~ Chez Pollux ~ Ein Wiedersehn mit Folgen

  • Das Chez Pollux ist eine der ersten Adressen in Rom. Zumindest ist es eine der ersten Adressen für gallisches Essen in Rom. Und wer etwas von Gaumenfreuden versteht, der weiß, dass die gallische Küche einige der besten Gerichte der ganzen Welt bietet. Denn nachdem die Gallier sich dem römischen Imperium eingegliedert haben gibt es kaum etwas woran sie mehr Freude finden als am Essen und der fantasievollen Zubereitung von diesem. Nicht umsonst heißt es schließlich 'Speisen wie die Götter in Gallia'.


    Da das Chez Pollux eine der ersten Adressen Roms ist, kommt auch nicht jeder so einfach ins Chez Pollux hinein. Lucilla ist allerdings ein gern gesehener Gast. Sie kennt den Inhaber, Pollux den Gallier, schon seit einer halben Ewigkeit, noch aus der Zeit wo er in der Gladiatorenschule Gloria et Honor der Küchenchef war. Leider ist Pollux der Gallier momentan in irgendwelchen Familienangelegenheiten in Lutetia unterwegs. Aber wer die Gallier kennt, der weiß, dass sie die armen, abgemagerten Römer-Hungerhaken in Rom natürlich nicht verhungern lassen. Deswegen kocht in Pollux Abwesenheit dessen Cousin Schmecktwienix, während der Bruder von diesem, Rusticalix, den Laden schmeißt. Natürlich ist Lucilla längst auch bei den beiden bekannt. Für Geschäftsessen im Auftrag der Acta Diurna kann sie jederzeit eines der drei Hinterzimmer in Anspruch nehmen, gemütliche kleine Räume mit einem Tisch und drei Klinen, in denen sich allen Arten von Geschäft gut nachgehen lässt. Außer natürlich Geschäften des horizontalen Gewerbes, aber soetwas gibt es im Chez Pollux sowieso nicht.


    Am heutigen Festtag ist der Gastraum des Chez Pollux natürlich voll bis oben hin. Von den Hinterzimmern sind allerdings noch zwei frei. Immerhin kommt es an einem Festtag meist auf das Sehen und Gesehen werden an, weshalb diese Zimmer auch an solchen Tagen tatsächlich nur für Geschäfte genutzt werden. Mit ihrem 'Geschäftspartner', Manius Flavius Gracchus, wird Lucilla von Rusticalix in einen der Räume geführt.
    Sie ordert eine kleine Menüplatte und deutet, nachdem der Gallier den Raum verlassen hat, auf Gracchus Sklavenanhang. "Ich möchte, dass die draußen warten. Senator Purgitius Macer hat vielleicht deinen Namen bestätigt. Doch auch wenn ich nicht glaube, dass ein Mensch einen anderen Menschen so einfach ersetzen könnte und du deswegen tatsächlich Flavius Gracchus sein magst, so könntest du immer noch mit Quintus Tullius unter einer Decke stecken. Außerdem wirst du sie eh nicht brauchen. Das Essen bringen die Angestellten vom Chez Pollux und ich bin schließlich nur eine Frau, vor mir werden sie dich nicht schützen müssen." Mit herausforderndem Blick nimmt Lucilla Platz und wartet darauf, dass der Patrizier seine Sklaven aus dem Raum schickt, während sie selbst nicht vor hat, Ambrosius von ihrer Seite weichen zu lassen. Obwohl er sich bei Gefahr kaum heldenmütig vor sie in die Schusslinie werfen würde, könnte sie ihn immer noch für den Gegenangriff als Wurfgeschoss benutzen. (:D)



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  • Bereits der Weg hinab vom Capitol, aus der Sicherheit des heiligen Hügels hinaus, über das Forum Romanum hinweg und durch das Gedränge der Stadt, überzeugte Gracchus von der Unvernunft seiner Entscheidung, der Decima ihr Wissen über Quintus entlocken zu wollen. Womöglich würde sie ohnehin nichts wirklich wissen, womöglich hatte sie ihn nur einst flüchtig kennen gelernt - doch womöglich auch nicht und dies schien weit wahrscheinlicher, nach dem zu urteilen, in welcher Weise sie bereits über Gracchus' Zwilling hatte gesprochen, indes musste er verifizieren, dass nicht zu viel sie würde wissen, um seiner eigenen Person gefährlich zu werden, obgleich er nach Quintus' Dahinscheiden nicht unbedingt wusste, wie dies sich konnte noch zutragen. Jene Lokalität, welche die Decima ansteuerte, mochte zu den besten mit gallischer Küche gehören, doch Gracchus war sie darüberhinaus dennoch nicht geläufig, womöglich, da er gallischer Küche ohnehin nicht allzu viel konnte abgewinnen - war bereits die römische Küche äußerst üppig, so schien die gallische ihm zu völlig. Indes fanden sich wenig Gelegenheiten, welche ein Ausweichen auf die nicht-flavische Küche mochten bedingen, so dass Gracchus nur wenige Lokalitäten in Rom überhaupt bekannt waren. Da Decima bereits voraus strebte und nicht den Anschein erweckte, sich die Führung aus den Händen nehmen zu lassen, folgte Gracchus schweigend bis in jenes Hinterzimmer des Chez Pollux, wo die Dame auf die Abwesenheit seiner Sklaven insistierte. Nachdenklich schürzte Gracchus die Lippen, hob eine Hand, um an ihnen zu kneten, und bedachte seine Sklaven, vor allem seinen Leibsklaven, mit einem langen Blick.
    "Geht hinaus."
    Auch ohne konkretisierende Worte würde Sciurus seine Anweisungen en détail verstehen, darum drehte Gracchus sich nur mehr um, ließ sich auf der Kline gegenüber der Decima nieder und wartete, bis das Geräusch des Schließens der Türe an seine Ohren drang.
    "Decima Lucilla"
    , sprach er den Namen seines Gegenübers aus, so als müsse er aufzeigen, dass er ganz genau wusste, mit wem er es hatte zu tun, dass er wusste, wo ihr Haus wohnhaft war.
    "Es überrascht mich doch ein wenig, dass eine Dame von deiner Herkunft und deinem Stande mit einem Menschen wie meinem Bruder Quintus bekannt war. Darf ich fragen, wie es zu dieser Bekanntschaft kam? Um es vorweg zu nehmen, das Leben meines Bruders ist mir mehr als fremd, ich verfügte nicht eben über reichhaltige Kenntnis, was alles in der Welt er anstellte."

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  • Die Dame von ihrer Herkunft und ihrem Stand geht Lucilla hinunter wie Öl die Kehle. Vielleicht hat Gracchus das natürlich gar nicht so ernst gemeint, aber er hat es gesagt. Und in Rom ist nur wichtig, was gesagt wird.


    "Die Bekanntschaft war auch nicht freiwillig," beeilt sie sich daher freimütig zuzugeben. Nicht, dass ihr Ansehen wegen dieser Sache noch in Mitleidenschaft gezogen wird.
    "Wir haben uns auf dem Mare Internum kennen gelernt. Ich war Gast auf seinem Schiff." Der Vorwurf trieft aus Lucillas Stimme. Sie muss an all die netten Menschen denken, die untergegangen sind, Schiffsleute und andere Passagiere. Gut, ein paar nicht nette sind auch dabei gewesen, aber nicht so unnett, dass sie dafür den Tod verdient hätten. Sie muss an Gavia Minor denken, eine Dame von Welt, mit der sie in Rom sicherlich noch viele nette Einkaufstunden hätte verbringen können. Sie muss an den kleinen gallischen Jungen Aeddan denken, der auf Tullius Schiff verreckt war wie ein Stück Vieh. An die Schreie muss sie denken. An Tullius Fratze, als er in die Kabine stürmte, um sie zu töten. An den Fluch, der ihre Leben aneinander bindet.
    Natürlich trägt Flavius Gracchus an all dem keine Schuld. Aber er sieht haarscharf aus wie Quintus Tullius und sein Bruder zu sein bürdet ihm mindestens eine kollektive Teilschuld auf!


    "Wie kommt es, dass du so wenig von ihm weißt? Hat er sich von der Familie abgewandt oder wurde er verstoßen?" Bei den Flaviern ist das immerhin nicht unüblich. Wer weiß, was Tullius angestellt hatte, vielleicht ein Attentat auf den Imperator wie es bei den Flavia schon des Öfteren vorgekommen ist? Vielleicht hatte er sich auch auf die Rostra gestellt und öffentlich seine Piratenkarriere verkündet, das reicht sicherlich aus, um ihn aus einer Patrizierfamilie zu verstoßen. Oder vielleicht noch viel Schlimmeres? Lucilla erschauert wohlig bei dem Gedanken, was sie womöglich gleich erfahren würde.

  • Ein wenig, marginal nur, kletterte Gracchus' rechte Augenbraue in die Höhe, auf eine Art und Weise, wie dieses Heben der Braue nur Patriziern zu eigen sein konnte, nicht Indignation, Erstaunen oder Entzückung, und doch womöglich alles zugleich. Decimas Worte und ebenso ihren Tonfall missdeutete er in jener Weise, dass die Episode ihres Lebens, welche es bedingt hatte als Passagier auf dem Schiff seines Zwillings zu reisen, durchaus wohl unrühmlich war, darum wollte er nicht weiter in dieser Hinsicht urgieren, wollte er doch kaum sie in Verlegenheit bringen, sondern indes mehr über seinen Bruder erfahren. Dass jener ihr oder anderen in solch unrühmlicher Art ein Leid mochte zugefügt haben, dies drang indes kaum in seine Sinne. Zunächst jedoch war es ohnehin augenscheinlich an ihm, mehr über Quintus zu berichten, obgleich er nicht gewillt war viel Preis zu geben, dies auch kaum konnte.
    "Er wurde bereits in frühen Jahren von der Familie getrennt, nicht aus eigener Schuld, denn aus einer deplorablen Verkettung der Umstände. Man hielt ihn für tot. Es war mir erst kurz vor seinem Tode vergönnt, ihn kennen zu lernen, doch viel Zeit blieb indes nicht."

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  • Lucillas Mund steht einen Augenblick lang offen, dann klopft es an der Türe und Rusticalix bringt ein Tablett mit Getränken und einer Platte mit kalten Speisen herein. Er stellt es auf dem kleinen Tisch ab, schenkt Gracchus und Lucilla verdünnten Wein ein und verlässt den Raum dann wieder. Lucilla schluckt ihr Erstaunen runter.


    "Quintus Tullius ist tot? Bist du dir da ganz sicher?" Ein bisschen erstaunt klingt es doch. Sie schaut kurz an sich herab. Ohne Zweifel ist sie noch am Leben, Tullius Fluch war also kein halbes As wert. Denn bevor er vom Schiff der Classis geflohen ist, hatte er ihre Leben miteinander verknüpft, dass mit seinem Tod auch Lucillas Leben ein Ende finden solte. So wie sie auch sein Wohl an ihr Leben gebunden hatte, damit er sie nicht am Grund des Meeres versenken konnte. 'Stümper, das hätte ich mir ja gleich denken können!' denkt Lucilla bei sich.


    "Wann ist das passiert? Und wie?" Nach ihren Fragen dämmert Lucilla die Erkenntnis, dass damit ihre Sensation geplatzt ist. Wenn Quintus Tullius tot ist, dann gibt es keinen Beweis für seine Existenz. Menschen, die sich an ihn erinnern würden, kämen aus der Unterschicht - Piratenkumpanen und Hafengesindel. Kein Mensch würde die Gesichte einer Verbindung der Flavier zur Piraterie glauben, wenn nicht die Aussicht darauf besteht, dass sie irgendwann bewiesen werden könnte. Man würde ihr vorwerfen, dass sie willentlich versucht der Karriere von Flavius Gracchus zu schaden. Gründe dafür würden sich immer finden und wenn es nur ihre Verlobung mit Avarus ist. Und Gracchus könnte alles abstreiten. Die ganzen Flavier würden alles abstreiten, so wie sie sogar den letzten flavischen Kaiser manchmal abstreiten. Lustlos greift Lucilla zu einer Olive. Dabei hat der Tag so gut angefangen.

  • Zu Anfang wunderte Gracchus sich, dass die Decima nicht vom Tode seines Bruders wusste, doch alsbald dämmerte ihm, dass außer Aquilius und ihm niemand darum wusste, war doch Quintus zudem im Namen seiner eigenen Person auf der Reise gewesen, dass selbst Passagierlisten nur würden Flavius Gracchus verzeichnen, doch da jener sich lebendig in Rom befand, ein Irrtum würde angenommen, so dass das Entschwinden seines Bruders war der Welt entgangen.
    "Ich bin sicher. Er starb auf dem mare internum."
    Nichts musste sie erfahren von der Farce des Personentausches, indes würde dies letztlich nur bedingen, seinen eigenen Weg als Quintus Tullius aus dem römischen Umland her zu erwähnen, nichts musste sie zudem erfahren, über jene rabiate Methodik, derer sich Quintus hatte bedient, war dies doch etwas, was Gracchus erfolgreich hatte versucht zu verdrängen, so dass letztlich nur das nie gekannte, doch gern gekannte Abbild seiner Selbst blieb, der verlorene Teil eines vermissten Lebens.
    "Hattest du Gelegenheit, ihn ein wenig näher kennen zu lernen? Was für ein Mensch war er?"
    Hunger verspürte Gracchus wenig, doch auch er nahm einen Schluck des Weines, um seine Kehle zu befeuchten.

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  • Lucilla glaubt, einen eisigen Atem in ihrem Nacken zu spüren und ein leises Flüstern in ihren Ohren zu hören. Doch es wird schnell wieder wärmer und das Flüstern entfernt sich. Dann verstummt es. Für immer. Quintus Tullius ist tot und Lucilla ist am Leben.


    Lucilla muss breit und zufrieden grinsen. Natürlich ist das nicht sehr angemessen, immerhin war Quintus Tullius wohl Gracchus' Bruder, aber wahrscheinlich ist der selbst froh, dass er ihn los ist. Mit mehr Appetit langt Lucilla zu, nimmt sich ein Oliven-Käse-Spießchen, verdrückt danach ein kleines Knoblauchbrot und denkt darüber nach, was für ein Mensch Quintus Tullius war.
    "Er war ein merkwürdiger Mensch," antwortet sie schließlich. "Der sich nicht einordnen lässt." Das war er tatsächlich. Auf der einen Seite ein widerliches Ungeheuer, das Schiffe versenkte, auf der anderen Seite fast so etwas wie galant, als er sie in seiner Kabine mit Speisen verwöhnte, ein harter Kerl, der ohne mit der Wimper zu zucken Römer um Römer tötet, nur um sie danach zu Küssen. Abscheulich, ja, das war er ganz bestimmt, aber das will sie dann doch nicht sagen. Denn wenn man schlecht über Tote spricht, dann kann es gerade jetzt im Herbst schnell passieren, dass ein toter Geist einen heimsucht.


    "Aber so genau habe ich ihn wohl auch nicht kennen gelernt. Unser Verhältnis war doch recht reserviert." Das ist nicht unbedingt die Wahrheit, aber der Wahrheit ist Lucilla nicht unbedingt immer verbunden. Ihre Story ist geplatzt, sobald die Platte leer gefuttert ist, gibt es für sie keinen Grund, länger mit Flavius Gracchus an einem Tisch zu verweilen, denn sie fürchtet, Gracchus allein taugt überhaupt nicht für eine Klatschgeschichte. 8)

  • Ein merkwürdiger Mensch, dies mutete durchaus paradox an im Anblick der Decima, welche einen filigranen Oliven-Käse-Spieß in der Hand balancierte und schließlich Frucht und Milcherzeugnis in ihrem Munde verschwinden ließ. Nicht recht mochte Gracchus sich festlegen, ob sie eher beiläufig klang oder gar ein wenig unwillig. Augenscheinlich wollte oder konnte Decima jedoch nicht viel mehr ihm über Quintus berichten, so dass tatsächlich das Gespräch auf ein informationstechnisches Patt war hinaus gelaufen. Es wäre dies der ideale Zeitpunkt gewesen, das Thema beiläufig in andere Richtungen hin zu lenken, es geschah indes nicht alle Tage, eine solch mächtige Frau wie die Auctrix der Acta Diurna vor sich zu wissen, gänzlich für sich allein in Anspruch nehmen zu können. Doch das klandestine Kribbeln auf Gracchus' Wange, Reminiszenz an die Schlagkraft der Decima, hielt ihn davon ab, dies zu tun. Stille legte sich darob über den Raum, untermalt von ausgelassenem Stimmengewirr aus dem Gastraum des Chez Pollux, welcher sich durch die geschlossene Türe zwängte, und obgleich Gracchus sonstig durchaus das Schweigen und die Harmonie der Lautlosigkeit konnte goutieren, so lag sie in diesem Moment mehr wie ein Kreuz auf seinen Schultern, bewirkte ob dessen gar, dass er einen Anklang von Schuld in sich konnte verspüren, ohne genau zu wissen, weshalb. Er versuchte die Gravation durch einen weiteren Schluck Wein von sich zu spülen, doch in seiner Kehle gefangen und in seinen Magen hinab gedrückt, war es der Flüssigkeit nicht gangbar, seine Schultern zu erreichen.

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  • Wieder einmal herrscht eine von diesen Situationen, bei denen das eine Gegenüber nicht weiß, was das andere Gegenüber denkt. Wüsste das Gegenüber um die Gedanken des Gegenübers, dann würde es sich sicher dazu genötigt fühlen, etwas zu sagen, sich zu rechtfertigen oder etwas richtig zu stellen. Aber im allgemeinen weiß eben jeder nur, was er selbst denkt, und im speziellen hat Lucilla eh nicht vor, ihre Gedanken auszusprechen. Lucillas Gedanken sind nämlich schon wieder an einem ganz anderen Ort, lange bleiben sie nie an einem. Dieser Ort ist ein Stück weit nach Südosten auf dem Aventin, in der Casa von Lucillas Freundin Epaphrodita. Diese gibt am Abend noch ein kleines Fest - "Pro fides" - ein Art Wohltätigkeitsveranstaltung, jeder bringt soviel Treue mit, wie er kann. Natürlich ist das nur ein Vorwand - Treue ist in diesen Tagen sowieso völlig inflationär an allen Ecken und Enden in Rom zu haben. Aber ein lustiger Grund ist es allemal und jeder Grund ein Vorwand zum Feiern. Lucilla sieht sich schon in einem goldenen Kleid, mit goldenen Pailletten, goldenen Ohrringen und Goldplättchen im Haar, die bei jedem Schritt leise klimpern, gerade laut genug, um alle Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Treue muss gold sein, da ist sich Lucilla ganz sicher.


    Lucilla starrt versonnen den Käse auf einem weiteren Spieß an. Gelb ist er, schnell weg damit, ab in den Mund. Ohne ihn lange zu Kauen schluckt sie ihn hinunter und greift nach einem kalten Stück Hähnchenbrust, das mit Honig überzogen ist - goldenem Honig.

  • Die Decima goutierte die dargereichten Speisen, schien beinah gänzlich ihn vergessen zu haben, bedachte ihn nicht mit ihrem Blick, geschweige denn mit ihrem Wort. Mochte er sich erheben, in seine Bestandteile auflösen, dem Rauch verglühender Weihrauchkörner gleich entschweben durch die Ritze im Mauerwerk, sie würde vermutlich nichts davon bemerken. Fasziniert beobachtete Gracchus, wie das Essen im Munde Decimas und ihren Rachen hinab verschwand, angedeutet durch die leichte Bewegung ihrer Kehle, denn selten bot sich die Gelegenheit zum Studium des nicht familiären, weiblichen Wesens. Beinah erschien sie ihm ein wenig wie seine Gemahlin Antonia - wortkarg, reserviert und schweigsam - nur dass jene nicht in solcher Versunkenheit sich den Speisen widmete. Die Gedanken indes an seine Gattin ließen die Stille um so drückender im Raume erscheinen, würde er mit seinen Fingern eine Form durch die Luft beschreiben, so würde ein Bildnis deren Odems sichtbar vor ihm schweben, dessen war Gracchus sich gewiss, doch er wagte nicht, seine Hand zu heben, um solcherlei zu prüfen. Einzig der Becher fand hinwieder zögerlich seinen Weg empor an Gracchus' Lippen, um jene zu benetzen mit der kühlen Feuchtigkeit der schimmernden Flüssigkeit.

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  • Bei dem vielen Gold würde Lucilla aufpassen müssen mit ihrer Haut. Ambrosius würde viel Weißer auf ihre Haut verwenden müssen, denn das hispanische Goldbraun harmoniert einfach nicht mit purem Gold. Lucilla unterdrückt ein Seufzen und greift sich noch ein Stück vom Hähnchen. Die beste Möglichkeit sich von diesen unguten Gedanken abzulenken ist immer noch Essen. Ob sich Epaphrodita wohl tatsächlich noch mit den Pontifices in Verbindung gesetzt hat, wegen dem Treue-Spenden-Kästchen? Manchmal ist sie schon ein bisschen verrückt, das muss Lucilla wohl zugeben. Überhaupt sind ihre Freundinnen manchmal ein bisschen zu überdreht. Dabei sind sie nichtmal alle selbst echte Römerinnen.


    Ein bisschen Bedenken hat Lucilla schon wegen der Treue. Denn Lucilla selbst hat da gar nicht so viel. Selten ist sie einer Farbe länger als einen Monat treu, der Mode nichteinmal eine Saison lang. Sich selbst irgendwie auch nicht, sie ist einfach immer zu wankelmütig. Genüsslich schiebt sie sich noch mehr von dem Essen hinein. Die Gallier verstehen einfach etwas vom Kochen. Vielleicht würde sie sich in der Casa Germanica auch bald einen gallischen Koch leisten.

  • In ihr kontemplatives Schlemmen versunken war das Wissen um seine Anwesenheit Decima gänzlich verlustig gegangen, dessen wurde Gracchus sich mehr und mehr gewahr. Es war dies ihm gleichsam mehr und mehr unangenehm, denn sukzessive legte sich ihr Schweigen wie ein dunkles Tuch über den Raum, welches einer dumpfen Membran gleich jegliche Luft aus ihm zu rauben schien. Womöglich war dies eine Prüfung der Decima? Doch was indes würde mit solcherlei sie bezwecken? Zielte dies alles noch immer auf Quintus ab? Zwischen Scylla und Charybdis in den tosenden Wogen des aufbrausenden Meeres hin und her geworfen, entschloss Gracchus schlussendlich, nicht länger sich dieser Verlegenheit auszusetzen. Ein leises Räuspern kündete von seiner Absicht, bevor er jene in die Tat umsetzte, und die Füße von der Kline schwang.
    "Nun denn."

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  • Über die Fides zur Mode kommt Lucilla schließlich zu dem Entschluss, dass sie dringend mit Ambrosius die neuesten Herbststoffe durchgehen muss. Gerade im Winter stehen ja unzählige Feste an, da muss eine Frau gerüstet sein. Noch ein Stück Hühnchen rutscht Lucillas Kehle hinunter als sie urplötzlich aus allen Gedanken gerissen wird. Flavius Gracchus - den hätte sie ja fast vergessen. Ein bisschen irrtiert blickt sie vom Essen auf und auf den leeren Teller ihres Gegenübers. Er sieht fast unbenutzt aus, aber Lucilla ist sich ganz sicher, dass sie das ganze Essen, das auf der Platte fehlt, nicht alleine gegessen hat.


    Aber was nun? Erwartet Gracchus eine Antwort von ihr? Hatte er eine Frage gestellt? Über was hatten sie noch gesprochen? Quintus Tullius, aber dann? Herrje.
    "Ja, dann." antwortet Lucilla einfach mal auf gut Glück, schaut Gracchus so erwartungsvoll an, als wäre er nun am Zug, und hat den Ball damit gekonnt zurück gespielt.

  • Augenscheinlich war alles gesagt, was gesagt werden musste, was danach drängte, gesagt zu werden, so dass Gracchus sich schlussendlich erhob.
    "Ich danke dir für das offene Gespräch, Decima Lucilla, und wünsche dir weiterhin einen angenehmen Feiertag."
    Er nickte ihr zu, öffnete die Türe zum Gastraum - lautes Stimmengewirr schlug ihm daraus entgegen - und schloss sie wiederum hinter sich. Augenblicklich trat sein Leibsklave Sciurus zu ihm heran, Gracchus jedoch schüttelte nur andeutungsweise den Kopf und nickte zu dem gallischen Wirt hin, auf dass der Sklave die Rechnung beglich, während er selbst bereits zum Ausgang hin strebte. Auch vor den Mauern des Etablissements wollte das Lärmen nicht verstummen, denn noch immer wurde in den Straßen und Höfen das Fest der Fides gefeiert. Gracchus' Sklaven bahnten den Weg zurück zu seiner Sänfte und erst dort, umgeben von einer wenn auch nicht tatsächlichen, so doch symbolischen Mauer, fiel die leise Anspannung von seinem Gemüt, welche seit dem tätlichen Übergriff der Decima und der Nennung Quintus' Namens auf dem Kapitol ihn hatte im Griff gehalten. Selbst im Tode war sein Zwilling augenscheinlich noch für die ein oder andere Überraschung gut, doch Gracchus hoffte, dass dies die letzte derer würde gewesen sein.

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  • Lucilla kann ihm gerade nochein "Vale, Flavius Gracchus" hinter werfen, dann ist der Flavier auch schon durch die Tür verschwunden.
    "Merkwürdig." murmelt sie und nimmt sich noch etwas von dem Essen, denn warum sollte es schlecht werden, nur weil Gracchus jetzt weg ist? Dann schiebt sie die Platte zu Ambrosius rüber, der immer noch im Hintergrund sitzt. "Magst auch was?"


    Erst als die Platte und auch der Weinkelch geleert sind, machen sich Lucilla und ihr Sklave auf den Nachhauseweg.

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