servitriciuum | Eine neue serva

  • Tilla nickte Siv zu und überquerte einmal mehr die Tür zu den Schlafräumen. Auf ihrem Bett angekommen setzte sie sich bequemn hin und wischte die Tafel sauber. da sie nun warten musste hatte sie nichts tun, dennoch wusste sie womit sie sich beschäftigen wollte. Erst zeichnete sie den Umriss, dann die Konturen und das übrige hinzu. Schade, das sie bisher nur weiße Kreide bekommen hatte. Bunte Farben würden dem Bild, welches sie zeichnete, toll stehen. So aber blieb ihr nur übrig mit dem Schatten und dem hellen Weiss zu variieren. Tilla war noch nicht ganz mit Zeichnen fertig, da kehrte Siv zurück.


    Sie sah auf und nickte ihr zu. Langsam zeigte sie auf ihre eigenen Haare, dann auf die von Siv, hob den Daumen. Offene Haare stehen dir gut, finde ich. meinte sie damit und widmete sich den letzten Strichen ihrer Zeichnung. Schliesslich rutschte sie vom Bett. Da. Für dich. Ich pflücke die später. Dann hast du Myrtle in echt. Sogar zum trocknen aufhängen kannst du die. fügte sie lächelnd hinzu und zeigte auf einen Haken in der Decke unter welchem Tilla in dem Augenblick stand. Ach, weisst du was? Ich zeige dir gleich den Garten. Kommst du mit? Dann können wir sie gleich zusammen pflücken. Spontan erfasste sie Sivs Hand und zog die Ältere mit sich zum Garten hinaus.

  • Ich hatte noch etwas frische Luft im Garten getankt. Meine Augen wurden schwer und ich fühlte, wie die Müdigkeit mich zu übermannen versuchte. Keine Frage! Mein Bett rief nach mir. Die erste Nacht in diesem Haus! Ich wußte, was das bedeutete! Eine langwierige Nacht, in der ich trotz erheblicher Müdigkeit, sicherlich keinen Schlaf finden würde.
    Ich sah mich um und begann mein Bett zu suchen. Tilla hatte mir am Nachmittag alles gezeigt. Doch trotzdem war es eigenartig, völlig neu zu sein. Ich war nicht die Einzige, die hier schlief, doch eigentlich kannte ich bisher nur Tilla. Ansonsten hatte ich mit keinem der anderen Sklaven gesprochen. Schüchtern ließ ich dann ein "´n Abend!" verlauten.


    Sim-Off:

    Wer will, der darf! ;)

  • Der Tag war lang gewesen, und auch anstrengend, wie so oft, aber Cadhla hatte diese Entwicklung inzwischen schon fast als Tatsache akzeptiert. Wenn sie nicht in Sisennas Nähe war, um auf die quirlige Kleine zu achten, dann blieb immer genug Arbeit übrig, dass die Keltin ausgelastet war, und inzwischen vermutete sie auch, dass diese Aufgaben Methode hatten. Sie war die einzige Sklavin, deren körperliche Kraft für einen Fluchtversuch sicherlich ausreichend gewesen wäre, und wenn sie abends in den Schlafraum schlich, schliefen die anderen oft schon, und sie selbst war viel zu müde, um nachzudenken. Am heutigen Tag jedoch hatte sie Glück gehabt und hatte vor allem bei langwierigen, aber nicht anstrengenden Dingen helfen müssen - Dokumente im Hausarchiv sortieren und dergleichen mehr, dafür wurden zum Ordnen auch Sklaven gebraucht, die nicht lesen konnte, umso einfacher wurden Geheimnisse gewahrt.


    So kam sie kurz nach Caelyn in den Raum hinein und nickte ihr zu, während sie überlegte, ob sie diese schon kannte - irgendwie hatten die Aurelier zu viele Sklaven, und es wurden stetig mehr.
    "Salve," sagte Cadhla schlicht und ließ sich sogleich auf ihr eigenes Bett fallen, die Beine ausstreckend, um dann unter dem Kissen nach einer Besonderheit zu wühlen, ein Papyrus, so leicht wie eine Feder, dünn wie ein gepresstes Baumblatt - und mit den Buchstaben des lateinischen Alphabets bedeckt. "Du sein neu hier?" vergewisserte sie sich dann doch.

  • Ich hatte mich auf mein Bett sinken lassen und wollte mich eigentlich wenigsten mal pro forma hinlegen. Da hörte ich, wie noch jemand den Raum betrat. Ich sah auf und erkannte eine rothaarige Frau. Besonders glücklich sah sie ja nicht aus. Eher müde und abgebrannt! Würde auch ich so in Zukunft am Abend hier her kommen? Desillusioniert, müde und freudlos?
    Was wühlte sie denn da aus den Kissen hervor? Ein Papyrus?
    Sie hatte mich bemerkt und sah zu mir rüber. Woher sie wohl kommen mochte. Ihrem Aussehen und ihrem Akzent nach zu urteilen, hätte ich Britannia getippt. Aber da konnte ich mich auch täuschen. Vielleicht war sie ja auch Gallierin. Vielleicht aus Armorica. Die sprachen auch so ´nen eigenartigen Akzent. Schlimmstenfalls war sie Germanin. Aber nein! Die sprachen ganz anders. ."Salve, ja, ich bin die Neue. Bin heute erst angekommen. Mein Name ist Caelyn! Wie ist dein Name?" Interessiert, lächelnd schaute ich zu ihr hinüber. Vielleicht könnte ich mit ihr die lange Nacht etwas verkürzen. Ein interessantes Gespräch konnte so richtig gut die Zeit vertreiben.

  • "Cadhla," sagte die Keltin, und erwies sich mal wieder als Ausgeburt der Redegewandtheit. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, mit den anderen Sklaven und ihrem Herrn generell nicht so viel zu sprechen und mehr zuzuhören, was ihrem Latein bisher ganz gut getan hatte.
    "Du schon bekommen hast alle Sachen, die sein wichtig? Kleidung? Du wissen wo ist Abort und balneum?" Ein interessantes Gespräch war dies bei weitem noch nicht, aber dieses Wissen gehörte eindeutig in die Sparte 'wichtiges Wissen', wenn man schon irgendwo neu war, und zumindest für Cadhla war es wichtig gewesen zu wissen, wo man sich erleichtern und reinigen konnte. Still betrachtete sie die 'Neue', deren blondes Haar verriet, dass auch sie nicht aus diesem Land der Schwarzhaarigen stammen konnte. Einen Akzent hatte sie jedenfalls nicht erkannt, aber angesichts dessen, dass Cadhla immernoch mehr damit beschäftigt war, Latein zu verstehen, und nicht auf Details achtete, nicht weiter erstaunlich.

  • Cadhla! Das war ihr Name. Nicht germanisch. Nicht wirklich gallisch! Allerhöchstens vielleicht doch armoricanisch. Aber gut, das war ja schon fast britannisch!
    Aber fürsorglich war sie! Das machte sie wirklich sympathisch, auch wenn sie mir hier nicht mein Ohr blutig redete.
    "Oh,öhm ja! Tilla hat mir schon alles gezeigt! Danke!" Aber wenn ich sie nicht fragen würde, woher sie denn jetzt stammte, würde ich es sicherlich niemals erfahren. Doch aus Erfahrung wußte ich, daß es nicht immer so toll ankam, wenn man auf Teufel komm raus, die Leute so ausfragte. Deshalb begann ich zu erzählen.
    "Ja, öhm, wie gesagt, ich bin neu. Komme eigentlich aus Augustodunum. Das ist in Gallien. Ehemaliges Stammesgebiet der Häduer, bevor diese Plattnasen hier kamen. Schon mal was von Bibracte gehört? Da haben meine Leute früher gelebt. Bis die Plattnasen,öhm die Römer mein ich, sie runter ins Tal umgesiedelt haben und die Stadt dann gebaut haben." Wahrscheinlich interessierte es sie nicht die Bohne, was ich da erzählte. Doch für mich war es ´ne willkommene Ablenkung gegen mein Schlafproblem.

  • Langsam hatte Cadhla den Kopf schief gelegt und dem Redeschwall der Neuen die relevanten Informationen entzogen - sicher, sie verstand jetzt fast alles, aber die meisten sprachen ihr dann doch noch ein bisschen zu schnell. Während sie das Stück Papyrus mit dem lateinischen Alphabet sorgsam zusammenrollte und mit einem Lederband verschnürte, betrachtete sie Caelyn. Sie schien recht redefreudig zu sein, aber diese Leidenschaft teilte sie mit so mancher Sklavin aus dem Haushalt, und Cadhla hatte sich auch daran inzwischen gewöhnt.


    "Ich nicht kennen, Bibracte, nein," bedauerte sie, es klang auch viel zu fremd, um aus ihrer Heimat zu sein. "Auch nicht Augustodunum." Hatte sie überhaupt schon einmal von Orten wie diesen gehört? Nein, musste sie zu ihrer eigenen Schande feststellen, allerdings, die Römer hatten ein so riesiges Reich und die Städte bekamen auch immer so änlich klingende Namen. Wie man das alles auseinanderhalten sollte, war ihr schleierhaft. "Ich stammen von Britannia, aus gegend von Aquae Sulis. Du kennen vielleicht Londinium? Größte Stadt, und voller Römer. Sie genommen meinem Stamm Dorf und Land, wie sie es immer tun."

  • Hatten mich also meine Sinne doch nicht getäuscht! Aus Britannia kam sie! Da ging das ja gerade noch so in Ordnung, daß sie noch nichts von Bibracte oder Augustodunun gehört hatte. Naja, Aquae Sulis sagte mir persönlich auch nicht viel! Londonium- das hatte ich schon mal gehört! Natürlich war das auch voller Römer! Wo man auch hinschaute! Überall diese Römer! Echt widerlich! Mußten sich aber auch wirklich überall breitmachen!
    "Tja, das ist halt so! Die sind schlimmer als Fliegen!" pflichtete ich ihr bei.
    Doch mich interessierte es, was sie hier so zu tun hatte. Ob sie auch jeden Morgen Weckdienst spielen mußte?
    "Was machst du hier denn so?"
    Von hier aus konnte ich ihre starken Arme ausmachen. Sie war sicher nicht eines, von diesen zartbeseiteten Pflänzchen, die sich bei jedem piep vom Acker machten.

  • Frisch gebadet und mit nassen, nicht mehr tropfenden Haaren, bekleidet mit einem weißen schlichten knielangem Nachthemd kehrte Tilla barfüßig aus dem balneum der Sklaven zurück. Schlüpfte durch den Türspalt in die Schlafräume. Caelyn war da.. und auch Cadhla. Salve.. Beiden, die ein 'C' als Anfangsbuchstaben hatten, lächelte sie still für sich nacheinander zu und hockte sich vor ihre Aufbewahrungskiste. Den mitgenommenen Kamm aus dem Bad verstaute sie darin, denn Haare kämmen wollte sie morgen früh. Jetzt war sie zu müde dafür.


    Oder halt! Vielleicht wollte Cadhla das tun? Begleitet von einem Gähnen und einem eisigen Gänsehautschauer zog sie die Bettdecke von ihrem Bett, legte diese um ihre Schulter und belegte den nächstfreien Platz neben Cadhla auf deren Bett. Abermals gähnte Tilla, verstaute ihre nackten Füße unter der Bettdecke, Die Erwachsenen unterhielten sich. Somit durfte sie bestimmt nicht dazwischen reden. Tilla spielte mit dem Kamm, hoffte ein bisschen, dass Cadhla auf sie aufmerksam wurde. Cadhlas freie Körperseite zog sie an. Impulsiv lehnte Tilla sich an die Ältere an, suchte bei ihr nach Geborgenheit. Mit den Händen rieb sie die müden Augen, seufzte und hielt still.

  • Die Römer schienen bei Caelyn auch nicht auf der ersten Position ihrer Freundesliste zu stehen, aber bei welchem gefangenen Sklaven rangierten diese schon so weit oben? Sie schmunzelte bei Caelyns Spruch über die Fliegen, um dann anzufügen: "Sie sehr große und sehr lästige Fliegen sind, vor allem mit Kriegsgerät und Waffen. Nicht einmal einschmieren mit Schlamm helfen gegen Römer, die umsurren einen wie Fliegen im Sommer und dann sitzen überall dort, wo nicht sollen sein." Irgendwann würde sie den Soldaten wieder begegnen, die sie gefangen und verkauft hatten, diese Gesichter vergaß man nicht. Und dann würde sie sich rächen, wie es der Brauch verlangte, blutig rächen, soviel war sicher.


    Schnell blinzelte sie das blutige Bild von ihrem inneren Auge fort und zwang sich zu einem leichten Lächeln. Der alte Zorn war sinnlos, er würde ihr hier nicht helfen - und es gab wirklich schönere Dinge, über die man sprechen konnte.
    "Ich sein Sklavin von Aurelius Corvinus, und wenn er mich rufen, dann ich tun vieles - ihn waschen, ihm geben Kleidung, ihm tragen Sachen, gießen seine Pflanzen in hortus, und achten auf Gesundheit und Unversehrtheit von kleiner domina Sisenna. Du kennen Sisenna? Sie sein wirklich nettes Kind. Und was tun du in villa?" Als Tilla den Raum betrat, lächelte sie ihr schon offener zu, der Zorn war verraucht, auch wenn er wohl niemals ganz vergessen sein würde.


    Als das Mädchen sich an ihre Seite setzte, legte sie fast automatisch den Arm um die schmale, von der Decke eingehüllte Gestalt Tillas und rubbelte sie ein bisschen ab, um ihr dann in das Gesicht zu blicken. "Du ganz verwirrte Haare, Tilla. Ich dir helfen machen wieder richtig?" Mit einer Hand deutete sie eine Kämmbewegung an - das richtige Wort war ihr schlichtweg nicht eingefallen - denn eines wusste sie sehr genau: Würden diese Haare nicht entwirrt, würde Tilla am nächsten Morgen aussehen wie eine Distel auf Urlaub.


    edit: Den Tilla-Teil angefügt - ihr seid einfach zu schnell für mich^^

  • Ich konzentrierte mich auf Cadhlas Antwort. Es war doch etwas anstrengend, ihr zu folgen. Mit dem Latein stand sie wohl ganz schön auf Kriegsfuß. Auch ihre Aussprache machte es mir nicht sonderlich leichter.
    Ich schmunzelte, als vom Einschmieren mit Schlamm, gegen die Römerplage sprach. Bildlich stellte ich mir gerade sie Szene vor, wie ich vollgeschmiert mit Schlamm, ins cubiculum meines Möchtegernherrn eintrat und der vor lauter Schreck tot umfiel. Echt krass! Wenn´s doch nur so einfach wäre!


    Aha, sie gehört also einem Typen namens Aurelius Corvinus. Moment, den Namen hatte ich doch heute schon mal gehört, na klar! Der Rabe! Ich war ja immer noch am rätseln, wie sehr der Kerl tatsächlich einem Raben ähnelte.
    Na Klasse, und Kindermädchen war sie also auch noch! Mit kleinen Gören kannte ich mich auch aus. War ja schließlich jahrelang auch eins.


    Dann gesellte sich auch noch Tilla zu uns. Sie machte auch einen recht müden Eindruck. Sie gesellte sich gleich zu Cadhla. "´n Abend Tilla! Na alles gut?" erkundigte ich mich und lächelte ihr schelmenhaft zu.
    Wenn alle Mädels hier so nett waren, wie die Beiden hier, dann könnte das noch richtig witzig werden.

  • Tillas Augen funkelten erfreut auf, als Cadhla sich so lieb um sie kümmerte und sogar abrubbelte. Mit einem Nicken reichte sie ihr den Kamm und setzte sich etwas auf. Ja, darfst du. Haare kämmen. Sie tat es, um Cadhla das Haare kämmen leicht zu machen. Tilla holte ihre Haare unter dem Tunikakragen hervor und sah zu Caeyln auf. Ja, danke, alles gut. Bin ziemlich müde. Zu den Gebärden tauchte ein weiteres Gähnen hinter vorgehaltener auf. Uah, Tilla rieb sich abermals die Augen, zog die kräftigen Beine heran und umschlang sie mit den schmalen Armen, wobei sie den schweren Kopf darauf stützte. Müde deshalb, weil es in der Küche bei Niki so stickig gewesen war und dann bei der Gartenarbeit die viele frische Luft sie regelrecht erschlagen hatte. Dann hatte eine der aurelianischen Frauen, natürlich Prisca sie und Saba gerufen und eine Frisur verlangt. Leider war es eine von den komplizierten Frisuren, für die man sie noch nicht an den Kopf der Herinn liess. Also hatte sie nur neben Saba stehend zuschauen dürfen und ausgerechnet da fing das große Gähnen an. Tilla linste aus halb geschlossenen Augen zu Cadhla. Kann ich bei dir schlafen? Bitte...

  • Vorsichtig zupfte sie Tillas wilde Zotteln nach und nach auseinander - was für ein verwahrlostes Mädchen musste sie gewesen sein, dass ihr Haar so aussah. Für einen Moment lang empfand Cadhla Mitgefühl mit dem Mädchen, denn auch wenn ihre kleine Schwester früher recht wild gewesen war, ihre Mutter hatte immer auf gut geschnittenes Haar geachtet und die wilde Mähne der Kleinen gebändigt. Erst nachdem die schlimmste Unordnung beseitigt war, nahm sie die einzelnen Strähnen in die Hand und zog den Kamm durch das feuchte Haar, sodass es nicht an der Kopfhaut zupfen konnte, die Keltin arbeitete sich so langsam und geduldig durch Tillas Haar und lächelte dabei sogar etwas. Es weckte Erinnerungen, und es waren gute Erinnerungen. "Wenn Du brauchen Hilfe hier in villa, Du mich fragen, Caelyn. Ältere Sklaven gern geben Arbeit an neue Sklaven, die ist unangenehm, und Du Dir nicht alles müssen sagen lassen."


    Ein gewisser Hang zur Faulheit war nichts, was Cadhla ärgerte, aber einige Sklaven drückten sich mehr als andere vor ihrem Anteil an der Arbeit, und diesen Umstand würde sie noch abstellen. Es war einfach unfair auf Dauer. Als Tillas Gesten wieder ihre Aufmerksamkeit einfingen, blickte sie das Mädchen etwas überrascht an, nicht sicher, ob sie sich nicht getäuscht hatte - dann aber nickte sie. "Wenn Du nicht treten in Schlaf, dann ich nichts gegen." Es würde seltsam sein, ihr Lager mit überhaupt jemandem zu teilen, aber schließlich hatte sie früher auch in einem Bett mit ihren Geschwistern geschlafen, und vielleicht vermisste Tilla einfach ihre Eltern oder Geschwister, falls sie welche gehabt hatte ... sie hätte es verstehen können.

  • Zufrieden und entspannt saß ich in meinem Bett. Meine Beine hatte ich ausgestreckt und mit meinem Rücken lehnte ich mich an der Wand.


    Cadhlas Angebot würde ich sicherlich annehmen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie es hier so lief. Es gab wohl immer einige schwarze Schafe, die einen ausnutzen wollten, doch da waren die bei mir an der falschen Adresse!. "Danke Cadhla! Ich werde gerne zu dir kommen, wenn irgendwo der Schuh drückt!"
    Ich mußte schon wieder schmunzeln, als ich zu ihr rüber schaute und zusah, wie sie versuchte, Tillas Haare zu bändigen. Das erinnerte mich ein wenig an meine Zeit in Augustodunum. Da hatte ich auch mit drei Mädchen und meinem Bruder in irgendeinem Loch gehaust. Egal, was kam, wir standen uns immer bei und halfen einander. Was die Mädels jetzt ohne mich so trieben? Und wie ging es meinem Bruder? Er war jetzt ganz alleine auf sich gestellt. Doch die Mädels würden ihm sicher beistehen! Da war ich mir sicher.
    "Hast du noch Familie, Cadhla" fragte ich ganz spontan.

  • Die Ältere namens Cadhla kümmerte sich so gut um ihre Haare wie es bestimmt ihre Maman getan hätte, wenn sie denn eine hätte. Tilla schenkte Cadhla ein erneutes dankbares Lächeln und schloss vertrauensvoll die müden Augen. Sie wollte gut still halten, um ja keine Berührung zu verpassen, widmet sich ihren Gedanken. Seit längerer Zeit schon dachte Tilla über ihre Wurzeln nach, von wem sie abstammt und wo ihr 'richtiges' zu Hause ist.


    Die alte zahnlose, weißhaarige Sklavin ihres ehemaligen Herrn hatte versucht, sich um sie zu kümmern, ihr aber nicht viel bieten können, weil sie eben alt gewesen war. Ob sie noch lebt? Nein, bestimmt nicht. Bestimmt hat ihr ehemaliger Herr sie mit dem Tod bestraft, genauso wie den Sklaven, der ihr Lesen und Schreiben beibrachte. Alles tat dazu bei, dass sie Botengänge erledigte und beim Einkaufen, geschweige denn Tragen des Einkaufes mithalf. Kaum war sie nach der Strafe genesen, floh Tilla von seinem Hof, schlug sich um ihr Überleben kämpfend und stehlend auf der Straße durch. Bis man sie in ihrem Versteck aufstöberte. Tilla wusste praktisch nichts über Düfte und Frisieren, als domina Prisca ihr diese Frage stellte. Aber sie war bereit, dieses Wissen zu erwerben. Ebenso war es mit dem Kochen und Backen in Nikis Küche. Die nette Köchin zeigte ihr, wie überhaupt eßbares Brot entstand, wie man Fladen formte und was man dazu für Zutaten brauchte. Beide Wissensgebiete aber braucht sie nicht, wenn sie wieder wegen etwas flasch getanem vom Hof fliehen müsste.


    Langsam öffnet sie die Augen, sieht Cadhla an. Danke. Wenn die Ältere genau hinsieht, würde sie erkennen, dass Tillas Augen feucht sind und verdächtig schimmern. Einen Moment zögernd fügt sie stockend gebärdend hinzu. Es ist nicht der Schlaf... es sind die Erinnerungen.. von der Straße.

  • Die Frage nach ihrer Familie ließ einen vagen Schatten über ihr Gesicht huschen, und Cadhla wandte den Blick für einige Momente lang ab, weil sie nicht wollte, dass jemand sah, wie sehr sie allein der Gedanke schmerzte. Die Ungewissheit. Und natürlich auch ihre eigene Unfähigkeit, irgend etwas zu ändern, überhaupt in Erfahrung zu bringen, ob sie hoffen konnte. Ob es noch Hoffnung gab. "Ich hatte Familie, aber ich nicht leben mit ihnen. Mutter und Vater und Schwester und zwei Brüder," zählte sie langsam auf. Alles war noch einfacher gewesen, als sie das Leben ihrer Familie geteilt hatte, aber eine Schildmaid lebte nicht mehr unter den normalen Menschen - es war ein Abstand, der nicht nur durch ihre Schwüre bewahrt wurde, sondern auch weithin sichtbar war. Man musste als Krieger imstande sein, Einsamkeit zu ertragen, Verlust und Schmerz. "Ich nicht wissen, ob noch leben, aber ich hoffen, dass ist so." Dass es eine schmale Hoffnung war, sagte sie nicht dazu, aber das konnte man sich auch denken.


    Ihr Werk an Tillas Haar behutsam fortsetzend, arbeitete sich die Keltin sorgsam um den Kopf des Mädchens herum und schließlich konnte sie mit dem grobzinkigen Kamm langsam, aber doch stetig durch die gesamte Länge des Haars fahren, ohne dass der Kamm hängen blieb oder etwas zupfte. So sah Tilla gleich viel hübscher aus, und nachdem sie das Haar glatt gekämmt hatte, begann sie, es in drei Teile zu legen und einen lockeren Zopf zu flechten - wenn die Haare erst trocken wären, würde Tilla leichte Wellen darin haben. "Du nicht musst fürchten die Nacht, Tilla. Wenn ich bein Dir, dann Du schläfst ruhig und tief," sagte Cadhla schließlich sehr bestimmt, wie sie es bei ihrer kleinen Schwester auch getan hätte.

  • Das war ja eigenartig! Sie hatte noch eine Familie gehabt, aber lebte nicht mit ihnen. War sie etwa eine Ausgestoßene?
    Manchmal konnte so etwas ja passieren! Im Grunde, war mir ja so etwas auch passiert. Nachdem Mutter tot war, wendeten sich die Verwandten von meinem Bruder und mir ab. Selbst die eigene Schwester meiner Mutter, wollte uns nicht haben. Warum, hatte ich nie verstanden. Mein Bruder und ich, wir waren doch noch Kinder, die nie etwas schlimmes getan hatten.
    "Ich habe nur noch einen Bruder der am Leben ist. Meine Mutter ist schon vor Jahren gestorben. Mein Vater ist bereits vor mener Geburt gestorben, hat man mir erzählt."
    Das Lächeln war etwas aus meinem Gesicht gewichen. Es machte mich immer noch traurig, wenn ich über meine Mutter nachdachte.
    Ob ich den beiden etwas von meiner (Ersatz-)familie erzählen sollte. Dazu war nämlich im Laufe der Jahre meine Bande für mich geworden. Wir sorgten füreinander, so wie es eine richtige Familie auch getan hätte. Vielleicht würde es mir auch gut tun, darüber zu sprechen und vielleicht würde es auch Cadhlas Zunge noch etwas lockern, damit diese Nacht nicht ganz so langweilig werden würde.
    "Zu Hause, in Augustodunum lebte ich mit meinem Bruder und einigen Anderen, die ihr Heim verloren hatten zusammen. Wir hatten unser Versteck, in das wir uns nachts immer zurückgezogen haben. Tagsüber waren wir auf der Straße und haben für unser Überleben gesorgt, wenn ihr verseht was ich meine. Also kurzum, wir haben geklaut und so. Davon haben wir uns über Wasser gehalten."

  • Sie tastete nach dem Zopf, den Cadhla geflochten hatte und fand ihn toll gemacht. Dass ihr gesamtes Haar so schwer war hatte sie bisher gar nicht gewusst. Tilla zog den dicken Zopf über die Schulter, betrachtete seine neue Form. Danke schön. bedankte sie sich bei der jungen Erwachsenen und rutschte wioeder zurück an Cadhlas Seite. Tief schlafen? Das geht? Das wäre schön. meinte sie zum Thema 'bei Cadhla schlafen' und kuschelte sich erneut in die eigene Bettdecke. Die Köchin Niki sagt, Bett fertig für die Nacht und den Schlaf ist erst nach dem Haarekämmen und dem Nachdenken. Findest du auch? Sie kräuselte die Nase. Naja, so ganz klar war ihr diese Aussage noch nicht so ganz, obwohl sie beides gerade eben getan hatte.


    Dass Caelyn derweil weiter redete bekam sie mit und sah forschend zu ihr auf, als sie von der Bande zu erzählen begann. Einen Bruder? Von Geschwisterbande und Verwandten, gar Blutsverwandten, ihrerseits hatte sie überhaupt keine Ahnung. Deine Bande? Wo denn? Hier auf den Straßen Roms? Auch Tilla kannte als fingerflinkes Straßenkind noch ein paar Plätzchen, wo man sich zurückziehen und ungestört sein konnte. Wie hast du geklaut? Und was? Langsam erwachte trotz der großen Müdigkeit ihr Interesse wieder. Was für ein Versteck habt ihr euch denn ausgesucht?

  • "Du können sein hübsch, wenn wollen, Tilla," sagte Cadhla und lächelte zu dem Mädchen. "Jetzt Du bist hübsch, wenn Du wollen, ich Dir machen wieder Zopf wenn geschlafen oder gewaschen Haare. Du bald lernen machen selbst." Ihre Züge wurden wieder etwas weicher, als sie die folgenden Worte sprach: "Meine Mutter mich lehren wie machen Zopf ohne hinsehen, ich dir beibringen, dann Du können auch tun. Sie mir gezeigt wie machen Kriegerzopf, und es sein guter Zopf, gut für Kampf."


    Während die meisten anderen Krieger ihres Stammes den wilden Zottel-Look bevorzugt hatten, war es für Cadhla im Kampf immer wichtig gewesen, freies Blickfeld zu haben, denn sie verfügte nicht über den Vorteil allzu langer Arme wie so mancher Mann es tat. Caelyns Worte allerdings erstaunten die Keltin ziemlich. So lange ohne Eltern zu leben klang für sie einfach schrecklich, hatte es denn für sie niemals eine Sippe gegeben, die sich gekümmert hatte?
    "Ich verstehen nicht, wieso nicht Deine Sippe sich hat gesorgt um Dich, Caelyn, ist in Dein Volk keine große Familie Einheit, die achtet auf Kinder von toten Geschwistern? Kinder nicht gehen müssen sollen stehlen und nehmen von anderen." Sie war wirklich verwirrt - dass sie ihr Gegenüber nach den Maßstäben eines relativ geordneten Dorflebens beurteilte, war natürlich bei einem Stadtkind nicht ganz hilfreich - aber sie wirkte auch nicht so, als würde sie Caelyn für deren Geschichte verabscheuen oder verurteilen, Cadhla war schlichtweg erstaunt.

  • So viele Fragen auf einmal! Ich sah zu Tilla um ihre Gebärden zu verstehen und gleichzeitig versuchte ich auch, Cadhla zuzuhören.
    Tja, da begann ich mal, zu erklären.
    "Ja, du hast Recht, Cadhla! Eigentlich ist es bei uns üblich, daß die Verwandten sich um die Kinder kümmern, wenn die Eltern nicht mehr da sind. Doch in meinem Fall war es leider nicht so. Frag mich nicht, warum! Ich hab das nie verstanden! Weißt du, Augustodunum ist ´ne recht große Stadt, zwar nicht so groß wie Rom. Doch groß genug, um darin zu versumpfen. Damals, als wir aus unserem Haus gejagt wurden, fanden wir bei einem Bettler Unterschlupf. Der hatte zwar selber nix, doch das, was er hatte, hat er mit uns geteilt. Als ich dann etwas älter war, schloß ich mich mit anderen Jugendlichen zusammen, denen es ähnlich ergangen war. Wir gründeten eine Bande und lebten vom Stehlen. Essen und Geld haben wir geklaut. Mit der Zeit kriegt man da echt Übung! Gepennt haben wir mal hier und da. In alten Schuppen, verlassenen Häusern und so."
    Immer wieder blickte ich zu ihnen hinüber, während ich erzählte.
    Aber hatte da Cadhla nicht etwas von Kriegerzopf erzählt? Das machte mich jetzt doch etwas stutzig. Cadhla war mal eine Kriegerin?
    "Sag bloß, du bist ´ne Kriegerin!" fragte ich erstaunt.

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