Peristyl | einsame Brüder

  • Wenn ich klar sehen würde, dann käme mir mein Treiben wie das eines kranken Zickleins vor. Aber ich war nicht bei Sinnen. Der Körper schlurfte duch die Villa immer auf der Suche nach einem Ziel. In den Gedanken hingen mir Geschichten und Tage nach. Sie allesamt drehten sich um unsere kleine heile und sorglose Welt, als sie das noch war. Damals als... ich stockte. Mein Bruder saß im Garten und ich hatte ihn der Stunden lange gesucht. Hier hätte ich ihn womöglich nie vermutet. Doch seine Aura war nicht verwischbar. Ein dicker Schluck Mundsaft kroch meinen Hals hinunter. Wie angewurzelt blieb ich stehen, das Zittern in den Knochen versuchte ich mit den Händen wegzureiben, aber mir blieb es kalt.


    "Gracchus..." würgte ich heraus. "A-g-r-i-p-p-i-n-a, sie ist tot?" hauchte meine Zunge... es war zuviel für mich. Meine Knie schlotterten, gaben nach und sanken zu Boden. Auf den Knien blieb es nicht ein kleines Schluchzen, sondern ich weinte heraus, was dieser Mord an unserer Schwester in meinem Leben ausgelöst hatte. Tränen rannen mir über das Gesicht und tränkten wenig später den Kies unter mir. Ich begann zu zittern und zu schluchzen. Nichteimal das 'warum' befähigt auszusprechen...

  • Sooft dies war noch möglich, drängte es Gracchus des Abends hinaus unter den freien Himmel, um die Endlosigkeit dessen zu goutieren, gleich, ob seine Aufmerksamkeit auf den Zeichen einer Schrift in seinen Händen lag oder er nur auf einer Kline in kontemplativen Gedanken versunken die Schlieren und Schatten über sich zu betrachten gedachte. Da das Peristyl von schützendem Gemäuer war umgeben und die Flammen allzeit in großen Schalen brennender Feuer die winterliche Kühle aus der Luft vertrieben, war solcherlei Delektierung in der Villa Flavia das ganze Jahr über hin möglich. Dieser Tage war es ein Teil der Odusia des Livius Andronicus, welcher Gracchus' Aufmerksamkeit auf sich zog, in solcher Weise, dass er sich der Anwesenheit seines Bruders erst wurde gewahr, als dieser seinen Namen sprach - nicht sprach, sondern mehr jener über Lucullus' Lippen hinaus in die Freiheit kroch, verfolgt von den Zeichen seiner Schwester und jenem kleinen Wort, welches den Flavia anhaftete wie ein Fluch, welches der Fluch war. Kraftlos sackte sein Bruder zusammen und erschrocken ob dessen warf Gracchus achtlos die Schrift auf den kleinen Tisch neben der Kline, stand auf und eilte die wenigen Schritte zu ihm hin, in Furcht, dass erneut die Krankheit ihre eisigen Klauen hatte um Lucullus gelegt, ihn in festem Griffe hielt und zu erwürgen drohte.
    "Lucullus!"
    Sich zu ihm hin niederkniend packte Gracchus den Bruder an den Schultern, um ihn aufrecht zu halten, wurde jedoch sich in diesem Augenblicke gewahr, dass nicht die physische Schwäche Lucullus in die Knie zwang, sondern Defätismus und Desperation ob seiner Schwester Tod. Fest wurde Gracchus' Griff, zu fest womöglich, als den Bruder er leicht rüttelte, seine Stimme indes scharf.
    "Halte an dich, Quartus!"
    Allein waren sie im Peristy, in der Sicherheit ihres Heimes, doch gleichsam konnte Gracchus nicht konnivieren die Schwäche seines Bruders, nicht diese Unzulänglichkeit, nicht an ihm, dessen Wohl und Gelingen sein Vater ihm hatte in die Hände gedrückt, ihm aufgebürdet, bis dass Lucullus selbst sicher auf eigenen Füßen stand - ungeachtet dessen, ob Gracchus zu solcherlei fähig oder auch nur bereit war, ungeachtet dessen, dass Gracchus' eigener Stand und Schritt beständig zwischen Straucheln und Abgrund schwankte.
    "Schau mich an, Quartus, schau mich an! Deine Schwester war schon längstens nicht mehr Teil deiner Familie. Du hast sie bereits verloren, als du noch nicht einmal in der Lage warst, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie hat ihre Pflicht erfüllt, wie wir alle unsere Pflicht müssen erfüllen, und wir können stolz darauf sein, dass sie unseren Wurzeln entsprang."
    Nicht einmal für ihre Bestattung würden sie Sorge tragen.
    "Du musst dich von dieser Pein lösen, Quartus, halte an dich und erinnere dich dessen, wer du bist!"
    Fremd hallten die Worte in seinen Ohren nach, Worte seines Vaters, Worte seines Standes, Worte der Pflicht und Verpflichtung, doch gleich, da sie seinem Munde waren entsprungen, so tat sich Gracchus doch schwer damit, sie als seine eigenen Worte anzuerkennen.
    "Die virgo vestalis maxima wurde ermordet, ermordet auf den Stufen des Tempels der Vesta. In ihrem eigenen Blute lag sie, wie ein Kunstwerk, die weiße Unschuld auf rotem Grund. Dies ist es, was dich sollte erzittern lassen, das ungewisse Schicksal Roms, die unweigerlich drohende ira deorum, der unsägliche Frevel, welcher mit dieser Tat wurde begangen!"

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  • So leer so leer und wieder so leer. Seit meinem Einzug in Rom fühlte ich mich leer. Leer im Sinne, leer im Wesen, leer in den eisigen Wänden. Mir war so kalt und ich fühlte mich leer. Mein Magen war es, leer. Meine Gedanken waren es nicht, leer. Meine Hoffnung, leer mein Willen leer und mein Bruder zeigte sie ebenfalls, Leere der Gefühle. Wenn ich mich umdrehen würde, ich sehe eine leere Wand, schaue ich nach unten, ein leerer Boden. Gracchus Augen, leer. Seine Stimme fremd und leer. Meine Zunge trocken und leer. Die Tränen verweint und leer. Mit jedem Tag etwas mehr Leere und mit jeder Stunde ein wenig mehr Fremde. Zweisam, dreisam oder allein?


    Ich schluchzte noch einmal, wischte mit dem Handrücken die feuchten Erinnerungen an die Schwester aus den Augen und zog die Nase hoch. Es war so leer um mich, so unendlich leer. Kein Mensch der Welt traf hier meinen Sinn. Kein Abbild des unweltlichen fing mich in dieser Leere auf. Weit weg waren die Gedanken, unbewußt ihre Herkunft und doch nicht leer.


    Mit einem Ruck stand ich im Garten, eine Bank war leer. Wenig später nicht mehr. Ein kleines Häuflein Elend hatte auf ihr Platz genommen und starrte vor sich hin...

  • Mit einem leeren Blick wandte sein Bruder sich ab, stand auf und schleppte zu einer steinernen Bank sich hin, qualvoll und mühsam, als würde jeden Moment die Last auf seinen Schultern ihn in den Grund hinab pressen. Gleichwohl stand Gracchus auf, unschlüssig, blieb stehen und hielt den Blick auf Lucullus gerichtet. War es falsch, was er tat? Was tat er? Ein marginales Kopfschütteln trieb die schuldbehafteten Gedanken aus seinen Sinnen, er trug bereits schwer genug an seiner eigenen Last, an der familiären Last, an der eigenen Pflicht, der familiären Pflicht, der familiären Verantwortung - er konnte nicht überdies noch die Last seines Bruders auf sich nehmen. Schritte nur trennten die beiden Brüder und doch war eine Distanz zwischen ihnen, größer als jene zwischen den Säulen des Herkules im Westen des mare internum und jenen im Osten. Schlussendlich überwand Gracchus die Schritte, setzte zu seinem Bruder sich auf die Bank, starrte auf den steinernen Weg zu seinen Füßen, konnte doch nicht die innere Ferne überbrücken. Fremd war Lucullus ihm, beinah ebenso fremd wie Quintus dies gewesen war, doch mit seinem kleinen Bruder verband nicht einmal ihn die Similarität der Gestalt.
    "Deiner Salubrität scheint hier keine Genesung beschert. Roma ist ein unnachgiebiges, skrupelloses Weib, sie duldet nicht, dass einer sich um sich selbst kümmert. Hast du in letzter Zeit darüber nachgedacht, zurück aufs Land zu ziehen? Im Norden ist im Winter es womöglich zu kalt, doch du könntest nach Aegyptus in das Haus unserer Mutter. Die Luft ist dort mild, die Vegetation üppig, das Meereswasser selbst im Winter zum Schwimmen angenehm und so es dich nach Ablenkung verlangt, bietet Alexandria mehr als genug Auswahl Geist und Körper zu beschäftigen."
    Es war nicht, was von Lucullus wurde erwartet, doch welchen Sinn hatte es, ihn zu schinden ob einer Pflicht, welcher er in diesem Zustande ohnehin nicht würde nachkommen können? Einem Leben in Pflicht schien bisweilen zudem kurze Dauer nur beschert zu sein, in der Flavia wie auch im restlichen Reich.

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  • Neben den kalten Gedanken folgte ein anonymer Schatten meiner Statur. Nur wenig erinnerte er mich an früher. Nur wenig wollte ich mich wohl besinnen. Seitdem ich nach Rom gekommen war, hatte sich die Last auf meinen Schultern vervielfacht. Es wurde von einem Flavius mehr erwartet als von jedem anderen Patriziergentius. In den Tempeln wie in den Gemäuern des Anwesens wehte immerzu ein kalter Hauch. Es war nicht wie auf den nördlichen Anwesen. Irgendetwas verband unsere Familie mit den tiefsten Gräben der Finsternis. Etwas umgab uns. Kein Schleier voller Fröhlichkeit... Nein! ...eine bedrückende Aura, etwas Übersinnliches etwa? Meine Gedanken stockten. Wie so oft lief ein fröstelnder Schauer über den Rücken und wie ständig hätte ich eine warme Schulter gebraucht. Doch sie gab es nicht in diesem Haus. Was mir fehlte war Freiheit und Zuversicht. Das Maß der Augenpaare, der wichtigen Formen und Normen war voll. Es grub immer tiefer in meinem Innersten eine Furch durch den Willen. Es bildete sich ein Widerstreben dabei heraus und mit jedem Morgen folgten neue Samen in diese Rinne.


    Gracchus wollte mich also weit weg wissen. Dort wo die Blühten durch den Sand geschluckt wurden. Wo die Sonne gar unnachgiebig auf den Kopf schien. Heute marderte es mich von innen, Morgen würde mein Geist das Märtyrium der Troposphäre erdulden müssen. Es war trotzdem nicht verhinderbar, der Bruder hatte Recht...


    "Du behältst wie immer Recht Bruder. Deine Analyse entspricht meinem Wunsch. Ich werde Rom wieder verlassen. Die Ländereien im Norden jedoch werden es trotz der eisigen Winterstürme sein, die mir -wenn auch nur gering- Wärme schenken sollen. Es zieht mich nicht in einen heißen Landstrich, der nur die Geschichte geliebter Ahnen erzählt. Zuviele schöne Geschichten verbinde ich mit unseren Eltern, als das ich dahin gehen könnte. Es würde mir wohl ähnlich ergehen wie hier..."


    Ich atmete durch.


    "Die Einsamkeit wird mir gut tun, so hoffe ich. Vielleicht kehre ich zurück, wenn ich die wahre Berufung erkannt habe oder mir ein Weg in meinen Visionen erscheint. Die Götter werden mir Zuversicht und Frieden gewähren. Ihnen zu dienen, wird meine innerste Befriedigung sein."


    Die Krankheit hatte sich nie richtig aus meinen Gliedern verabschiedet. Immer war ich wehleidig und unbeständig geblieben. Tief saß ein Schmerz, dessen Ursprung mir nicht bewußt war. Neben diesem Unheil fand sich das Geistige und ich war mir sicher, dass Rom dabei einen großen Anteil trug. Irgendetwas oder jemand verpestete die Stadt und gab unseren Sinnen Gift. Mit etwas Glück konnte ich diesem Wahnsinn noch einmal entkommen und als Mensch zurückkehren, wenn ich nun als Verrückter die Stadt verließ. Zumindest mußte Gracchus das glauben, wenigstens er, denn ich tat es mit Bestimmtheit.

  • Nicht überzeugt klang er, nicht erfreut über die Aussicht, und doch gab er nach, wiewohl er augenscheinlich wusste, dass keine blühende Zukunft ihm war in Rom beschieden, nicht dieser Tage, womöglich später, allfällig niemals. Er war nicht gezeugt, nicht geboren in Absicht, ein führender Kopf des Imperium zu werden, an vierter Stelle der Söhne des Vespasianus, empor gerückt durch den Unbill der Natur, durch die wilden Wogen des Schicksals, Gracchus similär, doch disparat zu diesem hatte er nicht sich seinem Platz in stetigem Kampfe ergeben, nicht war dem beständigen Drängen der Pflicht und Erwartung erlegen. Gereichte dies ihm zu Nutzen oder zum Schaden, in diesem Leben, danach? Ein marginales Nicken kündete von Gracchus' Einverständnis, obgleich dies nicht notwendig war, so wollte doch er seinem Bruder zu verstehen geben, dass er trotz allem noch immer bereit war Sorge zu tragen für das Wohl der Familie.
    "Auch mir ist wohler bei dem Gedanken an Italia, die Gefahren des Landweges sind längst nicht vergleichbar zu jenen der See, und ich hoffe, die Vertrautheit der Umgebung wird deinem Wohlergehen zuträglich sein. So du nach etwas wirst bedürfen, zögere zu keiner Zeit, eine Nachricht zu senden."

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  • In meinen Gedanken fröhnte ich der Literatur am wärmenden Kamin. Es gab so wenig in des Winters Monaten zu tun oben am Lago. Die Viehherden kamen in den Stall und bündelten die ganze Aufmerksamkeit der Hirten und Knechte. Nurnoch wenige Tage war die Olivenernte in vollem Gange. Wahrscheinlich würden sie gepresst sein, wenn ich das Landgut erreichte. Es lag in exponierter Lage. Weit reichte der Blick von der Veranda über das fruchtbare Tal mit seinen ergiebigen Hängen voller Weinplanzen, Olivenbäumchen und Obststreuwiesen. Weiter unten wurde Hirse, Weizen und Hafer im Frühjahr gesäht. Soweit das Auge reichte, so landwirtschaftlich genutzt waren die Böden. Irgendwo, dort wo die Berge den Tälern den Platz nahmen, begannen weitreichende Wälder. Stark zurückgezogen waren sie behauen. Sosehr man den Wald auch zurück drängte mit gaiischer Hand holte er sich schnell brach liegende Morgen zurück. Diese Auen wurden im frühsten Monat des kommenden Jahres erneut dem Landbau vorbereitet und gutes Holz dabei gewonnen.


    Ich mußte mich aus diesem Gedanken reißen, es war dort so schön, so verliebt war ich in dieses Tal, das ich blind dessen in Rom keine zweite Liebe zu finden vermochte. Es war so anders, als man es uns erzählt hatte. Die Vorbereitung auf dem Land wohl nicht lang genug. Zumindest was meine Art zu leben anbelangte. Mein Bruder war da aus einem anderen Holz geschnitzt. Er war so verbunden mit Rom und seinen Aufgaben hier, das es den Frost immer und immer wieder über meinen Rücken lockte, wenn er in meiner Nähe saß. Wahrscheinlich desswegen empfand ich in seiner Nähe nie Wärme. Von Fröhlichkeit war ebenfalls nie eine Spur und so blieb der einzigste Weg wohl eine Rückkehr auf das Land, denn mit den anderen Bewohnern dieser Villa hatte ich noch viel weniger gemein.


    "Ich werde mich deiner Worte erinnern und dir schreiben, sollte sich solch eine Situation auftun. Wenn es dir beliebt, besuche mich auf dem Land. Im Sommer wenn die Stadt Rom nicht nur heiß ist, sondern ihre Schattenseiten besonders vulgär offenbahrt."


    Mein Körper glitt in eine senkrechte Haltung. Was gab es noch zu sagen, wo es nie sowas zu bereden gab?


    "Ich nehme an, man wird mich in dieser Zeit als offizieller Gesandter der Götter im Dienste des Cultus entlassen? Wenn dem so sei, so wäre es eine letzte Bitte durch mich an meinen Bruder dies zu veranlassen."


    Etwas befreiendes schlupfte aus dem meinigen Körper. Der Weg war weit für einen Ochsenkarren. Als Reiter konnte ich das Gut aber schon in spätestens zwei Tagen erreichen. Ein vorerst letztes Mal blickte ich meinen mir so fremd vorkommenden Bruder Gracchus an und wartete auf dessen Bekundung zu dieser Entscheidungsfolge.

  • Aber die Worte blieben leer. Ein Blick durchdrang den Raum, mein Blick. Ein Frösteln später versuchte ich diesen Moment von meinen Schultern zu schütteln. Ob es gelang, würde ich erst die nächsten Tage wissen, dann wenn der Körper unter meinem durch die weiße Landschaft trapte. Den Rücken Rom zuwendend.


    Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Garten. Würde mich vorbereiten und spätestens den übernächsten Tag aufbrechen. Es war Zeit.


    Meine Tage, Wochen, Monate in dieser Stadt durchfurchten mein Gehirn. Immer wieder bin ich stehend vor Mauern erwacht. Kein Weg, keine Gasse tat sich mir auf und kaum ein Rückzugsort blieb mir offen. Zu lange diente ich wohl ohne Worte ohne Klang und mit viel Sehnsucht, als das ich die Fröhlichkeit nach dem Weggang vom Landgut irgendwie zurückgewinnen konnte. Freunde zu finden war in der Stadt noch viel schwerer, als auf dem Land und dort gab es starke Gegensätze. Nichts in mir fühlte Mitleid mit dieser Entscheidung, meiner Entscheidung und jede Stunde, die verfloss, war eine Meile auf dem Weg hinaus.


    Vielleicht, so dachte ich schon öfter werde ich irgendwann wieder zurück kommen, um Rom zu besuchen, um Gracchus und Milo zu besuchen, aber und das schien mir sicherer, als der nächste Schnee, es würde eine ganze Weile dauern, bis ich überhaupt den Weg zurück suchen würde. Rom war eben nichts für mich. Mein zurückgezogenes Leben fühlte sich hier so erdrückend an, während ich auf dem Lande all das bekam, was mir hier wegen dem Etikett, der persönlichen, wie familieren Note versagt blieb. Dort war ich frei von all dem und vielleicht war ja auch das ein Grund, warum soviele Flavier auf ihren Anwesen außerhalb dieser Städte lebten.


    Die Tür fiel fast leise ins Schloss. Während ich den Weg zu meinem Gemach wählte, blickte ich nicht zurück. Aber die Ohren waren gespitzt....

  • Gedankenversunken blickte Gracchus auf den steinernen Boden, verlor sich in den Rundungen eines graufarbenen Kiesels, durch dessen harte Oberfläche er bis in die ferne Unendlichkeit hinab starrte. Worte über Pflicht und Verpflichtung drückten auf sein Gewissen hinab, eine Verantwortung schwer auf seine Schultern. Doch die Zeit hatte längst ihn geprägt, nichts war mehr so simpel, wie noch in dem Augenblicke als er zurück nach Rom gekehrt war, das aufgezwungene Ziel klar vor Augen und die mahnende, drohende Stimme des Vaters leise im Ohr. Welchen Sinn hatte es längst, seine Geschwister zu drängen, da Rom sie ohnehin nur zerstörte? Rom, der Familie und der Wahrheit hatte er einst seine Treue geschworen, doch was davon hatte er seitdem nicht verraten, wie waren die Prioritäten neu geordnet, zudem, bedingte das Wohl Roms die Aufgabe der Familie oder das Wohl der Familie die Aufgabe Roms, und wie war die Wahrheit darin einzuordnen, da beiderlei doch immer wieder Trug forderte zu seinem Wohl?
    "Im Sommer"
    , murmelte er leise, kaum hörbar, gleichsam dessen gewahr, dass er nicht würde kommen. Roma würde keine Gelegenheit ihm gestatten, sie zu verlassen, und er würde sich bedingungslos in ihre Arme ergeben, um nicht von ihr gehen zu müssen. Als sein Blick sich hob, hatte sein Bruder ihm bereits den Rücken gekehrt, den Garten, Rom zu verlassen.
    "Ich werde es veranlassen"
    , schickte er seine Worte ihm hernach und blieb schweigend im Garten sitzen, allein. Er hatte versagt, er wusste dies, sie wussten dies, und er war nicht einmal mehr gewillt, dies zu novellieren. Er war nicht ihr Vater, selbst die Aufgabe des Ältesten war zu unrecht ihm aufgebürdet worden - und letztlich lief ohnehin alles darauf hinaus, dass die Flavia zerbrach, Generation um Generation erneut, ihrem dunklen, schmerzlichen Fluch ergeben.


    ~ finis ~

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