Es war ein so seltsames Gefühl, von jemandem gehalten zu werden. Gleichsam fremdartig, denn immerhin kannte sie ihn kaum, hatte bisher nur wenige Male mit ihm gesprochen, einmal gegen ihn gekämpft, und andererseits vertraut. Ihre Mutter hatte sie früher so gehalten, sie vor der Welt sicher in den Armen haltend, sodass sie sich immer gefühlt hatte, als würde nichts mehr ihr passieren können, als sei sie vollkommen sicher vor allem, was als Gefahr oder Sorge auf sie einprasseln könnte. Geborgenheit. Als Schildmaid war sie es gewesen, zu der junge Mädchen mit Sorgen gekommen waren, die sie ihren Müttern nicht hatten verraten wollen. Unter Kriegern war es leicht zu leben, aber wirklich innigen Kontakt hatte sie mit keinem Menschen mehr gepflegt, nur in Gebeten, im stillen Gesang ihrer schmerzenden Muskeln nach langem Training. Aber seit sie den Speer ergriffen, die Gelübde geleistet hatte, die sie an die Götter banden, nicht mehr an die Menschen, war sie allein gewesen und hatte Abstand gewahrt. Jetzt war es fast, als sei die Cadhla, die sie gekannt hatte, gestorben, beim Angriff der Römer zu Tode gekommen, und nun musste sie erst die neue Cadhla entdecken, die sie noch nicht kannte. Die Cadhla, die sich von einem Römer trösten ließ.
Nach einer gewissen Zeit spürte sie, dass die Tränen nachließ, die Kehle vom unausgesprochenen Schmerz nicht mehr zugeschnürt war - und das Atmen leichter vonstatten ging als zuvor. Jetzt konnte sie auch seine Wärme deutlicher fühle, seine Gestalt unter dem allzu dünnen Stoff seiner tunica, die doch breiten Schultern eines Mannes, der seine Körper nicht verkommen ließ. Kräftige Schultern, die Halt geben konnten ...
Langsam löste sie sich aus seinen Armen, der feucht wirkende Fleck auf seiner Schulter, der von ihren Tränen stammte, wirkte wie ein Mahnmal auf Cadhla. Es war tatsächlich passiert. Sie hatte in Ursus' Armen geweint, und sie konnte darüber nicht einmal Bestürzung empfinden. Langsam, mit einer sehr ruhigen, sicheren Geste wischte sie sich den letzten Rest glitzernder Tränen aus den Augen und hob den Blick wieder zu ihm. "Danke." Nur ein Wort, aber es sagte zur gleichen Zeit alles, was sie sagen konnte.