adedis | Ein unverhofftes Wiedersehen

  • Während Leone die Dame ins Haus geleitete, entschloss er sich kurzerhand, sie ins adedis zu führen, denn dort war es behaglicher als im atrium. Darüber hinaus erschien ihm die Mutter der drei Aurelier nicht angetan von der Vorstellung, wie ein Gast im atrium abgefertigt zu werden, auch wenn sie genau genommen ein unvorangekündigter Gast war. Schließlich hatte man Leone nicht von ihrer Ankunft unterrichtet, und das tat man normalerweise, damit der ianitor sich entsprechend verhalten und bereits auf ein zur Verfügung stehendes cubiculum verweisen konnte.


    "Hier entlang bitte", sagte er also und deutete auf den Durchgang vom atrium zum adedis des Erdgeschossens. Duftende Blumen zierten den in warmen Farben gehaltenen Raum, einladende Liegen und bequem aussehende Sessel mit weichen Kissen luden zum Verweilen ein. Leone deutete in den Raum hinein. "Nimm doch bitte Platz, ich lasse unverzüglich nach deinen Söhnen schicken, domina", lud er Camilla ein, deutete eine stramme Verbeugung an und ließ die Patrizierin samt ihrer Leibsklaven sodann allein mit den aurelischen Sklavinnen Dina und Tilla, welche gewiss der Dame etwas anbieten würden.

  • Sie war sichtlich erfreut darüber, nicht ins atrium geführt zu werden. Dort war es manchmal leicht kalt und außerdem mochte sie kein Wasser, von dem schließlich im impluvium einiges vorhanden war. Sie hätte noch einige Nachteile des atriums aufzählen können, beließ es aber bei der simplen Tatsache, dass sie zur Überraschung von Livilla ins adedis gebracht wurde. Ihre palla hatte sie achtlos auf dem Weg fallen gelassen, mit der festen Überzeugung, dass eine der Sklavinnen ihre Pflicht schon sorgfältig erledigen und das Kleidungsstück aufheben und verstauen würde.


    Mit einem prüfendem Blick inspizierte sie genauestens den Raum. Die hellen und warmen Wandfarben sprachen sie durchaus an. Nicht allerings das Gelbe. Sie verschmähte diese unsegliche Farbe. Am liebsten hätte sie den Befehl gegeben, die Wand mit einem schönen hellroten Tuch zu verhängen. Doch es war nun mal nicht ihre villa, das sah sogar Camilla ein. Die weichen Polster auf den Klinen gefielen ihr ebenfalls, und so zögerte sie nicht und legte sich auf eine nieder. Sie machte es sich bequem und stellte zu ihrer Genugtuung fest, dass man an Kosten nicht gespart hatte. Zumindest nicht in diesem Raum.


    „ Du! “ Sie deutete auf Tilla. „ Bring mir einen Becher Wein. “ Camilla hoffte, dass das Mädchen den richtigen Wein wählen würde. Eine gute Sklavin wusste, welchen Wein man welcher Person zu geben hatte. Und auch wichtig war das Mischverhältnis. Camilla hielt es für eine wichtige Grundlage, die Sklaven erlernen mussten, mit einigen Blicken festzustellen, wie die Herrschaft den Wein bevorzugte. Abschätzig und leicht verachtend musterte sie auch die zweite Sklavin. Eins musste man ihrem Vetter lassen. Er hatte aufjedenfall ein gutes Auge für hübsche Sklavinnen. Ob er wohl auch ein ebenso gutes für hübsche Frauen hatte? Es war Camilla nicht bekannt, dass Corvinus bereits vermählt war mit einem Weibe. Welchem Ursprung es zu entstammen hatte, war schließlich klar. Sie meinte etwas von einer Verlobung gehört zu haben, war sich aber nicht sicher. Hoffentlich war es keine von diesen politischen Ehen, die Camilla so verabscheute. Sie würde ihren Söhnen etwas nicht zumuten. Sie selber war nie wirklich glücklich gewesen mit ihrer Ehe, auch wenn sie eine schöne Zeit teilweise mit ihrem Ehemann gehabt hatte.


    So in Gedanken versunken fiel ihr Blick noch auf die Türe, bei der sie sich erhoffte, dass endlich einer ihrer Söhne den Weg finden würde. Oder waren die Sklaven hier zu langsam? Camilla hoffte, dass ihre Sprösslinge erfreut waren, dass ihre Mutter zu Besuch war. Alles andere hätte sie bitter enttäuscht und traurig gemacht. Auch hoffte sie für die hübsche Sklavin, dass sie ihre Beine in Bewegung setzen würde und ihr endlich ein erfrischendes Getränk bringen würde. Derweil vernahm sie mit ihrer feinen Nase den Geruch von wohlduftenden Blumen. Einige Augenblicke später hatte Camilla die Quelle des schönen Duftes erfasst. Das Gewächs war frisch, und eine wahre Augenweide. Konnten Männer so guten Geschmack haben? Camilla bezweifelte es. Es war bestimmt eine Sklavin oder eine der hier lebenden Damen gewesen, die diesen Raum so eingerichtet hatten.

  • Die ältere Sklavin schaffte es so gerade noch Tillas fliegende Haare glatt zu streichen. Denn eben noch hatte sie mit Dina eingeübt wie man Kissen mit einem sauberen Bezug neu bezog und daraus war unvermeidlicherwiese eine kleinere Kissenschlacht geworden. Lächelnd erinnerte sie sich an den letzten Kissen-Treffer.


    Und nun war sie hierher gerufen worden, um eine fremde Frau zu begrüßen. Tilla stand neben Dina, verschränkte ihre Hände wie die ältere auf dem Rücken ineinander. Das adedis hatte sie bisher immer nur durchquert, daher kannte sie den Raum gar nicht so richtig. Neugierig betrachtete sie alle Ecken und das gesamte Mobiliar. Dann trat die Frau ein. Tilla bemerkte, das sie ihren palla fallen liess und war sich unsicher, ob sie ihn aufheben sollte. Sie dachte gerade darüber nach, als die Frau ihr Wort an sie richtete. Tilla zuckte zusammen. Warum nur schweifte sie immer mit den Gedanken ab? Zum Glück bekam sie noch mit, was die Frau von ihr wollte.


    Tilla nickte, trat zurück und lief mit leichtfüßigen Schritten durch die nächste Tür rüber zur Küche. Dort traf sie auf Brix, dem sie erklärte was sie brauchte. Aufmerksam verfolgte sie von wo er den Wein herholte und trank selbst ein paar Schlucke Wasser. Ihre Kehle war ganz trocken. Hoffentlich lief alles gut. Mit einem silbernen Tablett in den Händen kehrte sie zurück. Tilla atmete tief durch, bevor sie auf Camilla zutrat und ihr das Tablett auf einem kleinen Tischchen neben der belegten Kline hinstellte. Dann endlich stellte sie sich wieder neben Dina auf. Huch, wo war der palla hin? Hatte Dina sich drum gekümmert, während sie in der Küche gewesen war?

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    Während ich mich von meinem officium aus dem adedis näherte, dachte ich seltsamerweise an alles Mögliche, nur nicht an die Person, die mich jetzt erwartete. Die lächerlichsten Nichtigkeiten fielen mir ein: dass eine Sänfte ausgebessert werden musste, dass die Oliven beim Essen bitter geschmeckt hatten und dass Sisenna schon wieder eine Schnecke zu sich genommen hatte - nein, diesen letzten Punkt fand ich wichtig, und er brachte mich zum Schmunzeln. Dieses gefror, als ich vor dem adedis stand. Sie war hier drin; ich wollte weggehen, nein, ich musste noch meine toga richten, nein, so durfte sie mich nicht sehen, nein, ... Erst als ich sah, dass nun Maron schon vorgehen wollte, fasste ich mich endlich wieder und ging hinein.


    Ich freute mich ehrlich, Tilla in diesem Zimmer anzutreffen, diese junge Sklavin, die uns allen hier seit ihrer Ankunft so viel Freude machte und die in diesem merkwürdig weibischen Raum so herzerfrischend wirkte, wie ein kleines iberisches Pony, das man zähmen musste, an dessen Lebenslust man sich aber viel lieber noch weidete.


    Doch wären noch hundert Sklavinnen von ihrer Lebensart da gewesen, so wusste ich, dass ich irgendwann doch Aurelia Camilla würde in die Augen sehen müssen. Das schaffte ich auf Anhieb nicht; doch war sie, hingeräkelt auf eine Kline, freilich auch nicht zu übersehen. Ich musterte sie flüchtig und war mir gleich sicher, dass sie ein Haarteil aufgesteckt hatte; auch bei der Schminke hatte ihre ornatrix meiner Meinung nach kein glückliches Händchen bewiesen und - bei Venus, wie schön sie immer noch war.


    Ich sah sie jetzt offen an und wusste einfach wieder einmal nicht, was ich tun sollte. Sollte ich ihr die Hand küssen? Oder war ich dafür nun zu alt? Warum, warum nur hatten sie und Vater mir solche Dinge nicht richtig beigebracht, nicht so, dass auch ich sie verstanden hätte? Ich hob mein Kinn noch etwas höher, zu hoch vielleicht, und sagte mit spröder Stimme:


    "Voller Ehrerbietung grüße ich Dich, Mutter! Es ist eine Überraschung, Dich hier so plötzlich in Roma zu sehen! Es ist eine Freude, Dich in solcher Schönheit zu sehen! Ich hoffe, Deine Reise war angenehm, und es geht Dir wohl."


    Der unsinnige Gedanke schoss mir durch den Kopf, ob ich mich ihr wohl gar vorstellen müsse. Das war Übertreibung, und das wusste ich. Ich wandte mich allerdings meinem Sklaven zu.


    "Solange Deine Söhne Lupus und Philonicus noch nicht hier eingetroffen sind, stelle ich Dir meinen Sklaven Maron vor, eine Erwerbung aus Athen. Er begleitet mich treu seit einigen Jahren."


    Dies war ein ungewöhnlicher Schritt, doch ich wollte alles tun, um jede Vertraulichkeit zwischen ihr und mir von vornherein zu unterbinden.

  • Manche meiner Kollegen im schicken Häuschen der Aurelier hielten mich für einen Herumtreiber, aber da irrten die sich gewaltig. Ich trieb mich niemals herum oder nur selten, nämlich exakt dann, wenn ich Ausgang hatte. Aber auch da hielt ich natürlich meine Augen offen, denn es gab nicht viele Informationen, die meinem Herrn nicht hätten dienlich sein können. Allerdings hielt er gewisse Informationen, die ich ihm gern zusätzlich hinterbracht hätte, für unnütz; ich aber war mir sicher, dass es noch so manches gab, was er lieber endlich einmal ausprobieren sollte, als so hastig darüber zu urteilen.


    Nun, er war ein Sonderling, der Aurelius Cotta, das hatte ich gleich durchschaut, und es hatte schon Momente zwischen uns gegeben, in denen ich den Jungspund am liebsten mal gepackt und kräftig durchgeschüttelt hätte, denn das hatten sie mit ihm meiner Meinung nach in seiner Jugend viel zu selten gemacht. Aber natürlich hätte ich diese Gedanken niemals in die Tat umgesetzt, denn ich wusste, was sich gehörte, und war doch ein perfekter Sklave.


    An dem einen ominösen Tag aber war alles ein bisschen anders. Wieder einmal hatte ich das getan, was einige meiner Kollegen in geballter Ignoranz als "Herumlungern" bezeichneten - ok, in dem Fall war ich auch mal kurz weggedöst, aber ich war gleich hochgeschreckt, als ich mitbekam, welches Täubchen soeben seinen Weg in die villa Aurelia in Roma gefunden hatte: Aurelius Cottas Mutter. Über die hatte er ja nun fast gar nicht gesprochen die ganzen Jahre, die ich ihn jetzt kannte, und das war mir Signal genug zu erkennen, dass da was hinter stecken musste. Also, gleich aufgesprungen und zum officium meines Herrn geeilt.


    Der war natürlich wieder einmal ganz in seinen Reflexionen versunken, doch es würde mir schon gelingen, ihn wach zu rütteln, wenn ich ihm nur die Ankunft seiner Mutter verkündete. Dachte ich. Stimmte auch. Aber was sich dann auf seinem Gesicht abspielte, tat mir ehrlich Leid. Als ich reingekommen war, hatte mein dominus gegrinst, doch sobald er von seiner Mutter gehört hatte, erstarrte er völlig, saß, ich weiß nicht, aber bestimmt einige Minuten lang da und brütete dumpf vor sich hin. Vorsichtig sprach ich ihn wieder an, denn ich machte mir schon Sorgen um ihn. Da endlich erhob er sich und kam dann zur Tür, aber eigentlich auch nur geschlichen. Ich wollte mich derweil um das officium kümmern und vielleicht ein bisschen Ordnung schaffen, denn das ich zur Begrüßung seiner Mutter mit Aurelius Cotta ging, kam natürlich nicht in Frage. An der Tür aber blieb mein dominus plötzlich stehen und sah mich an. So einen Blick hatte ich wirklich noch nie an ihm gesehen, überhaupt noch nie in meinem Sklavendasein von einem Herrn gesehen: Er flehte mich mit diesem Blick fast darum an, mit ihm zu kommen. Schweigend folgte ich ihm zum adedis, jetzt selber schon ein wenig mitgenommen davon, wie es meinem dominus ging.


    Den Weg zum adedis, wohin Leone diese Aurelia Camilla gebracht hatte, legte mein Herr dann entschlossen und schnell zurück, so dass ich allmählich wieder Hoffnung bekam; bevor er dann endgültig das Zimmer betrat, in dem seine Mutter auf ihn wartete, machte er aber wieder Halt. Er wollte weg, das sah ich ihm gleich an, und sein Gesicht sah so unglücklich aus wie das eines kleinen Jungen. Sollte ich vielleicht besser vorgehen? Ich machte schon einen ersten Schritt, und dann konnte ich einfach nicht anders und legte - Cotta - meine Hand auf die Schulter. Er wandte sich schon um und betrat den Raum, ich folgte mit Abstand.


    Aurelia Camilla war eine Wucht, nein, etwas wirklich Besonderes, eine echte Patrizierin. Dass waren die anderen Damen des Hauses zweifellos auch, doch bei ihr hier hatte das Altern ganze Arbeit geleistet und aus der Frau eine Herrin gemacht. Und wie schön sie war ...


    Wo hatte mein dominus die Begrüßungsworte auswendig gelernt, die er nach einer kleinen Weile herunter haspelte? Denn so klangen sie: auswendig gelernt. Also, viel unterkühlter hätte er es gar nicht machen können. Und als er dann seiner Mutter gar mich vorstellte, überraschte er mich nicht nur, sondern durchbrach sogar die Etikette. Ich für meinen Teil trat einen Schritt vor und grüßte ehrerbietig: "Salve, domina!" Ich war gespannt, wie Aurelia Camilla reagieren würde.

  • Äußerst misstrauisch verfolgte sie die Bewegungen der Sklavin. Sie traute diesem Gesindel nicht. Erst recht nicht, wenn es fremd war. Den Sklaven passierten immer nur Missgeschicke. Am liebsten würde Camilla das ganze Pack wegscheuchen, aber das hieß auf den alltäglichen Luxus verzichten zu müssen, was für sie nicht in Frage kam. Die immer noch andauernde Abwesenheit ihrer Söhne nutzte sie, um sich von Freya die stola richten zu lassen. Die liebevoll gestaltete Frisur wurde von der eher untalentierten Livilla gerichtet. Camilla wusste selber nicht, wieso sie sich von dieser parthischen Ziersklavin an ihren Wertvollen Haaren herummachen ließ. Diese Sklavin konnte es nicht halb so gut wie Camillas ornatrix.


    Erfreut nahm sie wahr, dass auch das Geschirr in dieser villa vom Feinsten war. Das silberne Tablett war außerdem gut poliert und glänzte in der Sonne, die durch ein Fenster hereinfiel. Aber trotzdem konnte das geübte Auge von Camilla einige unnötige Fingerabdrücke auf dem edlen Metall erkennen. Weniger erfreut war sie über das, was sich auf dem Tablett befand. Ungehalten blickte sie Tilla an. Ihr Blick und ihr Ton brachten ihre Meinung über das Mädchen klar zum Ausdruck. „ Hat man dir nicht beigebracht Wasser zum Wein zu stellen? “ Camillas Stimme blieb ungewohnt ruhig. Sie verlor sich nicht gleich in den üblichen Flüchen und Kraftausdrücken. „ Wir Römer sind keine Barbaren. Wir trinken Wein verdünnt. Wo stammst du her, Mädchen? Nehmt ihr dort den Wein pur zu euch? “ Die Frage war sachlich gestellt, als ob Camilla sich tatsächlich für die Sitten der Barbaren interessiere. Schnell wandelte sich der unzufriedene Ausdruck in ihrem Gesicht zu einem Freundlichen. Nun wartete sie ungeduldig auf die Antwort der Sklavin. Sie wollte sich nicht mit einer Sklavin unterhaltend zeigen, wenn ihre Söhne kamen. Mittlerweile lächelte sie hämisch. Ihr Blick zeigte Tilla nun, dass Camilla eigentlich überhaupt keine Antwort haben wollte. Außerdem vernahm sie Schritte. Geschwind erhob sie sich.


    Doch anscheinend nicht schnell genug, denn ihr Sohn - zu ihrer Enttäuschung nur Cotta - sah sie noch, wie sie auf der Kline bequem und für eine Römerin nicht anständig lag. Eilig zupfte sie ein letztes mal ohne Hilfe ihrer Dienerinnen ihr Gewand zurecht und wandte sich dann ihrem Sohn zu. „ Appius! Ich freue mich so dich zu sehen. “ Im Gegensatz zu ihrem Sohn freute sie sich tatsächlich, liebte sie doch alle ihre Söhne. Die Abneigung Cottas gegenüber seiner Mutter war dieser gänzlich unbekannt. Vielleicht wollte diese das auch einfach nicht wahrnehmen. Vielleicht war es ein Schutzreflex des Körpers zur Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Sohn und Mutter.
    Gründlich musterte Camilla ihren Sohn, bevor sie weitersprach. Groß war er geworden. Ein richtiger Mann. Und stark sah er auch aus. Oder war das nur die typische Erscheinung, die eine Mutter immer wahrnahm? Dass sie ihren Sohn für stark, mutig und schlau hielt? Aber bei der Intelligenz, da zweifelte Camilla nicht. Sie war überzeugt, aus Cotta würde einmal ein tugendhafter Politiker werden. Die Beurteilungen seiner Lehrer, die man Camilla hatte zukommen lassen, waren fast nur positiv ausgefallen.


    Camilla wollte ihren Sohn umarmen, doch sie spürte in diesem Moment den Drang von Cotta jede Vertraulichkeit zu meiden. Sein unbeholfener Ansatz zu einem Gespräch, bevor Camilla ihren Sohn richtig umarmt hatte, enttäuschte sie ein wenig. Hatte sie etwas falsch gemacht? Wieso war Cotta ihr abgeneigt? Sie hatte nicht vor sich so abservieren zu lassen. „ Der Sklave intressiert mich nicht. “ Eigentlich merkwürdig für Camilla. Schließlich hatte sie, beziehungsweise ihr damaliger Ehemann Galerianus den Sklaven bezahlt. Das studium hatte sich Cotta schließlich nicht selbst finanziert. „ Ich möchte etwas von dir hören. Wie geht es dir? Bildest du dich bereits weiter in Roma? “ Eine Arbeit, die einem Patrizier nicht würdig war, würde Camilla ihrem Sohn niemals erlauben. Das würde sie zu verhindern wissen, auch wenn sie Corvinus anflehen musste, mit Cotta zu reden.
    Nochmals fiel ihr ins Auge, dass sich Cottas äußeres Erscheinungsbild sehr zum Positiven hin verändert hatte. Doch sie wusste, dass ihre Söhne es nicht mochten, wenn man solche Dinge ansprach. Ihr eigener Bruder war als Kind auch immer genervt gewesen, wenn Verwandte zu Besuch kamen, die dann immer die üblichen Floskeln runterleierten, wie „ Bist du aber gewachsen. “.

  • Der palla war fort. Dann musste sich wer drum gekümmert haben, solange sie fort gewesen war. Sie wusste ganz genau, dass sie nichts verschüttet hatte. Die Besucherin richtete das Wort an sie. Tilla sah zum Tablett. Wasser zum Wein? Verdünnten Wein? Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Oh verdammt... sie biss sich auf die Lippen. Tilla nickte, ja, das hatte man ihr beigebracht. Antworten konnte sie auf das andere nicht.. wie denn auch? Irgendwie wollte sie dieser Frau nicht, mit dem Hervorziehen einer Schreibtafel offenbaren, dass sie stumm war.


    Schweigend erwiderte sie deren Blick und trat vor. Tilla nahm das Tablett wieder an sich und kehrte zur Tür zurück, die in die Küche führte. Bevor sie hinaustreten konnte, kam ihr Herr samt Maron entgegen. Tilla wartete geduldig, bis die beiden Männer hereingekommen waren und nutzte die Gelegenheit sich ums Wasser zu kümmern. In der Küche angekommen trieb sie das gleiche Trinkgefäß auf, füllte es mit Wasser und stellte beides wieder aufs Tablett. Brix stellte eine Schale mit getrockneten Früchten und Nüssen dazu.


    Na, mal gucken, ob es nun passte. Tilla kam zurück ins adedis, stellte das silberne Tablett wieder auf den Tisch. Dinas Platz war leer. Mhm.. auf den Lippen kauend stellte sie sich zurück auf ihren Platz an der Wand, beobachtete die Szene vor ihr. Jetzt war der Herr auch anwesend.. ob sie gleich ein drittes Mal in die Küche gehen musste? Nachdenklich versuchte sie dies herauszufinden, beobachtete auch Maron. Dass dieser viel mit ihrem Herrn zu tun hatte, hatte sie von Dina erfahren. Tilla wechselte das Standbein.

  • Nachdem ich selbst meine dürftige Begrüßung beendet hatte, wurde meine Mutter umso ehrerbietiger von Maron begrüßt, der gleich darauf wieder einen Schritt zurücktrat. Sie selbst sprach mich geradezu enthusiastisch an; sie hatte bei den ganzen strammen Jungen wohl mehr erwartet, als dass nun zunächst einmal nur einer vor ihr stand, und dieser eine, nämlich ich, bekam jetzt offenbar ihre ganze angestaute Erwartung ab. Was sie bloß hier in Roma wollte, fragte ich mich fieberhaft; was erwartete sie sich wohl noch alles?


    Sie schien nach ihrer Begrüßung sogar auf mich zugehen zu wollen, doch nachdem sie mich und wohl auch uns alle mit ihrer unvorhergesehenen Ankunft überrumpelt hatte, war es mir meinerseits gelungen, sie durch die Vorstellung meines Sklaven und meine eigene Distanziertheit aus dem Konzept zu bringen. Meine Mutter hielt nämlich jedenfalls inne und musterte mich so kritisch, wie ich es schon immer an ihr empfunden hatte. Irgendetwas schien sie dabei auch in ihrem Kopf abzuwägen; dass es sich dabei nur darum handeln könne, inwieweit ich von ihrem Ideal abwiche, war für mich eine ausgemachte Sache. An dieses Gefühl des Begutachtet-Werdens aber hatte ich mich ja schon von Kindheit an gewöhnt und konnte mich daher sogar ein wenig in einen Sklaven wie Maron bei einer Versteigerung versetzen. Marons Vorstellung wurde von meiner Mutter hinweggewischt und übergangen; ich aber hatte vor, gerade deshalb noch einmal darauf zurückzukommen:


    "Maron greift mir in vielen Dingen unter die Arme und ist mir so gut wie unersetzlich. Wenn Du allerdings seiner Dienste bedarfst, steht er natürlich auch Dir zur Verfügung, sofern ich ihn nicht unbedingt brauche."


    Dies sagte ich auch im Hinblick darauf, dass die Schar neuer Gesichter, in die ich auf dem Weg ins adedis hatte schauen dürfen, hauptsächlich weiblichen Sklavinnen gehörte. Und selbstverständlich wusste ich auch nicht, wie meine Mutter in der Vergangenheit in Ravenna nach Vaters Tod gelebt hatte; aber sie danach zu fragen, würde sich wohl im Laufe unseres Gespräches nicht umgehen lassen.


    Nicht umgehen ließ sich freilich auch, ihre Frage nach meinen Tätigkeiten hier in Roma zu beantworten. Wieder kam ich mir durch ihre Frage in meine Kindheit zurückversetzt und wie ein Schuljunge vor; ich wusste auch durchaus, dass sie sich während meiner Zeit in Athen stets peinlich genau durch meine Lehrer über meinen Bildungsstand und mein Betragen hatte auf dem Laufenden halten lassen.


    "In der Schola Atheniensis habe ich mich für den Cursus Res Vulgares angemeldet, und an der Militärakademie habe ich das Examen Primum abgelegt."


    Besonders hinsichtlich des letzten Punktes war ich auf die Reaktion meiner Mutter gespannt, hatte doch Vater eine so "ehrenvolle" Karriere bei der Prima - nein, ich wollte nicht zynisch sein - hatte doch Vater also eine Zeitlang bei der Prima gedient. Wieder glitt der Blick meiner Mutter an mir herunter; ob sie wohl schon meinen zukünftigen Marktwert taxierte?

  • Dass die schöne Dame, deren Sohn zu sein mein dominus sich rühmen durfte, mich nicht näher beachtete, überraschte mich gar nicht, das hätte ich von einer solch standesbewussten Frau auch nicht erwartet. Eine deftige Überraschung bereitete mir dagegen mal wieder mein Herr selbst, als er mich sogleich seiner Mutter für Dienste anbot. Ja, und an dieser Stelle kostete es mich etwas, meine unbewegte Miene nicht zu verlieren, denn natürlich hatte ich sehr verschiedenartige Fähigkeiten, konnte mir aber nicht so recht vorstellen, wofür eine verwitwete, nicht politisch aktive Dame meiner Dienste bedürfen würde. Aber wahrscheinlich war das sowieso alles nur so dahin gesagt bei diesem seltsamen Geplänkel zwischen Sohn und Mutter, das ich einfach nicht durchschaute. Mir tat Tilla Leid, ein weibliches Wesen, zu dem ich wirklich nichts anderes als väterliche Gefühle hegte - seufz, man wird nicht jünger -, und das nun hier etwas verloren im adedis stand und mitten in dieses Gefecht geraten war. Nicht, dass es in der villa Aurelia in Roma nicht auch einmal die ein oder andere Spannung gab, aber das hier war was Besonderes. Und wenn es das schon für mich war, wie sehr dann erst für Tilla. Es verbot sich in dieser Situation für mich von selbst, mich ihr zuzuwenden, mit meinen Augen aber versuchte ich doch, ihr einen aufmunternden Blick zuzuwerfen.

  • Camilla nahm gar nicht zur Kenntniss, dass die serva sich entfernte um den entstandenen Fehler zu beheben. Sie nahm Tilla erst wieder wahr, als sie abermals in den Raum trat. Zu ihrer Zufriedenheit stellte sie fest, dass nun auch Wasser neben dem Wein vorhanden war. Von den Nüssen und den getrockneten Früchten ließ sie allerdings die Finger. Sie zog frisches Obst vor. Freya trat sogleich herbei und mischte einen Becher Wein für die Herrin. Dies wäre eigentlich auch Tillas Aufgabe gewesen. Doch vielleicht war es auch besser so. Denn dem armen Geschöpf blieben eventuelle weitere Fehler nun erspart. Der Becher mit dem edlen Wein wurde nun Camilla gereicht. Diese nippte allerdings nur kurz daran, um ihn danach lässig in der Hand zu halten.


    Dann wandte sie sich wieder ihrem Sohn zu. Es fiel ihr schwer ihre offene Meinung zu diesem Sklaven zu unterdrücken. Nämlich dass er sie nicht interessierte, und Cotta gefälligst mehr von sich und nicht von diesem Gesindel erzählen solle. Stattdessen aber wirkte sie nach außen hin geradezu umgekehrt. Sie würdigte den Sklaven tatsächlich eines Blickes, musterte ihn sogar genauer. „ Sag, mein Sohn, was kann denn dieser Sklave alles? Wenn du ihn bereits in Griechenland gekauft hast, ist er auch einigermaßen gebildet, nehme ich an? “ Camilla tat weiterhin intressiert. Sie wusste, wenn sie sich bereits am Anfang nicht gut stellte mit ihrem Sohn, würde dessen Abneigung immer größer werden. „ Und was planst du sonst noch in naher Zukunft zu unternehmen, Appius? “ Über die Umstände, die sie in diese villa geführt hatten, sprach sie nicht. Das sollte er sie schon nochmals fragen.

  • Erbittert blickte ich meine Mutter an. Natürlich merkte ich ganz genau, dass sie jetzt nichts über Maron hören wollte, aber anstatt mir das zu sagen, ging sie auf mein Spiel ein und versuchte noch, mich darin zu übertrumpfen. Mein Atem ging heftig, und ich spannte meine Beine bis zum Schmerz an.


    Aber nein, den Gefallen würde ich ihr nicht tun und nun Marons Vorzüge preisen. Sie hatte gefragt, nun gut, nun höre auch. Aus dem Mund des Sklaven sollst du das hören, aus dem Mund des Sklaven.


    Ein einziger Blick zu Maron, und ihm war klar, was von ihm verlangt war. Aufs Höchste erregt hörte ich ihm zu.

  • Warum machte er das? Ich kam einfach nicht dahinter, warum mein dominus dies alles tat. Natürlich war ich ihm treu ergeben, und daran würde sich nach dem heutigen Tag nichts ändern; natürlich war ich bereit, ihn aus jeder nur denkbaren Situation rauszupauken - aber noch nie in all den Jahren hatte er mich ganz ungeniert dazu benutzt, eine persönliche Fehde mit jemandem auszutragen. Ich kannte ihn so nicht. Doch ich kannte seinen Blick, und dieser gebot mir unmissverständlich, selbst auf die Frage der domina Camilla zu antworten."Domina, ich bin treu ergeben, absolut loyal und verschwiegen. Ich bin schlau und verfüge über die Gabe, andere zu durchschauen und die Handlungen anderer zu erahnen. Ich bin geübt darin, Informationen zu besorgen. Ich kämpfe gut und kann tagelang ohne Schlaf auskommen. Ich spreche Latein und Griechisch und kann beides lesen, aber nicht gut schreiben." Ich blickte offen in ihre blauen Augen. "Und ich bin Thraker, domina."Nicht, dass sie mich am Ende noch für einen Griechen hielt, nur weil ich durch Verkäufe mal dorthin geraten war.

  • Im Nachhinein war es mir nicht mehr möglich zu sagen, was in diesen Moment in mich fuhr. Hätte er jetzt vor irgendjemand anderem seine Vorzüge aufgezählt, ich hätte gelächelt und vielleicht noch scherzhaft hinzugefügt, dass er gerne veränderte griechische Sagen erzählte und natürlich sehr gut singen konnte - etwas, womit ich ihn ja seit unserem Ankunftstag in der villa Aurelia in Roma und dem Gespräch mit Sisenna aufzog. Hier vor meiner Mutter aber war alles anders.


    Ich kannte Maron jetzt lange, und er stand mir sehr nah. Aus vielen Gesprächen mit ihm wusste ich nur zu gut, wie stolz er auf seine thrakische Herkunft war und welchen Wert er darauf legte, nicht für einen Griechen gehalten zu werden. Aber dass er mit dieser Bemerkung jetzt seine Vorstellung beendet hatte, machte mich aus einem unerfindlichen Grund richtig wütend, und meine Wut steigerte sich immer mehr.


    Warum hatte er jetzt das gesagt? Warum das, warum ausgerechnet das und nicht das andere? Wofür waren denn Sklaven wohl sonst noch da, na, wofür? Und wenn dann so eine Schönheit vor dir sitzt, lässig den Weinbecher hält, sich auf der Kline räkelt wie eine Mätresse, selbstbeherrscht, souverän, zum Verrücktwerden schön und unnahbar, so selbstbeherrscht, so stolz, so allein vielleicht und so traurig - aber nie, nie würde sie das zugeben - na, wofür waren dann Sklaven wohl noch so alles da?
    Ich wandte mich um und ging ein paar Schritte. Ich hätte es fast gesagt, hätte ihr fast den Sklaven angeboten. Eigentlich war das doch nichts Ungewöhnliches - aber als Sohn seiner Mutter? Ein Sakrileg.


    "Für mich auch Wein",


    sagte ich in den Raum hinein, ohne überhaupt mitbekommen zu haben, welche Sklaven hier nun bedienten; im Notfall würde Maron mir eben einschenken müssen. Was mich meine Mutter noch gefragt hatte, hatte ich vergessen, ganz sicher etwas zu meiner Karriere. Dafür war ich ja in die Welt gesetzt worden, um Karriere zu machen. Nun, meine Karriere würde sie schon nicht verpassen, wenn sie hier in Roma bleiben würde, doch genau das wusste ich ja nicht.


    "Was führt Dich eigentlich hierher nach Roma, Mutter? Es ... es geht Dir doch gut?"


    Eben noch hatte ich gerätselt, ob diese Frau irgendetwas plane und aushecke - und dann war mir, ganz leise im Tonfall, diese Frage herausgerutscht. Wie eine Höflichkeitsfloskel. So fragte man eben. Doch der Gedanke, sie könne vielleicht krank sein, ließ mich erschrocken zu ihr hinsehen.

  • Gut... alles war in Ordnung. Der Wein wurde mitsamt dem Wasser getrunken. Tilla atmete erleichtert auf und beobachtete die Szene vor sich. Applius stellte seinen Sklaven Maron der fremden Frau vor. Immer noch wusste sie den Namen der Frau nicht.. Neue Worte tauchten auf, endlich erfuhr sie etwas darüber was Applius eigentlich machte. Es klang nach sehr wichtigen Tätigkeiten! Aber warum beobachtete die Frau ihn so genau? Tilla runzelte die Stirn... war doch nicht alles in Ordnung?


    Schweigend wartete sie auf ihrem Platz stehend ab. Beinahe verpasste sie den aufmunternden Blick von Maron. Tilla lächelte ihm dankbar zu, stellte ihrerseits einen stumme Frage in ihren Blick. Wer war die Frau? Diese fragte jetzt Applius nach den Künsten vom Maron aus. Letzterer überliess Maron sogar das Antworten.. war das üblich? Tilla tippte auf Nein, wechselte abermals das Standbein. Über die Gabe andere zu durchschauen und die Handlungen anderer zu erahnen. Sie lächelte Maron ganz beeindruckt an... was der so alles konnte. Vielleicht konnte sie ihm anbieten schreiben zu üben? Für sie wäre es bestimmt auch interessant ein paar Brocken Griechisch niederschreiben zu können. Was Thraker waren wusste sie nicht.. war das die Herkunftsstadt?


    Für mich auch Wein. erklang es durch den Raum. Tilla schluckte.. war das an sie gerichtet? Klang ganz so danach. Stumm trat sie vor, mischte den Wein genauso wie sie bei der Sklavin der fremden Frau beobachtet hatte, stellte das Trinkgefäß auf ein zweites silbernes Tablett. Mit ruhigen Schritten trug sie es zu dem der das Getränk sich gewünscht hatte, bot ihm den Weinbecher an. Wie vom Donner gerührt blieb sie schräg vor Applius stehen. DAS war seine Mutter??!? Oh.. Tilla bemühte sich nicht mit großen Augen zwischen den beiden hin und her zu sehen. Jetzt erst spürte sie die dicke Luft, die zwischen den Erwachsenen herrschte. Tilla schlich mit leisen Schritten zurück an ihren Platz, hielt das silberne Tablett in ihren Händen fest, versuchte Maron ihre Verwunderung mitzuteilen. War das wahr? Dann wäre die Frau die erste Mutter, die ihr über den Weg lief.

  • So langsam machte ich mir um Aurelius Cotta wirklich Sorgen. So hatte ich ihn wirklich noch nie gesehen. Zwar hatte ich schon immer geahnt, dass hinter der etwas langweiligen Fassade ein ganzes Universum der Leidenschaft steckte, aber ich wäre nicht darauf gekommen, dass offenbar seine Mutter irgendwie damit in Zusammenhang stand. Meine eigene hatte ich ja auch nur flüchtig kennengelernt - Sklavenschicksal halt.


    Ob Tilla eigentlich ihre Eltern gut kannte? So genau hatte ich das noch gar nicht herausbekommen, weil wir leider nicht soviel miteinander zu tun hatten. Außerdem war ich durch Aurelius Cotta eingespannt - in Zukunft möglicherweise noch durch seine Mutter -, und Tilla nahm sowieso die verschiedensten Dienste wahr. Jedenfalls sah ich aus den Augenwinkeln heraus deutlich, wie unwohl sie sich hier fühlte, denn sie trat von einem Bein auf das andere trotz meines aufmunternden Blicks und dem Lächeln, das sie mir daraufhin zugeworfen hatte.


    Als mein dominus dann nach Wein verlangte, ja fast schrie, wollte ich mich schon daran machen, ihm welchen zu bereiten, aber Tilla kam mir doch zuvor. Ich hoffte nur inständig, dass sie viel mehr Wasser als Wein verwendete, denn ich hatte ehrlich die Befürchtung, dass mein Herr hier allmählich völlig die Nerven verlor. Im nächsten Moment jedoch fragte Aurelius Cotta seine Mutter plötzlich in einem ganz anderen, richtig besorgten Tonfall nach ihrem Befinden. Auch Tilla, die ihm gerade seinen Wein kredenzte, schien ganz verwundert zu sein und blickte wieder zu mir. Jetzt sah auch ich offen zu ihr hin, da die Herrschaften ja ganz offensichtlich vollständig mit sich selbst beschäftigt waren. Ich verstand hier auch nichts mehr.

  • Nicht nur Maron verwunderte das Verhalten des jungen Cotta. Camilla beobachtete fast besorgt, wie ihr Sohn schwer atmete und richtig erregt schien. Es war doch nur eine fast beiläufige Frage zu den Fähgikeiten des Sklaven gewesen? Sie beließ es dabei und konzentrierte sich dann auf den Sklaven, denn Cottas Schweigen war eindeutig: Der Sklave sollte die Antwort selbst vortragen. Camilla kam dies recht, obwohl sie es nicht mochte vom niederen Gesindel direkt angesprochen zu werden. Man konnte viel über einen Mann lernen, wenn man seine Ausdrucksweise aufmerksam wahrnahm. Ihr Blick lag nun auf dem Sklaven, mit dem auch irgendetwas nicht in Ordnung war.
    Etwas erschrocken hörte sie zu. Doch bevor sie dazu kam etwas zu erwidern, blickte dieses Ding ihr in die Augen. Sofort unterbrach sie ihn mit ihrer vernichtenden Stimme. „ Bah! Schau mir nicht in die Augen! “ Disziplin war eine wichtige Tugend. Der letzte Satz ging unter, Camilla nahm ihn nicht wahr. Außerdem interessierte es sie sowieso nicht, ob er nun aus Griechenland, Illyrieren, Kilikien oder Thrakien stammte. Allesamt waren sie Barbaren, die das Glück hatten von einer zivilisierten Kultur besetzt worden zu sein.

    Nun verarbeitete sie die Fähigkeiten des Sklaven nochmals. Sofort fiel es ihr auf. Und sie konnte es nicht verbergen, wie geschockt sie war. „ Appius! “, ihre schrille Stimme schmerzte ihr selber in den Ohren. Schnell versuchte sie ein paar Oktaven herunterzukommen. „ Du hälst dir hier einen Spion! Schaff ihn hier raus! “ Sie meinte es ernst und sie spielte ihrem Sohn auch nichts vor. Sofort distanzierte sie sich einige Schritte von dem Sklaven, der anscheinend gerade von einem anderen hübschen Mädchen im Raum abgelenkt wurde. Es fiel Camilla wieder ein, dass war die andere unfähige Sklavin.
    Der Gedanke, dass ihr eigener Sohn seinen Sklavin vielleicht auch ausnutzen würde um ihr hinterherzuspionieren, gefiel ihr nicht. Der Sklave musste weg. „ Du bringst das Teil noch heute Nachmittag zum Markt, haben wir uns verstanden, Appius? “ Sie war in den befehlsgewöhnten Ton verfallen, den ihr Sohn aus seiner Jugend nur zu gut kannte. Wie oft hatte Camilla schon zu ihrem Mittlerem gesagt „ Haben wir uns verstanden, Appius? “. Es war an sich unzählbar.

    Was dachte sich Cotta eigentlich? Sah sie todkrank aus? Sie wirkte allerdings etwas zu bestürzt. Es war klar, dass Camilla einmal mehr ihr Schauspielertalent ausnutzte. „ Mir geht es gut “, meinte sie nun schon wieder freundlicher. Von ihrer erst eben geschehenen Schockattacke war nichts mehr zu spüren. „ Ich wollte nur einmal wieder meine Kleinen besuchen. “ Sie lächelte liebevoll. Würde Cotta nicht so Distanz zu Vertraulichkeiten nehmen, würde sie ihm jetzt über die Wange streichen. Da es aber nicht möglich war, ließ sie es bleiben und legte nur etwas den Kopf schief um wieder sein Vertrauen zu gewinnen.

  • Nur in einer Tunika bekleidet - in einer weißen, sauberen, neuen Tunika - betrat ich das adedis. Meine Toga war noch in einer aufwändigen Reinigungstortour verstrickt und das Anlegen hätte wieder mehrere Minuten gedauert. Prinzipiell stolperte ich immer über meine eigene Toga. Deswegen war es wohl auch der Grund, weshalb ich mich in der Öffentlichkeit - wenn mit Toga, dann nur sehr langsam gehend - lieber in Tunika zeigte. Die Öffentlichkeit war für mich mein Haus. Wie mein Bild in der Stadt sein sollte, musste ich noch ausfeilen. Ein wenig verwirrt und verirrt blickte ich mich um. Das war aus mehreren Gründen. Erstens wusste ich nicht, dass mich hier meine Mutter erwartete, meine all so gute, ach so gern gehabt Mutter, die aber einen nach mehreren Jahren des Zusammenlebens auch einfach mal auf den Wecker gehen konnte. Zweitens, das Haus war groß. Sehr groß. Da passierte es nunmal, gerade als Neuankömmling, dass man in einen Raum stolpert, von dem man nicht mal wusste, dass ein Haus so etwas haben kann. Erst vorhin kam ich ganz zufällig ins Weinlager. Und, tja... wenn man schonmal da war... Formulieren wir es so: Ich stockte meine Ration an den Genüssen des Weines an diesem Tag ein wenig auf. [mhden agan], wie der Grieche so schön sagte. Höchstens am Geruch merkbar und vielleicht auf ein wenig am etwas verwirrten Blick, den ich aber geschickte mit den ersten zwei Punkten ausspielen konnte, merkbar versuchte ich in der Sklavenmenge, die mir eh vollkommen unbekannt war, einige bekannte Gesichter heraus zu lesen. Ich blieb an zwei Gesichtern der Marke "die-müssen-mit-mir-verwandt-sein" hängen und meine Gehirn filterte langsam die Informationen heraus. Allerdings tat es es nach dem Ausschließungsverfahren und nicht nach der Erinnrung. Vielleicht dauerte es deshalb ein wenig, bis meine Gehirn mir sagte, dass dort Cotta, ein Bruder von dir, und seine Mutter stand. Folglich war es auch meine Mutter. Verzweifelt fragte mein Körper mein Gehirn, wie ich denn jetzt reagieren sollte, nach einem nicht gerade freundlichen Abschied aus meinem Elternheim war die automatische Wiedersehensfreude nicht besonders rießig. Schließlich gab mein Gehrin meinen Körper den Befehl freudig zu lächelnd und - wenn möglich - gerade aus zu meiner Mutter zu laufen und sie zu um armen. Sollte ich nicht auf diesem Weg zusammenbrechen sollte ich noch "Mutter" sagen.
    Auch wenn es nicht ganz so schlimm war, so konnte ich doch wetten, dass das strenge der Auge der Mutter sozusagen, den Braten sofort roch. :D Mein Gang zu ihr und die hoffentlich nicht zu feste Umarmung war noch ganz gut. Bei dem Ausspruch "Mutter", weigerte ich mich jedoch ein wenig, da ich fürchtete doch ein wenig zu viel Geruch auszubreiten und ich mir nur eine Ohrfeige einfangen würde.

  • Erst als sie mir auf einem silbernen Tablett ein Gefäß mit dem gewünschten Wein servierte, wurde ich gewahr, dass es immer noch Tilla war, die hier im adedis bedienen musste. Es tat mir Leid, dass ausgerechnet sie das alles hier zwischen meiner Mutter und mir mitansehen musste. Ich hatte mittlerweile aus Erzählungen einiges von ihrer traurigen Vergangenheit gehört; für was für ein Scheusal musste sie mich jetzt halten? Aber vielleicht war ich das ja auch ... In dieser Gefühlslage, aber auch, um meine Mutter zu ärgern, nahm ich den Weinbecher nicht, ohne laut


    "Danke, Tilla!"


    zu sagen. Dabei huschte sogar ein kleines Lächeln über mein Gesicht. Ich hatte mich ein wenig beruhigt, trank nun einen Schluck von dem verdünnten Wein und hörte dabei an, was meine Mutter zu meinem Sklaven zu sagen hatte. Dass ich ihn etwa verkaufen würde, war natürlich ganz indiskutabel, und ich wusste, dass dies auch Maron klar war. Es erübrigte sich daher für mich, diesen Punkt überhaupt nur zu erwähnen. Da aber fiel mir wieder Tilla ein, und ich entschied mich, doch noch einen Satz dazu zu sagen, um nicht bei ihr Missverständnisse aufkommen zu lassen.


    "Ich weiß nicht, Mutter, was Deine Gepflogenheiten im Umgang mit Sklaven sind, aber hier in der villa Aurelia in Roma werden Sklaven so behandelt, wie es eines patrizischen Haushalts würdig ist, nämlich anständig. Ich würde Dir empfehlen, Dich daran zu halten, solange Du uns hier mit Deiner Anwesenheit beehrst - das ist natürlich nur ein gutgemeinter Rat."


    Dass meine Mutter allerdings mit solchen Invektiven auf Marons Selbstvorstellung reagierte, machte mich nun doch stutzig. Maron - ein Spion? Ja sicher, das war er, doch daran, dass er meine Mutter ausspionieren könnte, hatte nicht einmal ich gedacht. Bis sie es nun selbst erwähnte. Hatte diese Frau etwas zu verbergen? In diesem Verdacht nun bestärkte mich die Tatsache, dass sie nach den Invektiven und schrillen Beschimpfungen, mit denen sie mich und Maron soeben abgekanzelt hatte, auf meine Frage nach ihrem Befinden hin auf einmal fast wie ein Kätzchen zu schnurren begann. Der ehrlich besorgte Ton in meiner Frage hatte in ihr offenbar die Hoffnung geweckt, mich mit dieser Masche angeln zu können - leider falsch geraten, Mutter! Dies hätte höchstens sein Ziel erreicht, wenn sie mir nun hätte berichten müssen, dass es ihr eben nicht gut gehe und ihr etwas fehle. Dass sie nun aber auch noch erzählte, sie sei nur hier, um nach "ihren Kleinen" zu sehen, erfüllte mich erneut mit maßloser Wut. Diese Frau wagte es, mir so ins Gesicht zu lügen. Ich wollte schon den Mund öffnen für eine deutliche Erwiderung - als Philonicus das adedis betrat. Aber was war nur mit ihm los?

  • Zitat

    Original von Aurelia Camilla
    „ Bah! Schau mir nicht in die Augen! “


    Täuschte mich mein Instinkt, oder sagte dies die stolze Patrizierin nicht nur deswegen zu mir, weil ich ein Sklave war, sondern auch - weil ich ein Mann war? Allmählich dämmerte mir, was Aurelius Cotta mit mir in Bezug auf seine Mutter so alles plante. Na, das wäre natürlich ein echtes Schelmenstück! Und, da seine Mutter es schon selbst ansprach, auch eine der besten Gelegenheiten zum Spionieren.


    Wenn ich meinen dominus hier im adedis nun auch von einer Seite erlebte, die ich an ihm eigentlich nicht kannte, so war ich mir seiner doch ziemlich sicher, was einen Verkauf seines Sklaven anging. Dass er nun seiner Mutter allerdings einen höhnischen Rat erteilte, erschreckte mich schon ein bisschen. Nach einer kurzen Phase der Beruhigung schien das Theaterstück hier im adedis einem neuen Höhepunkt zuzustreben. Zunächst aber kam mit Aurelius Philonicus ein neuer Akteur hinzu. Ich war mal gespannt, welche Rolle er hier spielen würde.

  • Maron sah wieder zu ihr. In ihrem Blick stand immer noch die Frage, ob es wahr war, was sie soeben gehört hatte. Diese Frau war Applius Mutter? Letzterer nahm ihr zudem den Wein ab, den sie auf einem silbernen Tablett gebracht hatte. Mit einem dankbaren Nicken bedankte sie sich für sein Lob, welches aus seinem Mund kam und schlich wieder zu ihrem Platz an der Wand zurück, bekam auf ihrem Weg noch mit, wie die Frau Maron aufforderte, ihr nicht in die Augen zu schauen. Dies merkte Tilla sich für die nächste Zeit und beobachtete die Szene weiter. Tilla zuckte zusammen, als die Frau laut wurde und Applius aufforderte Maron auf den Markt zu bringen. Was war ein Spion? Sie wusste es nicht.


    Ganz schnell wollte sie zu Maron gehen, ihm zeigen, dass sie diese Forderung nicht richtig fand. Aber ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, wie angewurzelt stand Tilla an ihrem Platz, somit blieb ihr nichts übrig als ihre Ohren zu spitzen. Verkauften die Leute hier ihre Sklaven wie es ihnen beliebte? Dieser Gedanke jagte ihr einen gruseligen Gänsehautschauer über den Rücken. Sie hatte sich doch gerade erst hier eingelebt! Was sagte Applius denn dazu? Hier in der Villa Aurelia in Roma werden Sklaven so behandelt, wie es eines patrizischen Haushalts würdig ist, nämlich anständig. Noch wagte Tilla nicht aufzuatmen, sie hatte schliesslich schon Ärger mit der Frau bekommen: wegen dem Wein.


    Als noch jemand eintrat, nämlich Manius Aurelius Philonicus, fiel ihr das silberne Tablett aus der Hand. Der Mann hatte eine tunika an. Ein ungewohntes Bild. Schnell hob sie es auf, sah mit verlegen geröteten Wangen zu Boden, sah aus den Augenwinkeln zu, wie er auf die Frau zuwankte. Tilla kannte den wankenden Gang. Ohjeh.. langsam wurde die Stimmung drückender und der Raum immer voller. Warum war Manius eigentlich hier? War er etwa ein weiterer Sohn? Mit diesem Gedanken im Kopf sah sie auf, suchte erneut Marons Blick. Die Frau nannte die Männer mit einem Lächeln ihre 'Kleinen'! Hatte Tilla irgendeine wichtige Ankündigung verpasst, dass heute 'mütterlicher' Besuch kommen würde? Aufgeregt kaute sie auf den Lippen herum, wechselte abermals das Standbein. Tilla erlebte eine Mutter-Sohn-Zusammenführung mit. Bitte bleib hier, Maron. gebärdete sie zu Maron rüber.

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