Seit sein Herr ihn aus Hispania zurückgerufen hatte, hatte sich Straton Gedanken darüber gemacht, warum es ausgerechnet jetzt erfolgte. Seine Mutter war krank und würde bald über den Styx segeln, und eigentlich hatte Aquilius von diesem Umstand gewusst - dass er ihn nun doch gerufen hatte, war eine Unbekannte in dieser großen Rechnung voller Variablen. Der Haushalt der villa Flavia Felix war zwar groß, aber durch die verschiedenen Haushaltsmitglieder doch in kleinere Teile unterteilt, es konnte kaum sein, dass es so vieles zu verwalten gab, dass seine Rechenkünste gebraucht würden. Wie so oft hatte Straton auf seine Fragen keine wirkliche Antwort erhalten, in dieser Disziplin - ausweichende Antworten - war Aquilius ebenso gut wie die anderen Flavier. Und so hatte der Grieche die morgendliche Stunde genutzt, und sich ins Arbeitszimmer seines Herrn begeben, um sich an die Buchführung des Aquilius zu machen, jetzt schon insgeheim davor schaudernd.
Es gab Menschen, die Ordnung deswegen hielten, weil sie ihnen unerlässlich schien, um Klarheit über die Geschäfte zu haben, die sie tätigten. Es gab Menschen, die Ordnung hielten, weil ihnen Ordnung an sich gefiel - zu diesen Menschen zählte Straton - und es gab Menschen, die überhaupt keine Ordnung hielten, und leider zählte Flavius Aquilius zu eben jenen. Rechnungen hatte er früher schon überall dort deponiert, wo gerade Platz gewesen war, in Blumentöpfen, in Kachelritzen oder einfach irgendwo in die Ecke geknüllt, und das hatte der bisherigen Buchführung nicht unbedingt gut getan. Es herrschre einfach zu wenig Klarheit darüber, wieviel Geld sich in Aquilius' Haushalt wirklich bewegte, und zumindest Straton hatte bisweilen den Eindruck gewonnen, es war genauso schnell wieder weg, wie es hereingekommen war. Wenigstens hatte sein Herr ein festes Einkommen durch seinen Landbesitz.
Gemächlich nahm Straton am Schreibtisch Platz und zog sich den Kasten mit Schriftrollen heran, in dem die wüsteste Unordnung herrschte - erfahrungsgemäß war auch dies der Ort, an dem die meisten verborgenen Ausgaben lauerten. Seufzend griff der Grieche nach seinem Abakus und begann, die ersten Aufstellungen nachzuzählen und nachzurechnen - eine ganze Weile lang konnte man nur das Klackern der Holzperlen hören, während Straton angestrengt rechnete. Dass sich im Nebenraum - dem cubiculum - jemand befand und ihn hören könnte, kam ihm erst gar nicht in den Sinn, im Augenblick war er zu sehr mit der chaotischen Buchführung seines Herrn beschäftigt.
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