Ein Vigintivir und ein Scriba | Auf den Straßen Roms unterwegs

  • Von meinem officium her kommend schritten Lucanus und meine Wenigkeit unbehelligt über eine der größeren Straßen in Richtung des Marktbereichs in der belebten Stadtmitte Roms. Straton war in meinem Amtsraum zurück geblieben, und ich genoss es, dem doch etwas beengend wirkenden officium entkommen zu sein - selbst im Tempel hatte man mehr Freiraum, und da ich noch ziemlich an die tägliche Opferpraxis und den stetigen Fluss der Menschen gewöhnt war, fiel mir die Umstellung nicht leicht. Natürlich bemühte ich mich, dies meinen Neffen nicht merken zu lassen, schließlich sollte er nicht glauben, er habe sich als Arbeitgeber einen Jammerlappen ausgesucht - aber dass ich mich draußen wohler fühlte, war wohl kaum wirklich zu übersehen. Manchmal war mir die Einsamkeit meines Arbeitszimmers sehr recht, aber die meiste Zeit eben nicht. Nicht zuletzt deswegen hatte ich mir als Amt das des tresvir capitalis gewünscht, es versprach die meiste Abwechslung, und mich mit Erbschaftsangelegenheiten herumzuschlagen, war nicht wirklich mein größter, verzweifeltster Wunsch gewesen.


    "Nach was steht Dir der Sinn? Warmer puls vielleicht? Oder Wurst und Brot? Ansonsten würde ich sagen, schauen wir mal bei den exotischen Ständen vorbei, Essen, bei dem man nicht weiss, was es ist und wie es heißt, ist immer wieder eine spannende Erfahrung," meinte ich grinsend und dachte an meinen letzten Besuch bei den ausländischen Händlern. Irgendwer hatte mir Nachtigallenzungen in Fladenbrot angedreht, die verdächtig geschmeckt hatten, als seien es zerkleinerte Sardellen gewesen - aber interessant war es allemal gewesen.
    Außerdem war ich neugierig, wie sich mein Neffe wohl mit unbekannten kulinarischen Genüssen schlagen würde, und, solange man das Ohr an der Straße behielt, erfuhr man vielleicht auch den ein oder anderen interessanten Klatsch, der mir bei meinem Amt helfen würde. Als tresvir capitalis war ich mehr als jeder andere Vigintivir verpflichtet, auf die Dinge zu achten, die in Rom vor sich gingen, und das würde für uns beide sicher noch eine Menge Laufarbeit bedeuten.

  • Mit geschwindem Schritt aber ohne Anstrengung kommen wir aus der Basilica Ulpia heraus und folgen unseren Nasen und unserem Magen - die Arbeit können wir mühelos im Gedränge abhängen. Während sie etwas verdutzt und leicht verärgert sich nach uns umschaut, ohne die Fährte wieder aufnehmen zu können,


    Etwas skeptisch blicke ich meinen Onkel an - eine spannende Erfahrung will er machen? Meine letzten Erfahrungen mit unbekannten Genüssen aus dem Meer hatten zu tagelangem Aufenthalt auf dem Topf und - ich muß gestehen - eingedrecktem Nachtzeug geführt. Vielleicht sammele ich ihm auch mal ein paar Pilze, ein Snack aus Spitzkegeligen Kahlköpfen, garniert mit ein paar Träuschlingen würde ihm gewiß eine spannende Erfahrung bereiten. :D Ach, ja Puls, ein Thema, das noch auf meiner Agenda stand. Aber ich hatte mir vorgenommen, das selbst in die Hand zu nehmen.


    Wie wäre es mit Garnelen? frage ich stattdessen, um von Vegetarischem mal ganz grundsätzlich abzulenken. Oder Fisch? Fangfrischer Fisch müßte doch auch in Rom zu bekommen sein. (Der wird sicherlich nicht aus Lutetia importiert, wie in manchen Gegenden der Normandie üblich, wenn es stimmt, was ich gehört hatte.)

  • "Garnelen?" echote ich und war irgendwie auch froh, dass mein Neffe einen so fischorientierten Geschmack hatte. "Warum nicht, sowas gibt es sicher auch hier. Aber bitte sag mir jetzt nicht, dass Du zu jenen gehörst, die ihre Meeresfrüchte in garum ertränken." Das letzte Familienessen mit Flavius Felix hatte mich, was garum anging, wirklich traumatisiert. Das schlimmste waren die garum-Eier gewesen, die geradezu getroffen hatten vor lauter Sauce. Wenn ich mich recht entsann, dann gab es innerhalb der gesamten Familie außer Felix niemanden, der seine Eier auf diese widerliche Weise mochte. Garum war und blieb eine Zumutung, wenn mehr als ein Tropfen das Essen berührte. Nach Fisch war mir am frühen Morgen zwar noch nicht, aber mit Garnelen konnte ich mich durchaus anfreunden, solange sie einigermaßen fangfrisch waren - roch man mehr Fisch als Meer, musste man von derlei Genüssen die Finger lassen.


    Wir bogen um die Ecke und schon erstreckten sich vor unseren Augen die ersten Buden samit der dort angebotenen Köstlichkeiten - dazu die übliche Menge an Römern, die sich ihr Frühstück holten, oder auch dabei waren, um die ersten Geschäfte zu feilschen. Wenn es eines gab, was ich an meinem Volk mochte, dann war es die Gabe, überall den eigenen Vorteil zu suchen, sei es an der Garküche nebenan oder auf den Stufen einer baufälligen insula. Ich konnte mir bei so manchem Landsmann gut vorstellen, dass er noch mit Charon um die Überfahrt über den Styx feilschte, solange er konnte.
    "Da hinten sieht es doch gut aus," meinte ich und wühlte mich voran. Vom Vorbeilassen eines Magistraten hatten die Leute hier eindeutig noch nichts gehört, also verschaffte ich mir mit einige Ellenbogenhieben den nötigen Respekt.


    "Du miese Ratte!" kreischte es plötzlich schräg oberhalb uns und ehe ich es mich versah, klatschte direkt vor mir eine geballte Ladung Haushaltsunrat auf die Straße, nicht ohne meine Sandalen samt unterstem Teil der toga mit Spritzern zu bedecken. Automatisch blickte ich nach oben, und konnte mich mühevoll vor einer zweiten Ladung in Sicherheit bringen, während vor mir in der Menge jemand bedenklich danach aussah, als wollte er sich auch davonmachen - schräg an uns vorbei versuchte er sich durch die Menschen zu wühlen und kam dabei meinem Neffen bedenklich nahe. "Halt ihn fest!" rief ich und versuchte, einen großen Schritt über den Unrat zu machen, der mir nicht gerade den Wunsch erweckte, herauszufinden, woraus er eigentlich bestand.

  • Fisch in Fischsoße, ich muß grinsen - klingt wie Puls mit Getreidepampe. Ich räuspere mich: Wenn man Garnelen direkt aus der Reuse holt, kann man sie roh essen. Ich stöhne lustvoll bei dem Gedanken. Vielleicht kurz in garum tippen oder in eine Essigsauce, das ist lecker. Gebraten - mit Honig und frischem zingiber.


    Mein Onkle führt mich aus dem marmornen Rom der glänzenden Tempel, Thermen und Foren offenbar in das ziegelrote Rom, das gleich hinter den steinernen Gebäuden des Traians-Komplexes beginnt. Menschen und ihre Ausdrünstungen, Gebratenes, Gesottenes, Frittiertes, Gekochtes und seine Düfte drängen und bedrängen uns. Deutlich 'was los hier. Ein riesenlanges Buffet ist zu unserer Linken und Rechten aufgebaut, ein bißchen von diesem, ein bißchen von jenem, bis der Berg auf dem Teller bedenklich kippelt.


    Wir sind zwar nicht auf Arbeit, aber doch im Dienst, also ist magistrale Zurückhaltung geboten. Mit eben dieser und unseren Ellenbogen hauen und drängen wir uns einen Weg durch die Menge. Würde es auf die Idee nicht schon ein Patent geben, hätte ich jetzt die Liktoren erfunden. Ich stoße im Kielwasser meines Onkels hinterher - Onkel, befiehl! Ich folge odersoähnlich - er hat offenbar die Witterung aufgenommen und steuert auf unsere Vorspeise zu.


    Von irgendwoher oben klatscht Dreck herunter, auf einen der wenigen freien Flecken der Straße - gut gezielt, aber doch daneben: außer ein paar Spritzern hat niemand etwas abbekommen. Ein zweiter Versuch, ich kann die Hand, die den Topf aus dem Fenster sehen, scshlägt ebenfalls fehl, Onkel Aquilius bleibt stehen und rempelt mich an.
    "Halt ihn fest!" Was? Wer? Wen?


    Ich sehe nicht wirklich jemanden, ich nehme nur wahr, wie jemand sich schneller bewegt, als die anderen um ihn herum und er auffällig durch die anderen Menschen hindurchbricht. Ohne einen Gedanken ist diese Bewegung mein Zielobjekt, lasse mich mit meinem Eigengewicht schräg in den Menschenstrom fallen und gleiten und drücke sie beiseite einen großen Fischschwarm im Wasser. Meine Toga rutscht mir von der Schulter, der herunterquellende Stoff behindert meine Beine, das Zielobjekt kommt auch nicht schneller voran. Hee! rufe ich und mache auf mich aufmerksam, Heeda! Der Typ schaut sich kurz um und rudert dann weiter im Strom. Ich trampele den Stoff nieder und schlage mich jetzt ohne viel Entschuldigung! hier und Entschuldigung! da durch die Menschen. Es ist, als würde man im Sumpf treten, fast wie Zeitlupe.


    Einen kurzen Augenblick lang entsteht eine Lücke zwischen mir und dem vor mir. Ich stürze vorwärts während er von einem dicken Mann behindert wird. Ich schlinge zangenartig meine knochigen Arme um seinen Hals und reiße ihn zurück. Während er rückwärtstaumelt, schlage ich einmal mit meiner Rechten gegen seine Gesichtshälfte und treffe seinen Ober- und Unterkiefer mit meiner Faust und dem Siegelring, der seinen Abdruck hinterläßt. Er rudert mit den Armen und knallt mir mit dem Ellenbogen in den Magen. Wir fallen beide rückwärts zwischen die nachdrängenden Menschen, meinen Kopf halte ich steif nach vorne, damit der nicht aufs Pflaster donnert wie eine reife Nuß. Ich schlage ein zweites Mal zu, diesmal seitlich auf die Höhe seiner Augen, mein Ring schürft die empfindliche Haut auf. Er - Mann, er will mich mit seinem Schädel ausknocken, aber seine Bewegungen gehen ins Leere. Ich rufe "Hilfe! Helft mir", da tritt ein junger Typ dem anderen ohne irgendwas zu sagen mit Wucht von oben in die Gedärme. Er hat die Einladung richtig verstanden und muß nicht "Darf ich vielleicht auch mal?" fragen. Der über mir klappt zusammen und schnappt nacht Luft. Ich rolle uns herum und bringe seine Stirn mit dem Pflaster in Kontakt. Tock.

  • "Du wirst Dich noch wundern, was Leute so alles essen," erklärte ich mit dem bedeutungsschwangeren Unterton eines Mannes, der Flavius Felix beim Essen zugesehen hatte. Wenn man das überlebte, gab es nicht mehr viel, das einen zu schockieren fähig war, soviel war sicher. Der Gedanke an Garnelen gefiel mir mehr und mehr, vor allem, weil er mich mit seinen Worten an eine Leckerei meiner Kindheit erinnerte - Hispania hatte so viele versteckte Genüsse zu bieten, und Garnelen frisch aus der Reuse (natürlich bei irgendeinem Fischer geklaut) gehörten eindeutig dazu. Damals hatten wir sie noch aus der Hand gegessen, ohne jegliche Sauce, aber damals war ich auch noch ein Junge gewesen, für den die Aufregung des Diebstahls jede Sauce wett gemacht hatte. Irgendwie war die Welt mit der Zeit weit weniger aufregend geworden, wenn man es recht betrachtete. Die Gerüche, die uns hier umwehten, taten ihr Übriges, um meine Gedanken abdriften zu lassen, in Regionen kindlicher Genüsse, und einen Moment lang sehnte ich mich nach Tarraco zurück. Es geschah mir nicht allzu häufig, dass mich ein gewisses Heimweh packte, aber es geschah.


    Aber die Realität war selten gnädig, und mich holte sie an diesem Tage in Form einer kreischenden Frau mit einem schnell geleerten Unrattopf und einem Kerl, der vor ihr zu flüchten schien, wieder ein. Wenigstens war es gerade voll genug, dass der Unbekannte nicht schneller vorankam als mein eifriger Neffe, dem unversehens fast die toga zur gefährlichen Stolperfalle geworden wäre - und ich war noch immer der Meinung, dass der elendig lange Lappen für einen Magistraten eher hinderlich denn hilfreich war! - er löste das Problem geschickt mit einer auf dem Boden landenden Stoffbahn. Von oben hob das Kreischen wieder an.


    "Lauf nur weg, du elender Dieb, anzeigen werde ich Dich, jawohl! Und dann hast Du Ausgeburt des Tartaros nichts mehr zu lachen!" keifte die unförmige matrona dem Flüchtenden hinterher, während ich die Stirn runzelte. Das klang fast so, als wären wir auf unseren ersten Fall gestoßen (sämtliche Garnelengelüste beugten sich gerade der Tatsache, dass die Arbeit uns wohl doch eingeholt hatte) und ich blickte nach oben. "Bürgerin, wenn Du etwas gegen diesen Mann vorzubringen hast, dann komm herunter und sag mir, worum es geht!"


    Sie schaubte wutentbrannt und wandte ihren zornigen Blick auf mich - für einen Moment sah es so aus, als wollte sie ihre Schimpftirade fortsetzen, sah dann aber den Streifen an meiner toga und besann sich wohl eines Besseren. "Und ob ich was zu sagen habe!" triumphierte sie und setzte ihre wogenden Massen in Bewegung, ich sah sie vom Fenster zurücktreten, dann verschwand sie ganz und bewegte sich wohl im Inneren der insula auf ebenerdigen Grund hinab. Ein paar Nachbarn haben sich an den Fenstern angesammelt, bei so viel Spektakel wurden die Leute wohl neugierig, und als sie sich vorn an der porta der insula einfand, ahnte ich auch warum - sie war eher breit als hoch und hatte das ehrfurchtgebietende Gehabe einer mehrfachen Mutter, ein kleiner Rotzlöffel hatte sich auch an ihrer Schürze festgekrallt, den sie mitschleifte, als wäre er ein Schoßhündchen. Wo war mein Neffe abgeblieben? Ich spähte nach vorn, sah aber nur eine sich zusammenballende Menschenmenge.


    "LUCANUS!?" rief ich nach vorn, in der Hoffnung, er wäre überhaupt noch in der Nähe. Dann allerdings forderte die matrona meine Aufmerksamkeit (und für einen Moment lang überlegte ich ernsthaft, in Zukunft nur noch bei Männern zu bleiben, was leidenschaftliche Anwandlungen anging): "Dieser dreifach verfluchte Dreckskerl hat mir meinen Schatz gestohlen, Du musst dagegen was machen, sage ich!" Etwas überrascht blickte ich sie an und versuchte in die Sache dann etwas Licht zu bringen: "Was genau vermisst Du denn und wieso glaubst Du, er habe Deinen Schatz?"

  • Und jetzt?


    Haltet's keine Maulaffen feil, ihr Dorfdeppen! sage ich zu dem umstehenden stadtrömischen Gaffern. Ich keuche und drücke mein Gewicht mit beiden Händen auf den Hals des Menschen unter mir und versuche, mich bequemer auf ihm auszubreiten: die Knie auf seine Oberarme, die auch nicht weniger schmächtig als meine aussehen, zu platzieren. Vorsichtshalber. Haut's euch üba die Häusa, das is'ne Amtshandlung! - Holt's die Figiles und da hinten den Magistrat'n, den Treßfierkapitalis, Flavius Aquilius! Ich bin sein Skriba! Hee! Glotzt' nich' so!


    Um mich herum stehen die Menschen wie Mietshäuser, groß und aufragend, der Typ und ich tief unten im Dreck der Straße. Der junge Typ, der eben erste Hilfe geleistet hat steht dreckig grinsend da, kratzt sich zwischen den Beinen. Als er "vigiles" hört, ändert sich sein Gesichtsausdruck leicht und er gleitet zurück in die anonyme Menge. Herrschaftszeitennocheinmal! Ich brauch' einen Strick, aber wenn ich ihm einen seiner Arme loslasse und er nur Bewußtlosigkeit markiert, dann bockt er gleich wie ein Esel und ich hab' schnell eine kassiert und er haut ab. Was macht Onkelzwo solange?

  • "Meine Tiana hat er sich unter den Nagel gerissen, der Hundesohn, der elende! Du musst sie zurückbringen, magistratus, wofür sind schließlich die Magistrate da, wenn nicht, um uns zu helfen!" zeterte die matrona vor sich hin und ich blickte mich eilig um, in der Hoffnung, irgendeine Möglichkeit zu entdecken, diesem Weib zu entkommen. Ihr Kind rotzte gerade hingebungsvoll in die Schürze der Mutter, was diese entweder nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte - egal, es war beides gleichermaßen anwidernd - während ich mich fragte, wieso diese anscheinend nicht allzu reiche Frau ein Schmuckstück besaß, das sie anscheinend mit einem Namen versehen hatte, bis mir ein Licht aufging: "Deine Tochter heisst Tiana?" hakte ich vorsichtig nach, nur um von einem weiteren, mit vielen Gesten begleiteten Wortschwall überschüttet zu werden.


    "Sie ist SO ein tugendhaftes Mädchen gewesen, bis sie den Schmarotzer kennengelernt hat, der sich hier immer vor dem Haus herumgedrückt hat, keine ehrliche Arbeit hat er, der hat sicher nur darauf gelauert, eine Frau zu finden, die auf seine Masche hereinfällt! Ich hab' ja mein Leben lang gearbeitet, und mein Marcus auch, bevor er vom Dach gefallen ist ..." Schätzungsweise hatte der bemitleidenswerte Kerl eher den Freitod im freien Fall gewählt denn dass es ein Zufall gewesen war, dachte ich mir.
    "...und sie sieht sein schmieriges Lächeln und er hängt ihr auch noch ein KIND an, der verdammte Lump, der!"


    Wutschnaubend und sichtlich in Rage gebracht spie sie ihre ganze Verachtung den neugierig starrenden Nachbarn entgegen, die nicht wirkten, als wären sie von der Sache allzu überrascht. Tugendhaftes Mädchen, ja sicher. Bei der Mutter konnten nicht einmal frisch gewaschene Tuniken tugendhaft sein. "Eh, Dein Schreiber hat da vorn 'nen Problem," kaute mir einer der Umstehenden entgegen, ein junger Mann, der aussah, als könnte er geradewegs aus der Familie der furchteinflößenden matrona stammen - irgendwie fettig. "Entschuldige mich einen Moment," unterbrach ich die matrona, die gleich zur nächsten Schimpftirade angesetzt hatte, wandte mich um und ging, so schnell ich konnte, ohne dass es allzu offensichtlich nach Flucht aussah, in die bedeutete Richtung, wo man mir Platz machte. Lucanus hatte seinen Mann gekriegt, und ich nickte ihm anerkennend zu.

  • Rühr' Dich und ich ramm' ich Dir meinen Dolch in die Ripp'n, schlage ich dem unter mir höflich vor, als er sich wieder rührt. Ich bin immer noch etwas außer Atem, die wenige Zeit in Rom hat auf meine Kondition äußerst effeminable Auswirkungen ... Daß ich keinen Dolch oder sonstwas Spitzes bei der Hand habe - und auch im positiven Falle nicht zu benutzen gedenke (wie auch, mit beiden Händen an seinem Hals?), muß ich ihm ja nicht flüstern. Hoffentlich hatte es der Kerl nicht nur eilig, sondern irgendwas rechtfertigte die Schrammen und Flecken, die ich auf seinem Gesicht appliziert hatte. Nichts ist blöder, als Prügel für nichts zu bekommen. Und welchen Eindruck ich dann mache, wage ich mir nicht auszumalen. Erst zuschlagen, dann fragen ... und Onkel Aquilius hat "Halt' ihn!" gesagt - und jetzt halte ich ihn halt.


    Der nämliche schiebt sich durch die Mengen, etwas weniger geschmeidig, als der junge Mann eben auf der anderen Seite verschwunden ist, Ich hocke auf dem Mann wie ein Apportierhund auf einem Kaninchen, wäre mein Onkel einen Augenblick früher gekommen, hätte er mich noch hecheln gesehen. Ein leises Wuff! kann ich mir nicht verneifen und mache kugelige Hundeaugen, mit denen ich meinen Onkel anschaue: Scriba Flavius Lucanus meldet gehorsamst: Subjekt sediert. Und?, frage ich weiter: Hat er gestohlen? Gemordet?

  • Hätte ich geahnt, dass der Kerl, der nun unter meinem ächzenden Neffen auf dem Boden im Dreck lag, schätzungsweise vor einer grässlichen Schwiegermutter und eine nicht ganz glücklichen Verbindung mit einer unter deren Pantoffel stehenden jungen Frau geflüchtet war, hätte ich Lucanus nie die Weisung gegeben, ihn zu fangen - aber hinterher war man immer schlauer.
    "Ich habe so das Gefühl, das einzige, was man diesem Kerl vorwerfen kann, ist die Unfähigkeit, eine feste Arbeit zu finden und sein Frauengeschmack, aber ansonsten ... komm von ihm herunter, Neffe, ich fürchte, wir haben den Falschen erwischt."


    Der Kerl unter Luca regte sich und blinzelte, um dann leise zu wimmern. Er schien wirklich gewaltigen Respekt vor der ihn ereilten Staatsmacht und seiner künftigen Schwiegermutter (oder beiden?) zu haben, denn er rührte sich wirklich nicht mehr, in seinen Augen stand jedoch die blanke Panik. "Das einzige, was er wohl gestohlen hat, war das Herz der falschen Frau, und deren Mutter war darüber nicht sehr erfreut." Ich streckte Lucanus die Hand hin, damit er aufstehen konnte, und blickte auf den Kerl hernieder, der inzwischen ziemlich lädiert wirkte. Was für ein Anblick, irgendwie traurig. In solchen Momenten wurde einem der Standesunterschied überdeutlich bewusst. "Wie lautet Dein Name?" sprach ich den Kerl an, der mich aus großen Augen anstarrte. "Lucius Mu .. Muri...Murius!" würgte er hervor und rutschte ein wenig zurück.

  • 'Lieber intelligent stehengeblieben, als dumm gelaufen' - so eine Pleite, wirklich. "Sag'n Se mal'n Satz mit 'x' - War' woh' nix" :D Ich nehme die dargebotene Hand meines Onkels und ziehe mich nach oben.


    "Wärste stehengeblieben, hätt' ich nicht gedacht daß Du vor jemand anderem davonläufst. O-o gut schauste nich' aus ... tut mir echt leid." Ich versuche, den Dreck von meiner Tunika zu klopfen, ein Mann reicht mir einen seltsamen großen Lappen, der mit Fußabdrücken und wie hingeworfenen erdfarbenen abstrakten Grafiken gefärbt ist. Was will ich mit den Ding? Ach ... öh, ja meine toga. -.^


    "Komm", ich reiche ihm meine Hand nach unten, "komm ... Lucius Murius, Du hast 'was gut bei mir." Au Mann, ziemlich verschreckt, der Arme. Vielleicht hat Pedro ja doch nicht recht mit seinem Grundsatz 'erst zuschlagen undsoweiter ...' Aber wenn es ein wirklicher Halunke wäre? Einer, der einer Frau ein mit Saphiren besetztes Kollier gestohlen hätte? Zwischen Heldentum und Peinlichkeit liegen nur wenige Fingerbreit.


    "Hier gibt es nichts zu sehen, hier ist nichts passiert", erhebe ich meine Stimme ein wenig zu den Umstehenden. "Denkt immer daran, wie ihr seht, sind die Magistrate Roms immer wachsam: besser, es erwischt mal einen Unschuldigen, als daß ein Verbrecher davonkommt!" Wär' ich dieser Unschuldige, würde ich wohl deutlich Protest einlegen gegen diese Argumentation. Aber - heute hab' ich Prügel verteilt, wer weiß, morgen kriege ich vielleicht selbst welche ab. So ist das Leben.

  • "Dumm gelaufen," meinte ich recht lapidar, aber wer hätte auch erraten können, dass bei dem Ruf "Du elender Dieb" keine Pretiosen, sondern ein Herz gemeint gewesen waren? Zumindest tat mir dieser nun reichlich ramponiert wirkende junge Mann durchaus leid. An seinem Frauengeschmack musste er wirklich noch arbeiten.
    Lucanus' toga sah aus, als hätte er nicht nur einen flüchtigen Möchtegernverbrecher zu halten versucht, sondern auch gleich die cloaca maxima damit ausgewischt, und ich bedachte das einstmals saubere Kleidungsstück mit einem kritischen Blick. Die Haussklaven würden sich freuen, das waschen zu dürfen, soviel war sicher. "Also, Lucius Murius, wenn du wirklich eine Arbeit suchst und bereit bist, auch körperlich für einen guten Lohn zu arbeiten, geh' zu Marcus Atilius' Fischzuchtbetrieb in Ostia, und sage dort, dass Dich Flavius Aquilius geschickt hat. Dort wirst Du Dich beweisen müssen, aber wenn Du Dich anstrengst, hast Du eine sichere Arbeit und Du kannst heiraten, wenn Du genug Geld beisammen hast."


    Der verschüchterte, lädierte Kerl ließ sich von meinem Neffen aufhelfen und kam zögerlich auf die Beine, uns beide mit großen, verschreckten Augen betrachtend. "Meinste das ernst?" quetschte er in meine Richtung hervor, auf Lucanus' Angebot, einen bei ihm gut zu haben, schien er gar nicht antworten zu wollen, sondern wirkte eher misstrauisch als dankbar, allzu viel Freude schien er in seinem bisherigen Leben wohl gar nicht erlebt zu haben. "Das ist mein Ernst und wenn Du die Frau wirklich liebst, der Du ein Kind gemacht hast, dann erweise Dich ihr gegenüber als Mann, nicht als Tagedieb und arbeite. Und ich denke, in Ostia findet sich sicher eine erschwingliche Wohnung für ein junges Paar mit Arbeit ...weit weg von Rom." Ich nickte nach hinten, wo man schon wieder die fette matrona keifen hörte - es arbeitete sichtlich im Gesicht des Mannes, dann nickte er, ließ seinen Blick über uns beide huschen und wandte sich ab. Ein Wort des Dankes verschwendete er nicht an uns, aber ich ahnte auch, wieso - die matrona schaufelte sich mit ihren breiten Händen durch die Menge in unsere Richtung und die Umstehenden waren sichtlich neugierig auf den nächsten Akt der neuesten Straßenkomödie "Ein Vigintivir und sein Scriba unterwegs in Roma".

  • Also beim nächsten Diensttag werde ich wieder meine Tunika mit dem leichten Kettenhemd tragen. Die Toga sieht aus, als hätte eine Herde Kühe darauf einige Zeit kampiert. Tststs. Bei Clementine und ihrem Sohn Persilius, ob die Flecken wieder 'rausgehen?


    "Na bravo, Schlauberger" sage ich zweifelnd und blicke Murius hinterher, wie er in der Menge verschwindet. "Hätte er sich an die mores maiorum gehalten, einen ehrbaren Beruf und eine fromme Frau ergriffen, naja, wenn das seine Mutter wüßte, würde sie ihn schon die mores lehren und ihm die Ohren langziehen. Aber so ..."


    Ich werfe einen vorsichtigen Blick zur Seite. Auweh. Die, die da kommt, ist auch eine Mutter, die Krönung aller Mütter: eine wirkliche Schwiegermutter. Vielleicht hatte Murius doch nicht völlig verkehrt, sondern sehr vernünftig gehandelt. Es gibt sicherlich viele Söhne, die sich lieber verprügeln lassen, als mit einer solchen Frau Umgang zu pflegen. "Das wär's dann wohl, oder, Onkel Aquilius?" Aber ich befürchte, so einfach werden wir unser Vohaben, uns ein ordentliches Mahl zu beschaffen, nicht wiederaufnehmen können. Obwohl - dringende Amtsgeschäfte - im Dienst der Allgemeinheit - Bürozeiten ... ???



    [SIZE=7]edit:/ Flachses Drehbuch, flchaser Text. Alzeihmer coming.[/SIZE]

  • "Zumindest scheint er sich eine passende Frau ausgesucht zu haben, die Schwiegermutter lernt man ja dann doch eher meist erst hinterher kennen," sagte ich mit einem trockenen Grinsen. Vor allem, wenn die Frau geschwängert war, das machte solche Dinge immer ein wenig komplizierter, als sie sein sollten. "Da müssen wir jetzt durch. Am besten, Du siehst hart und unbeugsam aus," flüsterte ich meinem Neffen zu, als der Koloss matrona angewalzt kam, ihr blag immernoch an der Schürze angeklammert. Ob das Kind diese Schürze überhaupt verließ? Angesichts der wechselhaften Einfärbung dieses undelektablen Kleidungsstücks war das ein sehr zweifelhafter Gedanke, den ich schnell verdrängte.
    "Wo ist der Kerl denn hin?" verlangte sie zu wissen und schimpfte gleich weiter. "Dieser elende Nichtsnutz, kein Geld bringt er nach Hause, und um das Kind kümmert er sich auch nicht, am liebsten würde er wohl ganz davonlaufen!" Was man dem armen Kerl wohl nicht verdenken konnte. Ich verschränkte langsam die Arme vor der Brust und blieb einfach stehen, nahm ihr Schimpfen in Angriff wie ein Fels im Meer, wenn die Flut dagegen klatschte. "Ist Dir eigentlich klar, dass Du vorhin Deinen Abfalltopf über einem amtierenden Magistraten ausgekippt hast?" Die Schimpftirade stoppte und sie sah mich überrascht an, der Themenwechsel kam wohl etwas abrupt.

  • Leicht verdreckt, vor allem am Rücken - den aber die Frau nicht sieht-, jedoch hart und unbeugsam stehe ich da wie der Leuchttum von Pharos, umbrodelt von Gischt. Oder ist das Wort 'Gicht'? Umbrodelt von 'Gicht'? Egal. Die Garde - undsoweiter.


    Als nun mein Onkel auf den fallenden Unrat zu sprechen kommt, nicke ich ernst und ganz unbeugsam und murmele brummend halblaut: "In der Tat, das kann man durchaus und ohne Zweifel als Angriff auf die geheiligte Person eines städtischen Magistrates in der Ausübung seines Amtes ansehen. Ein Fall für den quattuorvir viis in urbe purgandis, Octavius Marsus, der mit harten neuen Besen kehrt." Nicht persönlich, sondern metaphorisch natürlich.

  • Die matrona schnappte nach Luft, und ich wurde unwillkürlich an den Anblick eines dicken Fischs auf trockenem Land erinnert. So in etwa sah es aus, wenn ein Fisch langsam am Fehlen der Lebensessenz in seinem Körper erstickte, und die matrona hatte gerade wohl gemerkt, dass sie mit vielen Männern umgehen konnte wie mit Fischabfall, aber wohl nicht mit allen. Ihr Blick huschte zwischen Lucanus und mir hin und her, und man konnte die Gedanken förmlich hinter ihrer Stirn umherhuschen sehen, als sie sich einen Weg suchte, vor den Nachbarn nicht das Gesicht zu verlieren.
    "Und dieser Kerl, wollt ihr den einfach davonkommen lassen? Ich war so wütend darüber, dass er wieder ohne Geld nach Hause gekommen ist! Ich habe Dich einfach nicht gesehen!" schnaufte sie dann auch wieder los, und diesmal schüttelte ich dann wirklich den Kopf.
    "Er wird sich eine gute Arbeit suchen, denn ich glaube nicht, dass er so ein Taugenichts ist, wie Du ihn siehst, immerhin hat er sich nicht volltständig abgesetzt, sondern scheint mit Dir und Deiner Tochter leben zu wollen. Gib ihm einfach etwas Zeit, eine gute Arbeit zu finden, gerade jetzt vor den Saturnalien sollte das gut möglich sein. Was die Straße angeht ... das nächste Mal schaust Du, bevor Du deinen Topf auskippst, haben wir uns darin verstanden?" Sie nickte, und bevor dieses unerquickliche Gespräch weitergehen konnte, wandte ich mich zu Lucanus: "Dann lass uns jetzt weitergehen und unserer Pflicht nachgehen, hier haben wir alles getan was wir können."

  • Ich falte meine ehemals saubere Toga zu einem Päckchen, jetzt muß ich mit dem Ding die ganze Zeit herumlaufen. Großartig.


    "Wie wäre es mit der Fortsetzung unserer Inspektion der Fischgarküchen? Wer weiß, vielleicht liegt hie und da ja der Tatbestand der vorsätzlichen oder fahrlässigen Vergiftung vor - wir sollten möglichst viele Stände ausprobieren, die corpora delictorum einer gründlichen empirischen Untersuchung zuführen ... ?" :D
    Wie war das mit "Mittagszeit"?`Warum haben die in der Basilica Ulpia keine eigene cucina? Dann wäre das nicht passiert. Hart und unbeugsam blicke ich die Tonnage von einer Frau ein weiteres Mal an. Warum kann sie nicht von dem jungen Mann finanziell übers Ohr gehauen werden? Kinder sind ja nicht einzigartig, die kommen von allein; Geld und Wertsachen müssen hart erarbeitet werden. Ich zucke mit den Schultern und schließe an meinen Onkel auf.

  • Manchmal hatte mein Neffe wirklich die Angewohnheit, sich sehr passend und vor allem erfreulich auszudrücken - ich musste grinsen und nickte schließlich seinen Vorschlag mit derselben Eloquenz ab, mit dem manche Senatoren eingebrachte Gesetzvorschläge abnickten, ohne sich um die Details groß zu kümmern. Essen klang jetzt sehr gut, und viele Stände durchprobieren klang noch besser. Diese Art Amtsgeschäfte machten einfach hungrig, und da die dicke matrona uns endlich ziehen ließ, konnten wir uns auch auf den Weg machen, unsere dringenderen Bedürfnisse zu stillen. Die Menge ließ uns anstandslos passieren, und das ein oder andere Getuschel erhob sich, wie immer, wenn das Unterhaltungsprogramm vorbei war und sich die ganzen Müßiggänger eine andere Beschäftigung suchen mussten, die ihnen vielleicht mehr abverlangte als einfach vor Ort sein zu müssen.


    "Also, Meeresfrüchte waren das Gebot der Stunde?" Ich ging die Gasse voran, und schließlich erreichten wir die breite Querstraße, bei der uns ein verlockender Garküchengeruch entgegen strebte und auch entsprechend voll war die Straße nun, sodass ich mit etwas mehr Nachdruck voran streben musste. Schließlich hatten wir einen Stand erreicht, der von zahlreichen Bürgern umlagert war, und ich machte dem Standbesitzer mit einigen Gesten begreiflich, dass wir zwei Portionen seiner frischen Meeresfrüchte-im-Fladenbrot haben wollten - einige gewechselte Sesterzen später hatten wir unseren ersten Teil Mittagessen, jetzt fehlte nur noch ein passender Sitzplatz, um diese Mahlzeit auch einzunehmen.

  • "Absolut" bestätige ich und wir nehmen unsere Amtshandlung: "tätige Inspektion der Fischküchen" wieder auf. Mit triefenden, von allerlei Köstlichkeiten aufgequollenen Broten machen wir uns auf die Suche nach einer ruhigen Gelegenheit, eine erste Kostprobe zu analysieren. Ein Octopus-Tentakel hängst schepps [schäpps?] aus meinem Brot, ich schlürfe ihn und den daranhängenden Mini in einem in meinen Mund. Flupp.


    "Da vorne" ich zeige auf ein mittelgroßes Reiterdenkmal, zu dessen Füßen wir uns auf die Stufen niederlassen können. Nicht ab Boden, sondern etwas erhöht, um unseres magistratischen Selbstbildes und des allgemein Überblickes Willen. Ich werfe meine Toga hin, und ziehe und zupfe sie so, das ein ordentliches Stück sauberes Stoff zum Himmel zeigt. Da können wir uns hinsetzen.

  • Ich nickte zu seinem Vorschlag und schon wühlten wir uns durch die laut sprechende Menge - natürlich redeten die Bürger nicht alle über dasselbe Thema, sondern über verschiedene Themen, sodass das linguistische Chaos, das bei meinen Ohren ankam, durchaus extreme Ausmaße annahm und nicht gerade angenehm zu ertragen war. Als wir das Standbild erreicht hatten, das erstaunlicherweise derzeit nur von einem mageren Mädchen okkupiert war, die zu Füßen des Pferdes sitzend, einen fettig wirkenden Ölkuchen eilig verschlang, konnten wir die angepeilten Plätze einnehmen und ich machte mich daran, mein Mittagessen zu genießen. Es schmeckte einfach herrlich - keine der sonstig aussergewöhnlichen und exotischen Spezereien, die man als Patrizier bei Empfängen und sonstigen Gelegenheiten oft genug bekam, und irgendwann gründlich satt hatte, nein, dieses Fladenbrot mit Meeresfrüchteinhalt schmeckte ähnlich wie die einfachen Mahlzeiten, die ich als Kind noch aus Hispania in Erinnerung hatte. Ein paar Sesterzen, die ich meiner Mutter geklaut hatte, brachten mich damals in den Genuß dieser Plebejerspeisen und ich hatte sie damals sehr geliebt, schmeckten sie doch vor allem nach der Freiheit, etwas tun zu können, worauf ich Lust hatte.
    "Schmeckt nach Hispania, findest Du nicht?" sagte ich mit vollen Backen und schluckte zufrieden. "Du musst irgendwann mal die villa Flavia in Tarravo besuchen, die Aussicht würde Dir sicherlich gefallen. Man kann so weit aufs Meer hinaus blicken, dass ich als Kind immer dachte, dort müsste in der Ferne der Umriss von Atlantis zu erblicken sein."

  • "Hm, ja, leider" ich seufze. So affenartig spannend Rom ist, andauernd ja eine Sau die andere durch die Stadt, also: immer etwas los, so sehr vermisse ich doch meine Freunde, meinen Pedro, meine Stadt. Man ist etwas herzlich-grob miteinander, aber offen-geradlinig. Ein Ja ist ein Ja, ein Nein ist ein Nein, und nicht ein entschiedenes Vielleicht oder ein hinterfotziges Solala. Freunde? In Rom? Mit den Sklaven verstehe ich mich prima, aber hier ist das etwas anderes. Ein Flavius heiratet keine Freigelassene, in Flaviobriga vielleicht, hätt' man 'was gedreht, wenn alle sehen, daß da ein Deckel und ein passender Topf Arm in Arm durch die Gegend laufen. Aber hier? In Rom? Freunde habe ich unter "meinesgleichen" nicht, die Iulier hat Onkel Gracchus mit einen Schnüffeln abgetan, mit wem konnte man sich dann standesgemäß befreunden, wenn das überhaupt geht?


    Aber es ist schön, neben meinem Onkel zu sitzen und frische, knackige Octopussi, Garnelen und Krebsfleisch mit Gemüse zu essen, wenn man ein bißchen Phantasie aufbrungt, dann sitzen wir auf einer erhöhten Klippe und um uns branden die Wellen, die Menschen, die nicht aufhören zu schnattern und zu quacken.


    "In Tarraco lebt doch Onkel Furianus", sage ich vorsichtig, es scheint, als solle ich weder ihn noch Tarraco in nächster Zeit kennenlernen. "Aber rector Aelius Callidus sagt, sie wollen dort einen Dichterwettstreit veranstalten - und vielleicht darf ich mit ihm mitfahren. Tarraco würde ich gerne sehen, muß eine tolle Stadt sein ... Alles, was am Meer ist, ist toll", setze ich apodiktisch hinzu. Sobald man nur den Salzgruch in der Nase hat, wird man Mensch. In Rom hat man ganz andere Gerüche in der Nase - und teuere Parfums meine ich damit kaum.

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