch einmal wuerde es soweit sein.
    "Minna...", meinte sie zur selbigen. "Es tut mir Leid... aber es hat keinen Wert." Langsam trat sie zurueck. Ein Schritt, zwei Schritte, drei und vier. Dann stand sie still und schaute indifferent zum toten Skorpion hinueber.

  • Fest entschlossen zu springen, stand sie am Abgrund. Spring jetzt! pochte es in ihr. Doch plötzlich vernahm sie eine Stimme. Eine Stimme, so kraftvoll, so klar und so gutmütig.
    "Fiona, überlege genau dein Tun! Willst du wirklich springen, Kind?"
    "Ja, ich muß! Sie rufen nach mir." antwortete sie.
    Fiona erblickte eine Art Lichtgestalt neben sich, die so strahlend und prächtig aussah, wie eine Königin. Es war die große Königin Rhiannon, die sie um Einhalt bat.
    "Entscheide genau, Kind. Willst du wirklich springen? Was versprichst du dir davon, wenn du springst?"
    Die Fragen der Göttin verwirrten sie. Was wollte sie sich davon versprechen? Sie wollte endlich Frieden finden! Wollte nicht mehr von den Geistern der Vergangenheit gejagt werden. Das Versprach sie sich davon. Sie wollte endlich dieses häßlich gewordene Leben abstreifen.
    "Ich möchte endlich Ruhe finden!" antwortete sie resigniert.
    "Du enttäuschst mich, Kind! Du bist eine Kämpferin, du kannst nicht einfach so verschwinden! Ich frage dich noch einmal: Was willst du wirklich? Möchtest du wirklich sterben?"
    Die Worte der Göttin erschütterten Fiona. Sie war auf einmal völlig verunsichert. Wollte sie denn wirklich sterben?

  • Erst die Ohrfeige, die Callista Aintzane verpasste, riss sie aus ihrem tranceartigen Zustand. Erschrocken blickte sie hoch. Das Erste, was ihr auffiel war Aintzanes blutende Wange. Schließlich sah sie direkt in die dunklen Augen der Römerin, die vor Zorn zu blitzen schienen. Wie Callista so schrie, verzog sich ihre Miene zu einer grotesken Grimasse. Das also ist ihr wahres Gesicht, dachte Minna. Widerlich! Sie spürte nur Verachtung und Abscheu für diese Tyrannin.


    Sie wollte ihr schon etwas entgegnen, als Aintzane sie plötzlich ansprach. Sollten sie wirklich aufgeben? Zerknirscht blickte Minna die anderen Sklavinnen und schließlich die tobende Römerin an. Schweren Herzens musste sie einsehen, dass Aintzane Recht hatte. Es hatte keinen Sinn. Sie seufzte kaum hörbar. Es war alles so aussichtslos. "Du hast Recht."


    Bevor sie aufstand, fühlte sie noch schnell an Fionas Hals. Ein Glück, sie spürte noch einen Puls, wenn auch nur sehr schwach. Hoffentlich schafft sie es. Nein, sie muss es schaffen! "Fiona, sei stark, verlass mich bitte nicht." murmelte Minna und strich ihr dabei sanft über ihren Kopf. Anschließend erhob sie sich und schritt an Callista vorbei ohne sie eines Blickes zu würdigen. Still stand sie nun neben Aintzane und sah besorgt zu Fiona hinüber. Sie war verzweifelt. Was würde jetzt nur passieren?

  • Fiona lag immer noch auf dem Boden. Minna und Aintzane hatten sich zurückgezogen, was der Situation auch angepaßt war.
    Es schien, als ob ihr zitternder Körper sich langsam beruhigen würde. Auch ihr Atem wurde wieder gleichmäßiger und ruhiger. Doch die Bewußlosigkeit hielt weiter an. War dies ein Anzeichen dafür, daß sie den Stich überleben würde oder war es für sie nun an der Zeit hinüber zu gehen, nach Inys Affallach?


    Will ich wirklich sterben? Warum will ich nicht mehr kämpfen? Warum sollte ich nicht mehr der Ungerechtigkeit trotzen? Und plötzlich spürte sie wieder ihre innere Kraft. Ein Energiequell, der neu zu sprudeln begann.
    Sie sah die Göttin an und sprach voller Überzeugung. "Ich will leben! Ich will kämpfen! Bitte schick mich wieder zurück!"
    Die Göttin lächelte ihr zu und hüllte sie in ein helles Licht.

  • Ein verborgenes Geplänkel. Ein unsichtbares Messen. Das vollzieht sich zwischen ihr und den beiden Sklavinnen. Callistas schwarze Augen bohren sich in die der aufmüpfigen Baskin. Stälern ist nun die Spiegelung der Callista. Renitenz kann sie nicht dulden. Unbotmäßigkeit muss im Keim erstickt werden.
    Ein Römer ist ein Stein im Meer von Kieseln. Ein Funkelnder. Ein Glänzender. Er herrscht über den Übrigen. Ihre Masse kann ihn leichthin erdrücken. Im Sturme der Flut verdecken.
    Einer einzelnen Rose in einem Hain gleicht die römische Herrschergewalt. Der Römer ist der Gärtner. Ohne drakonische Sanktionen schwindet die Zucht. Das Unkraut wuchert über den schönen Garten und erstickt die Ordnung. Das Gefüge der Welt zerbricht.
    Was ist Callista schon? Die Sklavinnen hätten sie mit Leichtigkeit überwältigen können. Ihr Leben entreißen. Ihre Macht berauben. Jedennoch beruht ihr Regiment auf der Konsequenz von Repressalien. Indessen ist das Nämliche nur ein silbener Faden der Gewalt. Fein und filigran. Dünn und dürftig.
    Callista strahlt hinwieder Gewissheit aus. Tötet ihr mich. Greift ihr mich an, so wird es euch übel bekommen.
    Wellen der Erregung pulsieren durch Callistas Adern. Es ist die Spannung zwischen Leben und Tod. Ihrem Eigenen oder dem der Sklaven. Es enttäuscht Callista darnach sehr wohl. Die Sklavinnen geben auf. Das Ringen ist beendet.


    Eine unmerkliche Spannung fällt von Callista ab. Emotionslose Unlust bleibt zurück. Eine distanzierte Ernüchterung gebietet über Callista. So hurtig der Jähzorn in Callista aufgeflammt ist, so schnell ist er liquidiert. Abgeklärt und gleichmütig sieht Callista auf Fiona hinab.
    Feine Schweißperlen glänzen auf ihrer Stirn. Die Agonie scheint zu schwinden. Callista betrachtet sie in extenso.


    "Meine Benohé, reiche mir das Tuch."
    Es raschelt leise. Sie spürt den Stoff an ihren Fingern. Barfuß tritt Callista über Fiona hinweg. Geschwind öffnet Benohé die Tür vor Callista. Mit dem Tuch um ihren Leib geschlungen dreht sich Callista um. Leidenschaftslos richtet Callista ihre Augen auf Minna und Aintzane.
    Mut und Bravheit zeichnet sie aus.
    Aber ihre Impertinenz und Emeute musst Du ihnen noch austreiben, Callista.
    Traun. Aber eventual sind sie noch gedeihlich.
    "Kümmere Dich darum, meine Benohé."
    Indolent deutet Callista auf Fiona.
    "Und danach erwarte ich Dich bei mir."
    Alsbald schreitet Callista aus dem Bad hinaus. Die Dunkelheit des Ganges frisst ihre knabenhafte Gestalt auf. Stille. Ein Wassertropfen verirrt sich auf den Marmorboden. Blut auf hellem Grund. Ein toter Skorpion. Eine mit dem Tode ringende Sklavin.


    Verhaltenen nähert sich Benohé der keltischen Sklavin. Sie kniet neben dem Körper hernieder. Ihre schlanken Finger umgreifen das Handgelenk. Ebenso prüft sie die Augen der Sklavin. Ihre Lippen schürzen sich bedenklich. Benohé vertut keine Zeit mit Vorwürfen. Oder Gesprächen. Das ist nicht der Zeitpunkt dafür. Zudem die Wunden noch zu frisch. Ob am Körper oder der Seele.
    "Geht mir zur Hand. Wir müssen sie andernorts bringen. Wo ist das Obdach der Sklavinnen?"
    Stoisch ist das Gepräge von Benohé. Nicht involviert. Anteillos. Als ob sie selber keine Sklavin ist. Der dasselbe Schicksal ereilen könnte. Benohé hat jedoch bereits zu viele unselige solcherlei Posteriora erlebt. Wenig vermag sie zu tangieren.

  • Fionas Körper glühte noch immer. Das Fieber hatte sie fest im Griff. Doch langsam, unaufhörlich versuchte ihr Bewußtsein wieder die Außenwelt zu erklimmen. Stöhnend bewegte sie den Kopf hin und her und murmelte etwas dabei. Sie spürte die Berührung der indischen Sklavin. Doch sehen konnte sie sie nicht. Ihre Augen waren noch nicht bereit, daß neugeschenkte Leben zu begutachten.
    Langsam, unmerklich wurde ihrer Sprache deutlicher. Schwach und zittrig waren ihre Worte. Doch in ihrem Fieberwahn wiederholte sie sie immer wieder und wieder.
    "Ich will leben! Ich will leben!"
    Dann endlich war es soweit! Sie schlug ihre Augen auf. Geblendet vom Licht, verengten sich ihre Augen und sie erblickte Benohé, die immer noch über sie gebeugt, an der gleichen Stelle verharrte. Es bereitete Fiona große Schwierigkeit, das auszudrücken, was sie bei ihrem Anblick empfand. Es war kein Haß oder dergleichen. Sie hatte sogar großes Mitleid mit der Inderin. Doch sie würde niemals verstehen können, wie ein menschliches Wesen sich so erniedrigen konnte. Ihre Lippen versuchten einige Worte zu formen, die sie Benohé mitteilen wollte.
    "Das Geschenk deiner Herrin war nur Lug und Trug! Es hat mich nicht getötet. Nein, es hat mich nur stärker gemacht! Sag ihr das!"
    Dann sah sie sich um, und sah in die völlig fassungslosen Gesichter ihrer Freundinnen.

  • Als Aintzane ihre Schritte rückwärts machte, merkte sie, wie die Spannung im Raum nachließ. War es Zeit zum Aufatmen? Ein Luftzug neben ihr machte sie darauf aufmerksam, dass auch Minna zurückgetreten war und sich nun neben Aintzane aufgestellt hatte. Minna murmelte undeutliche Worte, aus denen man ein paar Fetzen erraten konnte. Verlasse uns nicht. Ja, Minna hatte recht. Sie riss sich vom Anblick des ekeligen Viehs weg und sah zu Fiona, die noch immer am Boden lag, und dann zu Callista.
    Sie ging. Es war kein Spukgebilde, sondern Wahrhaftigkeit. Die Römerin wandte sich unwirsch um und verschwand aus dem Zimmer. Doch Aintzane konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das ganze hier noch ein Nachspiel haben würde. Es war immer so.
    Die erste, die sich aus ihrer Starre riss und zu Fiona hinging, war weder Aintzane noch Minna, sondern Benohé. Leichtfüßig, als ob sie das ganze nichts angehen würde, stackste sie zu Fiona hin und versuchte vergebens, sie hochzuheben. Aintzane hörte ihren Worten zu. Zur Hand gehen, und wo das Obdach der Sklavinnen sei. Erst diese Worte bewegten Aintzane dazu, ebenfalls vorsichtig zu Fiona hinzugehen und sich über sie zu beugen.
    Da bemerkte sie einen Laut. Leben? Hatte Fiona gerade gesagt, dass sie leben wollte? "Fiona!", rief Aintzane.
    Die nächsten Worte erschütterten sie und machten sie fassungslos. Fiona ließ sich nicht unterkriegen. Ein Bekenntnis zum Leben. Einem schönen Leben, dass ein Skorpion beinahe genommen hätte.
    Aintzane blickte auf ihre Arme. Sie spürte, wie ihre Hände zitterten, vor lauter unterdrücktem Zorn.
    Sie fand ein Ventil. Mit langen Schritten ging sie zum Skorpion, der noch immer am Boden lag, und nahm ihn auf.
    "Oh ezezko! Kabroi hori!", schrie sie und warf das Biest an die Wand. "Madarikatu da!"*
    Dann wandte sie sich weg und atmete tief durch, bis sie sich wieder weniger verkrampft fühlte. Anschließend meinte sie zu Benohé: "Das Sklavenquartier. Wir müssen sie dorthin bringen. Minna, fasst du auch mit an?", fragte sie die selbige.


    Sim-Off:

    *"Oh nein! Du Bastard! Sei verdammt!"

  • [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/benohfertig66fgif.gif]


    Pro die arbeitet Benohé an ihrem fein gliedrigen Körper. Stark ist sie. Aber nicht kräftig genug, eine Frau alleine durch die Flure zu tragen. Unbeweglich bemerkt sie das Erwachen der Fiona. Freut sie sich darüber, so offeriert sie es nicht. Derart timonisch wie Callista ist Benohé nicht. Oder womöglich doch? Hilft sie nur, weil Callista es ihr befohlen hat?
    Einer Satisfaktion kann sich Benohé nicht erwehren. Das degoutante Scheusal gegen die Wand geschmettert zu sehen. O, wie Benohé diese Tiere hasst. Und quotidian muss sie sich um all diese kümmern. Ihre Herrin genießt es sogar. Delektiert sich an ihrer Angst. Am Schlimmsten ist die große Spinne. Benohé ekelt sich vor ihr. Gleichermaßen sie sich graust.
    Fremd klingen die Worte der Baskin. Indes wartet Benohé bis sie ihr behilflich ist. Schlüpft dabei in das hauchzarte Gewand. Zusammen heben sie Fiona hoch.
    "Bitte öffne uns die Tür, Minna."
    Langmütig lächelt Benohé. Sie trägt die Tranquilität in sich, die ihre Herrin nicht besitzt. Später als ihre Herrin tritt Benohé in den Gang der claudischen Villa. Düster glimmen die Öllampen. Beschatten die Wände. Fresken starren wie nächtliche Laren den Sklavinnen entgegen. Benohé weiß nicht, wo die Sklavenunterkunft ist. Sie überlässt Aintzane und Minna die Führung in der Villa.









    SKLAVE - CLAUDIA CALLISTA

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