Festtag der Fides Publica

  • Wie jedes Jahr wurde auch diesmal das Fest zu Ehren der Fides publica populi Romani statt. Bereits im Vorfeld war bekannt geworden, dass es in diesem Jahr besonders ausgiebig gefeiert werden würde, da der Imperator Caesar Augustus im fernen Parthia weilte, weshalb er besonders auf die Treue seiner Anhänger angewiesen war.


    So wartete um die Mittagszeit der zweispännige Karren, der mit einer blütenweißen Plane bedeckt und reichlich mit Blumenschmuck verziert war, vor dem Flaminia Domus, in dem der Flamen Dialis zu residieren pflegte. Gemeinsam mit den übrigen Flamines Maiores wartete der Vertreter des Iuppiter bereits im Hof, noch immer sichtlich von seiner Krankheit geschlagen und von einem Sklaven gestützt. Sein Gesicht schien beinahe so weiß wie die seiner ledernen Kopfbedeckung zu haben und auch die Flaminca hatte einen besorgten Blick aufgesetzt.


    Als der Wagen zum Halten kam, eilten gleich vier Diener heran, die den alten und kranken Flamen in das Gefährt hievten, wo man extra den Sella Curulis aufgestellt hatte. Die beiden anderen Flamines stiegen ebenfalls zu, konnten die Fahrt jedoch wie gewohnt stehend absolvieren. Dennoch tauschten sie besorgte Blicke aus. Kaum war die Plane heruntergelassen, reihte der Kutscher den Karren in die Festprozession ein, die bereits seit Tagen vorbereitet worden war.

  • Während der Wagen noch im Flaminia Domus stand, war Durus nach seinem eigenen Opfer bereits zum Capitolium aufgebrochen. In seiner Sänfte kämpfte er sich durch die Mengen an ärmeren Bürgern, die darauf hofften, an diesem Tag mit etwas Brot beschenkt zu werden.


    Der Tiberier hingegen entstieg auf dem Berg der Sänfte und ließ sich von seinen Sklaven einen Weg nach vorn bahnen. Dort in den vordersten Reihen blieb er stehen und sah sich nach Bekannten um.

  • Der Aufweg vom Forum zum Kapitol war gesäumt von Zuschauern, als die Prozession vom Flaminia Domus in einem sich eher schlängelndem Weg hinauf zum Tempel der Fides in Sicht kam. An der Spitze der Prozession gingen Weihrauch schwenkende Opferdiener, kräftige Staatssklaven, die Kultbilder der Fides – wie üblich ausgestattet mit einem Füllhorn, und einem Fruchtkorb - , des Iuppiter und anderer mit der Göttin assoziierter Gottheiten trugen. Besonders bemerkenswert war der Genius Augusti, der die Züge des Iulianus trug und direkt von der Dea Roma gefolgt wurde, was garantiert kein Zufall war. Darauf folgten Blumenmädchen, die Blüten des Spätsommers auf den Boden fallen ließen.
    Dann kam der zweispännige Wagen, der von zwei prächtigen Schimmeln gezogen wurde. Zwar konnten die Zuschauer nicht in den Wagen blicken – um zu verhindern, dass die Flamines auf ihrem Weg Arbeit sahen oder der Flamen Dialis mit Gegenständen oder Tieren konfrontiert wurde, die ihm verboten waren. Zusätzlich hatte es in diesem Jahr den Vorteil, dass niemand sah, wie krank der kahlköpfige Flamen aussah.
    Dem Wagen folgten weitere Wägen, die Brot und Süßigkeiten in die Menge warfen, um auch das gemeine Volk in Feierlaune zu versetzen.


    Auf dem Kapitol angekommen, hielt der Wagen kurz vor dem Tempel, wo der obligatorische Sichtschutz aus stark gebleichten Tüchern errichtet worden war. Wieder mussten mehrere Diener herbeieilen um den hustenden Flamen Dialis aus dem Wagen zu bekommen und gestützt auf seinen Liktor wartete er auf den Fortgang der Kulthandlungen.
    Schnell erschien seine Frau, die am Ende der Prozession gefolgt war. Eine Dienerin reichte ihr das Tuch, mit dem die Schwurhand des Priesters verdeckt wurde. Ebenso verfuhren Diener mit den rechten Händen der übrigen beiden Flamines. Als alle bereit waren, traten sie vor zum Opferaltar. Dieses Jahr ging es besonders langsam, da der Flamen Dialis, auf einen Stock gestützt, nur kleine Schritte gehen konnte. Schließlich richtete er sich jedoch auf und erhob wie die anderen beiden die verhüllte Hand.


    Es folgte die Verkündigung der Treue des römischen Volkes, wobei jedoch fast nur der Flamen Martialis und der Flamen Quirinalis zu hören waren.


    Nun wurde die Kultstatue der Göttin aus dem Tempel heraus zum Vorplatz getragen. Wie immer war sie reich mit Blumen geschmückt und ihr Anstrich schien frischer denn je. Zuerst bot der Flamen Dialis mit einer schwachen Handbewegung Weihrauch, anschließend übernahmen die beiden anderen die Opferung des rituellen Kuchens, verschiedener Früchte und Süßspeisen.


    Der Flamen Quirinalis übernahm dieses Mal die rituellen Worte, die jedes Jahr erklangen:


    „Fides Publica Populi Romani erweise uns die Gunst deiner Aufmerksamkeit, dies ist dein Tag und wir wollen nicht eher ruhen, bis der letzte Erdenbewohner dir die Treue geschworen hat.“


    Die Verträge des letzten Jahres waren kaum der Rede wert – zu friedlich war es im Imperium zugegangen. Einzig wenige Vereinbarungen mit verschiedenen dakischen Stämmen konnten auf dem Altar vorgelegt werden.


    „Fides erhöre unsere Worte und steige herab, um mit uns zu speisen. Der Tisch ist gedeckt und wir geben uns in vollster Demut deinem Urteil hin.“


    Ein Opferdiener goss nun einen edlen Tropfen Falerner-Wein in den foculus und auch ein Tropfen brennbarer Flüssigkeit wurde daruntergemogelt. Daraufhin konnte der Flamen Dialis mit schwacher Stimme beginnen, das Opfergebet zu murmeln, sodass es kaum für die anderen beiden hörbar war – glücklicherweise war Fides eine Göttin und sicher nicht schwerhörig! Schließlich fingen die Gaben Feuer und ein Geruchs-Gemisch aus Weihrauch, verbrannten Speisen und wohlriechender Öle hob sich zum Himmel. Das bisher eher unscheinbare Geräusch der zahlreichen Instrumente schwoll nun an, sodass niemand das Husten des Flamen hören konnte.

  • Dem verdeckten Wagen gleich schoben sich zarte Schlieren hauchdünner Wolkenfetzen über den blaufarbenen Himmel Roms und zogen über die Menge der Menschen hinweg, welche sich auf dem mons Capitolinus hatte versammelt, um der Gabe an die uralte, weißhaarige fides beizuwohnen. Mochte ihre Schwester spes oftmals trügerisch sein, so war der gute Glaube doch eine gutmütige, beständige Frau, über alle Zeitalter erhalten und älter noch als der Göttervater Iuppiter selbst. Dieser Tage nun waren guter Glaube und Treue unabdingbar, schon hatte die imperiale Zeitung über Feindeskontakt im parthischen Reich berichtet, schon bangten Familien um ihre Angehörigen, welche sich als Soldaten bei den Legiones verdingten, und nicht zuletzt ruhte aller besorgter Blick auf dem Imperator Caesar Augustus, welcher selbst mit in den Krieg gezogen war, und dessen halb göttliches Wohl stellvertretend für das gesamte Imperium Romanum stand. Zudem war nichts hoffnungsvoller als der gute Glaube, die römische Streitmacht könnte noch vor Ende der Kriegszeit im späten Oktober den Feldzug für sich entscheiden, denn würde sie erst einmal den Winter über ausharren müssen, so war der Krieg um ein halbes Jahr verzögert, ohne dass auch nur eine entscheidende Schlacht würde geschlagen werden. Für Gracchus selbst war sowohl Hoffnung als auch guter Glaube längst verloren, doch bedingte sein privater Defätismus nicht die Abkehr von fides gegenüber dem Staate, weshalb auch er inmitten der Menschenmenge stand, um dem Opfer zu harren, welches vor dem kleinen Tempel nahe des tarpeischen Felsens seinen Lauf nahm.

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  • Prekär ist es. Muss Callista sich schon zu Fuß unter die Menge mischen, so sind zudem alle auch noch größer als sie. Die Menschen jubeln. Sie lachen. Es ist ein Feiertag. Nur Callista sieht nichts. Aber auch ihr kleiner Nero nicht. Seitdem sie die Sänfte verlassen haben, hängt er an ihrer Hand. Aufmerksam mustert er die Menschen um sich. Stetsfort weicht er einem Römer aus. Der ihn nicht sieht.
    "Mater, müssen wir uns das ansehen?"
    Weltentrückt tätschelt Callista den dunklen Schopf ihres Sonnes.
    "Ohne Zweifel, Nero. Wir sind Römer. Römer huldigen ihren Göttern. Das hebt uns von den Barbaren ab. Wie alles andere Zivilisierte auch."
    Sie reckt sich. Immer noch kann sie nichts erheischen. Apodiktisch winkt sie ihren Leibwächtern zu. Rüde drängen sich die Männer durch die Menge. Sie bahnen Callista einen Weg. Empörte Rufe begleiten Callistas Schreiten. Es stört sie nicht. Sie ist immerhin eine Claudia.
    "Nein, Nero. Ein Patrizier hebt nichts vom Boden auf."
    Enttäuscht lässt Nero die Süßigkeit fallen. Sie ist in einem hohen Bogen vor seinen Füßen gelandet. Fangen kann der Junge nicht. Wie er auch stets das Werfen von Bällen nicht meistert. Mit langem Gesicht trottet er an der Seite seiner Mutter entlang.


    Dann ist kein Weiterkommen.
    "Was passiert dort?"
    Callista späht zwischen Lücken hindurch. An Menschen vorbei. Vergeblich. Sie ist nur ein Tropfen im römischen Ozean der Menschen. Schweigend erwidern die Sklaven ihre Frage. Wie sollen sie auch antworten? Sie können es nicht. Stumm wie sie sind.
    "Meine Benohé?"
    Quängelnd ist Callistas Tonfall. Sie möchte doch auch sehen, was die Priester tun.
    "Nimmst Du etwas gewahr von dem Geschehen?"
    Größer als Callista ist Benohé gewachsen. Über einen dicken Mann kann sie hinweg sehen.
    "Herrin, es ist der Flamen zu sehen. Sein Eheweib ebenso. Zudem Diener und die Statue der Göttin. Und sie beginnen mit dem Opfer."
    Enttäuscht erbebt Callistas Unterlippe.
    "Ist sie schön? Die Statue."
    Bejahend ist Benohés Deuten.
    "Wunderschön, Herrin. Möchtest Du auf den Rücken eines Sklaven steigen?"

  • Flankiert von einigen Klienten und Sklaven stand ich in der Menschenmenge und wohnte dem Opfer bei. Die obligatorischen Soldaten, die ich inzwischen kaum mehr bemerkte, kamen mir nun nützlich vor, da sie den kleinen Bereich, in welchem ich stand, von allzu drängelnden Leuten abschirmten Obwohl ich als gläubiger Römer ohnehin hierher gekommen wäre, so war es als Magistrat Roms doch gleichsam meine Pflicht, einem solch wichtigen religiösen Ereignis beizuwohnen. Um die Gesundheit des flamen dialis schien es nicht allzu gut bestellt zu sein. Bestürzte Gesichter blickten ihn aus der Menge um mich herum an, und auch ich verfolgte mit Betroffenheit, wie der Oberste Diener des göttlichen Iuppiter sich hustend auf seinen Stock stützte und doch kaum vorwärts kam.


    Während der flamen die Opferriten mühevoll und so gut wie nicht hörbar zu zelebrieren begann, ließ ich mich durch ein Gespräch zu meiner Linken leicht ablenken. Die zarte Stimme einer Dame, welche nichts sehen konnte, erkundigte sich nach den Ereignissen. Es schien eine Dame aus gutem Hause zu sein, das verrieten sowohl ihre Worte als auch ihre Aufmachung. Ich deutete Naavi, die Dame samt des Knaben einzuladen, die Vorzüge einer Begleitung durch Soldaten der cohortes urbanae mit mir zu genießen. Der Ägypter verneigte sich vor mir und begab sich zu der dunkelhaarigen Frau, um ihr meine Worte auszurichten. "Edle domina! Vergib einem unwürdigen Fklaven feine flichten Worte. Doch mein Herr, der ehrenwerte magiftratuff Marcuff Aureliuff Corvinuff, läd dich ein, mit ihm dem Fpektakel beifuwohnen. Für Ficherheit und gute Ficht ift Gleichermafen geforgt, domina", lispelte der Ägypter und verbeugte sich tief.

  • Trotz ihrer kleinen Größe hatte Lucilla noch nie Schwierigkeiten gehabt, irgendwo irgendwas zu sehen. Ihre energische Persönlichkeit sorgt schon dafür, dass große Männer vor ihr weichen - gut, meist sind es die spitzen Worte, die sie in ihrem Rücken verliert, beispielsweise über die Unverschämtheit der römischen Größe, die nicht einmal vor den Damen des Reiches Platz macht - und dass große Frauen sich lieber einen anderen Platz suchen - auch hier wirkt ein bedacht gewähltes Wort über peinliche Farbkombinationen, gewagte Frisurmoden oder die Unmöglichkeit von alten Sandalen Wunder. Lucilla steht deswegen auch an diesem Tag ziemlich weit vorne, Sklaven hat sie natürlich auch dabei, aber wer kann schon erwarten, dass ein Sklave wie Brosi ihr den Weg frei kämpft? Nein, nein, das wäre reine Verschwendung, am Ende bekäme er noch blaue Flecken oder bricht sich einen Fingernagel ab!


    Der Flamen Dialis vorne am Opferaltar sieht gar nicht gut aus. Das fällt Lucilla natürlich als erstes auf, denn viel mehr als ein Auge für das Gelingen eines Opfers hat sie natürlich ein Auge für äußere Erscheinung. Dann aber steigt doch der Rauch auf und lässt sowieso alle Flamines hinter seinen Dunst verwischen. So weit, so gut.
    "Hoffentlich geht das gut," flüstert sie zu Ambrosius. "Man stelle sich vor, das Opfer an Fides misslingt während der Kaiser in Parthia ist. Du meine Güte, das gäbe einen Volksaufstand! Da müssten wir glatt eine Sonderausgabe ..." Sie stockt nachdenklich. "Mhm ... nein, das wäre kein guter Tausch." Schweigend - zumindest für den Moment - wendet sich Lucilla wieder dem Opfer zu.

  • Für einen römischen Senator gehörte der Festtag der Fides Publica wohl zum Pflichtprogramm, erst Recht wenn der Kaiser abwesend war und daher vielleicht etwas mehr als üblich auf die Senatoren geachtet wurde. Macer wäre aber wahrscheinlich auch dann gekommen, wenn niemand hingeschaut hätte, denn er war lange genug Soldat und Offizier gewesen, um eine besondere Einstellung zur Treue zu haben. Nicht zuletzt, weil die Legio I die Treue sogar im Namen trug. Dementsprechend trug er zur üblichen Toga auch wieder einmal seine alten Soldatenstiefel, die ihm auch ganz praktische treue Dienste geleistet hatten. Mit Treueschwüren kannte er sich aus dieser Zeit auch noch bestens aus, hatte er doch mehr als einmal seinen Einheiten den Treueeid auf den Kaiser abgenommen und ihn auch selber mehrfach abgelegt. Trotz aller angemessenen Würde der Zeremonie, die für das römische Volk sicher bedeutsam war, nahm er daher mit einer gewissen Gelassenheit an der Veranstaltung teil und plauderte noch mit den umstehenden Zuschauern, bevor das Opfer begann und alle zum Schweigen aufgerufen waren.

  • Mit einiger Verspätung hatte auch ich mich auf den Weg gemacht, um mit unzähligen anderen Römerinnen und Römern den Festtag der Fides Publica zu begehen. Das war in diesen Kriegszeiten eine selbstverständliche Pflicht, kam aber auch meinen persönlichen Präferenzen für die alten römischen Tugenden mehr als nur entgegen. Einmal als Kind hatte ich dem Opfer bereits hier in Roma beigewohnt, doch vermochte ich mich tatsächlich nur noch an das Opfer selbst zu erinnern, nicht aber an die Begleitumstände. Daher war ich mir nicht mehr sicher, ob auch damals so viele Menschen sich längs des Prozessionsweges gedrängt hatten, oder ob es die Angst um angehörige Soldaten in Parthia und die ersten Totenlisten von dorther waren, welche die Acta Diurna abgedruckt hatte, die die Menschen am heutigen Tag in diesen Scharen hatten zusammenströmen lassen.


    In einiger Entfernung von mir konnte ich Marcus inmitten seiner Klienten erblicken. Er hatte sich ein wenig früher als ich zum Opfer begeben; mir fehlte manchmal ein wenig der Schwung, seit meine Mutter so unvermutet in der villa Aurelia in Roma aufgetaucht war. Was Marcus anging, so war es mir, als wende er sich bereits wieder einer attraktiven Frau zu, die noch dazu, wenn mich nicht alles täuschte - genau sehen konnte ich es nicht - eine Patrizierin war. Ansonsten konnte ich in der Menschenmenge kein bekanntes Gesicht erkennen, obwohl mir kurzzeitig so war, als hätte ich ausgerechnet die kleine Person der Decima Lucilla ausgemacht. Die musste auch überall dabei sein - doch war ich mir auch nicht sicher, und wahrscheinlich spielte mir hier meine Phantasie einen Streich.


    Dies alles waren jedoch Nebensächlichkeiten, und sobald das Opfer begann, versenkte auch ich mich in Andacht. Allerdings entging mir nicht, wie hinfällig der Flamen Dialis war. Hoffentlich war es ihm dennoch gelungen, das Opfer in Vollkommenheit zu vollziehen, derweil die Legionen gegen die Parther standen.

  • Einer ihrer Sklaven macht Anstalten auf die Kniee zu gehen. Damit Callista auf seinen Rücken steigen kann. Derartige Demutsbezeugungen zu erweisen sind ihre Sklaven gewöhnt. Und viel wiegen tut Callista hinwieder nicht. Ebenso schickt sich Nero bereits an den Rücken des Sklaven zu besteigen. Indessen gefällt das Callista nicht. Das ist ihr zu blamabel.
    "Nein."
    Scharf schneidet ihre Stimme durch die Luft. Der Sklave zuckt unmerklich zusammen. Jeddenoch gehorcht er. Raffinessen und Schlachtpläne werden entwickelt. Damit auch Callista noch das Opfer bestaunen kann.
    "Mater, ich will nach Hause. Bitte."
    Flehentlich sieht ihr Sohn Callista an. Gestreng blickt Callista zu ihm hinab.
    "Hör auf zu quengeln, Nero. Du weißt. Ich bekomme davon nur Kopfschmerzen."
    Simultan streichelt sie über seine blasse Wange. Seine Augen wenden sich ab. Umschattet sind seine Augenhöhlen. Der kleine Nero fühlt sich heute wieder nicht gut. Und das Gros der Menschen verstört ihn.


    "Herrin?"
    Mit ihren tiefen und satten braunen Augen macht Benohé ihre Herrin auf den Sklaven aufmerksam.
    Perplex lauscht Callista seinen Worten. Zumindest versucht sie es.
    "Was für eine Sprache spricht er?"
    Als ob der Sklave nicht anwesend wäre. Aber ein Sklave ist in Callistas Augen nur ein Ding.
    "Latein, Herrin. Aber er lispelt."
    Callistas schönes Gesicht verzieht sich angewidert. Ein solcher Makel an einem Sklaven findet sie abscheulich. Sie hätte ihm längstens die Zunge raus schneiden lassen. Wenn es ihr Sklave wäre. Wie ein widerliches Insekt wird der Sklave gemustert. Abfällig begutachtet. Wenigstens ist sein Äußeres ansprechend.
    Abominabel.
    Womöglich hat sein Herr zu sehr gefallen an ihm gefunden, Callista.
    Denn die Prozedur einem Sklaven die Stimme zu nehmen ist nicht ohne Risiko. Viele sterben dabei. Das ist Callista bewusst.


    "Und was will er?"
    Benohés Lippen wölben sich zu einem spöttischen Lächeln. Ihre Herrin sieht das nicht. Benohé steht hinter Callista.
    "Sein Herr, Magistratus Aurelius Corvinus, lädt Dich ein, seine Bekanntschaft zu machen. Zudem so die Festivität besser zu beobachten. Er scheint eine gute Sicht zu haben."
    Der lispelnde Sklave ist vergessen. Ein freudiges Lächeln huscht über ihr Gesicht. Magistratus und Aurelius. Womöglich am Ende aus dem patrizischen Zweig. Geschenke und Schmeicheleien locken. Da kann Callista natürlich nicht widerstehen.
    "Sage dem Sklaven, meine Benohé, folgendes."
    Callista bemerkt auch das süffisante Lächeln hinter ihrem Rücken nicht. Scheinbar erwartet Callista eine Übersetzung in ein von Lispeln geprägtes Latein.
    "Claudia Callista wird der Einladung des geschätzten Magistratus Aurelius mit Pläsier nachkommen. Und so gehe er. Wir werden folgen."
    Benohé sieht mit würdevollem Ernst zu dem Sklaven.
    "Meine Herrin, Claudia Callista, lässt ausrichten. Sie wird der Einladung des geschätzten Magistratus Aurelius mit Pläsier nachkommen. So gehe hin fort. Meine Herrin und ihr Tross werden sogleich folgen."


    Callista nickt erfüllt. Sich durch die Haare zu streichen ist unter ihrer Würde. Auch an ihrer Frisur noch einmal herum zu zupfen.
    "Bin ich schön genug, meine Benohé?"
    Kein Zögern. Kein Zaudern von ihrer Sklavin.
    "Makellos, Herrin. Bezaubernd."
    Benohé würde das immer sagen. Selbst jetzt. Denn die Blässe ziert unpässlich die sonst goldbeigen Wangen der Callista. Die Mondtropfen verzehren immer mehr die kleine Patrizierin.
    Mit den Leibwächtern und ihren Sklaven nähert sich Callista dem Magistratus. Ihre weinrote Stola raschelt leise. Ihre Goldohrringe klimpern. Der zahlreiche Schmuck an ihrem zarten Körper funkelt im Licht.
    Callista schenkt Corvinus ein strahlendes Lächeln.
    "Magistratus Aurelius. Voll der Frohmut mache ich Deine Bekanntschaft. Das ist mein Sohn, Nero Fabius Damio."
    Für was er wohl Magistratus ist? Das kann immerhin viel heißen. Für einen Consul sieht er zu jung aus. Schön. Aber zu unerfahren. Ein Aedil womöglich? Prätor gewiss nicht. Sie sieht keine Liktoren.

  • An diesem herrlichen Tag begab sich Stella mit ihrer Freundin Darya zu dem großen Fest der Fides Publica.
    Stellas zwei Sklaven begleiteten, wie immer, die beiden Frauen. Als sie den Kapitol erreichten, stellten sie sich
    in die Reihe der Zuschauer und beobachteten den zweispännigen, geschlossenen Wagen, der von zwei prachtvollen
    Pferden zum Heiligtum der Fides gezogen wurde. Kurz vor dem Tempel blieb die ganze Prozession stehen...
    Stella und ihre Begleiterin verfolgten nun gespannt das Geschehnis.

  • Kaum anders zu erwarten, war das Opfer geglückt, denn trotz seiner gebeugten Haltung war der Flamen Dialis noch immer einer der mächtigsten Männer des Imperium. Mochte ein Legatus seine Legionen befehligen, mochte der Praefectus Urbi die Truppen der Stadt koordinieren, mochte ein Praefectus Praetorio seine Skorpione in jedes Nest setzen können, doch die Flamines und der Rex Sacrorum konnten das Volk ins Verderben reißen, konnten durch einen Wink Panik ausbrechen lassen oder sie zum Versiegen bringen, konnten Aufruhr auslösen oder beschwichtigen. Mochten all jene gut gestellten Bürger um Gracchus herum ob der Farce der Pontifices wissen, das Volk war es, welches noch immer am zahlreichsten war und das Volk war es, welches im Zweifelsfall in Scharen gutgläubig zu lenken war, denn gegen die Götter konnten auch die Mächtigen sich nicht stellen. An diesem Tage war das Volk besänftigt ob seiner Furcht vor den Auswirkungen des parthischen Krieges und nicht mehr zählte. Gracchus wandte sich um, um in der Menge der Menschen nach einem geeigneten Gesprächspartner ausschau zu halten, kaum etwas eignete sich mehr für zwanglose Plauderei mit tiefgehenden Absichten denn das Forum Romanum oder ein Festtag. Als er an einer kleinen Traube vorbei trat, welche zwei vornehme Personen umringte, als sein Blick für einen Herzschlag lang zwischen den Schultern der Sklaven hindurch ihr Gesicht streifte, flackerte für einem marginalen Moment subliminales Erkennen in seinen Augen auf, es schien ihm tief in sich, als müsse er sich erinnern, als würde er sie kennen, sie zuordnen können müssen. Doch mit dem nächsten Schritt war er an ihr vorbei, die leise Reminiszenz war verblüht und nichts mehr wies darauf hin, dass der Augenblick in Unkenntnis war vergangen.

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  • Lucilla blickt sich mit einem fröhlichen Lächeln auf dem Gesicht um. Der zeremonielle Teil ist abgeschlossen, die Feier kann beginnen. Sie will gerade Ambrosius zu seinem Glück gratulieren, weil sie nämlich durch den guten Opferausgang in Spendierlaune ist, da bleibt ihr Blick entsetzt an einem Mann hängen, der sich durch die Menge schiebt. Lucillas Mund öffnet sich erstaunt und bleibt so stehen, auch ihre Augen weiten sich. Sie sieht beinahe aus als hätte sie eine Kuh verschluckt. Keine drei Schritt ist er an ihr vorbei gegangen ohne sie zu bemerken! Es dauert nur Sekunden bis Lucilla ihren Mund zuklappt und Ambrosius energisch an der Schulter mit sich zieht.


    Es ist einfach unglaublich! Er erdreistet sich dazu mitten in der Öffentlichkeit, mitten in Rom herum zu stolzieren! Aber diese Stadt ist ihr Gewässer und sie würde sie bis zum Letzten verteidigen, Fluch hin oder her! Er soll nur wagen, sich mit ihr zu messen, sie würde persönlich den mundus auf dem Palatin öffnen und ihm die ganze Unterwelt auf den Hals hetzen! Oder eben einfach die Stadtwache, auch wenn das lange nicht so spektakulär ist.


    Lucilla schlägt eilig einen Haken und schneidet Flavius Gracchus den Weg ab. Mühelos schiebt sie einen Sklaven vor ihm fort, durch ihre aufbrausende Wut mit der energischen Kraft der Furien ausgestattet. Sie postiert sich drohend vor ihm.
    "Das ist für deine Unverschämtheit!" schmettert sie ihm entgegen und verpasst Gracchus eine schallende Ohrfeige. Um sich für den Kuss zu revanchieren hat seine Anwesenheit in Rom doch etwas Gutes, denn die verpasste Gelegenheit zur Ohrfeige hängt Lucilla schon zu lange nach. Sie stemmt die Hände in die Seiten und stellt sich ein bisschen auf die Zehenspitzen um seiner Größe - oder eher ihrer mangelnden Größe - ein bisschen entgegen zu wirken. Ihre Stimme ist fast nur noch ein Knurren.
    "Und jetzt sag mir einen guten Grund, warum ich nicht die gesamte Cohortes Urbanae zusammen schreien sollte, damit sie dich ins tiefste Verlies dieser Stadt werfen?" Sie funkelt ihn böse an.

  • Alles um ihn herum hatte sich in viel zu hastiger Abfolge zugetragen, als dass Gracchus dem konnte folgen, geschweige denn es nachvollziehen oder auch zwischenzeitlich reagieren. Plötzlich stand die kleine Person mit ihren funkelnden, dunklen Augen vor ihm, und ehe er sich versah, verspürte er ihre Hand auf seiner linken Wange, welche dort ein heißes, schmerzhaftes Brennen hinterließ. Perplex und derangiert hob Gracchus seine Hand zur Wange, strich darüber und blickte die ihm völlig unbekannte Decima verwirrt blinzelnd an, versuchte zu verstehen, weshalb sie ihm nach dieser Gewalttat zudem mit den Stadtwachen drohte. Seinen Sklaven Sciurus, welcher bereits heran trat, um die Dame von ihm zu entfernen, wies er mit einer kaum sichtbaren Handbewegung inne zu halten, denn er wollte nicht mehr Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich lenken, als dies ohnehin bereits der Fall sein mochte, zumal die Dame nicht den Anschein erweckte aus den niederen Schichten zu stammen. Doch er konnte sie dennoch nirgendwo hin einordnen, war sich gänzlich sicher, ihre nähere Bekanntschaft noch nicht gemacht, sie nicht einmal bewusst auf irgend einer unbedeutenden oder bedeutenden Feierlichkeit bemerkt, geschweige denn eine Tat begangen zu haben, welche ihre Rage würde rechtfertigen. Er war auch nicht wie sein Vetter Aquilius, welcher in freimütiger Manier um die Häuser zog und dabei kaum vor ehelichen Gemächern halt machte, so dass die Dame ihm schwerlich würde um ihren Ehemann betrogen zürnen. Gleichsam hatte er kein Amt inne, des längeren bereits nicht mehr, so dass auch hier sich kein Grund würde finden für ihre Echauffage. Glaubte sie sich womöglich noch aus seiner letzten Amtszeit des Cursus Honorum um ein Erbe betrogen? Doch Gracchus war kein Erbfall bekannt, in welchem eine Anklage war erhoben worden, auch nicht Widerwort, so dass ihm dies ebenfalls von rationaler Seite her betrachtet reichlich unwahrscheinlich schien. In keinem Falle konnte er ihre Erzürnung und ihre Tat nachvollziehen, so dass ihm nichts blieb, als in ehrlicher Verwunderung ihr zu antworten.
    "Verzeih, edle Dame, doch keiner Schuld bin ich im Angesichte deiner Person mir bewusst, obgleich, gewiss es liegt mir fern gar jene zu bestreiten. Doch um der Schuldigkeit genüge zu tun, so sage mir, um was sich dies handelt, denn nicht zögern will ich, von jener Schuld mich zu exkulpieren, welche ich auf mich geladen haben mag."

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  • Lucilla platzt fast der nicht vorhandene Kragen. Er ist nicht nur unverschämt und dreist, jetzt wird er auch noch frech! Ihr Gesicht heizt sich langsam auf und die gebräunten Wangen werden von einem satten Rotton überlagert, der jeden Sonnenuntergang mit seiner Intensivität neidisch machen würde.


    "Du weißt ganz genau, welche Schuld du trägst, Quintus Tullius!" grollt sie tief aus ihrer Kehle. Jede römischen Damenhaftigkeit, mit der sie sonst immer versucht sich zu umgeben ist dahin, Lucillas hispanisches Temperament treibt ihr fast den Dampf zu den Ohren raus, obwohl sie noch nicht laut schreit. "Glaub ja nicht, dass ich dich und diesen dämlichen Fluch vergessen habe, für den du ganz allein die Verantwortung trägst! Du kannst hier noch so viel herumspazieren und einen ehrbaren Römer spielen, aber vor mir kannst du die Bösartigkeit in deinen Augen nicht verbergen, du elender Pirat! Und wenn ich hier schreie, dann wird es genügend Männer geben, die dich in den Kerker stecken wo du hingehörst, ganz egal wie schick du dich hergerichtet hast!"


    Lucilla muss schon zugeben, dass Tullius als Römer einiges her macht. In der Toga sieht er genau genommen ziemlich fesch aus. Aber Pirat bleibt Pirat und die Erinnerungen an die furchtbaren Ereignisse, für die er verantwortlich ist, hängt ihr viel zu tief im Geist. Mal ganz von den vielen Menschen abgesehen, die er auf seinem Gewissen hat.

  • Schließlich endete die Feier und der Flamen Dialis nahm wieder auf einem Lehnstuhl Platz, um im verschlossenen Wagen nach Hause gefahren zu werden. Unterdessen kehrte auch das Abbild der Fides in ihren Tempel zurück und zurück blieb eine gewaltige Zahl an Opferdienern und sonstigen Gehilfen, die die prächtigen Aufbauten abräumen durften.

  • Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Wie in Zeitlupe schien die Szenerie unvermittelt sich dahin zu ziehen, ein eisiger Windhauch wehte über die Kuppe des kapitolinischen Hügels, ließ die bunten Fahnen und Girlanden am Tempel der Fides erzittern, zog hin durch das bereits im Ansatz herbstliche Laub der wenigen Bäume und ließ ein leises Rascheln ertönen. Schrill drang das Lachen einer Matrone über den halben Platz her, welche mit lautem 'pro fides!' den Inhalt eines Bechers zu Boden kippte, wo dieser Herzschläge später nur mit klatschendem Laut auftraf. In anderer Richtung ertönte wieder und wieder die halb gemurmelte Entschuldigung eines jungen Burschen, der vermeintlich die Feiernden unabsichtlich streifte, gleichsam jedoch jedem zweiten seine schmale Hand in die Gewandfalte steckte und ihn um einige Sesterzen erleichterte - ebenfalls eine Art von Opfer, doch auf andere Weise. Nicht weit war der tarpeischen Felsen entfernt, doch kaum jemand schien diesen Tages einen Gedanken daran zu verlieren, wie viele Verräter von hier oben in den Tod hinab waren geschmettert worden, kaum jemand gedachte derer, welche sich selbst des Verrates vor ihrem eigenen Gewissen schuldig gesprochen von den schroffen Steinen hatten gestürzt. Wie ein Blitzschlag durchzuckte der Name seines Bruders Gracchus' Geist - Verräter vor dem römischen Volke, womöglich gar vor eigener Familie, und doch mehr noch als ein Bruder, sein Ebenbild. Ein weiterer Schlag der Fluch, welchen er als den seinen zu erkennen glaubte und sich bereits in Schuld stehen sah, sich doch mit dem 'Piraten' musste wiederum korrigieren, welcher auf Quintus zurückführte und die Worte dessen fremdländischen Freundes in gar schmerzhafter Weise zu bestätigen suchte.
    "Quintus ..."
    Es war kaum mehr als ein Hauch, welcher seiner Kehle entfleuchte. Obgleich die Möglichkeit nicht übermäßig frappierend war, so hatte sich Gracchus doch stets in arglos unbedachter Weise der Hoffnung hin gegeben, es würde niemals zum Augenblick des Erkennens kommen, es würde sich niemals zutragen, dass irgendwer würde auf ihn treffen, dem Quintus Tullius bekannt war, gleichsam dass niemand würde wagen, seinen Bruder mit ihm zu verwechseln, sondern nur sich in Zweifel über die eigene Wahrnehmung würde abwenden. Zumal hatte er nicht seinem Bruder zugetraut, Bekanntschaften in den höheren, souveränen Kreisen gepflegt zu haben, auf welche zu Treffen in Rom unvermeidlich war, doch augenscheinlich hatte er ihn bei Weitem unterschätzt, obgleich die Bekanntschaft nicht sehr positiv verlaufen zu sein schien, wie Gracchus noch immer auf seiner Wange spürte. Solcherlei Versäumnisse war gleichsam bei zu fügen, dass er weiters niemals hatte bedacht, was in einem solchen Falle des Erkennens zu tun war, weshalb er augenblicklich ein wenig ratlos auf die Gesamtsituation reagierte, zudem überfordert von der Publizität all des Geschehens. Womöglich war in der Wahrheit der favorabelste Anfang zu suchen, insbesondere da eine Lüge ihn ohnehin nur unzweifelhaft zwischen Skylla und Charybdis hätte gebracht, da die Fähigkeit zur persönlichen Lüge in seinem Falle äußerst kümmerlich nur ausgeprägt war, gleichsam ihm mehr als nur schlaflose Nächte ob des schlechten Gewissens darum würde bereiten.
    "Verzeih, doch mein Name ist Manius Flavius Gracchus. Quintus Tullius war mein Bruder. Wenn du mir dies gestattest, so werde ich dir dies erklären, doch, so möglich, gerne an einem anderen, ruhigeren Ort."
    Nicht lag es in seiner Absicht, ihr weitläufige Erklärungen zu bieten, denn ihr zu entlocken, wie viel und was sie über Quintus wusste, zudem woher sie ihn kannte und ob ihr Kenntnisstand seiner Person konnte perniziös werden.

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  • Schon wieder ein Opfer. Die Römer feiern mehr Opfer als wir Griechen, zumindest kommt es mir so vor. Ne richtige Ahnung hab ich eh nich, aber gut, wenigstens langweile ich mich dann nicht zu Hause in der Casa meiner Herrin und komme unter Leute. :D Und genau diese interessieren mich mehr als das eigentliche Opfer, bei solch einer Veranstaltung gilt ja eher "Sehen und gesehen werden". Dass das Opfer gelingen würde, ist mir ohnehin klar, darauf achte ich nur als Rahmenkulisse.


    "Huch? Was ist denn jetzt los?" Warum zieht sie mich runter? Wo will sie denn hin? 8o Bei allen Mänaden, der Pirat! 8o Und sie gibt ihm eine Ohrfeige! 8o Oh Hades, deine Bekanntschaft wollte ich erst in vielen Jahren machen. Na, aber das lasse ich ihr nicht durchgehen! Ich packe sie also bei der Hand und drehe sie zu mir. "Herrin! Mitten in der Öffentlichkeit! Was würde das für ein Klatschthema geben!" X( "Die Auctrix der Acta sorgt selber für Gesprächsstoff, nicht auszudenken!"

  • Noch bevor Lucilla etwas erwidern kann, zieht Ambrosius sie an der Hand. Sie dreht sich zu ihm und schaut ihn ein bisschen verwirrt an. Natürlich hier, mitten in der Öffentlichkeit. Denn hier steht er, mitten in der Öffentlichkeit! Quintus Tullius, der elende Pirat, mitten in Rom, in ihrer Stadt! "Die Auctrix der Acta sorgt selber dafür, was Gesprächsstoff wird und was nicht," zischt Lucilla ihrem Sklaven zu. "Siehst du denn nicht ... du warst doch selbst dabei, Ambrosius!" Hegt er am Ende etwa Sympathien für ihn? Immerhin hatte ihr Brosi sich auf die Seite der Piraten gestellt, obwohl Lucilla diesen Gedanken gerne verdrängt. Irgendwie hatte er wohl zwischen den Stühlen gehangen, aber wäre es Ambrosius vielleicht viel lieber gewesen, wenn Lucilla auf den Grund des Meeres gesunken und er am Ende mit Tullius auf einer Pirateninsel zwischen Schätzen und Reichtümern gelandet wäre?
    Doch natürlich hat Ambrosius Recht, hier auf dem Capitol ist trotz allem kein guter Ort für soetwas. Auf alle Fälle hat ihr Sklave ihr ein bisschen den Wind aus den Segeln genommen und ihr hispanisches Blut abgekühlt.


    Lucilla dreht sich wieder um und schaut den Mann vor sich aus zusammengekniffenen Augen an. Wenn das ein Witz sein soll, dann ist es ein schlechter Scherz. Und wenn es ein Trick von Quintus Tullius sein soll, dann ist er ziemlich dämlich. Was nicht für Quintus Tullius spricht. Natürlich hat Lucilla schon von Flavius Gracchus gehört. Er ist der Decemvir litibus iucandis gewesen, der die Acta Diurna mit endlosen Bekanntmachungen über Erbfälle überschwemmt hatte. Lucilla kann sich noch sehr gut an den Tag erinnern, an dem die Meldung im Domus der Acta angekommen ist. Die ganze Redaktion war im Atrium zusammen gesessen und hatte die Listen längst vergessener Todesfälle durchforstet und jedesmal wenn einer einen Namen aus der Redaktion gefunden hatte, dann sind alle in einen wahren Freudentaumel ausgebrochen als hätte derjenige den Saturnalienkeks gezogen. Die Summe manchen Erbes ist allerdings auch noch weit besser gewesen. Außerdem hat Lucilla noch ein bisschen so dies und das von Manius Flavius Gracchus gehört. Lucilla kennt fast alle Namen der Politiker der letzten Amtszeiten. Das bringt nicht nur die Arbeit in der Acta Diurna in sich. Es ist wichtig für eine Frau, die die wichtigen Leute kennen will, zu wissen, wer überhaupt die wichtigen Leute sind. Bei Flavius Gracchus ist sie sich noch nicht so sicher, ob er wichtig ist oder werden könnte. Wenn sich ein Kandidat nach seiner eigenen Amtszeit drei Amtzeiten lang vergeblich um ein weiters Amt im Cursus Honorum bemüht hat, dann fällt er normalerweise aus Lucillas Gedächtnis als unwichtig heraus. Immerhin bleibt dem Flavier da noch eine Amtszeit und noch sind die Kandidaturen ja nicht raus.


    Lucilla mustert ihr Gegenüber von oben bis unten und nochmal bis oben. Sie könnte sich nicht erinnern, dass sie ihn schon einmal gesehen hat - abgesehen natürlich von auf einem Piratenschiff mitten auf dem Mare Internum. Allerdings ist es auch nicht unbedingt ungewöhnlich, dass sie Flavius Gracchus noch nicht gesehen hätte, schließlich gehört er auf keinen Fall zu den wirklich wichtigen Personen in Rom. Trotzdem, Manius Flavius Gracchus hat sie sich irgendwie anders vorgestellt. Ein bisschen rundlicher irgendwie, mehr wie Senator Flavius Felix. Mit schütterem Haar, mehr wie Senator Flavius Furianus. Und irgendwie knuffiger, mehr wie Flavius Aristides. Und außerdem ... ja, außerdem ... wie überhaupt? Vielleicht doch so, wie der Mann vor ihr, so wie Quintus Tullius? Lucilla muss sich eingestehen, dass sie bisher zu wenig Flavier kennen gelernt hat, um sie alle in eine einzige Schublade einsortieren zu können.


    Trotzdem erscheint ihr die Geschichte völlig hahnebüchern. Quintus Tullius der Bruder von Manius Flavius Gracchus? Ein Pirat der Bruder eines patrizischen Amtsträger des Cursus Honorum? Tullius hatte ihr erzählt, dass er früher in Rom gelebt hatte, aber was wäre das denn für eine wahnwitzige Geschichte, wenn er ein Flavier gewesen wäre? Auf einmal beginnen Lucillas Augen zu leuchten. Der Mann vor ihr sieht nicht unbedingt aus als würde er Lügen. Und wenn er nicht Quintus Tullius ist, dann sieht er mehr als deutlich wie dessen Bruder aus. Ambrosius weiß ja gar nicht, wie Recht er überhaupt hat. Die Auctrix der Acta sorgt selber für Gesprächsstoff, denn was würde das für ein grandioser Artikel für werden: 'Pirat aus patrizischem Haushalt - sind die alten Geschlechter schon derart verarmt, dass sie das eigene Volk berauben?'. Es würde ein Seite 1 - Artikel werden, passend zum Wahlkampf.


    Auf der anderen Seite traut Lucilla Quintus Tullius so einiges zu. Und sie wird bestimmt nicht mit ihm direkt an einen ruhigeren Ort gehen, wo er sie aus dem Stand heraus umbringen würde! Herausfordernd blickt sie zu Gracchus auf. "Und kannst du beweisen, dass du Flavius Gracchus bist? Behaupten kann das immerhin jeder und sich einen Halbmond an die Schuhe binden auch. Ich will ja nicht an dir zweifeln, wenn du tatsächlich der Flavier bist, und dann entschuldige ich mich auch für die Ohrfeige, aber wenn Quintus Tullius dein Bruder ist, dann solltest du ja wissen, wozu er fähig ist und dass man ihm besser nicht einfach so folgt."

  • In kaum sichtbarer, sublimer Manier hob sich Gracchus' rechte Augenbraue ein marginales Stück, als der Sklave der Dame intervenierte. Beinahe beiläufig klang der Titel in seinen Ohren, unüberhörbar ob der angeschärften Sinne gleich der angespannten Nerven - Auctrix der Acta. Mochte dies am Ende jene Decima Lucilla sein, welche vor einiger Zeit schon hatte die Auctrix Tiberia an der Spitze der imperialen Berichterstattung abgelöst? Selten bestimmte körperliche Größe über die Wichtigkeit eines Amtes, noch umgekehrt, doch Gracchus hätte sich die Dame doch ein wenig größer vorgestellt, passend zu den im Imperium bekannten Decima - doch vermutlich waren ihm zu wenige Decima überhaupt persönlich bekannt, en détail waren dies nur Decimus Mattiacus, welcher gemeinsam mit ihm seine Quaestur hatte abgelegt, und der Senator Decimus Meridius, welcher ihm von Aristides' Verlobung marginal bekannt war, um die Familienmitglieder dieser Gens zu Rubrizieren - zumal, wer wollte so dreist zwischen den Geschlechtern mischen? So dies denn tatsächlich die Auctrix Decima Lucilla war, so gestaltete sich der gesamte Casus mit einem Male ungleich komplizierter als noch des Eingreifens des Sklaven zuvor. Desolaterweise schien sie zudem tatsächlich über Quintus Tullius viel mehr zu wissen als Gracchus selbst, und so denn sie nur einige jener grässlichen Details dessen Lebens würde kennen, so saß sie im Falle eines Falles an der Quelle, um jene Kompromittierung der Flavia schneller und weiter zu verbreiten, als alltäglich zu vernachlässigende Gerüchte dies konnten tun. Im Grunde wollte Gracchus nicht herausfinden, was genau sie wusste, ebenso wie er im Grunde seines Wesens nicht wollte wissen, wer Quintus Tullius wirklich war, wollte nicht die Wahrheit entdecken über einen Piraten in seiner Familie, wollte sich nach einem Götterleugner nicht eines Lügners und Betrügers gewiss sein, einen Räuber und Verräter als seinen Bruder, seinen Zwilling wissen. Doch er wusste genau, wenn er nicht sie würde fragen und die Wahrheit herausfinden, so würde er dies sein Leben lang bedauern, gleichsam würde sie womöglich beginnen, zu Detektieren. In all den Wochen zuvor, seit er Quintus Tullius zum ersten Mal war in der Subura begegnet, war Gracchus nie froh darüber gewesen, seinen Bruder tot zu wissen, doch in diesem Augenblick verspürte er einen Anflug von Erleichterung ob dessen. Ein wenig suchend blickte Gracchus sich in der Menge um, genügend Personen waren zu entdecken, welche seine Identität würden bestätigen können.
    "Würde das Wort eines Senators dir zur Zufriedenheit gereichen? So du deinen Namen mir nennen magst, werde ich eine passende Erläuterung für jenen finden, da ungern ich der wahren Intention der Bestätigung meiner Person würde Ausdruck verleihen, und da du Quintus Tullius zu kennen schienst, wirst du sicherlich verstehen, dass unser gemeinsamer Ursprung mir nicht unbedingt zur Ehre gereicht."

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