Atrium | Gracchus et Quirinalis

  • Ich folgte dem Jungen ins Atrium und merkte wie er mich beobachtete. Brauchte ich hier schon einen Aufpasser?


    Es kam mir vor, als sei ich hier nicht willkommen. Dabei bin ich doch selbst ein Flavier... Aber das wird sich bald hoffentlich regeln.

  • Ein kleines Déjà Vu ... stand ich nicht selbst vor kurzem - war es nicht erst gestern? - hier im Atrum voll mit den rauchgeschwärzten Masken unserer berühmten und weniger berühmten Ahnen, der Stolz meiner Familie. Mein Stolz? Ich muß mal sehen, wo mein Vater steht.


    'Ein Gast, ein Besucher für einen meiner Großonkelz?' Solange noch niemand da ist, kann man ja mal grüßen. Ich raffe mich und meine Schulrollen zusammen und krame in meinem Kopf nach Themen für ein nettes Gespräch: Wetter? Essen? Die Sehenswürdigkeiten Roms? Der Partherfeldzug, von dem ich in den Straßen gehört hatte? Die Funktionen des Konjunktivs im Lateinischen? Die Stellung der Frau und der weiblichen Sklaven insbesondere - was Bridhe wohl grad macht?


    Salve - ich bin Luca... - Lucanus: Cnaeus Flavius Lucanus.


    ergänze ich, der Mann sieht älter aus als von der Ferne, kein Kamerad, außerdem ja ein Gast.


    Ich hoffe, der, den Ihr erwartet, kommt bald.


    Ich komme mir vor wie der scriba eines Arztes: 'Habt ihr einen Termin? Gutgut, der Herr Medicus wird Euch gleich aufrufen, wenn Ihr derweil im Wartezimmer Platz nehmt ...'


    Nach dieser Glanzleistung an esprit und Weltläufigkeit will ich mit einem kurzen und ehrerbietigen Kopfnicken weiter zu meinem Zimmer.

  • "Salve, Cnaeus Flavius Lucanus! Mein Name ist Tiberius Flavius Quirinalis."


    Hatte ich diesen Jungen schon einmal gesehen? Ich war mir nicht sicher, wohl eher nicht.
    Angestrengt überlegte ich.... Nein, kam ich zu dem Schluss, ich kannte diesen Jungen nicht.


    "Wir sind uns noch nicht begegnet, oder?"


    Er schien leicht nervös zu sein und wollte wohl wieder weiter, allerdings hatte ich Lust mich mit ihm zu unterhalten, denn so hatte ich wenigtens einen Zeitvertreib.

  • 'Tiberius Flavius Quirinalis' - noch ein Flavier? Noch ein Onkel? Ein Groß-Groß-Onkel? 'Da muß irgendwo ein Nest sein' grinse ich in mich hinein. Ich drehe mich direkt zu meinem Wahrscheinlich-Onkel um und strahle:


    Salve! - vielleicht bist Du ja auch ein Onkel von mir: einen habe ich schon kennengelernt, Gracchus, und einen lerne ich sicher bald kennen, Onkel Aquilius; hier wimmelt's von Onkeln im Haus. Absolut.


    Ich bin aus Hispanien - und daß Du mir noch nicht begegnet bist, ist kein Kunststück: außer meiner verstorbenen Mutter habe ich daheim in Flaviobriga keinen einzigen Flavier je niemals nicht zu Gesicht bekommen.


    'Je niemals nicht' - Himmel, Sturm und Wolkenbruch, was'n das für'n Latein. Ach, geh!


    Und Du wohnst Du hier in Rom oder kommst Du auch von weiter her? Zu Besuch? Oder ... ?


    Was gab es noch für Möglichkeiten?, frage ich mich.

  • Die Nachricht ob des Eintreffens des Flavius Quirinalis in der Villa Flavia hatte Gracchus nicht nur überrascht, sie hatte tatsächlich dazu gereichen können, seine Gedanken zu irritieren und von seinem vordergründigen Tun, dem Studium einiger Tagesakten des Collegium Pontificium, abzulenken. Natürlich war er mit dem Namen des Mannes vertraut, er war kein Flavier von Blute denn durch äußerst absurde Umstände. Er war der Bruder eines Kaiserattentäters, der Sohn einer Verräterin - schlimmer noch als ein leiblicher, welcher sich seine Mutter nicht hatte ausgesucht, ein ideologischer, freiwillig gewählter. Gracchus war nicht informiert über das gänzliche Ausmaß all jener intriganten Machenschaften, welche ein über sich selbst bestimmendes Mitglied einer ehrbaren, patrizischen Familie dazu brachte, sich freiwillig in die Abhängigkeit eines anderen zu stellen, von gleichem Stande und keinesfalls besonders einflussreich. Einzig die Erbfolge mochte dies bedingen, doch Flavius Catus hatte keine Macht besessen, wodurch in logischer Folge nur Felix' Tod und Catus' Beerbung der Plan hatte sein können - oder schlimmeres noch. Gracchus indes wollte es nicht wissen, gleichsam wie er mit einem solchen Menschen nicht wollte mehr als notwendig Zeit verbringen. Als er das Atrium betrat, stand unweit des Mannes, welcher Flavius Quirinalis musste sein, der erst kürzlich in Rom angekommene Lucanus und einen Augenblick lang flammte Misstrauen in Gracchus auf.
    "Salve, Flavius"
    , grüßte Gracchus Quirinalis, doch da er nicht hatte vor, länger die Anwesenheit jenes Mannes zu genießen, nahm Gracchus weder Platz, noch bot dem Gast einen solchen an. Sein Auftreten war höflich, soweit es die Regeln forderten, keinen Deut jedoch mehr.
    "Salve, Lucanus"
    , grüßte hernach er den jüngeren Verwandten, gab jedoch nicht seiner Neugier nach, nach ihrer Bekanntheit zu fragen, sondern wandte sich schließlich wieder Quirinalis zu.
    "Ich bin Flavius Gracchus. Du batest um ein Gespräch mit mir?"
    Titel und Positionen waren belanglos diesbezüglich, ging es doch einzig hier um die Familie.

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  • "Salve! Ja, ich bat um ein Gespräch mit dir."


    Gracchus schien mir gegenüber sehr reserviert zu sein, ich verstand gar nicht warum.


    "Lange Zeit war ich in Germanien während einer Reise verschollen, von Räubern verschleppt. Nun, ichbin wieder zurück und wollte den Rest der Familie von meiner Rückkehr unterrichten."


    Mehr hatte ich wirklich nicht im Sinn, endlich mein normales Leben weiterführen, sonst nichts. Ich war froh wieder zurück zu sein, doch schien nicht jeder über meine Ankunft erfreut zu sein.

  • Germanien! Das Land der Pickelhelme, des Stechschritts und der Vernügungen auf Kommando. Das Land potenter Chatten mit riesigen Pranken, riesigen Brustkörben, riesigen Armen ... ich starre Quirinalis an. Der Mann ist îm Paradies gewesen und kommt wieder her? Hat er mit Bären gekämpft, aus Schädeln seine Feinde schäumende Cervisia getrunken, mit Kameraden geschunkelt, mit Riesen gerungen, auf Bäumen gesessen am, nackt und ganzen Körper behaart wilde Götter in orgiastischen Ritualen gefeiert? Meine Phantasie geht mit mir durch, nicht, daß ich jemals in diesen Urwald, in dem es kalt und naß und dunkel ist, jemals auch nur einen Zeh freiwillig zu setzen gedenke - aber spannend ist es allemal.


    Und nun verdirbt Gracchus so ziemlich alles. Kaum hat er das Atrum betreten, überzieht alles eine fingerdicke Rauhreifschicht, die Portieren sind im leichten Hauch erstarrt und sehen aus, als seien sie aus Metall, die farbenprächtigen Blumen sind von einer dünnen und durchsichtigen Eisschicht bedeckt, würfe man eine Blüte zu Boden würde sie in tausend Splitter zerstieben wie Glas.


    Was hat er denn? Hat Quirinalis das Tafelsilber nach Germanien mitgenommen? Oder Gracchus' Freundin?


    'Man muß wissen, wann man verschwinden muß', sagt Pedro, denn die Flut kommt und reißt alles mit sich aufs offene Meer. Also - weg hier. Gracchus guckt mich auch schon so komisch an, nicht, daß er mir noch einen Eispickel in mein rasendes Herz rammt. Metaphorisch natürlich. Oder vielleicht doch nicht metaphorisch? Nach dem, was ich mir heute Mittag geleistet habe, ist mein Bedarf an 'das-ist-jetzt-aber-eine-komische-Situation'-Situationen erstmal hinreichend gedeckt.


    Salve, Großonkel Gracchus!


    grüße ich freundliche zurück, der Eispickel schwebt an einem dünnen Faden über meinem Haupt.


    Quirinalis, Gracchus - ich - ääh - muß dann mal.


    Ich nicke zu den Rollen unter meinem Arm: Schularbeiten, sage ich gequält lächelnd, als hätte ich in eine Quitte gebissen.


    Tiberius Flavius Quirinalis, war mir ein Fest, Dich kennengelernt zu haben, wir sehen uns ja vielleicht zum Abendessen? Hoffe ich jedenfalls sehr!


    Ein kurzer Blick zu Gracchus. Keine Reaktion. O, o.


    Alles Gute derweil! Valete!

  • Zitat

    Original von Tiberius Flavius Quirinalis
    "Lange Zeit war ich in Germanien während einer Reise verschollen, von Räubern verschleppt. Nun, ichbin wieder zurück und wollte den Rest der Familie von meiner Rückkehr unterrichten."


    "So hast du dies nun getan. Ich werde unterrichten, für wen diese Information von Belang ist."
    Mehr als eine Randnotiz im nächsten Brief an Felix dürfte indes kaum dies werden. Mehr als eine Randnotiz jedoch nahm Gracchus vom Umgang zwischen den ihm gleichermaßen fremden Großneffen gleichen Grades und suchte nach latenten Hinweisen auf engere Vertrautheit.

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  • Kaum habe ich dem Atrium auf direktestem und schnellstem Weg den Rücken gekehrt und bin den Flur, der zu meiner Zimmer führt, eingebogen, da geht doch so wirklich zufällig meine linke Sandale auf. -.^ Ich lege meine Rollen auf den Boden, kniee mich hin und zurre die Lederriemen wieder fest. Dabei werde ich unweigerlich und völlig unbeabsichtigt :D Ohrenzeuge der Antwort von Großonkel Gracchus. Brrr. Nicht Worte, sondern Eisbrocken kommen aus seinem Mund. Definitiv Gracchus' Freundin hat Quirinalis nach Germanien im Gepäck gehabt. Und wo hat Qurinialis die jetzt gelassen? Bei seinem Dutzend Kindern auf einer Latifundie in Germanien trans Rhenum quasi?


    Leider ging das mit dem Sandalenbänderfestzurren schneller, eine andere Ausrede fällt mir nicht ein, darum raffe ich endgültig meine Rollen zusammen und gehe ohne viel Federlesen zu meinem Zimmer.

  • Was immer Grachhus auch hatte, ich habe niemandem etwas getan. Aber gut, ich war hier so wie es aussah nicht willkommen. Dennoch wagte ich folgende Frage zu stellen...


    "Kannst mir als Familienmitglied für ein paar Tage ein Zimmer breitstellen, bevor ich wieder zurückkehre nach Hispania?"


    Fragend schaute ich Gracchus an und versuchte dabei so unschuldig auszusehen wie nur möglich. Denn schließlich führte ich wirklich nichts im Schilde.

  • Unwillkürlich pressten sich Gracchus' Kiefer aufeinander, Stille zog sich durch das Atrium, durchbrochen nur vom Plätschern des Wassers in das impluvium und den fernen Geräuschen der Welt, welch durch das compluvium hereinzogen. Mochte so, mit diesem nichtssagenden, lauter erscheinenden Blicke, sein frei gewählter Bruder den Imperator angesehen haben, bevor das Messer er warf? Klandestin zog ein frischer Hauch durch das Atrium, ließ die Flammen hinter den Masken der Ahnen erzittern, so dass Schatten über ihre stummen Mienen tanzten.
    "Suchst du mich zu düpieren?"
    Kalt war die Couleur seiner Worte, doch durchzogen von beständiger Ruhe.
    "Mitglied deiner Familie war ich nie und werde es niemals sein. Du hast deine Abstammung selbst gewählt und damit gleichsam dein Verderben. Magst du dieser Wahl treu bleiben oder noch einmal deine Familie zu wechseln und damit die Schande deiner ideologischen Bindungen zu tilgen suchen, Bestandteil dieser Hausgemeinschaft wirst niemals du sein. Geh, verlasse dieses Haus und fordere nicht die Grenzen deines Glückes gleich denen meiner Gutmütigkeit heraus."
    Fest war Gracchus' Blick, unnachgiebig, gleich jenem, welchen sein Vater hatte besessen, mit welchem seinen Sohn er bei den seltenen Gelegenheiten ihrer Aufeinandertreffen hatte in den Erdboden hinab geblickt, und wäre er sich bewusst gewesen dessen, womöglich hätte Gracchus ihn gesenkt, gemildert vielleicht, doch so persistierte nur das stetige Fixieren der Augen seines Gegenübers.

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  • Eiskalt schaute ich Gracchus an. Wenn mein Blick hätte töten können, wäre Gracchus wohl auf der Stelle in den Hades gefahren. So etwas war mir in der Flavia noch nie untergekommen.


    "Das ist unerhört. Monatelang war ich in Germanien unterwegs. Jetzt bin ich endlich zurück und will mein normales Leben weiterführen. Will einfach in die Normalität zurückkehren. Und wie werde ich empfangen?"


    Eine kurze Pause in der ich tief Luft holte.


    "Dann gib mir die Gründe deiner Zurückweisung und ich verschwinde sofort."


    Ein eisiger Hauch umwehte meine Stimme, meine Zurückhltung war dahin. Fast schon bösartig schaute ich Gracchus an. Zum Glück hatte ich mich wie immer unter Kontrolle, um nicht völlig auszurasten.

  • Beinahe hätte seine rechte Augenbraue sich ihres Eigenlebens bemächtigt und wäre marginal ein wenig empor gestiegen, doch im letzten Moment konnte Gracchus sich ob ihrer Erinnern und Einhalt gebieten, so dass unbewegt sie an ihrem Platze blieb.
    "Wo du unterwegs warst, interessiert mich nicht im Geringsten, und nicht wie dein Leben du weiterführst, abgesehen davon, dass es nicht in diesem Hause geschehen wird. Deine Eltern und ihre Sippschaft sind die Gründe meiner Zurückweisung, denn in diesem Hause ist kein Platz für jene, welche dem Glauben anhängen, ihre eigene Gier und Gelüste über das Wohl des Imperium Romanum und des Imperator stellen zu können. Du hättest besser daran getan, Spross eines einflusslosen, doch ehrenwerten Familienzweiges zu bleiben. Du hast dein Leben und deine Zukunft unter die falsche Hand gestellt und auch so dir das Imperium dies verzeihen wird, die Flavia Romulus wird indes es nicht. Suche dein Heil in anderen Häusern, doch wage nicht, die Familie dieses Hauses als die deine zu benennen."

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