"… die Kleinigkeiten, die Kleinigkeiten, die sind die Hauptsache!
Gerade diese Kleinigkeiten verderben immer alles … "
Still und heimlich durch das Gartentörchen stahl Severus sich in die Villa zurück, nachdem er die Zeugnisse seines Mordes - den abgeschnittenen Kopf und die Waffen - in einem Versteck am Tiberufer, nahe des geplanten Treffpunktes mit dem Stabmann, gelassen hatte. Es hätte zu Missverständnissen führen können, wenn jemand den Kopf des Arbogastus in der Villa Flavia gefunden hätte, und er wollte ja schliesslich weder erwischt werden noch jemanden in seine zwielichten Aktivitäten mit hineinziehen.
Windig und kalt war es, und auch der adrette und gezähmte Garten der Villa atmete in dieser finsteren Nacht eine Art von Wildheit. Der Wind pfiff durchs Geäst, rüttelte die Zweige und bog knarzend die Wipfel der Bäume. Es wisperte im Gesträuch, und ungestüm griff der Wind auch in Severus' Haar und zauste es, während der Germane das versteckte kleine Törchen, durch das er gekommen war, sorgfältig wieder verschloss, und den Schlüssel gut verstaute. Den hatte ihm der Gärtner für einen horrenden Preis ausgeliehen. Ja, wenn man Geld hatte, taten sich auf einmal ganz neue Möglichkeiten auf. Für seine nächtlichen Aktivitäten war das jedenfalls eine wichtige Voraussetzung gewesen, und er hatte diese Pforte in den letzten Nächten weidlich genutzt. Jetzt, wo der Auftrag erledigt war, würde er hoffentlich wieder etwas mehr Schlaf bekommen.
Oder nein - ganz erledigt war es natürlich erst wenn er das Geld in der Hand hielt. Und ein paar Sachen nachforschen musste er auch noch... Aber morgen. Alles morgen.
Leisen Schrittes ging er durch den Garten, hin zu der Zisterne neben den Stallungen. Langsam ebbte die fiebrige, alles verdrängende Freude der Jagd in ihm ab, und liess Raum für andere Gedanken. Mit Bridtha lief es nicht gut. Eigentlich hatte er diese ganze Sache doch nur begonnen, um ihr eine gebührende Morgengabe zu schenken, dann hatte es sich ausgeweitet, und jetzt schien es ihm, dass sie sich gerade deswegen immer weiter voneinander entfernten. Seit dem Streit hatten sie nicht mehr richtig miteinander geredet, er war ja auch immer so beschäftigt gewesen. Aber morgen würde alles vorbei sein, er würde das Geld in den Händen halten, und sie würde hoffentlich verstehen...
Er stemmte den Deckel der Zisterne auf. Dunkel lag die Oberfläche des Wasser unter ihm, und noch etwas schwärzer zeichnete sich sein Umriss darauf ab. Severus legte die Hände auf den steinernen Rand und sah auf sein Spiegelbild. Ein Schatten nur, tiefschwarz und leer wie der Abgrund, der immer wieder nach ihm greifen wollte. Eine hohle Form. Was war von ihm eigentlich noch übrig, was von dem was er jetzt war, war noch er... Wie gebannt beugte sich vor, immer näher an die ölig schimmernde Schwärze heran. Dann ging ein Windstoss durch den Garten, kräuselte die Oberfläche, und liess sein Spiegelbild in Wellen auseinanderfliessen.
Severus richtete sich auf. Müssiges Grübeln. Er schöpfte sich einen Eimer Wasser, legte den Umhang ab, auch die blutbefleckte Tunika. Der grobe Fetzen, den er sich um die Brust gebunden hatte, war von getrocknetem Blut durchtränkt. Mit zusammengebissenen Zähnen riss er ihn ab, worauf der Schnitt wieder leicht zu bluten begann. Er wusch sich das Blut ab, wrang auch die blutige Tunika im Wasser aus, und riss gerade einen Streifen davon ab, um sich den Schlenz erneut zu verbinden, als ein Geräusch, vom Hof her, ihn aufhorchen liess. Garms Grimm. Da war jemand...