Viva la vita oder: Der Fall eines Zenturio

  • Centurrrrio?“


    Ein Schnurren an Marcus Ohr, wie eine lästige Fliege wollte Marcus das Summen hin weg scheuchen, doch es folgte ein Lachen und dann tropfte ihm etwas Kaltes ins Gesicht. Ärgerlich grummelte Marcus leise und öffnete ein Auge. Nein, er versuchte das Auge zu öffnen, doch schwere Gewichte schienen an seinen Lidern zu hängen. Langsam hob es sich dann doch und er starrte in ein verschwommenes gelbes Licht. Betörend tanzte es vor seinem Auge hin und her, schwebte mal nach unten, dann wieder nach oben. Ein schwarzer Schatten glitt davor hinweg, erneut landeten einige kalte Tropfen in seinem Gesicht. Hell klimperten silberne Kettchen, raschelte leichter Stoff, der kaum einen schlanken Körper verbergen konnte; es drang der Geruch nach sinnbetäubend duftenden Ölen an seine Nase. Die weiche Stimme einer Frau, mit einem guturalen Akzent, ertönte in seinem Ohr.


    Centuuuurrrrio? Aufwachen...“


    Mühsam fokussierte sich Marcus auf das sanft geschwungene Gesicht der Frau. Wie hieß sie noch mal gleich? Marcus hatte es vergeßen. Es war ihm auch recht gleichgültig gewesen. Ihm schwirrte der Kopf, nein, er schwebte bereits unter dem Zelt, welches zu dem lupanartroß des Lagers gehörte, Tücher trennten das große Zelt in kleinere Räume, Marcus hörte das brünstige Stöhnen anderer Soldaten, die falschen Lustbezeugungen der lupae, damit die Männer schneller fertig wurden. Wo waren sie, die Legionen? Schon weit entfernt von Edessa, die Stadt, die in Marcus Geist zu einer Ansammlung von brauen und ockerfarbenen Häusern verschwamm, umrahmt von vielem Grün. Eine Enttäuschung war die Stadt, weder schöne dunkelhäutige Exotinnen hatte Marcus ergattern, noch sonderlich groß Beute machen können. Aber die marginale Frustrierung war schon längst vergeßen. Warme Schenkel, viel Wein und gutes Essen hatten Marcus in den letzten Tagen das Leben wieder erträglich gemacht. Viva la vita!
    Seine pelzige Zunge fuhr über die trockenen Lippen und er rappelte sich etwas in die Höhe.


    „Hast Du noch Wein, Venustas?“


    Vinum, fututio, pecunia, das waren alles Wörter, die die lupa aus dem fernen Africa sehr gut verstand, sonst sprach sie eine Mischung aus dem ägyptischen Griechisch, dem niederen Latein der Soldaten und ihrer Muttersprache. Sie drückte Marcus einen Becher mit rot schillerndem Nass in die Hand. Marcus stürzte den Wein herunter und seufzte, grunste dann leise und sah an sich herunter. Wo war seine Rüstung? Ah, im Lager. Wo war das Lager? Er wußte es nicht wirklich. Irgendwo hinter dem Troßlager. Seine Finger griffen suchend nach seiner Tunika. Einige Herzschläge später stand Marcus bereits an der Zeltplane, die frische Luft schlug ihm entgegen. Mit einer Hand tätschelte er die Wange der lupa, mit der Anderen drückte er ihr einige Münzen in die Hand.


    „Bischt ein prächtig' Mäd...Mädchen, Venustas!“


    Schon torkelte Marcus davon, über ihm schwankten bedrohlich die Sterne und in seiner Hand hielt er noch einen halb vollen Schlauch mit Wein. Jeder Schluck half ihm, unangenehme Gedanken von sich fern zu schieben, die stets dann kamen, wenn die Arbeit weniger, wenn es still im Lager wurde und die Soldaten sich schlafen legten. Irgendwo dahinten schien das Tor aufzutauchen. Noch einmal benetzte Marcus seine Kehle mit dem wunderbar vergorenen Saft, versteckte den Schlauch schnell unter seinem Umhang und trat auf die pilamauer zu.


    „Pssttt....la-...la-...laßt misch rein, Jungs!“
    Zwei Soldaten spähten hinüber, starrten Marcus einen Augenblick mißtrauisch an und flüsterten dann leise miteinander.
    „Ist das der Tribun?“
    „Nein, ich glaub der centurio vom Abend. Wie viel hat er noch mal gezahlt?“
    Münzen wurden gezählt.
    „Geht so. Wir sollten die Preise anziehen.“
    Einer der Soldaten spähte über die Spitzen hinweg.
    „Parole?“
    Marcus hielt sich mühsam an dem Torpfosten fest und spähte mit verkniffener Miene nach oben.
    „Was für eine...? Häh?“
    „Doch, das isser! Kannst rein kommen, centurio.“
    Das Tor öffnete sich einen winzigen Spalt, leider nicht genug für Marcus nicht unbeträchtlichen Leibesumfang – schließlich war Marcus kein athletischer Jüngling mehr. Mühevoll versuchte er sich hindurch zu quetschen.
    „Jungs, jetzt macht schon etwas mehr auf...ja, so ist's recht. Puh!“


    Marcus tippte sich an die Stirn und torkelte weiter. Mal lenkten ihn die Schritte unkontrolliert nach Links, dann eine scharfe Kurve nach Rechts. In einer Lagergasse blieb Marcus stehen, griff nach dem Schlauch Wein und trank den fast letzten Tropfen. Er hob ihn an und presste noch den allerletzten Tropfen heraus, der sich an der Kante sammelte und dann auf seine ausgestreckte Zunge nieder fiel. Schwermütig seufzend versuchte Marcus den Beutel an seinen Gürtel zu binden, doch da er den Gürtel bei der lupa vergeßen hatte, scheiterte der Versuch, der Lederschlauch fiel auf den Boden und Marcus torkelte langsam weiter. Seine Füße wollten dummerweise immer mal wieder in eine ganz andere Richtung als der Rest seines Körpers, Marcus schwankte immer mehr, fühlte sich gar schon auf des Meeres Wogen. Herrje, wo waren nur die Zelte? DIE Zelte freilich- sein Zelt viel mehr. Da, er meinte schon endlich sein Zenturiozelt ausgemacht zu haben, das erlösende Bett- was ihn vor dem Sturm des Weinmeeres retten würde- war nahe und Marcus Füße flogen dem entgegen. Doch mehr nur in seinem Wunschdenken, denn schon verhakten sich seine Beine in zahlreichen Zeltseilen, deren Pflöcke tief im Erdreich steckten und es war Marcus Körper, der einen Herzschlag lang flog und mit seiner vollen Wucht – dank des nicht wenigen Gewichtes – auf dem Erdboden landete, Zeltpflöcke wurden heraus gerißen, Seile zischten davon und ein Zelt stürzte neben Marcus ein. Marcus indes lag auf allen Vieren und es schwindelte derart um ihn herum, daß er nicht wußte, wo oben und unten war. Lag er auf dem Himmelsdach oder der kalten Erde? Schon einen Moment später war ein leises Schnarchen von ihm zu vernehmen. Selig entschlummerte Marcus und merkte nicht, daß sich Füße ihm näherten...



    SimOff: Herrje, da würde wohl gerne jemand zuerst antworten. Wie nennt man das im IR? Reserviert, aber natürlich nur der nächste Beitrag zumindest.

  • Es war eine der ruhigeren Nächte, und Iulia Helena war eine der Frauen, die sich nicht zu schwer taten, neben einem schnarchenden Mann noch Schlaf zu finden. Hätte sie einen leichteren Schlaf gehabt, wäre ihr das Leben in einem Feldlager, bei dem sie nur dünne Zeltwände vom vielstimmigen Schnarchen sehr vieler Männer trennten, sicherlich zur reinsten Qual geworden. Aber auch für eine Iulierin gab es Nächte, in denen es ihr schwer fiel, Ruhe zu finden, Nächte voller Gedanken, voller Sorgen, aber auch angefüllt mit still gehegten Hoffnungen, dass die Götter ihre Lieben behüten würden und sie alle lebendig aus dem Krieg zurückkehrten. Sie hätte nicht einmal sagen können, warum sie sich auf ihrem Reisebett hin und her gewälzt hatte, die Gedanken verhangen voller unausgesprochener Dinge, Vergangenes und Verlorenes vor Augen. Seltsamerweise erinnerte sie sich zuletzt nur noch an eine rauschende Fahrt auf einem Wagen im Circus Maximus, verbunden mit dem bitteren Geschmack des Verlusts. Seit dem einen Mal in Valerius' Victors Armen war so viel Zeit vergangen, sie hatte ihn nicht mehr gesehen vor ihrer Abreise, er hatte sich auch nicht gemeldet, nicht einmal, als ihre Verlobung in der Acta gestanden hatte. Und doch ..ein Teil von ihr fürchtete etwas ... es war ein dunkler Traum gewesen, und oft genug lag in dunklen Träumen Wahrheit.


    Das Atmen Quintus' war ruhig und stetig gewesen, der Schicklichkeit wegen schliefen sie nicht in demselben Zelt, wenngleich die Zelte aneinander gestellt waren, und so bemerkte allenfalls der laue parthische Nachtwind, dass sie sich nicht mehr in ihrem Schlafquartier befand. Sie hatte sich in eine warme Wolldecke gehüllt, denn auch wenn der Wind lau war, die Nächte waren, wie in allen wüstenähnlichen Gegenden, schneidend kalt, und die Sonne, die sich vage am Horizont zeigte, hatte längst noch nicht genug Kraft, die Kälte zu vertreiben. Eingehüllt in die Decke schritt sie langsam durch das erwachende - oder besser, in vielen Fällen noch wache - Lager. Die Soldaten nutzten die wenigen Tage des Aufenthalts nahe Edessa, um sich zu vergnügen, wer konnte es ihnen denn auch verdenken. Wer für Rom kämpfte, musste sich auch zwischendrin ausruhen dürfen. Die ganzen lupae waren der Iulierin zwar nicht unbedingt recht, aber sie waren ein notwendiges und damit tolerables Übel. Sie blickte zum Himmel, als könnte ihr dieser Aufschluss darüber geben, ob ihr Traum wirklich einen Funken Wahrheit enthalten hatte, aber die Sterne schwiegen, und die Welt blieb stumm. Nur die vielgestaltigen Echos rülpsender, schnarchender und lachender Soldaten hallten über den Platz.


    Dass es plötzlich ein lautes Ratschen gab, hatte sie nicht erwartet, ebensowenig, dass ein Zelt einstürzte und einer der Eckpfosten in ihre Richtung hinabstürzte - einen überraschten Laut gab sie von sich und konnte gerade noch zur Seite springen, mit mehr Glück als Verstand war sie dem herunterfallenden Übel gerade noch so entkommen. Mit geweiteten Augen stand sie einige Momente lang keuchend im Halbdunkel eines langsam beginnenden Tages, um sich dann, mit einem mehr als gerechten Zorn im Bauch, um die Zeltruine herum zu begeben, um nach der Ursache für dieses Unglück zu suchen, das sie alsbald auch sehr schnell in Form eines schnarchenden Soldaten fand. Zu seinem Glück konnte sie ihn in der Dunkelheit nicht erkennen, und sah auch nicht den ziemlich derangierten Zustand seiner Kleidung - wohingegen das Schnarchen eindeutig verräterisch war. Stinksauer war nicht unbedingt der passendste Ausdruck, um ihre derzeitige Stimmung zu beschreiben, aber er kam dem recht nahe. "Steh auf, quirite!" brüllte sie zu dem Schnarchenden herunter und es fehlte nicht viel dazu, dass sie ihn gepackt und auf die Füße gezogen hätte - aber dazu war sie dann doch nicht kräftig genug.

  • Gestürzt, gefallen, hinab geplumpst. Das war der centurio eindeutig. Derart selig lag Marcus auf den steinigen Boden der parthischen Erde, die noch die Hitze des Tages abstrahlte. Ganze Wälder wären gesägt worden mit dem lauten Schnarchen des centurio. Weit weg hingegen ist der benebelte Geist von Marcus, träumt sich wieder in die Arme der schönen lupa zurück, lächelte selig, schmatzte leise und sägte genüsslich weiter. "Steh auf, quirite!", drang donnernd durch die Zwiebelschalen seines beduselten Verstand. Marcus reckte sich marginal, stöhne leise und meinte mürrisch: „Hm?! Lass mich schlafen, Naevius...“, lallte seine Zunge schwer und behäbig. Noch war es bestimmt nicht Zeit zum Aufstehen. Seelenruhig wollte er weiter schlafen, doch sein Bett erschien ihm mit einem Mal doch etwas hart zu sein. Er rollte sich auf den Boden herum, suchte mit den Händen nach seinem Kissen, fand jedoch nur die Fußspitzen der Iulia Helena. Etwas vewirrt tasteten seine Fingerspitzen etwas höher, er zog seine Hand zurück, suchte weiter und fand den anderen Fuß. Das irritierte Marcus selbst in seinem Suff deutlich. Blinzelnd öffnete er ein Auge. Über ihm verschwammen helle Lichter mit dem dunklen Hintergrund, es schwankte um ihn herum und ihm wurde speiübel. Ein elendes Stöhnen kam von seiner Kehle. Als sich Marcus auf den Rücken rollte, verwickelte er sich in einige der Zeltschnüre, in seine Schulter bohrte sich schmerzhaft einer der Holzstücke, die in den Boden gerammt worden waren, um die Zelte auf dem kargen Grund fest zu halten, wenn wieder mal der nächtliche Wind über die Zelte hinweg strich. Blinzelnd starrte Marcus nach oben und erkannte eine...ja, was erkannte Marcus...? Er brauchte einige Herzschläge, dann sah er es: Eine Frau. Eine dunkelhaarige – sie hätte auch blond sein können, im Moment sah alles für Marcus recht düster aus – Frau mit stolzer Haltung. Ein breites Lächeln breitete sich auf Marcus Gesicht aus, das Lächeln hatte etwas kindlich- trotteliges an sich.


    „Mater!“


    Das dämlich- drollige Grinsen war immer noch auf Marcus Gesichtszügen. Mühsam rollte sich Marcus auf seine Seite und versuchte auf die Beine zu kommen, doch der Rausch ließ ihn ein, zwei Mal wieder auf den Boden zurück plumpsen. Immer wieder versuchte sich Marcus aufzurappeln, landete jedoch nur auf seinem Hinterteil. Ein leises „Au! Herrje!“, entfleuchte Marcus. Blinzelnd sah Marcus zu Helena hinauf, die er – sternhagevoll wie er war- tatsächlich für seine Mutter hielt. Daß sie eigentlich in Baiae war und er im fernen Parthia, eine derartige Logik war Marcus momentan nicht zugänglich.


    „Ich hab nichtsch ge-...gemacht. Ehrlisch nich'. Dasch war Hannibal! Wirklisch!“
    Schuldbewußt war Marcus schon bereit, sich weiter zu verteidigen; er wußte jedoch, daß seine Mutter ihn stets sofort durchschaut hat – aber seine Lügen waren oftmals recht einfältig und leicht zu erkennen.
    „Ich hab' nur ganz wenig getrunken...aber wasch machen d... *hicks* ...die ganzen Zelte hier?“
    Verwundert sah sich Marcus um. Ah, das Zeltlager der Soldaten.
    „Und Du in Parthia?“
    Nun war Marcus doch etwas verwundert.

  • Wie gelang es Männern nur immer wieder, sich um die letzten Reste ihres ohnehin zumeist eher kläglichen Verstandes zu trinken? Zugegeben, Iulia Helenas Vorurteile waren durch die Arbeit in der curia Italica eher gewachsen als gesunken, denn dort hatte es wahrlich den ein oder anderen Holzkopf gegeben - aber anscheinend waren sie auch in der Armee recht weiträumig vertreten. Nüchtern hätte der Kerl zu ihren Füßen sicher noch etwas hergemacht, aber an so etwas dachte sie in dem Moment gar nicht, in dem er anfing, ihre Füße zu betatschen. Wie betrunken war er eigentlich?! Sie schnaubte empört und als ihm wohl endlich aufgegangen war, dass das ihre Füße waren und nicht irgendein Fels oder ein vertrocknetes Stück Holz, trafen sich ihrer beider Blicke, denn er blickte zu ihr hinauf.


    Die Augen schienen derart umwölkt von einem gar stattlichen Rausch, dass sie den Impuls stark unterdrücken musste, ihn an einem Ohr zu packen und zum nächsten Wasserbottich zu schleifen, ganz wie es ihre Mutter Atia getan hatte, wenn ihre Brüder betrunken nach Hause gekommen waren (und Iulia Atia war in vielerlei Hinsicht eine sehr vorbildhafte Frau für Helena gewesen). Dass er sie in seinem Trunkzustand für seine Mutter zu halten schien, ließ zumindest noch die Hoffnung, dass er abgesehen von der Sauferei noch irgendeine Form von Erziehung genossen hatte.


    "Es hat Dich doch sicher niemand gezwungen, Dich bis zur Verdummung zu trinken, oder?" gab sie in eisigem Ton und mit der unschlagbaren Logik von verärgerten Müttern zurück. "Du solltest Dich wirklich schämen, mir in dieser Verfassung vor die Augen zu kommen!" Wenigstens hatte er wohl noch nicht vollständig alles weggetrunken, was man für das tägliche Leben noch brauchte. So klärte sie ihn erst gar nicht über seinen Irrtum ihre Person betreffend auf, sondern kanalisierte ihren Zorn auf diesen Unbekannten geradewegs in der Darstellung seiner Mutter, denn welche Mutter wäre schon erfreut gewesen, ihren Sohn so zu sehen? Allerhöchstens eine Alkoholikerin mit mangelnder Realitätsnähe.


    "Diese Zelte gehören zur legio I Traiana Fidelis, und Du bist ein Teil dieser legio! Gerade hast Du sogar ein Zelt zum Einsturz gebracht, das wirst Du morgen wieder aufzubauen helfen, wenn Du Deinen elenden Rausch ausgeschlafen hast, haben wir uns verstanden, filius meus?" Schätzungsweise würde es ohnehin zu lange Dauern, ihm zu erklären, dass er keineswegs vor seiner Mutter stand, in sofern würde es eher hilfreich sein, dass er sich hier so einiges einbildete.

  • Ein unartikuliertes Stottern kam Marcus von den Lippen, schon im nicht angetrunkenen Zustand war Marcus ein nicht gerade eloquenter Redner und selbst wenn er glaubte, die großen Wahrheiten in den Untiefen von dem vergorenen Traubensaft zu finden, so war er im betrunkener Verfassung noch sehr viel weniger zu sinnreicher Rede in der Lage, insbesondere wenn er meinte, gerade von seiner Mutter bei einer ganz unerhörten Lausejungensache erwischt worden zu sein. „Isch..“, murmelte Marcus, brachte dann jedoch nicht sehr viel mehr hervor. Die Haut an seinem Hals begann sich zu verfärben, eine hitzig rote Welle schoß nach oben und tönte die von der Sonne gezeichnete Haut seines Gesichtes in eine tief dunkle Farbe. Verlegen hob Marcus seine Hand und kratzte sich in einer Übersprungshandlung am Nacken. Das umgeworfene Zelt erzitterte und der erste Soldat kam darunter hervor gekrochen.


    „Gezwungen? Ähm...nein...aber...ähm...isch wollte nischt scho viel trinken...eeehrlisch!“


    Treudoof sah Marcus nach oben und versuchte all seine Überzeugungskraft in seine Stimme zu legen, es mißlang, insbesondere da sich seine Zunge so schrecklich schwer an fühlte. Marcus griff mit beiden Händen auf den Boden und versuchte sich nach oben stemmen. Zerknirscht war sein Gesichtsausdruck und die Zeichen der Scham – schließlich war das da seine Mutter vor ihm!! - standen deutlich in sein Gesicht geschrieben. Herrje, seine Mutter war bestimmt immer noch enttäuscht von ihm.


    „Es tut mir leid.“
    Es gelang Marcus immer noch nicht zu erheben. Der Soldat, der gerade sich aus dem Zelt befreite, erkannte schnell die Situation und grinste breit. Was Marcus – den Göttern sei Dank! - nicht sah.
    „Komm schon, miles. Hilf mir auf.“


    Was der Soldat auch tat. Marcus sah von seiner Mutter zu dem Zelt und wieder zurück. Und wieder hin und zurück und stützte sich schnell an der Schulter des Soldaten ab, denn immer noch schwankte alles heftig, drehte sich in einem wilden Chaos; die Welt war recht verschwommen. Marcus kniff die Augen zusammen und spähte angestrengt in das Gesicht von Helena, aber es war immer noch zu dunkel.


    Mater...“
    Ein quängelnder Unterton mischte sich in die Stimme von Marcus – infantile Verhaltensweisen kehrten stets in Anwesenheit seiner Mutter zurück, auch wenn Marcus bereits ein Mann im besten Alter war.
    „...Mater...isch kann...doch nischt das Tzschelt aufbauen...das geht nicht...isch bin doch...“
    Ein Husten unterbrach ihn. Und ein leises Lachen von zwei andere Soldaten.
    „...der centurio hier...“


    Flehend war der Ausdruck in Aristides Gesicht. Seine Mutter mußte (!!) doch verstehen, daß das nicht ging. Mißtrauisch spähte Marcus zu dem Soldaten, der ihn stützte. Warum lachte der ständig vor sich hin? Sicherlich der Soldat versuchte es zu verbergen, aber Marcus spürte es, hielt dieser ihn doch davon ab, erneut eine Bauchlandung auf dem Boden zu vollführen. Waren da nicht auch noch drei andere Soldaten? Herrje, dabei wollte er doch klammheimlich zurück in das Lager schleichen. Nicht gut, nicht gut! Das bemerkte Marcus selbst in seinem Suff.


    „Ähm...vielleischt...reden wir...in meinem Zelt weiter?“


    Einladend deutete Marcus auf das große Zelt am Rande der Lagergasse, das Zelt eines Zenturios.


  • Was war denn da draussen nur los? Ein Erdbeben? Ein Sandsturm? Ein Partherüberfall?! Was war mit dem Zelt passiert? Und wieso wurde da so rumgeschrien?
    Unsanft aus dem Schlaf gerissen tastete ich verwirrt nach meinem Gladius, wühlte ich mich dann unter der Zeltplane durch, lupfte sie erst mal etwas an und streckte gähnend, verschlafen und verwuschelt den Kopf hinaus. Ungläubig blinzelte ich auf die Szene - unser Centurio, mächtig betrunken, Iulia Helena die ihn stauchte als wäre sie der Primus Pilus, meine Contubernales, die sich schneller als ich evakuiert hatten, und nun drum rum standen, sich das Lachen mehr oder weniger erfolgreich verbeissend. Hilflos spürte ich, wie meine Schultern zu zucken begannen, wie das Gelächter sich in meinem Bauch sammelte und mir die Kehle hochstieg, ich versuchte es zurückzuhalten aber das ging nicht - zuerst war es nur ein harmloses Glucksen, aber als der Centurio sie dann 'Mater' nannte, und ersthaft erklärte, warum er keinesfalls das Zelt aufbauen konnte, war es um mich geschehen! Ich prustete los, bekam Tränen in die Augen wollte mich schier ausschütten vor Lachen und konnte mich kaum mehr einkriegen. Zudem war das auch noch ansteckend für die Kameraden, die sich bisher ganz gut gehalten hatten.
    "Hilf mir lieber mal", presste Silio erstickt hervor, der zugleich mit seinem Lachkrampf kämpfte und den Centurio aufrecht hielt - was, wie ich wusste, nicht gerade eine leichte Aufgabe war. Er schwankte schon gefährlich! Also kroch ich schnell vollends hervor (ohne Gladius), richtete mich auf - brrr, kalt war das, barfuss und nur in der Tunika - und packte auf der anderen Seite zu, legte mir einfach den Arm des Centurio um die Schulter. Allerdings, eine schwere Bürde.
    "Guten Morgen Centurio. Guten Morgen Iulia Helena.", grinste ich, noch immer hart an der Grenze gleich wieder herauszuplatzen. Oder war's doch noch mitten in der Nacht? Mir war es jedenfalls, als ob es im Osten schon etwas weniger dunkel wurde.
    Gemeinsam mit Silio steuerte ich dann, wie gewünscht, den Centurio behutsam in Richtung seines Zeltes.
    "Vorsicht, das Lagerfeuer! - Ähm, Moment, Musca kannst Du bitte mal schnell die Zeltschnur von seinem Fuss lösen. Danke. - Ups, das war der Wassereimer..."
    Ein kurze, aber nicht zu unterschätzende Wegstrecke. Dea Dia, der Centurio musste ganz schön einen draufgemacht haben!

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Wäre sie nicht so sauer gewesen, Iulia Helena hätte sich wahrscheinlich vor Lachen auf dem Boden gewälzt. Zugegeben, die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik - der stockbesoffene centurio, die aus dem Schlaf gerissenen Legionäre, die sich Mühe gaben, nicht vor Lachen zu platzen, Decimus Serapio, der aussah, als hätte man ihn gerade im Anlauf aus seinem Bett geschleift, die beiden Männer, die verzweifelt versuchten, den Betrunkenen aufrecht zu halten - es waren alle Zutaten für eine klassische Komödie vorhanden, vor allem die wutschnaubende 'Mutter', die der Situation eine besondere Würze verlieh. Iulia Helenas Mundwinkel zuckten verdächtig, denn spätestens beim Lachanfall des Decimers war es auch um sie geschehen, aber noch bot sie dem Lachreiz irgendwo in ihrem Inneren energisch Einhalt. Vor allem hatte dieser Säufer es nicht verdient, dass sie lachte - centurio! Wie sollte da die legio Prima bitte einen Krieg gewinnen, wenn ihre centurionen die schlimmsten Säufer von allen waren?


    Die Hände in die Seiten stemmend, holte sie tief Luft und fixierte den centurio mit dem bösesten Blick, den sie noch aufzubringen imstande war - dass sie von vor Lachen fast wiehernden Männern im derangierten Bekleidungszustand umgeben war, half nicht unbedingt weiter, wirklich böse zu schauen - und fauchte ihr trunkenes Gegenüber regelrecht an:
    "Du bist wirklich ein schreckliches Beispiel für Deine Soldaten! Wie kann man nur so viel trinken! Du bist immerhin im KRIEG! Die legio besteht aus mehr als Parther totschlagen und danach saufen!" Während sie noch schimpfte, fand sie immer mehr Gefallen an der ganzen Szenerie, so absurd sie auch war - sollte sie jemals einen Sohn haben, der das mannbare Alter erreichte, würde er sicherlich weit weniger Spaß haben als seine Altersgenossen, oder gewitzt genug sein, um seine Mutter die schlimmsten Exzesse nicht mitbekommen zu lassen.


    "Gerade als centurio solltest Du mit gutem Beispiel vorangehen, willst Du Deine Männer zu Säufern erziehen?!" Wobei, wenn man sich diese Kerle so anschaute ... während der Decimer und sein Kamerad eifrig damit beschäftigt waren, den schwankenden centurio außer ihrer Schimpf-Reichweite zu bringen, schnaubte die Iulierin leise aus und begegnete dem Rest der lachenden Soldaten mit einem ziemlich ... ambivalenten ... Blick. "Ist bei euch jemand verletzt worden?" Nicht dass sie etwas dagegen hatte, nachts einige halbnackte Männer zu sehen, aber zumindest im Augenblick war die Sorge um ihr Leben größer als der Genuss des Betrachtens.

  • Mit seinem vollen Gewicht stützte sich Marcus auf die Schulter des Soldaten, spürte, wie noch ein weiterer Soldat diesem zu Hilfe eilte. Oh, wie es schwankt!! Bei Neptun, muß das auch an Land sein? Dabei litt Marcus nicht unter der Seekrankheit, aber hier wurde ihm immer übler. Sein ehemals rot verfärbtes Gesicht nahm einen deutlich käsigeren Ton an. Mit einem matten Nicken grüßte er den jungen Serapio auf dessen Worte hin. „Morg'n!“, quetschte er noch dazu hinaus. Verschnupft registrierte Marcus das Gelächter an seiner Seite. Lachen die gar über mich?!? Langsam arbeitete Marcus Geist, er suchte es einzuordnen, doch ehe er zu einem Schluß kam, wurde er wieder ganz kleinlaut und vergaß gänzlich das Denken. Zerknirscht sah er zu Helena, deren Lachen und amüsierteren Unterton er nicht bemerkte.


    „Ja, Mater. Du hascht...Recht...“,
    brachte Marcus mühsam hervor. Er japste leise, um Luft zu bekommen und das deutliche Unwohlsein herunter zu kämpfen.
    „Aber dasch is' nich' wahr...“
    , versuchte Marcus einzubringen. Bedripst klang er dabei.
    „Isch schlag nich' nur Parther tot und geh dann...*hicks* schaufen...“


    Marcus schüttelte den Kopf. Er wollte schon alles aufzählen, was ein centurio so immer zu tun hatte. Das war nicht ohne! Aber er kam nicht dazu. Wie ein geprügelter Hund und ordentlich zusammen gestaucht, wie keiner seiner Vorgesetzten es wohl jemals schaffen würde, wurde Marcus davon gezogen. Schnüre hatten sich an ihm verheddert, lösten sich von seiner Rüstung, außer an seinem Fuß.


    „Moooment, Jungsch...“
    , murmelte er, Serapio war jedoch schon fix dabei. Marcus taumelte weiter und murmelte leise Entschuldigungen, die er gegenüber seiner Mutter hervor bringen konnte. Platsch!, schon war sein Fuß in einem Eimer gelandet.
    „Himmel, herrje, nochmal.“
    , fluchte Marcus.


    Polter, Schepper, einige Schritte trug Marcus den Eimer mit sich, der an seinem Fuß stecken blieb wie ein gut passender calceus. Erst dann löste er sich, war mittlerweile ganz verbeult und kullerte an einem Lagerfeuer vorbei und blieb vor einem anderen Zelt liegen. Marcus kümmerte sich nicht darum, er hatte es nur halb bemerkt. Denn langsam verfärbte sich sein Gesicht ungesund grünlich, während die Nasenspitze käsig weiß blieb. Ein schlaksiger Sklave eilte den drei Männern entgegen, als sie endlich das Innere des Zenturiozeltes erreicht hatten. Stumm zündete der Sklave ein Öllicht an. Das Gefühl, die nächtlichen Köstlichkeiten, die er gegessen hatte, schnell wieder los werden zu wollen, überkam Marcus übermächtig. Aber noch mehr das Bedürfnis, einfach nur zu schlafen. Was jedoch nicht ging. Schließlich konnte er seine Mutter nicht alleine mit all den rauen Soldaten laßen. Es schwankte immer noch heftig, obwohl Marcus nun nicht mehr ging, sondern mitten im Zelt stand, gehalten von den beiden Soldaten.


    „Silio, hol die...D...*hicks*...Dame hinein, sie soll nicht in der Kälte frieren...und wehe...ihr benehmt...euch nicht gut...“


    , fügte Marcus paradoxerweise an. Für einen Moment mußte Serapio Marcus ganz alleine halten. Doch zwei Schritte und schon war Marcus bei seinem Lager. Mit einem „Uff!“, landete Marcus auf seiner Pritsche, die mit Fellen gepolstert war – welche, die er sich hier in Parthia erworben hatte, nachdem seine alten vor einiger Zeit bei dem nächtlichen Überfall abgebrannt waren.


    „Guter Junge...“
    , murmelte Marcus zu Serapio.
    „Ich hab übrigens einen...Brief für Disch...“
    , fügte Marcus an. Schon lange hatte er diesen, aber bis zu dem heutigen Abend – bis seine Zunge vom Weine gelöst worden war – hatte er damit hinter dem Berg gehalten.
    „Wo ist sie?“
    Suchend sah er sich nach seiner Mutter um.

  • Der Centurio schien noch was sagen zu wollen, aber ich hatte beschlossen, dass er wirklich ins Bett gehörte, und so blau wie er war, gegenüber der scharfzüngigen Matrona doch nur den Kürzeren ziehen konnte. So komisch ich die Szene im ersten Moment gefunden hatte - eigentlich hatte sie ihm gar nichts zu sagen, und ich fand es nicht gut, dass sie MEINEN tapferen Centurio so fertigmachte.
    Wir liessen unser zusammengebrochenes Zelt hinter uns, ich sah noch aus den Augenwinkeln wie meine Kameraden damit begannen, die Schnüre zu ordnen, und es wieder aufzurichten, hörte auch wie sie der Iulierin feixend versicherten, dass schon mehr als ein Zelteinsturz vonnöten war, um einen Soldaten der Prima zu bezwingen. Hoffentlich klappte das im Dunkeln mit dem Wiederaufbauen. Sonst würden wir uns wohl im Zelt des Centurios einquartieren müssen, das wäre nur gerecht...
    Auf seinen Befehl hin, löste sich Silio von unserem Dreierpack, grinste kurz ein bisschen spöttisch - er war halt ein Rauhbein, und schien mir zu der Fraktion zu gehören, die die Iulierin nicht so sehr als 'Dame', eher als 'Mitbringsel' betrachtete - und machte sich auf. Ich brach fast in die Knie! Aber dann landete der Centurio schon auf seiner (unheimlich gemütlich aussehenden, fellgepolsterten) Lagerstatt. Ich steckte meinen Rücken und meinen Nacken, dass es knackte. Centurio müsste man sein! Ich beschloss, mich ranzuhalten.


    "Der Centurio bittet Dich in sein Zelt.", hörte ich noch leise von draussen Silios Stimme, während ich mich fürsorglich dran machte dem Centurio zum Schlafen seine staubigen Caligae zu lösen.
    "Holst Du bitte den verbeulten Eimer, der draussen, drei Zelte weiter liegt?", bat ich den Sklaven, der das Licht entzündet hatte, denn in dessen Schein war nicht zu übersehen, wie grünlich unser Schützling um die Nase herum geworden war.
    "Ein Brief? Für mich? Oh, wie schön!"
    Überrascht blickte ich von dem Sandalenriemen auf, den ich gerade löste.
    "Aber wie das, ich meine wird die Post jetzt erst mal an die Centurionen gegeben?"
    Ob das eine neue Seltsamkeit der Poststube war? Auf die war ich sowieso schlecht zu sprechen. Aber die Ausssicht wieder eine Nachricht aus der Heimat zu bekommen liess mich trotzdem erstrahlen.
    "Ist er von meiner Tante?!", fragte ich aufgeregt. "Bitte Centurio, kann ich ihn gleich haben?!"

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Augenscheinlich hatte das zusammengekrachte Zelt keine weiteren Opfer gefordert, und die Soldaten verneinten ihre Frage mit einem stummen (und grinsenden) Kopfschütteln, sodass sie endlich einmal tief durchatmen konnte. Dass ihr aber auch ausgerechnet jetzt so etwas passieren musste - noch immer war sie kurz davor, in Lachen auszubrechen, allein die Absurdität der Szenerie war schon aufreizend genug, um es ihr schwer zu machen, als achtbare römische matrona zu erscheinen, die allen Ereignissen ihres Lebens mit Gleichmut und Würde begegnete. Aber im Grunde ihres Herzens wusste sie auch sehr genau, dass sie wahrscheinlich genau diesem Bild niemals entsprechen würde, so sehr sie sich auch anstrengte, dafür fand sie es auch einfach zu langweilig, an ein Haus gebunden zu sein und nichts anderes zu tun, als einen Haushalt am funktionieren zu halten.


    Sie blickte den Männern nach, die den wie ein Schiff im Sturm schwankenden centurio zu seinem Zelt brachten, und schickte sich an, sich abzuwenden, schließlich war ihre 'Mission' soweit erfüllt, dass er vielleicht das nächste Mal nicht mehr so viel trinken würde (auch wenn das höchst zweifelhaft war), als einer der Soldaten sie zurückhielt. in das Zelt des centurios kommen? Na wunderbar ... einerseits war es fast zwanghaft, die Maskerade durchzuhalten, andererseits ... es war das Zelt eines anderen Mannes, und es würde Gerede geben. Wobei, wenn andere Soldaten dabei wären und sie nur als Helferin auftrat ...
    Elender Säufer! verwünschte sie den Flavier innerlich und nickte dem feist grinsenden Silio zu. "Danke." So raffte sie den verbliebenen Rest ihrer Würde zusammen und schritt ihm nach, als sei sie im Palast des Imperators in Rom, betrat das Zelt und blickte sich im halbdunklen Inneren um. Der centurio lag inzwischen flach und der junge Decimer schien etwas lesen zu wollen - sie schritt an die seite des Flavischen Lagers und blickte auf den schlaff dortliegenden Mann herab. "Geht es Dir besser?"

  • Ohohoh! Ein Orkan tobte um Markus, der Wind rauschte, das Schiff schaukelte, eine Schiffsglocke ertönte in der Ferne. Dong, dong! Gemischt mit den Rufen von dem Kapitän, der sie nach Syria tragen sollte. Ohohoh!, wie es doch in Marcus' Magen rebellierte, das wilde Geschaukel war einfach zu viel. Das Stöhnen gelangte bis zu seinen Lippen, er lag geschlossen auf dem Rücken, kämpfte gegen die Übelkeit und hörte ein helles Kling! Kling! nebst einem leisen. „Der Eimer, Herr!“ Doch Marcus öffnete nicht die Augen, sondern kämpfte gegen des Schiffes wütendendes Taumeln durch die dichte See. Aber Moment! Sie waren doch gar nicht mehr auf See! Aristides öffnete ein Auge und sah auf Stoff, das sich herab beulte. Dann ging das Andere Auge auch auf und er erkannte verschwommen das Zelt um sich herum. Nein, ein Zelt an Bord eines Schiffes war doch absurd. Marcus hob die Hand und beschirmte die Augen, um nicht von einer Öllampe geblendet zu sein, die der besorgte Sklave hielt, wohl um zu sehen, ob sein Herr nun tot war. Marcus grummelte und scheuchte den Sklaven mit einer unwirschen Geste hinfort.


    „Scher Disch fort...noch lebe isch...pah, stehscht sowieso nischt in meinem Testament...“
    Das Marcus auch gar nicht hatte, selbst des Krieges wegen hatte sich Marcus nicht dazu aufraffen können.
    „Ja...natürlisch...“
    , murmelte Marcus als Antwort auf Serapios Frage.
    „In der Kischt...Kischte dort hinten...“
    Marcus deutete auf einen Stuhl. Der Sklave zeigte hilfreich auf eine Kiste an der Zeltwand.
    „Nisch Deine schöne Tante...oh Junge...Du hascht Die fäschischescheste Tante, die esch gibt...“
    Marcus lächelte breit und selig, hatte dabei etwas von einem verliebt vertrottelten Narren an sich.
    „Wuuuunderschön ischt sie...die groschartige Lucilla!“
    Marcus seufzte ergriffen.
    „Der Brief isch dort irgendwo...von Hanig...nein, Hanisch...Hannibal...hab ihn schon etwas länger bekommen...von einem Boten...“


    Marcus bemühte sich, sich etwas aufzurichten und in dem Zelt umzusehen, vielleicht gar zu erheben, um noch etwas mehr Wein aufzutreiben oder etwas zu Essen, sein Magen rebellierte zwar und wollte sich zwar mehr erleichtern als noch zu füllen, aber Marcus hatte absurderweise Gelüste nach Oliven. Schwarzen und saftigen Oliven in viel Öl getränkt. Oder eine Zitrone? Stöhnend sank Marcus wieder zurück und zog ein Gesicht als ob er sich tatsächlich die saure Zitrone in den Mund gesteckt hatte. Gerade trat Helena hinzu und erntete als Antwort eine sehr besagendes Stöhnen. Die weibliche Stimme drang dann schnell zu Marcus Geist und er spähte zu ihr hinüber. Schwarze Haare verschwammen mit einem liebreizenden Gesicht, daß Marcus immer noch seiner Mutter zuordnete.


    „Ah, Mater...“
    , murmelte Marcus und wollte sich erneut erheben. Zeigen, daß er gaaaar nicht so betrunken war, wie es womöglich wirkte. Aber es stellte sich auch für Marcus heraus, daß er doch derart beduselt war, wie es wirkte. Die Übelkeit brandete in dem Moment auf und wollte sich ihren Weg nach oben bahnen. Doch nicht vor Deiner Mutter, ertönte eine andere weiblich, mahnende Stimme in seinem Kopf. Schnell erhob sich Marcus und wäre beinahe zusammen gebrochen, insbesondere, da der Eimer wieder in den Weg kam. Den Göttern sei Dank!, hastig ergriff Marcus den Eimer.


    „Moment...“
    , murmelte er und taumelte nach draußen. Nur ein Würgegeräusch drang bis ins Innere des Zeltes, was sich sehr erbärmlich und jämmerlich anhörte. Nach einem längeren Moment und der dann eintretenden Stille hörte man erneut ein Stöhnen und schließlich wurde der Zelteingang zurück geschlagen. Marcus wankte, ganz grün im Gesicht, zurück ins Zelt und plumpste auf die Liege zurück.


    „Verzeihung...“
    , murmelte er entschuldigend zu Helena. Marcus blinzelte und spähte in das Gesicht von Helena, aber noch hielten sich die Weindünste beharrlich um Marcus trägen Geist.
    „Wo wohnst Du eigentlich?“
    , fragte Marcus verwundert. Daß seine Mutter plötzlich in Parthia aufgetaucht war, das erstaunte ihn zwar, aber damit fand er sich ab. Seine Mutter war eine höchst ungewöhnliche Frau und stets für Überraschungen gut.

  • Wunderschön ist die grossartige Lucilla. Aber Holla! Ich machte grosse Augen. Der Centurio hatte natürlich recht - sie ist nicht nur die schönste, sondern auch die klügste und energischste und überhaupt eine Wucht... - Aber wie kam er dazu, sie so in höchsten Tönen zu rühmen? Perplex fuhr ich mir durch zerzauste Haar. In Vino Veritas, was? Ich musste ihr unbedingt gleich schreiben, was für einen glühenden Verehrer sie hier hatte! Oder - war es womöglich kein heimlicher Verehrer, hatte sie womöglich was mit ihm? Meine Tante? Nein, das konnte nicht sein.
    Ich fragte mich, ob ich jetzt nicht ihre Ehre verteidigen musste. Auf iberische Weise: So, Compagnero, Dir gefällt also meine Tante? Ich geb Dir gleich 'meine Tante'! - an dieser Stelle zückt Messer-Serapio, der iberische Bravo, Tarracos tollkühnster Tunichtgut, dann kühl sein Klappmesser mit den drei dutzend Kerben am Griff und hält es dem erbleichenden Widersacher unter die Nase - Da hast Du 'meine Tante'! (...)
    Naja, Messer-Serapio tat das natürlich nicht wirklich, er stand mehr da und kratzte sich konfus am Kopf. Und schon prasselte die nächste Enthüllung auf ihn herab.


    "Hannibal?!" widerholte ich aufgeregt, spürte wie mir das Blut in die Wangen stieg, und hauchte: "Oh."
    Schlief ich etwa noch immer, träumte ich? Ich hätte nicht gedacht, von ihm noch mal zu hören, hatte geglaubt er hätte mich abgeschrieben oder meinen Brief aus Ravenna damals - schien mir schon eine Ewigkeit her zu sein, dabei wars gar nicht so lang - gar nicht erst bekommen.
    Voller Erwartung trat ich schnell zu dem Möbelstück auf das der Centurio gewiesen hatte. Ein Stuhl? Ach nein - der Sklave des Centurios zeigte es mir - die Kiste dahinter.
    "Achso", sagte ich, "Dankeschön", schnappte mir einen Kerzenleuchter und machte mich flink, mit fast fiebrigen Fingern, ans Suchen. Da! Da war der Brief für mich. Ich ergriff ihn andächtig, und als ich Hannibals Schrift auf der Hülle sah, wuchs die Spannung wirklich ins Unermessliche. Was mochte er mir zu sagen haben? Ich hatte mich ja ziemlich, nun ja, entblösst, in meinem Schreiben. Hoffentlich fand er das nicht albern, und dann war da ja auch diese Geschichte mit seiner mysteriösen neuen Freundin gewesen...


    Für meine Umgebung verlor ich in diesem Moment jeden Sinn. Nur halb bekam ich mit, dass Silio und Iulia Helena ins Zelt hereinkamen. Ich kauerte mich auf einen Stuhl, zog die Knie an mich, unter die wollene Tunika, und entrollte das Papyrus. Im Kerzenschein begann ich begierig zu lesen. Ach - ein verträumtes Seufzen entschlüpfte mir - schon bei der Anrede schmolz ich dahin! Niemand konnte jemals so charmant sein wie Hannibal! Weltvergessen erinnerte ich mich der traumverlorenen Nächte mit ihm, in jener zugleich rauschenden und elenden - naja, meistens doch eher elenden - Zeit. Hannibal! Er war mein Retter gewesen, mein mysteriöser Geliebter, romantisch umflort von seinen finsteren Geheimnissen, um so attraktiver ob der immer wieder aufflackernden Ahnung schrecklicher Verbrechen und bodenloser Abgründe... Ich las.



    HANNIBAL FAUSTO DECIMO SERAPIO SUO SD.
    LEGIO PRIMA


    SYRIA


    Etairos emos, Faustus, Eromenos emos,


    die Strahlen Eos offenbarten sich in dem Moment als mir der Brief eines Adonis in die Hände fiel. Ich war durchaus überrascht eine Nachricht von Dir zu erhalten, zudem auch noch derartige Offenbarungen, die Du so freigiebig mit Tinte in Wort und Schrift gebannt hast. Faustus Decimus Serapio und nicht mehr Flosculus. Die schöne Blume bei der Legion? Was für eine Verschwendung. Tatsächlich, Faustus, war das mein erster Gedanke als ich von der Kunde Deines Verbleib las. Wohl wahr, sagte ich Dir nicht schon früher, daß Du an die Subura, den Aventin und die elenden herunter gekommenen Spelunken nur verschwendet bist, auch was Du sonst nächtlich in der ewigen Stadt getan hast? Du trägst viel Potenzial in Dir und wenn der Name Flosculus bereits von der Zeit und dem Wind verweht ist, entsinnt man sich an einen Faustus Decimus Serapio, der doch so viel in seinem Leben bewirkt hat. Die Kraft das zu Leisten hast Du allemal dafür, Faustus. Zu dem Zeitpunkt, an dem mich Dein Brief erreicht hat, wirst Du schon auf hoher See sein, auf dem Weg nach Syria. Du kannst sehr stolz auf Dich sein diesen Schritt gegangen zu sein, den Morast von Rom hinter Dir gelassen zu haben und sogar dem elenden Zeug, das nur falsche Träume beschert, abgeschworen hast. Gerade dieser Verzicht ist bewundernswert und war eine richtige Tat von Dir. Dennoch muss ich auch sagen, dass ich durchaus besorgt bin, wenn Du, Faustus, in den Krieg ziehst. Es können doch nur wenige Wochen sein, in denen Du all das erlernen musst, was ein Soldat in Jahren erfährt. Das Handwerk des Krieges ist nicht einfach und das Schicksal nimmt keine Rücksicht auf all jene Menschen, die sich frisch den Herausforderungen stellen. Ich hoffe, Du bist an einen guten Ausbilder gelangt, der Dir vernünftig den Umgang mit Schild und Waffe beibringt und auch den Kampf in Formationen. Es gibt in der Legion, der Prima, womöglich jemand, der Dir eine Hilfe und ein Freund sein könnte. Deine Offenheit ist es, die mich bewegt, Dir das selbige zu erwidern. Womöglich mag es jedoch schnell Deine Meinung über mich ändern.


    Die Villa Flavia ist mein Heim, nicht, weil ich selber ein Flavier bin. Bei den Göttern, bei weitem nicht, auch nicht, weil ich als Klient oder Angestellter unter diesem Dach lebe, sondern weil ich unfrei geboren wurde und schon mein ganzes Leben lang der Familie der Flavier diene. Ich stehe bei den Flaviern so lange im Dienst, dass ich ein Teil von ihnen geworden bin ohne dass jemals die Kluft der Geburt überbrückt werden kann. Aber ich bin nur wenige Monate nach meinem Herrn geboren worden und mit ihm zusammen aufgewachsen. Auch wenn weder er noch ich jemals vergessen, dass er der Herr und ich der Sklaven bin, sind wir doch gute Freunde geworden und er hört auf mich, wenn ich ihn um etwas bitte. Eben dieser Herr dient ebenfalls in der Legio, der Du Dich angeschlossen hast. Sein Name ist Marcus Flavius Aristides und er ist Centurio. Wenn es mich nicht täuscht, dann in der ersten Kohorte und zwar die zweite Centurie dort. Wenn Du in Not bist oder Hilfe bedarfst, dann wende Dich an ihn.


    Du fragst Dich sicherlich, warum ich derart frei in der Subura auftreten konnte. Mein Herr wußte gar nicht um all das, was ich dort getan habe, einige Dinge sind ihm später bekannt geworden, meine Rolle in dem Lupanar beispielsweise, aber nicht, was wir sonst noch teilweise an Angelegenheiten erledigt haben, so man es so nennen darf. Ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du meinem Herrn nicht von all den Wendungen und insbesondere der Beugung so manch eines Gesetzes erzählst, dessen ich mich in der Zeit bedienen musste. Ich möchte meinen Herrn nicht in Schwierigkeiten damit bringen, wenn er darüber Bescheid weiß. Mittlerweile habe ich aber, ähnlich wie Du, das Leben der Subura hinter mir gelassen. Meine Arbeit bei den Flaviern erlaubt mir diese Nebenbeschäftigung nicht mehr, was auch ganz gut ist. Es hat mich stets angewidert, mich mit solchen krummen Geschäften abzugeben. Waren doch meine Geschäftspartner meist nicht nur dubiose Gestalten, sondern der Abschaum der Menschlichkeit. Nur wenige Rubine und Edelsteine von Seele und Gestalt ließen sich in diesem Sumpf finden. Und Du, Faustus, warst einer dieser Saphire. Der Glanz Deiner Augen vermisse ich auch sehr, doch ich bin froh, dass ein Mensch wie Du sich aus dem Abfall Roms erhoben hat. Ich bin mir sicher, dass das Strahlen des Juwels noch mehr leuchten wird, wenn Du aus dem Krieg zurück kehrst.


    Noch dringen keine Nachrichten über euer Verbleib nach Rom. Ich hoffe, Faustus, dass es Dir gut ergeht, sofern man in einem Krieg davon sprechen kann. Ich werde stets fort ein Opfer darbringen, damit die Götter auf Dich achten. Selbst wenn es nur die Gebete eines Unfreien sind, womöglich erhören die Unsterblichen mich dennoch. Und geleiten Dich sicher wieder nach Rom zurück, mit einem Kranz des Triumphes und einer neuen Zukunft, die Dich, Faustus Decimus Serapio, erwartet.
    Ein an Dich denkender Erastes, sofern Du es noch willst.
    Dein
    Hannibal



    WAS???
    "Bona Dea. Das gibts doch nicht."
    Ein Sklave???
    Mein düsterer Held der Nacht war gar kein Inkognito-Patrizier. Er war nur ein Sklave. Entgeistert liess ich das Blatt sinken. Ich schluckte. Und fühlte mich ziemlich verschaukelt.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Dass Männer bisweilen tranken, war eine unverrückbare Tatsache, und eine Frau musste sich damit ebenso abfinden, wie auch damit, dass sie ab und an in ein lupanar gingen, um sich zu amüsieren - wenn man ihnen solche Freuden nicht verwehrte, kamen sie umso eher gut gelaunt zurück und dankten es einem durch häusliches Wohlverhalten. So hatte es Iulia Helena von ihrer Mutter gelernt, die ihre Weisheiten wiederum von ihrer Mutter und jene von deren Mutter übernommen hatte - und so war sie durchaus willens, ein gewisses Maß an Alkoholkonsum bei einem Mann nicht zu verurteilen, der zudem als Soldat für das Wohl Roms stritt. Konnte er aber nicht mehr aufrecht gehen und erleichterte sich zudem dann noch in einen Eimer, selbst wenn es abseits geschah, war für sie die ungeschriebene Grenze erreicht und überschritten, das war für ihre persönlichen Maßstäbe doch etwas zuviel.
    So hatte sie dem davonwankenden Aristides mit gerunzelter Stirn nachgeblickt, elend genug sah er zudem aus, und schüttelte still den Kopf, als die Würgegeräusche erklangen, die er glücklicherweise außerhalb des Zeltes gehalten hatte. Zumindest so viel schien die Mutter dieses Mannes auf ihn eingewirkt zu haben, dass er sich vor einer Frau nicht gehenließ, das war etwas, was dann doch noch für ihn sprach. Andere hätten nicht so viel Zurückhaltung besessen.


    "Ich residiere angemessen, der Rest soll Deine Sorge nicht sein," wich sie geschickt seiner Frage aus, und das im typischen 'ich weiss was ich tue' Mütterton, den sie selbst bei ihrer Mutter immer gehasst hatte. Erstaunlich, wie schnell man doch selbst anfängt, so zu werden wie die eigene Mutter, dachte sich Helena einigermaßen von sich selbst überrascht und nahm auf einem kleinen Hocker neben der Liege des Aristides Platz, legte ihm dann die kühle, schmale Hand auf die bleiche Stirn. Er hatte sich seinen Zustand zwar absolut selbst zuzuschreiben - und dieses süßliche Parfum, das sie an ihm roch, war ein weiteres Indiz dafür, dass er seine Freizeitgestaltung irgendwann dringend überdenken sollte - aber bei elend aussehenden Männern regte sich auch in Helenas Herz ein gewisses Mitleid für dieselben, das wohl dazu taugte, dass die Menschheit weiter existierte und Frauen nicht schon vor Jahrhunderten dazu gebracht hatte, trinkende und hurende Männer als fortpflanzungsfähige Individuen komplett auszuschließen.
    "Du musst nur etwas Wasser trinken, dann geht es Dir bald besser." Sie schenkte aus einem bereitstehenden Krug Wasser einen Becher voll und hielt ihm diesen an die Lippen, vorsichtig, dass er sich nicht selbst damit besudelte, und ließ ihn trinken. Erst Serapios Worte ließen sie innehalten und aufblicken. "Hast Du schlechte Nachrichten erhalten?"

  • Ein Wildhund bellte in der Ferne, womöglich um einen Artgenossen zu vertreiben, vielleicht auch nur, um genau jenen zu Grüßen. Marcus Ohren waren einer ganz anderen Stimme zugewandt, doch genauso wie wohl der Windhund waren Marcus Ohren ganz 'gespitzt'. Sie wohnte angemeßen? Angemeßen...ein kleiner Palast tauchte vor Marcus Augen auf und er grunzte leise als Zeichen, daß er das natürlich seiner Mutter sofort glaubte. Sie hatte sicherlich den Shah in Shah dazu bringen können, ihr einen seiner Paläste anzuvertrauen, aber ein winziger Keim von Zweifel kam in Marcus schon auf. Doch die warme Flut von tiefer und ergebener Zuneigung, welcher Art Marcus sonst niemals gegenüber einer anderen Frau spüren konnte, beseitigten Stimmen, die Skepsis vortrugen, seltsame Mißtrauensschwankungen und ähnliche Empfindungen, mal abgesehen davon, daß Marcus sich eigentlich nur wegen all dem Schwanken und Geschaukel elendig fühlte und ganz in Selbstmitleid zerfließen würde, wenn nicht der gestrenge Blick seiner Mutter auf ihm ruhen würde. Aber genug Trost bot sich dem armen :D Marcus durchaus als er die flüchtige Berührung auf seiner vom Wein erhitzten Stirn spürte, wie kühl doch immer ihre Finger waren oder war das stets bei den weiblichen Wesen so? War sie darum in der Lage, einen klaren Kopf zu behalten, wo Marcus Temperament bereits wie ein Vulkan ausbrechen würde? Ein glückseliges Lächeln glitt über Marcus Gesichtszüge, eine Welle von Freude, Zufriedenheit und Leutseligkeit durchflutete ihn, die Übelkeit wurde schon schlagartig besser und all das zeichnete sich auf Marcus Zügen wieder, der blinzelnd nach oben sah und Helena - oder im treuen Glauben eher seiner Mutter! - ein breites Lächeln schenkte. Es gluckerte leise und schon schwebte ein Becher vor ihm. Wasser? Wasser! Tatsache!


    "Aber Mater, man weiß doch, von Wasser wird man nur noch kränker!"


    Gehorsam griff er jedoch nach dem Becher, sah angewidert in das kühle Naß, daß bereits die nächtliche Temperatur angenommen hatte. Als ob er erneut in eine Zitrone beißen würde oder eine scheußliche Medikation herunter spülen mußte, führte Marcus den Becher an den Mund und trank einige Schlücke von der nach nichts schmeckenden Flüssigkeit. Als er sah, daß seine Mutter sich umwandte, schüttete Marcus eilig den Rest neben sein Lager, das Wasser versickerte im Erdgrund. Leise stöhnend streckte sich Marcus auf der Liege aus und wartete darauf, daß es besser wurde - wie versprochen. Es wurde nicht besser, das Schwanken triebe ihn nach links und rechts, er legte eine Hand über seine Augen, dann zurück auf seine Brust, die sich unter der Tunika langsam hoch und runter bewegte, immer langsamer, wollte die Augen öffnen, um wieder seiner Mutter - solch einen Besuch mußte man schließlich ausnutzen! - die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, aber es war um Marcus geschehen. Das Einzige was Marcus noch hervor brachte, war ein "Mmmmaa....hrarch...", was sich in den Schnarcher verwandelte als er selbstverständlich und vertraut nach Helenas Hand griff und sie an seine Wange führte und diese darauf bettete, ganz wie er das so oft in Baiae getan hatte - Marcus konnte viele Jahre lang nicht einschlafen, wenn seine Mutter nicht bei ihm gewesen war die erste halbe hora. Selig und federleicht entfleuchte Marcus dem weltlichen Treiben, sein Geist sprang anmutig wie eine Gazelle in Morpheus Arme. Das Rauschen von Baiae ertönte, wenn sich die Wellen an den Klippen brachen, die sich unter der flavischen villa erstreckten. Dunkle Haare taten sich auf, dunkle Augen, die sanft säuselnde Stimme seiner Mutter, seine liebreizende Tochter sah ihm strahlend entgegen.
    "Cinilla, Sonnenschein..."
    , murmelte Marcus leise.
    "Ge'l'g'n, g'r ni't tot!"
    , wisperte Marcus als letztes undeutlich. Er war zu Hause angekommen, wenigstens für eine Nacht im fernen Parthia. Dann verstummte er, aber nur an Worten, während er anfing im fernen Gefilde ganze Wälder zu sägen, nur mit seinem Geschnarche.

  • Schlechte Nachrichten? Ich starrte auf das Papyrus, und sagte ziemlich entrückt, mehr zu mir selbst:
    "Ich weiss nicht..."
    Verwirrende Nachrichten vor allem.
    Ein Glück, dass das nicht durch die Zensur gegangen ist!
    Hannibal - ein Sklave?! Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Er war so souverän, geradezu erhaben, und, ja: edel!
    Dass Sklaven auch Menschen sind, das war für mich nie eine Frage, ist ja klar - aber zumeist doch eher, nun ja, primitivere, wenig differenzierte Menschen. Kein Vieh eben, aber halt doch nicht so wie wir.... (Der Gedanke, unsere Sklaven wären genauso wie wir, der hat ja auch ein un-ge-heu-res Umsturz-Potential.)
    Hannibal war ein Sklave! War ich oberflächlich, weil mich diese Enthüllung gerade so aus der Fassung brachte? Es änderte ja nichts daran, was zwischen uns gewesen war. Ich vergrub die Finger in meinem, inzwischen doch nicht mehr ganz so kurzem Haar und las den Brief zu Ende. So schöne Sätze... Ein Juwel nannte er mich, einen Saphir, und sagte dass er an mich denke, für mich beten würde... mein Erastes! Ich spürte, wie mir das Herz aufging, und meine Augen feucht wurden. (Ob in Freud oder Leid, ich hab einfach viel zu nah am Wasser gebaut.) Wie tragisch, wie entsetzlich war es, dass solch ein hochherziger, seelengrosser Mensch sein Leben in der Sklaverei fristen musste!
    Aber ein Sklave konnte freigelassen werden. Der Centurio war doch kein Unmensch, beileibe nicht, bestimmt würde er ihm irgendwann die Freiheit schenken. Oder vielleicht war an mir ihn zu retten?!
    Ja - ich würde Hannibal retten, ihm beistehen so wie er mir beigestanden hatte. Ohne ihn wäre ich bestimmt irgendwann tot in der Gosse gelegen. Sobald wir wieder in Italia waren, MUSSTE ich ihn retten! Und wenn ich schamlos meine Familie anschnorrte, zu diesem Zweck. Nec Dominus, nec Servus! Universell ist das Band der Freundschaft, und auch der Liebe, es vereint die Menschen über die Standesgrenzen hinweg! Die Freundschaft tanzte den Reigen um die Welt und ruft uns allen zu, aufzuwachen, zum Preise des glücklichen Lebens - Epikur war mir eh immer am sympathischsten. (Und die Kyrenaiker.) - Naja, ich hatte mit Ziaar ja auch schon einen Sklaven gekauft. Aber das war natürlich ganz was anders. Dieses miese Partherschwein hatte es einfach verdient.


    Beseelt von meinem hehren Entschluss erhob ich mich, schauderte kurz als meine bloßen Füsse den kalten Boden berührten, und faltete das Papyrus sorgsam zusammen.
    Süß. Der Centurio sah richtig niedlich aus, wie er da am einschlummern war, die Wange an die Hand der Iulia Helena geschmiegt. Hatte er sie gerade "mein Sonnenschein" genannt? Ich musste schmunzeln. Der würde morgen einen stattlichen Kater haben.
    "Jo. Wir wolln dann mal nicht stören...", liess sich Silio vernehmen, und verliess anzüglich grinsend das Zelt. Dieser Trottel. Ich gab dafür ein besonders wohlerzogenes und artiges: "Vale werte Iulia, Gute Nacht noch" zum Besten, und folgte ihm hinaus. Zurück zum Zelt, das inzwischen glücklicherweise wieder stand, wenn auch etwas schief. Ich rollte mich im Stroh zusammen, zog meinen Umhang über mich und versuchte noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. In dem Zustand zwischen Wachen und Schlafen wanderten meine Gedanken sofort wieder zu Hannibal... wie er mich in dem alten Tempel beschützt hatte... wie er mich damals in der Spelunke am Kanal auf seinen Schoss gezogen hatte.... seine Küsse, Hach!... Ich musste einfach am Leben bleiben, um ihn wiedersehen zu können! Und gleich morgen, da würde ich mir unverzüglich eine kleine Tasche in die Tunika nähen, direkt über dem Herzen, um seinen Brief immer darin zu verwahren! Dies beschloss ich noch, dann schlief ich ein, mit einem schwärmerisch-verklärten Lächeln auf den Lippen.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • So fiel denn Roms Pracht dahin, und begann zu schnarchen. Wussten Männer eigentlich, wieviel sie von ihrer ursprünglichen Anziehungskraft verloren, wenn sie zu schnarchen begannen? Der schönste, anziehendste und ansprechendst gewachsene Mann mit den besten Manieren vermochte es doch nicht, des Nachts seine Atemwege im Zaum zu halten, und urplötzlich wurde aus einer stattlichen Erscheinung eine Person, der man am liebsten ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hätte, nur um selbst Schlaf zu finden. Wenigstens war der erste Gemahl der Iulia Helena ein Quartalsschnarcher gewesen, er hielt sie nicht jede Nacht wach mit seinem Bäumefällen, aber dieser centurio hier wirkte, als vermöchte er mit dem sägenden Geräusch ganz Parthia von Bäumen zu entvölkern. Solange er den Mund geschlossen gehalten hatte - was leider nur wenige, verklärte Augenblicke lang der Fall gewesen war - war ihr der eigentlich vollkommen fremde Mann durchaus als attraktiv erschienen.


    Verliebt zu sein bedeutete für die eher praktische Iulierin keinesfalls, nicht einen attraktiven Mann zu erkennen, wenn sie ihn sah, nur ihre Begierden richteten sich nicht auf einen anderen als ihren Verlobten - und dass Flavius Aristides sicherlich nicht von umsonst nach süßem Parfum roch, war ihr damit ebenso klar gewesen. Letztendlich waren die meisten Männer Sklaven ihrer Gelüste, und man musste dies als Frau wenn nicht vollständig übersehen, dann doch zumindest in Kauf nehmen, da sie sich gar so wenig voneinander unterschieden. Selbst Vitamalacus folgte seiner Lust bisweilen mit einer Heftigkeit, die sie erstaunte - aber zumindest richtete sich diese auf sie selbst und nicht auf irgendeine Sklavin oder lupa.


    Langsam zog sie die Decke über den Körper des Schlafenden, und erhob sich dann geräuschlos, wie es Frauen eben so taten, wenn sie einige Zeit am Lager eines Geliebten, Kindes, Verwandten oder Ehemannes verbracht hatten, um über dessen Wohlsein zu wachen. Überhaupt gewannen viele pflegende Frauen eine ausgesprochene Lautlosigkeit während eines solchen Dienstes, der die Genesenden später oft vergessen ließ, dass überhaupt jemand gewacht hatte. Ob eines besonders lauten Schnarchers warf sie noch einen letzten Blick auf den schlafenden Offizier, und befand dann, es sei wirklich Zeit zu gehen - immerhin zogen sich nun auch seine Kameraden zurück in ihre Zelte, und sie konnte und wollte nicht mit einem vollkommen Fremden in dessen Zelt alleine bleiben, es gab ohnehin schon genug Geschwätz. Für sie selbst hätte sie das wenig gekümmert, aber sie musste auch auf den Ruf ihres Verlobten achten, und so schritt auch die Iulierin zum Zelteingang, kurz hinter Serapio.


    "Eine ruhige Nacht wünsche ich Dir, Decimus Serapio - und sei so gut, verrate ihm morgen nicht, dass ich es war und nicht seine Mutter. Wahrscheinlich wäre es ihm ziemlich peinlich, was alles hier geschehen ist." Sie schmunzelte flüchtig, die Vorstellung eines verdutzten centurio-Gesichtes hatte durchaus etwas für sich, würde er alles erfahren, aber nein, es wäre besser, er würde dies einem Trunkenheitstraum zuschreiben. Vor dem Zelt des centurio wandte sie sich nach einem verabschiedenden, nun wieder freundlichen Kopfneigen von den Männern ab und schritt in Richtung der Lagermitte, um sich zu ihrem eigenen Zelt zu begeben und endlich den traumlosen Schlaf zu finden, den sie zuvor vergeblich gesucht hatte.

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