Täglich wurde die eingegangene Korrespondenz von den Sklaven der Schreibstube gesichtet, sortiert und anschließend an die entsprechenden Empfänger verteilt. Und so begab es sich, dass folgendes Schreiben an jenem Tag seinen Weg in die Gemächer der Aurelia fand, um wenig später dort von ihr gefunden zu werden.
"Ein Brief von ...Ahala? ..Was, … was schreibt er mir denn? …", dachte Prisca während ihre Finger hastig und von Neugier getrieben das tiberische Siegel aufbrachen. Für Sekunden fand sie sich zurück versetzt an jenen Ort, an dem sie - so wie jetzt auch - dieses seltsam vertraute wie herrliche Gefühl verspürte: Dieses kribbelnde Gefühl im Bauch … Oder ist es wegen meinem Cousin, oder wegen Flora?, mischten sich gleichzeitig aber trübe Gedanken aus jüngster Zeit in dieses Hochgefühl, welches Prisca augenblicklich erfasst hatte ...
Doch schon Sekunden später wichen selbige Zweifel einem erleichterten Lächeln als die Augen der Aurelia die Zeilen das erste Mal vollständig überflogen hatten. Und noch einmal las sie den Brief zur Gänze - nur um sicher zu sein …
"Du meine Güte, er will mit mir einen Ausflug machen!", keuchte Prisca atemlos vor Freude über diese "im höchsten Maße unpassende Anfrage", welche eigentlich nur eins bedeuten konnte: Ich gefalle ihm! … Warum sonst sollte er absichtlich ein Wiedersehen außerhalb eines offiziellen Anlasses bzw. einer öffentlichen Festivität vorschlagen, die normalerweise dem nötigen Anstand für ein derartiges Treffen geschuldet gewesen wären.
Aber in diesem Punkt war Prisca seit jeher offen für neue Wege, die sie nur zu gerne mit Ahala beschreiten wollte. Ein Ausflug durch Rom! Welch vortreffliche Idee, von der Prisca so sehr angetan war, dass sie sich sogleich an die erbetene Antwort setzte.
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Aulus Tiberius Ahala Tiberianus
Villa Tiberia
Roma
Werter Tiberius,
Deine Anfrage ist wahrlich in höchstem Maße "unpassend" wie ungewöhnlich für ein Wiedersehen auf diesem Wege. Auf einen solchen Ausflug könnte ich bestenfalls inkognito und ohne meine Gefolgschaft einlassen, was wiederum dir die volle Verantwortung für meine Person auferlegen würde. Da ich dir dies jedoch nicht zumuten kann, muss ich dein Anliegen leider ablehnen.
Mögen die Götter auch dir stets wohlgesonnen sein
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PS: (Ich werde morgen, zur achten Stunde, in den Gärten hinter dem Tempel der Diana weilen - Ich freue mich auf dich!)
Prisca musste schmunzeln als sie noch einmal ihre "offizielle Antwort" durch las. Eine Absage, wie man sie von einer ehrbaren und anständigen Patrizierin wohl erwarten würde. Ich erinnere mich noch gut an das Debakel damals mit Piso!! Und wie sagte meine Mutte immer: Kind! Mit deinem guten Ruf ist es wie mit einem blütenweißen Kleid. Bei allem was du tust und lässt, darf niemals auch nur der geringste Flack darauf entstehen!, wusste Prisca ihre Mutter zu zitieren, der die Unversehrtheit und das makellose Ansehen ihrer Tochter stets am Herzen gelegen hat. Im Großen und Ganzen achtete Prisca auch darauf, nur war sie keineswegs Eine, die deswegen ein Abenteuer hätte auslassen wollen. … Aber! Die Männer (auf die sie sich einließ) sollten ruhig wissen, dass auch sie wusste wie sie sich (eigentlich) zu benehmen hätte, zumal der Tiberer ja genau wusste, dass sein Anliegen "im höchstem Maße unpassend" wäre.
Bei Ahala hatte Prisca allerdings ein gutes Gefühl. Ein sehr gutes Gefühl sogar! Und deshalb fiel es ihr nicht schwer durch das post scriptum, ihre scherzhaft gemeinte Absage ad absurdum zu führen.
"Hier, bring das sofort zur villa Tiberia. Auf eine Antwort brauchst du nicht zu warten!", befahl Prisca einem herbei gerufenen Botenjungen und schickte ihn mit dem Schreiben fort. Besser ich lasse Ahala gar keine Zeit für großartige Planungen. ...Nur er und ich!, dachte Prisca versonnen lächelnd und voller Vorfreude auf den morgigen Tag.