Verliebte waren, was ihre Gefühle anbelangte, zumeist vorhersehbar. Zuerst gab es die Phase hochfliegender, rosiger Träume, welche die vorhandene restliche Welt in Zuckerguss zu hüllen imstande war und in welcher man die Fehler und charakterlichen Nachteile des Partners meist übersah - und Straton resümierte, dass sich Bridhe mitsamt Severus wohl nun in der zweiten Phase befinden musste: Das allmähliche Erkennen dessen, dass nicht alles Gold sein musste, was zuvor verführerisch geglänzt hatte. Eine zwangsläufige Entwicklung, welche auch immer entschied, ob eine Liebe Zukunft hatte. Ob der eine Teil bereit war, die Fehler des anderen zu akzeptieren, und vice versa. Oder hätte sie sonst überhaupt davon angefangen zu sprechen, dass eine Liebe auf der Probe stand?
"Manchmal erkennt man auch nur durch Schwierigkeiten, wie tief die Gefühle reichen, und ob sie ausreichen, um darauf mehr zu bauen als einige Tage voller Freude und Lust," sagte Straton schließlich nach einiger Zeit des Überlegens und Abwägens seiner Gedanken. "Erst wenn es schwierig wird, sieht man, ob man wirklich ernsthaft liebt, ob die Empfindungen auch eine Probe überstehen - Liebe ist wankelmütig, sie wird uns nicht immer in gleichem Maß geschenkt, und letztendlich auch nicht immer in gleicher Stärke. Was bedrückt Dich, Bridhe?" Er steuerte das Thema lieber direkt an. Es würde ihr sicher eher helfen, als wenn sie nun stundenlang um den heißen Brei herumreden würden.