balneum | Larghetto con espressione

  • Niedergesteckt auf die warmen nackten Fliesen liege ich faul, schwerfällig und nur mit einem Handtuch um die Lenden auf dem Rücken (ein nicht unbekannter Anblick) und studiere das Deckenmosaik im Gewölbe des balneums. Kleine Steine blitzen im flackernden Licht der Fackeln auf, ein leichter Dunst steht im Raum, durchschnitten von Strahlen des Außenlichts. Ich lasse eine Olive in meinen Mund fallen und spuche kurz darauf den Kern nach oben wie ein blasender Wal, der Stein kullert irgendwo auf die Seite. Plikplakplak.


    Bridhe hat sich auf den ausgebreiteten Decken niedergelassen, oder glitt vorhin vielmehr dort nieder, wo ich sie losgelassen hatte, wie ein nasser Sack Wäsche. Ihrer naßkalten Tunika ledig ist sie nun dick in eine weitere Decke eingemummelt. Ich hatte einen kurzen Sprung ins heiße Wasser getan, bin getaucht und habe mich so wieder auf vernünftige Körpertemperatur gebracht, Bridhe wollte ich nicht so rabiat und kurzentschlossen auftauen, sondern habe ihr mit einem heißen, wassertriefenden Schwamm die Kälte aus dem Körper gerieben.


    Ich lasse eine weitere Oliven in meinen Mund fallen, löse mit den Backenzähnen und meiner Zunge den Kern und spucke ihn wieder wie Blas nach oben. Plikplakplak kullert er auf den Boden.


    "Und?" Ich schließe die Augen und genieße die Wärme, die von unten meinen Körper erhitzt, als sei ich eine Brasse, die langsam auf kleiner Hitze gebraten werden soll. "Was denn ist jetzt alles aus? Welcher alten Patrizierin hat Severus den Schmuck vom noch blutenden Hals gerissen?" Ich nehme nichts dergleichen an, aber irgendwie muß ich ja anfangen. Wahrscheinlich hat er das Geld für den Schmuck 'organisiert', was allerdings in Summe auch kaum einen Unterschied macht ...


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  • Als Luca mich im Garten vom Boden aufgehoben hatte, legte ich einen Arm um seinen Hals, damit ich mich besser festhalten konnte. Auf eine gewisse Weise, war ich jetzt doch froh, daß er mich gefunden hatte. Er hatte sich wirklich rührend um mich gekümmert!


    Nun lag ich hier wieder in diesem verhängnisvollen Raum, der mein Leben so sehr ins Wanken gebracht hatte. Dick in eine Decke eingewickelt lag ich auf dem beheizten Fußboden und meine Augen blickten ebenfalls zur Decke des Raumes. Das wunderbare Mosaik, wlches früher so sehr mein Herz erweicht hatte, es blickte wie zum Hohn auf mich herab. So weit war es mit mir nun gekommen! War der Zauber dieses Raumes Schuld an meiner Miesere?
    Hier hatte alles begonnen, die nächtliche Hausbegehung an meinem ersten Abend in der Villa, Severus erster Kuß. Doch hier lag auch der Anfang vom Ende!
    Wäre ich an jenem Abend nicht ins balneum gegangen und dabei auf Aquilius gestoßen, hätte vielleicht alles noch gerettet werden können. Doch diese Chance war endgültig vertan!


    Jetzt fragte Luca auch noch, was aus war! Wieder begann ich zu schluchzen und die Tränen waren auch nicht fern.


    Er hat sich von mir losgesagt. Er will mich nie wieder sehen! Er hat mich geschlagen.


    Dann fragte er auch noch nach dem Halsreif. Instinktiv griff ich an meinen Hals und mußte feststellen, daß er weg war.
    Aber sollte ich ihm wirklich die ganze Wahrheit erzählen? Gab es für mich noch einen Grund, Severus zu schützen?


    Er hat den Halsreif gekauft. Von dem Geld...er, er hat dafür jemanden umgebracht. sagte ich langsam, so als ob ich es selbst immer noch nich fassen konnte.


    Wo ist der Halsreif jetzt? fragte ich tonlos.
    Ich muß ihn zu Aquilius bringen. fügte ich schließlich noch en.

  • Ich werfe ein Träubchen - 'O ein Träubschen!' - ein und pule mit der Zunge dazu herum. Da ich in den vergangenen Tagen nach unserer kleinen Unterredung im Kräutergarten ausreichend Zeit hatte, mich über die drohende Lage zu echauffieren und über die möglichen Konsequenzen zu informieren, ist mir ein leichtes, trotz der schwülen Atmosphäre im balneum einen 'kühlen Kopf' zu bewahren und die Befunde systematisch zu ordnen.


    "Also, der Schmuck ist rechtmäßig erworben, jedenfalls von Severus. Wissen die Götter, wie der Händler daran kam, aber das ist nicht unsere Sorge. Damit ist der Dein Eigentum, wenn Du ihn zu Geld machen wolltest, könntest Du Dich damit irgendwann freikaufen."


    Ich kaue auf meiner Unterlippe, und fahre fort:


    "Für das Geld hat er jemanden getötet. Entweder den, dem das Geld gehörte oder jemanden, um dafür mit Geld entlohnt zu werden. Im Grunde gleichgültig, Severus hat einen Mord begangen, dafür wird er mit dem Tod bestraft. Soweit ich weiß, werden Sklaven gekreuzigt. Na, bravo." Ich seufze und kaue weiter auf meiner Unterlippe herum, greife dann wieder zu einer Traube und lasse sie mir in den Mund fallen.


    "Sein Herr und Dein Herr ist der tresvir capitalis. Würde das alles nun vertuscht werden, verschwiegen werden oderwasauchimmer, dann hätte Onkel Aquilius ziemlich großen Ärger am Hals, Ärger, der ihm vielleicht seine politische Existenz verhagelt, weil er eine Straftat deckt oder nicht verfolgt. Und wenn er sie verfolgt, hat er einen Sklaven aus seinem eigenen Hausstand auf der Anklagebank, ebenfalls ein Stein im Schuh und nicht ein Stein im Brett."


    "Ich muß mich korrigieren und Dir recht geben: es ist alles aus. Wir sind sowas von geaust, geauster geht's gar nicht." :D Unwillkürlich muß ich lachen.


    "Nicht daran zu denken, wenn herauskommt, daß ich davon weiß, vielleicht sogar Dich oder Severus decke. Bravissimo, Schlauberger!"

  • Es fröstelte mich immer noch, trotz der Hitze, die im balneum herschen mußte. Sicherlich hatte ich mir eine gehörige Erkältung zugezogen. Soweit es mir möglich war, hörte ich ihm aufmerksam zu. Doch das, was er sagte, wollte mich noch mehr in Verzweiflung stürzen.


    Den Halsreif will ich nicht! Daran klebt Blut. Er hat zwar gesagt, er hätte einen Verbrecher getötet, doch das ist mit gleich.


    Trotz allem, was in den letzten Stunden geschehen war, traf es mich wie ein Schlag, als er sagte, Severus würde mit dem Tod bestraft werden. Und so fasste ich einen Entschluß und versuchte, mich aufzusetzen.


    Da ich der Grund bin, weswegen dies alles passiert ist, werde ich die ganze Schuld auf mich nehmen. Ich werde sagen, ich hätte ihn gestohlen und weil ich solche Gewissensbisse deswegen hatte, wollte ich mir das Leben nehmen! Dann bekommt keiner Schwierigkeiten, weder Severus noch Aquilius noch du selbst. Nu die, die alle Schuld trifft.


    Da ich eh, jegliche Freude am Leben verloren hatte und keine Zukunft mehr für mich sah, fand ich, das wäre die beste Lösung. Ich konnte dann zwar nur ahnen, was mir bevor stand, doch wäre dies allemal besser, als alles andere.

  • Wer ist eigentlich auf die Idee mit den Frauen gekommen? Gibt es da irgendwelche Produkthaftung, irgendwelche Gewährleistungsansprüche, die man geltend machen kann? Bridhe pumpt mit aller Kraft Trübsal und Selbstmitleid in den Raum, als ob sie den schmeichelnden Dampf verdrängen will.


    "Mei Mädschen, das hatten wir schon. Ich werde Onkel Aquilius bitten, Dich mir als Prügelmaid zur Verfügung zu stellen, daß Du Lämmschen alle Schuld der Welt auf Dich laden und abbüßen kannst. Sowasidiotisches. Kein Richter wird Deiner Selbstkasteiung und Deinem wie Harz triefenden Selbstmitleid irgendwelche Beachtung schenken - und ich werde es auch nicht. Das ist ja unterträglich. Geh' komm', hör auf damit."


    Ich räkele mich und entheddere meine Muskeln. Jetzt wär' ne Massage recht, kräftige Hände, die mir den Rücken zu Brei massieren und dann wieder alles zusammensetzen.


    "Severus ist ein barbarischer Idiot, der offensichtlich nichts von Frauen versteht" Don Lucanova hingegen mit seiner reichen Erfahrung ... "Einen Mord zu begehen nur um seiner Freundin ein Geschenk zu machen. Er scheint Dich wenig zu kennen." Ich aber ...


    Die wenigsten Männer kennen ihre Frauen - sonst hätten sie sie ja auch nicht geheiratet, aber ein gewisses Gespür. Wie Hunde, die dem Frauli eine erbeutete fette Ratte nach der anderen vor die Füße legen, egal, ob Frauli kreischend auf einen Stuhl springt. Wahrscheinlich interpretieren sie das als emphatische Zustimmung ...


    "Ich habe noch nicht mit Severus sprechen können, sollte das aber nunmal dringend nachholen", allerdings sollte ich dann nicht mit der Tür ins Haus fallen, sonst würde Severus wegen zwei Morden angeklagt werden.

  • Wenn er nur wüßte! Schließlich kannte Luca nicht die ganze Wahrheit! Denn das,was noch so alles in den letzten Tagen passiert war, konnte er noch gar nicht wissen. Aber sollte ich ihm wirklich alles erzählen? Was machte es schon? Bald würde es eh das ganze Haus wissen!


    Es gibt da noch mehr, weswegen alles aus ist! sagte ich ganz geheimnisvoll und blickte zu ihm hinüber.


    In jener Nacht, als wir uns auf dem Korridor begegnet sind, da...


    Ich stockte und überlegte noch einmal, ob ich wirklich alles erzählen sollte.
    ...nun ja, ich habe die Nacht mit deinem Onkel verbracht,... freiwillig. setzte ich schließlich fort und errötete etwas, wenn man es denn so nennen konnte, denn die Farbe in meinem Gesicht war immer noch mehr als bleich. Nach einem Moment der Stille began ich weiter zu sprechen.


    Er hat es heraus bekommen. Und das ist noch ein Grund, weswegen es aus ist.
    Er mag vielleicht ein barbarischer Idiot sein, doch trotz allem, was er mir angetan hat, liebe ich ihn noch immer und deshalb möchte ich nicht, daß ihm etwas geschiet!


    Doch als Luca meinte, er müsse noch mit ihm sprechen, stockte mir fast der Atem.


    Ich weiß nicht, ob daß eine so gute Idee ist, wenn du mit ihm sprichst. Er ist zur Zeit unberechenbar!

  • Niedergesteckt auf die warmen nackten Fliesen liege ich faul, schwerfällig und nur mit einem Handtuch um die Lenden auf dem Rücken und studiere das Deckenmosaik im Gewölbe des balneums. Kleine Steine blitzen im flackernden Licht der Fackeln auf, ein leichter Dunst steht im Raum, durchschnitten von Strahlen des Außenlichts. Ich nehme wieder eine Olive, strecke meinen Arm und will sie in meinen Mund fallen lassen und kurz darauf den Kern nach oben wie ein blasender Wal spucken, der Stein kullert dann irgendwo auf die Seite. Plikplakplak.


    "Wie?" Ich drehe den Kopf leicht zu Bridhe hin - "Ah!" Die Olive schlägt, auf meiner Wange auf und kullert irgendwo auf die Seite Bulmplumblum. Ich halte mir die Backe.


    "Du bist mit Onkel Aquilius .... Du bist seine ... ?!" Irgendjemand unter uns hat gerade den ganzen teutonischen Wald in die Heizung verfeuert, mein Rücken verbrennt, ich werde puterrot wie ein gekochter Krebs - und setze mich auf.


    "Aber ... aber Onkel Aquilius wird Dich doch nicht heiraten! Er wird Aurelia Prisca heiraten, das hat er mir erst vor kurzem selbst gesagt! Wie kannst Du ...!" Ich will mir gar nicht ausmalen, was sie alles kann. Frauen sind wirklich fehlerhafte Entwicklungen ... wer hat sich die nur ausgedacht?


    Aber vielleicht verstehe ich auch die Ausländer nicht, ich meine Hispanier sind ja keine Ausländer, die sind ja doch wohl alle irgendwie römisch, aber so longissime a cultu atque humanitate entfernt aufgewachsene Menschen ... Hibernia, Germania ... doch sehr fremdartig. Sonst hätte sie wohl auch Onkel Aquilius nicht ...


    "Oh, Bridhe", ich seufze, als läge der Last der Welt auf meinen, statt auf Atlas' Schultern. "Kein Wunder, daß Severus ausgerastet ist, kein Wunder .... Aber trotzdem, eine Frau schlägt man nicht, das ist feige."



    Ich recke und strecke mich - achje, achje me miserum. Jetzt fang' ich auch schon an mit dem Trübsal. "Bridhe, wir müssen Severus anzeigen, offiziell, unbedingt, damit niemand sagen kann, da sei etwas vertuscht worden. Oder Severus soll sich stellen, sich besser selbst beschuldigen. Vielleicht gibt es ja einen Ausweg ... " den ich jetzt noch nicht kenne, aber Senator Octavius Victor hatte dunkel von Richtern gesprochen, die nicht jedes Vergehen gleich behandeln, gleich die Todesstrafe verhängen. Vielleicht kann man ja irgendwie ... Hm.

  • Mit meinem Geständnis mußte ich Luca ja ganz schön geschockt haben, so jedenfalls, schaue er mich an. Als ob diese eventuell bevorstehende Hochzeit mit dieser Aurelierin ein Hinderungsgrund für seinen Onkel sein konnte.
    Aber vielleicht war er noch nicht so weit. Aus dem Umgang mit meinen Geschwistern, war mir bekannt, daß Jungen oftmals in der Entwicklung zum Erwachsenen hinterherhinkten.
    Aber im gewissen Sinne hatte er schon Recht gehabt, man konnte es Severus nicht verübeln!


    Weißt du, an jenem Abend kamen soviel Dinge zusammen, da ist es eben einfach passiert. Ich war an diesem Abend so furchtbar wütend und auch so verzweifelt. Aber, darf ich nicht auch mal Fehler machen? Ich hab wenigstens keinen dabei umgebracht!


    Das es ein großer Fehler war, den ich begangen hatte, war mir längst klar. Doch was sollte man tun, wenn man nicht mehr Herr über seine eigenen Gefühle war?


    Gibt es keinen anderen Weg, wie Severus aus der Sache unbeschadet wieder heraus kommt? Sich selbst stellen - das wird er sicher niemals tun!

  • "Ich will überhaupt nicht wissen, was 'einfach passiert' ist. Es ist schlicht nicht recht, Onkel Aquilius ist quasi verheiratet" - und Du wirst niemals eine Römerin, eine Flavierin will ich hinzusetzen, lasse es aber. Wer weiß, irgendwann wir sie frei sein, eine freie Hibernerin, vielleicht kann und will ja dann ein Römer sie heiraten? Aber Onkel Aquilius wird das sicher nicht sein.


    "Nein, Fehler darf man nicht machen, Bridhe. Aber es ist nun mal so, daß wir Menschen andauernd Fehler machen" ich will garnicht an meine Fehler denken, jedenfalls nicht an deren Zahl, oder vielleicht besser doch, sonst doziere ich wie ein moralsaurer Cato. "Wichtig ist, daß man weiß, daß man einen Fehler gemacht hat und daß man Fehler nicht wiederholen soll. Wir sind ja nicht ... nicht Sklaven von uns selbst, sondern jeder soll Herr über sich sein, es jedenfalls immer versuchen, frei zu sein." Ein dummes Thema, um es mit einer Sklavin anzuschneiden. "Ein großer Hispanier hat gesagt, es sei nicht wichtig, ob man Sklave oder Freier ist, da auch ein Freier ein Sklave seiner selbst sein kann. Wichtig ist, im inneren frei zu sein, das außenrum ist nur zufällig und wandelt sich immer wieder." Ob sie das versteht? Ob ich das richtig verstanden habe?


    "Wenn Severus frei wäre von seinen Leidenschaften, seiner stolzen Bockigkeit, so sehr sie zu bewundern ist, ich mein' wenn er nicht aus falscher Ehrsucht sich in sein eigenes Unglück bohrt wie ein Holzwurm in ein Hinrichtungskreuz, es gibt immer einen Ausweg. Aber dazu müßte er es wollen, allein schafft er das nicht, außer, er flieht und geht wieder über die Grenze, was chancenlos ist und ihn zu einem Vogelfreien macht." Ich kratze mich am ... Kopf. "Wir müßten zusammenarbeiten. Irgendwie. Und mehr wissen.- Aber nur Severus kann entscheiden, Wissen preiszugeben."

  • Düster schaute ich drein, als er mir erzählte, es wäre nicht recht gewesen mit Aquilius zu schlafen. Nagut, es war ja anfänglich wirklich eine Art Überfall, aber war ich die Einzige die es wollte. Sagen wir mal so, er war ein williges Opfer gewesen :D. Ach, Luca war dafür eindeutig zu jung. Aber gut, das war ein anderes Thema!


    Siehst du, und weil ich im Inneren frei bin, habe ich mich heute morgen für den Teich entschieden! Meinst du, ich weiß nicht das es falsch war? Es gibt Momente im Leben, da kannst du nicht anders. Und im übrigen, dein Onkel war überaus nicht abgeneigt! Nur damit du´s weißt! So!


    Etwas schnippisch, jedenfalls soweit es mir möglich war, schaute ich schon drein. Meine Wut hatte meine wahren Gefühle an jenem Abend zu Tage gefördert und so ergab ich mich ihnen, war allerdings dabei blind, für das Wesentliche.


    Wie willst du das denn eigentlich zustande bringen, mit Severus zusammenzuarbeiten? Ich werde dir dabei nicht helfen können. Er will mich ja nie mehr sehen.
    Wieder war ich völlig deprimiert und schaute ins Leere. Was würde geschehen, wenn er mir irgendwann über den Weg laufen würde?
    Was würde ich sagen? Aber apropos...


    Was sollen wir eigentlich Aqulius sagen? Er wird sicher wissen wollen, warum ich in diesem Zustand bin!

  • "Dieser Zustand jetzt dürfte dann für Onkel Aquilius keineswegs neu sein", sage ich in eben diesem Ton, den sie eben angeschlagen hat. Leicht streift mein Auge ihren Körper, dessen Nacktheit von einer der Decken verhüllt ist.


    "Und Du wolltest Dich nicht umbringen, weil Du Dich frei fühltest, sondern weil Du verzweifelt bist, keinen Ausweg außer diesem einen wußtest, also unfrei warst. Man kann auch in einem Theaterstück nicht hingehen und sagen: 'Tschuldigung, Leute, ich habe keine Lust mehr, macht ohne mich weiter.' Wer soll dann Deinen Text sprechen?" Ich schüttele den Kopf. Du hast Deine Rolle, Deine Aufgabe hier, und die dauert solange, wie sie dauert. Ich kann am Selbstmord nichts von wahrer Freiheit erkennen, höchstens Selbstsucht."


    Oder vielleicht sind wir anderen selbstsüchtig, weil wir uns liebe Menschen nicht verlieren wollen? Sie nicht ziehen lassen wollen? Ach, ist das kompliziert. Ich schrubbele mir durchs Gesicht und durchs Haar und lasse mich wieder auf die Kacheln nieder, den Blick ins Gewölbe gerichtet.


    "Wir sollten vorerst niemandem irgendwas sagen. Onkel Aquilius hat mich gebeten, aufzupassen, was ich sage, wenn ich mit Onkel Furianus zusammentreffen sollte. Irgendwas ist da komisch, weißt Du. Hm, keine Ahnung, was das soll, aber das ist wohl eine andere Baugrube." Ich greife mir eine Traube, gleich eine Tripel-Traube. Was Onkel Gracchus täte, wüßte er ..., ich habe momentan nicht genügend Phantasie dazu.


    "Ich schau, daß ich Severus irgendwie mal anbohren kann, ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, dann gehen wir zu Aquilius. Oder vielleicht - vielleicht Du alleine, vielleicht ist das die bessere Idee. Du kennst ihn schon länger und - äh - und besser ..." Uff, mein Kopf. "Oder wir gehen zu zweit, vielleicht ..." Eine Insel für einen Plan!


    "Aber den Schmuck behalte ich. Ich kann sagen, der hat meiner Mutter gehört, dann faßt den niemand an. Das ist eine gute Geschichte."

  • Seine worte heiterten mich nicht direkt auf. Nein, im Gegenteil! Ich wünschte mir jetzt, er hätte mich nie gefunden! Dann läge ich jetzt auf dem Grund des Teiches. Stattdessen saß ich hier mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und ließ den Kopf hängen. Ich hätte losheulen können.

    Ja, ich hatte keinen Ausweg mehr! Das war meine letzte Möglichkeit. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Das was passiert ist, ist so ungeheuerlich! Ich kann nicht mehr Luca! Höst du! Und ich kann dir nicht versprechen, es nicht wieder zu tun! Und nenn mich nicht selbstsüchtig! Glaubst du, ich wollte gerne gehen?


    Meine Augen waren leer und genauso fühlte ich mich auch - leer. Ausgesaugt!


    Furianus? Wie kam er denn auf den? Ach ja, mein Versprechen!


    Hör mal, das was ich dir versprochen habe, kann ich nicht halten! Ich werde nicht noch einmal zu Furianus gehen! Dieser Kerl ist absolut irre! Er hätte mich beinahe ich stockte und mußte an meinen Versuch denken, diese Welt für immer zu verlassen, und erkannte die Ironie darin.


    Er hätte mich beinahe umgebracht! Es ist irgendetwas zwischen Aquilius und Furianus. Eine Feindschaft!


    Jeder von uns hatte so seine Geheimnisse. Doch meine nahmen langsam überhand und ich wollte mich dringend einiger entledigen.


    Ich werde zu ihm gehen, sobald ich mich besser fühle. Ich muß es ihm sagen. Damit darf ich nicht warten. Das käme einer Lüge gleich.

  • Unmerklich, noch vorsichtiger, als die Fahrt des Sonnenwagens am östlichen Horizont beginnt, füllt sich das balneum mit Nebel. Nicht heißem Dampf, kalter Nebel von der offenen See her, den man erst bemerkt, wenn er die Ufer heraufgekrochen ist, sich um unsere Körper windet und uns von einander wie geblendet lösen läßt. Der Nebel der Einsamkeit, der uns unserer Umwelt entzieht, der uns die Welt entreißt, daß wir wie kleine blinde und taube Mäuse einherstolpern, gleich, ob es hell oder dunkel ist.
    Die Kacheln sind heiß wie Sand in der Mittagshitze und so kalt und hart wie von Meerwasser gespült. Mir fällt das Atmen schwer, der Nebel findet seinen Weg in die feinsten Verästelungen und Bronchien meiner Lunge, die mehr und mehr an Gewicht zunimmt, es ist, als würde ich ertrinken, auf dem Rücken liegend.
    Und langsam, langsam umströmt mich das Meer, das kalte klare Wasser, der weite, unendliche flaschengrüne Raum. Ich sinke. Zur Oberfläche helles Grau, um mich herum, ich spüre es, ohne es zu sehen, grün, grün in allen Schattierungen, unter mir das dunkelste Grün, das Tiefe Grün.
    Aus dem hellen Grün lösen sich Schatten, dunkle große Schatten, sie schweben scheinbar ohne Bewegung und ziehen doch ihre Bahnen. Ziehen ihre Bahnen um meinen langsam sinkenden Körper. Unter mir das Tiefe Grün. Das unendliche, das unendlich Tiefe Grün.
    Unter dem, in dem das Schwarze Grün wartet, senkrecht, mit aufgesperrtem zähnestarrenden Maul, Rot in Schwarzem Grün, von Elfenbein gerahmt. Wartet. Wartet, bis mein Körper, bis mein Ich hineinsinkt. Sich das Schwarze Grün über mir schließt und schwerelos in das Dunkel zurückgleitet. Es wartet auf mich.


    "Wir sind nicht allein." Zitternd liege ich auf dem Kachelboden. "Nein, Bridhe, wir sind - Du bist nicht allein. Solange wir nicht allein sind, gibt es immer eine Möglichkeit. Gibt es immer Leben."


    Ich liege still da, die Schatten, die ihre Kreise zogen, sind ins offene Meer entschwunden, das Schwarze Grün ... ich liege am Strand, auf mir Pedro, der wie von Sinnen auf mich einschlägt, starke Hände, die ihn von mir herunterziehen, einen strampelnden, heulenden jungen Mann, sonst immer ein spöttisches Wort auf den Lippen.


    Das Schwarze Grün. Furianus. Rot in Schwarzem Grün. Aquilius. Pedro. Die Tränen ... Bridhe.


    Ich setze mich auf, schlage das Badetuch wieder um mich. "Ich rede erst mit Severus. Ich will wissen, was er zu sagen hat. Dann gehen wir zu Onkel Aqulius. Gemeinsam. Wir sind nicht allein."

  • Ich war alleine, Luca! Als ich aus dem Bad hinaus in den Garten gerannt bin, war ich der einsamste Mensch auf Erden! Und als ich ins Wasser gegangen bin... nein, da war ich seltsamerweise nicht mehr so alleine. Es war als würde mich etwas begleiten.


    Nachdenklich über seine Worte saß ich noch immer da und ließ noch einmal den Morgen vor meinem inneren Auge vorüberziehen.


    Eine Stimme hat mir gut zugeredet, hat mich ermuntert, weiter zu gehen. Sie war fast schon gütig. Ich war fast schon da, wo ich hin wollte. sinierte ich leise weiter. Immer und immer wieder sah ich mich am Rand des Teiches stehen. Ein Schritt nach dem anderen setzte ich ins Wasser hinein.
    Doch dann war ich wieder im hier und jetzt!


    Gut, dann sprich zuerst mit Severus. Doch bitte tue es bald. Ich kann und will es nicht lange aufschieben.


    Langsam versuchte ich aufzustehen, doch es wollte mir nicht recht gelingen. Ich fühlte mich insgesamt nicht gut. Es war so, als wolle mein ganzer Körper zerbrechen. So ließ ich mich einfach wieder auf den Rücken gleiten.

  • Mit angewinkelten Beinen, die Arme um die nackten Schienenbeine geschlungen, sinniere ich. Oder starre ins Leere und lasse die Worte Bridhes an meiner inneren Schädeldecke widerhallen und deren Echo sich brechen.


    "Ich hatte eine Zeit lang als Kind einen Traum, immer wieder, nicht oft, aber ich weiß, daß er nicht einmalig war. Ich schwimme im Meer, vor mir das Heck eines Bootes, das sich geschwind entfernt. Kein Land, kein fester Halt außer das Boot, das in den Horizont segelt, bis es nicht mehr da ist. Ich bin ganz allein, wenige Wellengang, das Wasser ist klar, ich sehe Fische unter mir, keinen Boden, der irgendwo meilenweit unten ist. Oft bin ich dann schon aufgewacht, aber einmal, einmal habe ich geträumt, daß ich mich in das Wasser kuschele, ja: kuschele wie in Federbetten. Ich schwebe auf dem Wasser, bis es über mir zusammenfließt und ich sinke. Ich sinke in die Tiefe, große Schatten kommen, aber sie schweben nur um micht herum, während ich weiter ins Bodenlose sinke. Ich habe keine Angst, keine Panik, daß ich eigentlich keine Luft kriegen müßte, ist egal, entspannt und zufrieden sinke ich immer tiefer."


    Ich kratze mich am Kopf. "Diese eine Fortsetzung habe ich geträumt, in der Nacht nach dem Tod meiner Mutter, als ich ganz allein im Haus war."


    "Vielleicht ist es etwas ähnliches, was Du erlebt hast. Aber ich meine, das sind eben nur Träume, das sind Einbildungen, Phantasien, die da sind, wenn wir Angst haben oder alleine sind. Die anderen Nächte habe ich dann bei Pedro geschlafen, da habe ich das nicht mehr geträumt."

  • Ich lag wieder mit dem Rücken auf dem warmen Boden und versuchte, so gut es ging, zu entspannen. Das nahm mir etwas die Schmerzen.


    Dort, wo wir hingehen, soll es sehr schön sein! Du kommmst in ein Land, in dem es alles im Überfluß gibt und in dem die ewige Jugend auf dich wartet. In meiner Sprache heißt dieses Land Tir na nÓg.
    Als ich noch ein Kind war, spielte ich im Sommer oft mit meinen Freunden am Fluß. Eines Tages passierte ein schrecklicher Unfall. Meine Schwester, sie war zwei Jahre älter als ich, ertrank während des Spiels.
    Nachdem man sie aus dem Wasser geholt hatte, brachte man sie nach Hause. Man hatte sie im Haus aufgebahrt. Sie sah so friedlich und zufrieden aus, so als schliefe sie nur. Wir alle haben uns damit getröstet, daß sie nun in diesem Land ist.
    Bei uns sagt man auch, stirbt ein Mensch, so wird ein Anderer geboren.
    Mit dem Wissen, daß es nicht zu Ende sein wird, bin ich heute morgen ins Wasser gegangen.

    Ich war mir nicht sicher, ob er das verstand, was ich eigentlich damit sagen wollte. Der Tod hatte seinen Schrecken verloren und die Vorstellung, weiterzuleben, war tröstlich, für diejenigen die starben und auch deren Angehörige. Mir war gar nicht so recht bewußt, ob es diese Vorstellung auch in der römischen Religion gab. Aber wohl eher nicht, denn Luca nannte es eine Einbildung, einen Traum.


    "Wo geht ihr hin, wenn ihr gestorben seid?" fragte ich ihn schließlich. Es mußte doch etwas geben, wohin ihre Seelen Zuflucht finden konnten. Irgendein besonderer Ort.


    Was meinst du, soll ich sagen, wenn mich jemand fragt, was mit meinem Gesicht passiert ist?
    Auch diese Frage plagte mich die ganze Zeit, denn sicher würde man
    noch einige Tage die Stellen sehen, wo Severus Hand mich traf.

  • "Bridhe, das kenne wir Römer und Griechen als das Elysium. Wobei dorthin die Helden entrückt werden, während unsere Vorfahren nach wie vor unter uns leben, als gute oder böse Geister. Wie das aber aussehen soll und wie der Tod ist, was wir in den letzten Minuten erleben, das weiß ich nicht, aber träumen tun wir nicht.- Obwohl, eine schöne Vorstellung ist das schon, was Du sagst, eine immergrüne, saftige Insel, leichte Winde, klares Wasser - und lauter nette Leute mit roten Haaren!" :)


    Achja, eine gepolsterte Unterlage mit mehren Kissen wäre bei weitem doch besser gewesen.


    "Du kannst Dein Gesicht auf Onkel Furianus schieben", angesichts dessen, was Bridhe mir berichtet hat, habe ich da weniger Skrupel, auch wenn dieser Onkel mir langsam zu lange Schatten wirft. "Angegriffen hat er doch ja wohl, und ins Details wirst Du ja kaum gehen. - Und für die Allgemeinheit bist Du zu schnell und zu kurz um die Ecke gerannt, oder so." Veilchen und Flecke sind kein Thema für Jungs. Die trägt man wie Phalera.

  • Mit roten Haaren? Verständnislos schaute ich wieder zu Luca hinüber.


    Das sind alles nur Klischees! Wie du siehst, sind wir nicht alles rothaarig.
    In unserer Vorstellung ist alles unendlich. Das Ende ist der Anfang und der Anfang das Ende. So auch der Tod. Deshalb muß man keine Angst davor haben. Und glaube mir, ich hatte keine! Ich habe mehr Angst davor, was mir jetzt im Leben passiert.


    Sein Vorschlag, was die Male in meinem Gesicht betrafen, ließen mich auf´s neue erschaudern. Ich sollte sagen, Furianus hätte das getan?


    Nein, auf keinen Fall! Das würde zu einer Katastrophe führen! Dein Onkel ist, was Furianus betrifft, sehr empfindlich!


    Seinen Wutausbruch, als ich ihm die Sache mit Furianus gebeichtet hatte, war mir Warnung genug. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn ich ihn diesbezüglich auch noch anlog.

  • "Natürlich, Reg' Dich nicht auf. Über die Hispanier gibt's auch einen Haufen Klischees, und über die Römer wirst Du mehr kennen, als mir lieb ist. :D"


    "Und vor dem Tod müssen wir uns wirklich nicht fürchten: leben wir, ist er nicht da, sind wir tot, ist es vorbei. Also kein Grund, sich Sorgen zu machen, in der Tat." Aber jetzt glaub' nicht ... "Das heißt aber nicht, daß wir uns massenweise vom tarpeischen Felsen stürzen sollten. Oder in irgendwelchen brackigen Tümpeln ertränken. Aber überhaupt nicht."


    Ach, Bridhe, wie kann ich Dir nur Hoffnung geben? Soll ich Dir eine 'reinhauen? Dich zur Besinnung prügeln? Keine gute Idee, Du würdest das - besonders als Frau - falsch auffassen. Wäre nur gutgemeint. Körper spüren, Leben spüren - sollte jeder Arzt anraten.


    "Ich ... ich kann es nicht gut ausdrücken, äh, hm, naja, Du würdest einer Menge Leute fehlen, weißt Du? Und diese Leute würden sich ein Bein oder meinetwegen auch ein zweites für Dich ausreißen. Außerdem wäre es nicht schön, wenn Du als alte und weise Frau auf Deiner Insel - umgeben von rot- und braunhaarigen Enkelkindern - auf die letzte Insel fährst? Und nicht hier in Rom? Wer weiß, vielleicht ist der Weg von daheim ja leichter?"


    Ich räuspere mich etwas. Gut, also die Phalera im Gesicht, die soll sie selbst wegdiskutieren, Frauen finden schneller eine Ausrede - und Männer glauben ihnen leichter.

  • Wem sollte ich schon fehlen? Mich würde doch niemand vermissen, wenn ich nicht mehr da bin... begann ich gleichgültig.


    ...,ja vieleicht dein Onkel, wenn er keine Wärmflasche mehr in seinem Bett hat. Doch dann findet er sicher eine andere! ergänzte ich etwas spöttisch.


    Ja, es wäre mein größter Wunsch als alte Frau auf meinwer Insel zu sterben, doch das wird nie passieren Luca! Das wird für mich immer verwehrt bleiben.


    Er gab sich wirklich die allergrößte Mühe, um mich wieder aufzubauen und ich müßte ihm sicher auf ewig dankbar sein, daß er mich gerettet hatte, doch im Augenblick war ich so fertig mit der Welt und gänzlich ohne Kraft.

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