Mit hallenden Caligae marschierte unser Trupp, bestehend aus Sparsus und mir und unser beider Contubernien durch die Strassen von Edessa. Hinter uns klapperten die Hufe der Mulis, die wir dabei hatten, um unsere Beute zu transportieren. Denn wir waren eine von den vielen Gruppen, die zur Zeit die Stadt durchstreiften um Nahrung für unsere Legion aufzutreiben. Beziehungsweise zu requirieren, wenn auch dieses schöne Wort nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass wir letztendlich den Parthern ihre Waren einfach abnahmen. Natürlich bekamen sie dafür dann einen Wisch, ein ordentliches Schriftstück mit Siegel und genauer Auflistung der beschlagnahmten Güter, mit dem sie angeblich später eine Entschädigung verlangen konnten. Aber ich hatte das Gefühl, dass diese Versicherungen nicht mal das Papyrus wert waren, auf dem geschrieben waren, und diesem offiziellen Plündern nur den Anstrich von Legitimität geben sollten. Und da waren die Parther wohl der selben Meinung. Schon viele Flüche und Verwünschungen hatten wir heute geerntet, und den ein oder anderen Steinwurf.
Feindselig war die Stadt heute, die nahezu ausgestorbenen Strassen strahlten etwas bedrohliches aus, und auch ich sah mich schon längst nicht mehr neugierig nach irgendwelchen schönen Fassaden oder exotischen Erscheinungen um, sondern musterte bloss mißtrauisch die wenigen Passanten die uns begegneten. Die Nachricht vom spurlosen Verschwinden meines Onkels hatte mich schwer getroffen, ich hatte grosse Angst um ihn, und ausserdem eine immer mehr wachsende Stinkwut auf das ganze verdammte Partherpack!
Stück für Stück arbeiteten wir uns vor. Das nächste Gebäude - langgestreckt, mit hohen Mauern, die in der hellen Sonne von blendendem Weiss waren - sah nach einem Handelskontor aus. Wir verschafften uns Zutritt und kamen in einen grossen Verkaufsraum, der nach dem Sonnenschein draussen erst mal ganz düster wirkte. Gähnende Leere herrschte in den Regalen, Kisten und Säcken. Ein beleibter Mann in langen bestickten Gewändern und bauschigen Hosen, mit grauen Haaren und einem kunstvoll gekräuselten Bart sah uns vernichtend entgegen, dann redete er schnell und unverständlich auf uns ein, und machte abwehrende Gesten und Zeichen, die wohl, so wie ich das verstand, besagen sollten, dass man ihn schon ausgeplündert hatte.
Tja, und nun? Ich sah unschlüssig und fragend zu Sparsus, der als Tesserarius hier das sagen hatte.
"Der Bursche will uns doch bloss abwimmeln!", erklärte felsenfest Verax, ein markiger Miles, der nach der Schlacht neu zu meinem Contubernium dazugekommen war. Er stiess eine Türe an der Rückseite des Raumes auf. Dahinter kam ein grosser Innenhof zum Vorschein, eine wahre Idylle mit bunten Mosaiken und in der Mitte einem Brunnen im Schatten eines grossen Granatapfelbaumes. Eine Balustrade mit verschnörkelten Gittern zog sich rund um den Hof. Die Äste des Baumes waren schwer von den Früchten, das Wasser plätscherte melodisch und irgendwo zwitscherte ein Vogel.
"Aber Holla!" Neben mir pfiff Musca durch die Zähne.
"Sehn wir uns doch mal n' bisschen um.", schlug Verax vor und grinste raublustig in die Runde, "Mal sehn was wir so finden, hm?"