Arbeitszimmer | Rechenaufgaben und mehr

  • Die Milch hinterließ einen schimmernden, weißhellen Flim auf ihren Lippen und wider seinen Willen betrachtete Straton dieses Detail deutlich länger, als er es gemusst hätte. Fast dankbar für die Ablenkung nahm er schließlich den Becher entgegen, und für einen kurzen Moment begegneten sich beider Hände, hinterließ die Berührung einen vagen, kaum wahrnehmbaren und doch fühlbaren Funken. Darüber hinwegtäuschend hob der Grieche den Milchbecher.
    "Jámas! Ich denke, es wird mich nicht umbringen, aus demselben Becher wie Du zu trinken, und sollte es passieren, hoffe ich, dass Du meine Leiche an einem schönen Ort versteckst."


    Trocken schmunzelnd nahm er die letzten Schlucke Milch aus dem Becher und stellte sie beiseite. Der Gedanke einer hinter Aquilius herrennenden Bridhe, die ihn zu mehr Lauftraining zu animieren versuchte, hatte jedenfalls genug Amüsement in sich, um ihn zu einem etwas deutlicheren Schmunzeln zu veranlassen. DAS war etwas, was man sich vielleicht vorstellen konnte, aber sicher nie passieren würde. Zumindest hoffte er das.
    "Er war vor allem ein unglückliches Kind - wir sind oft einfach nur abgehauen, um den dauernden Streit in seinem Zuhause auszuweichen. Ansonsten - was machen Jungen schon in ihrer Jugend? Streiche spielen, essen klauen, diese ganzen Sachen. Warum fragst Du?"

  • Zum Abschluß dieses köstlichen Frühstücks, nahm ich mir noch einen Apfel, der mich einfach mit seiner gelb- rötlichen Färbung angelacht hatte. Gerade, als ich herzhaft hineinbeißen wollte, begann er zu scherzen, was mich vorerst von meinem Vorhaben abhielt.


    Ach weißt du, draußen im Garten gibt es einige Stellen, da kommt nie einer hin. Da finden wir sicher auch für dich ein schönes Plätzchen!


    Grinsend schaute ich ihm dann zu, wie sich doch getraute, aus demselben Becher zu trinken. Gespannt und dann doch in den Apfel beißend, hörte ich ihm weiter zu, als er über seine und Aquilius gemeinsame Kindheit zu erzählen begann. Mir schwirrten selbst Bilder meiner Kinheit im Kopf herum, die wohl wesentlich schöner war, als diese hier.
    Es interessiert mich einfach! Ich kenne ihn ja noch nicht solange. Er hat auch noch nicht so viel über sich erzählt. Außer solche waghalsigen Geschichten, daß er einmal Fischer gewesen sei und sowas. Was ich mir allerdings auch nicht so richtig vorstellen kann.
    Aber findest du nicht, daß es manchmal richtig seltsam im Leben ist. Er hatte, wie du sagtest, eine schlimme Kindheit und heute führt er ein schönes Leben in Reichtum. Ich hingegen hatte eine wunderschöne Kindheit und habe jetzt alles verloren. Ist das etwa der Preis dafür?

  • Die Milch hatte wirklich gut geschmeckt, auch wenn sie ein bisschen zu wenig gewesen war - Straton nahm sich vor, am nächsten Tag auch welche zu besorgen, irgendein guter Vorwand würde sich sicher finden lassen. Das war der Vorteil langer Jahre im Dienst als Sklave, man kannte einfach fast jeden Trick.
    "Hmm ..Fischer?" Das war dann doch neu und ein wenig erstaunlich. Aber es klang so, als wäre die dahinterliegende Geschichte zumindest einer Erzählung wert, denn in diesem Punkt kannte der Grieche seinen Jugendfreund und Herrn recht gut - er behauptete solche Sachen nicht einfach so aus Spaß. Einige Oliven fanden den Weg zwischen die Lippen Stratons, dann ließ er sich etwas zurücksinken und betrachtete Bridhe nachdenklich.
    "Die Frage ist doch vielmehr, was man für sein persönliches Glück definiert. Manche Menschen leben gerne einfach - beispielsweise der Philosoph Diogenes, der nichts besaß, nicht einmal einen irdenen Becher, weil er dies so wünschte - andere umgeben sich mit Prunk und Gold, um sich wohl zu fühlen. Ich denke, das Leben stellt einen immer wieder vor eine Prüfung, und je nachdem, wie man sich dabei schlägt, ist es einem möglich, immer wieder das Glück zu finden oder auch nicht. Du magst vieles verloren haben, aber hast Du nicht auch hier etwas gewonnen - Deinen Liebsten?"

  • Meinen Liebsten! Ja, ja.
    Nachdenklich blickte ich drein und dachte für mich, daß mein Liebster mich in letzter Zeit ganz schön viel Nerven gekostet hatte. Seine Sturheit konnte mich manchmal wirklich zur Weißglut bringen. Außerdem hatte sich unlängst einiges ereignet, was mich manchmal zweifeln ließ.


    Glaub mir, ich brauche auch keine Reichtümer um glücklich zu sein. Meine Familie ist nie reich gewesen. In manchen Wintern hatten wir manchmal so wenig zu essen, daß es kaum für uns alle gereicht hat. Aber wir waren glücklich! Meine Eltern liebten sich und alle ihre Kinder und ich kann mich nicht daran erinnern, daß sich meine Eltern jemals gestritten haben. Für meinen Vater war der Tod meiner Mutter die größte Tragödie seines Lebens!


    Plötzlich überfiel mich wieder diese Traurigkeit. Es waren zwar inszwischen fünf Jahre vergangen, seit sie gestorben war, doch trauerte ich immer noch um sie. Sie hätte mir noch soviel geben können! Ich vermisste so sehr.


    Ich weiß nicht recht, ob ich hier wirklich etwas gewonnen habe, was den Verlust der Freiheit rechtfertigt!


    Ich wollte ihn ja nicht persönlich angreifen, aber was wußte er schon, was es heißt, seine Freiheit zu verlieren! Er hatte nie in Freiheit gelebt.

  • Begeistert klang sie nicht, soviel stand fest. Es schienen sich doch einige dunkle Wolken am Horizont der Liebenden angesammelt zu haben, wie es immer war, wenn die erste Verliebtheit ein wenig abgeflaut war und man sah, was man am anderen hatte. Eine Beobachtung, die der Grieche immer wieder gemacht hatte, und die ihn immer wieder erstaunte - im Grunde war dies vorhersehbar, fast vorherberechenbar.
    "Man kann es Dir fast von den Lippen ablesen, Bridhe - glaubst Du wirklich, ich wüsste nicht, wie es ist, sich eine Freiheit zu wünschen, die man wahrscheinlich niemals bekommen wird? Eine Sehnsucht zu hegen, die sich nicht leicht erfüllen kann? Im Grunde ist auch dies hier eine Prüfung, und ich gedenke, sie in meinem Sinne zu bestehen. Es könnte sehr viel schlimmer sein, wenn man die Alternativen bedenkt. Meine Eltern haben als Sklaven des Flavius Atticus glücklich gelebt, sie haben den Flaviern gerne gedient, sie sahen es als Ehre, das Leben dieser Menschen zu teilen - und sie hatten das ganze Vertrauen des Vaters unseres Herrn. Was für Dich wahrscheinlich wie der blanke Hohn klingt, da Du das Leben in der Freiheit kennst - für meine Eltern war es ein glückliches und zufriedenes Leben, in einer Sicherheit, die sie nur durch ihre Arbeit und durch Loyalität bezahlen mussten. Für alles war gesorgt, für Ausbildung, Unterkunft, Essen, all jene Dinge mussten nie bedacht werden, und mein Vater war als vilicus der Stellvertreter seines Herrn, wenn dieser auf Reisen war, er traf die Entscheidungen. Du magst auf ein solches Leben herabsehen, aber ich denke, dass meine Eltern dieses Leben gerne geführt haben, und auch jetzt ist meine Mutter in der Obhut des flavischen Haushalts gut aufgehoben, da für sie gesorgt wird."


    Nach dieser langen Rede hielt Straton einige Momente lang inne, bevor er fortführte: "Es gibt Gesetze, die eine Freilassung von Sklaven beschränken - selbst wenn der Herr wollte, vor Deinem dreissigsten Jahr wäre es ihm verboten, Dich freizulassen. Auch dieses solltest Du bedenken - und während der Lebenszeit eines römischen Bürgers darf dieser auch nur eine bestimmte Anzahl an Sklaven überhaupt freilassen. Es ist in jedem Fall keine so leichte Entscheidung, wie man es vielleicht denken mag."

  • Na das war doch richtig Klasse! Nur noch schlappe zwölf Jahre meines Lebens müßten vergehen, bis ich dann, wenn ich Glück hatte, vielleicht eine Aussicht auf Freiheit hätte! Der gute Straton konnte wirklich großartig motivieren!
    In der Zwischenzeit war mir das Kinn herunter geklappt. Schön, daß man gelegentlich auch mal solche Details erfuhr! Ich war einfach nur noch sprachlos. Mir fiel absolut nichts mehr ein.
    Wie ferngesteuert stand ich auf und ging zum Fenster. Ich schaute hinaus. Der Blick führte in den Garten. Eine Weile stand ich so da. Er hatte mir wirklich das letzte Fünkchen Hoffnung geraubt, das sich irgendwo noch in mir versteckt hatte. Alles zunichte gemacht! Was nur plötzlich los? Hatte sich auf einmal alles gegen mich verschworen? Wozu hatte mein Leben eigentlich noch Sinn?
    Dann drehte ich mich um und ging in die Richtung der Tür. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich wollte hier nicht weinen. Ich wollte nur noch allein sein. Weg von allem hier. Ich würde mich irgendwo im Garten verstecken, dort wo niemand hinkam und würde erst nach Sonnenuntergang wieder hervorkommen. Auch die noch anhaltende Unordnung in Aquilius Zimmer war mir mehr als egal geworden. Pech für ihn, wenn es ihm nicht gefiel!


    Ich muß gehen.

  • Autsch. Ihre Reaktion bewies, dass sie sich anscheinend Hoffnungen gemacht hatte, es würde bald vorbei sein. Hoffnungen, es wäre ein Traum, der schnell vorüber ging. Innerlich seufzte der Grieche leise, denn das war nun die Art von Situation, die er gerne vermied. Gefühle machten alles nur komplizierter, und junge Frauen verfügten im Allgemeinen über so viel Gefühl, dass es einfach nur noch ein riesiges Wirrwar wurde, wenn man nicht sehr genau aufpasste. Für einen Moment lang fühlte sich Straton alt, alt in einem Sinn, den er lange nicht gespürt hatte. Wie es wohl sein mochte, frei aufzuwachsen? Weniger sicher? Aufregender? Oder geprägt von Sorgen, die man selbst oft genug nicht lösen konnte? Er wusste es nicht, und die Chance, es zu erfahren, hatte er niemals erhalten.
    "Bridhe," sagte er und stemmte den Arm in seine Seite, ihr nachblickend. "Was hast Du geglaubt, würde es bedeuten, Sklave zu sein? Ein spannender Ausflug für ein paar Wochen, den man dann mit einem großen Fest und der Freilassung beendet? So einfach ist es leider nicht, auch wenn ich Dir gerne etwas angenehmeres gesagt hätte."


    Er seufzte dann doch und blieb bei ihr stehen, berührte sie aber nicht. "Du bist nicht alleine hier, Bridhe. Wenn auch alles zu Scherben gehen mag, Du bist nicht alleine. Und wenn es das einzige ist, woran Du Dich halten wirst: Es gibt immer Menschen, die wissen, wie es für Dich ist, weil es für sie genauso ist. Die verstehen. Und die Dir helfen werden, damit zurecht zu kommen. Wenn Du Hilfe brauchst, Bridhe, kannst Du ... auch zu mir kommen." Eigentlich hatte er das nicht sagen wollen. Aber auch Straton war kein Mensch ohne Gefühl, selbst wenn er es vorzog, die emotio der ratio zu unterwerfen. Das stille Leid der Sklavin hätte jedoch wohl auch noch eine Statue gerührt.

  • Eigentlich wollte ich ohne noch ein Wort zu verlieren, abdampfen, doch das, was er jetzt noch oben drauf setzte, sprengte wirklich alles!


    Ob ich geglaubt habe, das hier wäre ein spannender Ausflug? Hallo?! Glaubst du ich bin mal einfach so Sklavin geworden, weil ich gerade nichts besseres vor hatte? Hör mal, dieser Platz hier, ist wirklich der allerletzte, an dem ich sein möchte! Ich will wieder nach Hause zu meinen Leuten, zu meinem Fluß und zu meinen Hügeln zu meinem Torffeuer und zu meinem Meer! Das ist das einzige, was ich will! Diese Mistkerle haben mich einfach gestohlen! Überwältigt, gefesselt auf einen Kahn geworfen und gestohlen! Sie haben nicht erst vorher um Erlaubnis gefragt. Nein! Meine Leute hatten keinen Streit mit diesem Volk hier! Es ist nicht rechtens, daß ich hier bin!


    Ich war so richtig in Rage geraten. Was wollte er mir den hier erzählen? Er hatte doch niemals die Freiheit gekostet. Er kannte nicht ihren Geschmack.
    Ich ärgerte mich jetzt wahnsinnig über mich selbst, überhaupt zu ihm herüber gekommen zu sein.
    Und dann diese Gefühlsduselei, von wegen du bist hier nicht allein, Bridhe.
    Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie alleine ich bin! Das was ich geglaubt hatte, hier gewonnen zu haben, entpuppt sich immer mehr als Alptraum! Hier in diesem Haus denkt jeder nur an sein eigenes Fortkommen. Sklaven wie Herrn! Und auch wenn sie nett zu dir sind, du bist für sie doch nicht mehr, als der Dreck unter ihren Schuhen!


    Dann quollen auch endlich die Tränen , die mir erst noch in den Augen gestanden hatten, über die Wangen. Gerade jetzt hätte ich jemanden gebraucht, der mir die Hand reicht und nicht nur davon spricht.

  • Frauen waren in sehr vielen Dingen höchst komplizierte Wesen. Stratons bisherige Erfahrungen hatten ihn dies gelehrt, und die jetztige Szenerie mit einer wütend-verletzten Bridhe, die nun auch noch zu weinen begann, bestätigte ihm seinen Eindruck einmal mehr. Eine gewisse Hilflosigkeit bemächtigte sich des Griechen, denn seine letzte Tändelei mit einer Frau war eine gute Weile her - die wenigsten Frauen interessierten ihn wirklich tiefgreifend, was aber für alle Menschen galt und keine geschlechsspezifische Entwicklung war - und hatte sich in ein wenig gemeinsam genossener Leidenschaft entwickelt, aber sicher nicht in irgendwelchen Gefühlsduseleien. Ein falsches Wort, und eine Frau entwickelte sich von einem normalen, verständnisvollen, vielleicht sogar witzigen Wesen zu einer kreischenden (oder weinenden) Furie. Bridhe schien da keine Ausnahme zu bilden, in der Art, wie sie Straton gerade ihre Wut verbal um die Ohren schlug. Er hörte ihre Worte an, doch seine Miene veränderte sich nicht wesentlich.


    "Denken nicht überall auf der Welt die Menschen zumeist an ihr persönliches Wohl?" wandte er schließlich doch ein und trat dann an ihre Seite, in den Tiefen seines Tunicagürtels nach dem Beutel wühlend, in dem er seine persönlichen Dinge aufbewahrte - und förderte schließlich ein sauberes Tuch zutage, das er meist benutzte, um Becher oder Teller auszuwischen, wenn er irgendwo auswärts aß - es war frisch gewaschen und sonderte denselben Geruch nach Sandelholz ab, der auch den Griechen umgab. Dann - mit einem vagen inneren Seufzen - zog er sie sanft an den Oberarmen zu sich, reichte ihr sein Tuch und bot ihr seine Schulter stumm an, um Halt zu finden.

  • Er reichte mir ein Tuch, mit dem ich mir meine Tränen abwischen konnte. Dieses Tuch hatte auch diesen seltsamen, aber wohlrichenden Geruch. Mittlerweile hatte er mich etwas zu sich herangezogen, was mir in dieser Situation gar nicht unangenehm war.


    Danke!


    Immer noch schluchzte ich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob alles was für mich wichtig war, ein für allemal verloren war. Es gab nichts mehr, woran ich mich hätte festhalten können. Ich sah mich, wie ich in einen tiefen dunklen Schlund hinabfiel, ohne irgendwo noch einen Halt zu finden.
    Nach einer Weile hatte ich mich wieder beruhigt.

    Sicher, es liegt in der Natur des Menschen, in erster Linie an sein eigenes Wohl zu denken. Doch ist es nicht auch wichtig, wie man miteinander umgeht? In meiner Heimat gibt es auch unfreie Menschen. Die Bauern, sie haben so gut wie keinerlei Rechte, oder Gefangene von fremden tuatha. Aber sie werden bei uns anders behandelt, sie werden nicht einfachso ignoriert, sind keine Gegenstände. Sie sind wirklich ein Teil der Familie. Aber lassen wir das, ich möchte nicht mehr darüber nachdenken.


    Eine Weile schwieg ich. Dachte über alles nach und fand wieder keine Lösung. Ich wollte mich ablenken, um an all das, was mich zur Zeit zermürbte, nicht denken zu müssen.


    Was ist das für ein Geruch, hier von dem Tuch? Es riecht gut!

  • "Wie jeder Mensch anders ist, wird auch hier in jedem Haus anders mit Sklaven umgegangen. Senator Flavius Felix soll ein grausamer Herr gewesen sein, der seine Sklaven oft hat wegen geringen Dingen peitschen lassen, mein Herr - unser Herr - ist eher in vielem sehr gutmütig. Aber eines ist ihnen wohl allen gemeinsam, den Flaviern - sie haben nur begrenzte Geduld, und ist diese aufgebraucht, will man ihnen nicht begegnen. Wenn man das weiss, kann man mit ihnen umgehen. Du hast es in diesem Haushalt nicht zu schlecht getroffen, auch wenn das nicht wirklich eine Nachricht ist, die Dir gefallen wird. Es gibt viele weitaus schlimmere," sagte Straton sinnierend und blickte die junge Frau nachdenklich an, bevor er sein Tuch zurücknahm. Jetzt würde er es wieder waschen müssen, aber wenigstens schien die schlimmste Krise beigelegt. Als sie ihn auf den Geruch ansprach, war er darüber nicht unfroh.
    "Das ist Sandelholz, eine seltene Essenz aus dem Osten. Sie ist noch viel ferner hergereist als Du es bist, und sehr teuer. Ein Geruch, mit dem sich die Reichen schmücken, oder auch die edlen Frauen vieler Völker. Hast Du einen Lieblingsduft?"

  • Sandelholz? Aha!
    Niemals hätte ich gedacht, daß Holz so gut riechen konnte. Ich hatte mir noch nie groß darum Gedanken gemacht, welche Düfte man anlegen konnte. Doch das sollte nicht heißen, das es für mich keine Lieblingsdüfte gab.


    Ich mag den Duft von Lilien. Die findet man manchmal bei uns. Und ich mag auch den Duft des Grases, wenn frischer Regen darauf gefallen ist.


    Wie man wohl aus diesem Holz diesen Duft heraus bekam, fragte ich ich gerade. Ob man das Holz zerrieb?


    Bei uns ist es nicht Sitte, sich mit einem Duft zu schmücken. Das habe ich hier zum ersten mal erlebt. Oder auch dieses Einölen. Und dann schabt man das ganze Zeug wieder ab. Eigenartig!


    Langsam versuchte ich wieder etwas zu lächeln. Vielleicht war er ja doch nicht so ein Felsblock, wie ich es nach unserem Gespräch gedacht hatte. Er war eben anders, aber vielleicht doch ganz liebenswert.

  • "Lilien ... sie stehen für die Reinheit des Herzens ...eine schöne Wahl. Kennst Du die Sprache der Blumen? Einige findige Dichter ordnen den Blüten verschiedenster Pflanzen eine Bedeutung zu, und manches Mal kannst Du durch das Geschenk einer Blüte eine versteckte Botschaft senden. Rosen haben je nach Farbe gar eine eigene Bedeutung. Manche Liebespaare, die sich vor der Öffentlichkeit verstecken müssen, nutzen dies gar, um miteinander zu sprechen - ohne dass man versteht, was sie wirklich sagen. Eine interessante Sache, die Sprache der Blüten," sagte Straton und steckte schließlich das Tuch wieder in seinen Gürtel zurück. Sie wirkte ein wenig sonniger als zuvor, und insgeheim war er erleichtert darüber, bedurften weinende Frauen doch einer Behandlung, die eher bei ihrem Liebsten aufgehoben war denn bei einem anderen. Auch wenn es ihm im Augenblick zweifelhaft erschien, dass Severus genug Feinfühligkeit besitzen würde, um sie richtig zu trösten.
    "Nun, vielleicht wirst Du Gefallen an dieser Sitte des Parfums finden, Bridhe, wenn Du möchtest, stelle ich Dir einen Duft zusammen. Im Grunde benutzt hier fast jeder irgendeinen Geruch für sich, und sei es nur, um die Wirkung auf andere zu vervollkommnen. Auch der Herr hat seinen persönlichen Duft, den ich nur für ihn mische."

  • Die Sprache der Blumen. Das klang schön! Rosen, ja es gab wilde Rosen bei uns. Sie mit der Liebe zu vergleichen, konnte ich verstehen. Ihr Duft war süß und die Stacheln konnten verletzen.


    Das ist interessant, diese Sprache der Blumen! Bei uns werden Blumen zu verschiedenen Festen gebraucht, um sie den Göttern zu opfern.


    Plötzlich sah ich ihn mit ganz anderen Augen an. Er konnte diese Düfte herstellen? Das hätte ich mir niemals vorstellen können! Um Düfte herstellen zu können, bedurfte es doch sicher auch so etwas, wie Gefühl. Damit war er die ganze Zeit doch recht spärlich umgegangen. Doch das Wissen, daß er es konnte, wäre ja wirklich hilfreich! Vielleicht!


    Wenn du möchtest, kannst du mir ja einen Duft mischen. Vielleicht einen mit Lilien!
    Sag mal Straton, warst du schon mal verliebt?

  • "Das ist bei uns ähnlich. Auch die Römer opfern verschiedenen Göttern, meist Göttinnen, Blüten und Blumenkränze. Im Grunde gibt es kaum einen Feiertag ohne irgendwelche Blumen ...die Opfertiere werden auch damit geschmückt," erzählte Straton und stellte wieder einmal fest, dass sich die meisten Kulturen im Grunde wohl nicht besonders voneinander unterschieden. Menschen taten es auch nicht, egal wo man sich befand. Alle wollten gut leben, zufrieden sein, glücklich werden.
    "Ich werde mir etwas ausdenken, aber es wird ein bisschen Zeit brauchen - und die nötigen Rohstoffe, ich habe nicht mehr alles vorrätig, was ich für einen Frauenduft brauchen würde. Wenn Du also ein paa Tage Geduld hast, werde ich Dir sicher etwas geben können, das Dir gefällt."
    Die Frage nach dem Verliebtsein allerdings überraschte Straton kurz, bevor er darüber nachsann, ob es klug war, darüber überhaupt zu sprechen. Aber wahrscheinlich würde sie ihn ansonsten löchern bis in alle Ewigkeit, so sagte er nur, mit einem kleinen Seufzen: "Ja, das war ich. Es ist einige Jahre her."

  • Ich kenne mich auch ganz gut mit Kräutern aus. Doch ich muß gestehen, die meisten Kräuter, die es hier gibt, kannte ich nicht! Unten im Garten habe ich das Beet mit den Kräutern entdeckt und habe sie alle gleich mal ausprobiert! Man kann ja so viel mit Kräutern machen! Früher habe ich immer welche gesammelt. Oft haben wir daraus Mittel gegen Krankheiten gemacht.


    Ja, mit der heimischen Flora kannte ich mich ganz gut aus. Auch die Wirkung mancher Pflanzenarten war mir nicht fremd. Da fiel mir plötzlich wieder ein, wie ich auf unserem geheimen Fest das Fliegenpilzstückchen gegessen hatte. Junge Junge, hatte das vielleicht eine Wirkung gehabt! Sowas hatte ich ja noch nie erlebt! Doch darüber wollte ich jetzt nicht sprechen, denn diese Vorkommnisse waren im Nachhinein gesehen, doch recht peinlich gewesen.
    Aber jetzt wurde es doch noch richtig interessant! Er hier war doch tatsächlich schon mal verliebt gewesen! Das hätte ich nicht gedacht! Doch er bejate meine Frage, sogar mit einem Seufzer! Was der wohl zu bedeuten hatte?


    Echt? Du warst schon mal so richtg verliebt? Wie war sie denn so?


    Im nächsten Moment kam mir in den Sinn, daß es vielleicht ja auch ein er hätte sein können. Hier war ja so ziemlich alles möglich! Das hatte ich spätestens bei meinem Lauschangriff im Garten feststellen müssen.

  • "Nun, wenn Du Dich mit Kräutern auskennst, wird es Dir nicht schwer fallen, die hiesigen zu lernen - und vielleicht lassen sich auch welche von jenen hier anbauen, die Du kennst. In diesem Haushalt fehlt ohnehin jemand, der sich um den Kräutergarten kümmert, ich denke, der dominus wird dem nicht abgeneigt sein, wenn Du Interesse bekundest. Je mehr Dinge Du erlernst, die besser sind als das Aufräumen und ähnliches, desto weniger wirst Du davon tun müssen - es ist im Grunde sehr einfach. Ich habe seit Jahren nicht mehr viel aufgeräumt, weil ich schreiben und rechnen kann, sehr nützliche Dinge, sobald ein Haushalt aus mehr als einer Person besteht," erklärte Straton und das war im Grunde auch der Knackpunkt der Sklaverei. Ein Sklave konnte angenehm leben und viele Freiheiten genießen, wenn er bereit war, aus sich etwas zu machen - wer keine Talente besaß, die nützlicher waren aus putzen und aufräumen, blieb natürlich auf ewig jemand, der putzte und aufräumte, von dieser Sorte waren wohl die meisten Sklaven. Aber wer mehr wollte, musste sich aus der Masse herausheben.


    Das Thema Liebe allerdings ... Frauen. Eigentlich hätte er es wissen müssen. Frauen unterhielten sich so schrecklich gerne über Gefühle und Kinder, all diese eigentlich unnützen Sachen, die einem das Leben nur unnötig schwer machten. "Sie war eine Patrizierin, und Du kannst Dir sicher vorstellen, dass es unter diesen Voraussetzungen keine glückliche oder erfüllte Liebe war," sagte Straton nach einer langen Pause schließlich widerstrebend. "Sie war eine sehr besondere Frau. Intelligent, warmherzig, mit viel Humor und Freundlichkeit. Und sie ist tot." Der brüske Abschluss des ganzen sollte ihr eindeutig klarmachen, dass er sich darüber eigentlich nicht weiter unterhalten wollte. Es gab bessere Themen, und dieses Thema hatte er eigentlich nie wirklich aufgreifen wollen. Er würde es auch nie wieder von selbst erwähnen.

  • Oh, wie schrecklich!
    Ich spürte, wie unangenehm es ihm war, über dieses Thema zu sprechen. Doch hätte ich zu gerne noch mehr darüber erfahren. Aber ich ließ es dann dabei bewenden. Vielleicht hätte ich ein anderes mal mehr Glück. Doch dann kreisten meine Gedanken wieder um Severus und den Stress, den ich zur Zeit mit ihm hatte. Allerdings davon wollte ich ihm lieber nichts erzählen.


    "Meinst du es gibt nur einmal die wahre Liebe im Leben?"


    Hey, warum fragte ich ihn das eigentlich? Irgendwie machte er mir nicht so den Eindruck, als ob er dafür der Experte schlechthin war.
    Doch er war wohl schon einmal verliebt gewesen. Ob er so etwas noch einmal für eine Frau empfinden könnte?
    Ich konnte mir im Augenblick nicht vorstellen, einen Anderen genauso zu lieben wie ich Severus liebte. Und dieser Gedanke machte mir richtig Angst. Denn was wäre, wenn meine Liebe zu Severus in die Brüche ginge? Tja, und momentan sah das ganze nicht so rosig aus!

  • "Ich weiss es nicht," sagte Straton wahrheitsgemäß auf ihre Frage und hob die Schultern dazu etwas an. "Wahrscheinlich ist das bei verschiedenen Menschen verschieden. Manche lieben ihr Leben lang und sind damit glücklich, wie meine Eltern beispielsweise, andere springen von Verliebtheit zu Verliebtheit, und wieder andere haben die Möglichkeit, ihre Liebe irgendwann einem anderen Menschen zu schenken, wenn aus der ersten nichts wurde - das zeigt wohl nur die Zeit."
    Wie es für ihn selbst war, wollte er nicht sagen, und es war auch besser so. Ihr Tod hatte eine Wunde gerissen, die nie verheilt war, und es war besser, alles vom Gras bedeckt zu lassen, das darüber gewachsen war. An manchen Dingen durfte man einfach nicht rühren.
    "Die Philosophen sind dazu geteilter Ansicht, und wie bei allen Themen des Lebens könnte man darüber sehr lange streiten. Was meinst Du? Kann man im Leben mehr als einen Menschen wirklich lieben?" Es schien fast, als hätten die dunklen Augen des Griechen bei diesen Worten eine Tiefe gewonnen, die ihnen bislang gefehlt hatte.

  • Mhh,
    sagte ich nur. Denn ich selbst wußte es ja auch nicht besser.


    Für mich war es jetzt das erste mal, daß ich so richtig verliebt,war, ähm bin. Vorher hatte ich nie so recht die Gelegenheit gehabt. Ich glaubte oder besser gesagt, ich hoffte, dieses Gefühl würde nie vergehen. Aber ich denke, man weiß erst, wie Stark eine Liebe ist, wenn sie auf die Probe gestellt wird. Wenn es so richtig schwierig wird. Verstehst du, was ich meine.


    Oh ja, genau in dieser Phase befand ich mich gerade, in der es so richtig schwierig wurde. Manchmal erwischte ich mich selbst dabei, wenn ich darüber nachdachte, ob dies wirklich die wahre Liebe war.
    Immer wieder kam ich zu dem Schluß, daß es wohl Liebe war, doch wollte ich wirklich diese Art von Liebe? Immer noch ließ mich Severus im Unklaren darüber, wie er an dieses Geschenk für mich gekommen war. Das war genau der Felsbrocken, der diese Liebe so schwer belastete. Ich wollte kein Geschenk, an dem womöglich Blut haftete.
    Was wäre die Konsequenz daraus?

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