Schade, sie hatte nicht wirklich zugeschaut. Das wäre aufregend gewesen. Ich war kurz enttäuscht, aber dann besann ich mich, dass Prisca ja doch durchaus etwas zu wissen schien, was mir fast völlig verborgen geblieben war. "Was dann?", fragte ich verwirrt.
Doch erst einmal musste ich meine unbedachte Äusserung erklären, die ich hatte fallen lassen.
Dabei wurde ich rot, auch wenn es mir eigentlich nicht peinlich sein musste, schliesslich war ich damals wirklich noch ein Kind gewesen. Aber das konnte man nur sehr schwer oder gar nicht beeinflussen.
"Naja...", zögerte ich. "Meinen Vater, fürchte ich. Ist es nicht ganz normal, dass man seine Familie einmal ausgezogen sieht, wenn man mit ihr in einem Haus lebt? Zudem war ich ja auch noch klein. Später hab ich wohl selbst sehr viel Wert darauf gelegt, solchen Situationen aus dem Weg zu gehen." War das richtig gewesen? Vielleicht hatte ich etwas verpasst? Aber natürlich war es richtig. Es war mein Vater... Es ekelte mich bei dem Gedanken auch wenn ich bereute nicht wirklich zu wissen, wie Männer aussahen.
Meine Cousine hatte von ihrem Schreibtisch einige Papyrus-Rollen geholt, die sie dort vielleicht versteckt gehalten hatte. Zumindest hoffte ich das - wer wusste schon, wie Marcus oder einer der Anderen reagiert hätten, wenn sie das gesehen hätten. Das erste Bild, das sie mir zeigte, war noch einigermassen anständig. Es war ein Liebespaar dargestellt, das sich innig küsste. Darüber hatten wir ja schon geredet. Doch die Zeichnung war, wenn wohl auch etwas zu hübsch dargestellt, ziemlich detaillreich und liess mich spannende Sachen erwarten.
Mir stockte der Atem und ich fragte begeistert: "Wie: besorgt? Wo kriegst Du solche Zeichnungen her?"
"Zeig mir mehr!", wollte ich sagen, doch die Aufregung liess es wie ein Hauchen oder Seufzen herauskommen und ich fing an albern zu kichern, als mir die Situation für einen Augenblick in ihrem ganzen Umfang bewusst wurde. Tilla döste vor sich hin, aber was, wenn jemand anderes unerwartet hereinkommen würde? Jeder würde zuerst klopfen, also war keine wirkliche Gefahr vorhanden. Dennoch steigerte die Nähe der Cousins und Mitbewohner der Villa meine Aufregung noch.