DreiDreiDrei | Tillas Versteck

  • Si. Ich habe hier gewohnt. Ganz allein mit Decke zum schlafen und Äpfeln zum Essen. gab Tilla Fhionn zu verstehen, sah die Strasse rauf und runter. Immer noch wollte sie nicht, dass ein Fremder mit ansah wie man ins Innere ihres geheimen Versteckes kam.


    Ich zeige dir es. Dann komm du nach aber ohne dass es jemand mit ansieht. Das ist mein Versteck. bat sie die Ältere, presste den schweren Beutel Münzen fest an sich. Sie liess Fhionns Hand los, eilte zum Bretterzaun und drehte das bewegliche Brett herum, schlüpfte ins Innere des Hofes. Hurra... alles schien noch wie immer zu sein, nur aus dem Brunnen stank es wie immer ziemlich übel. Tilla griff nach der Öllampe und erinnerte sich, dass diese noch auf dem Heuboden hängen musste. Achja.. Minna und Fiona waren auch schon hier, errinnerte sie sich, kletterte schon Mal die Leiter zum Heuboden hoch und wartete auf der letzten Sprosse stehend auf Fhionn.

  • Sie folgte Tilla, schaute sich aber vorher noch einmal um, so wie es das Mädchen auch getan hatte, bevor es durch den Zaun geklettert war.


    Hinter dem Bretterzaun kam ein Hof zum Vorschein. Das Anwesen mußte schon längere Zeit nicht mehr bewohnt gewesen sein. Fhionn sah sich um. Dieser war der absolute Kontrast zur feinen Villa der Aurelier gewesen, in der alles sauber und ordentlich war und in der es nicht stank! Ein fauliger Geruch drang an Fhionns Nase. Hier lagen womöglich tote Tiere herum. Bei diesem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken. Aber nein, der Geruch schien von dem Brunnen her zu kommen. Vielleicht lagen ja die toten Tiere darinnen. Hieraus würde sie kein Wasser trinken!
    Indessen war Tilla schon weiter gegangen. Sie war im Begriff eine Leiter hinaufzuklettern und wartete auf der letzten Sprosse.
    Da hinauf, dachte sich Fhionn. Sie zögerte nicht lange und folgte dem Mädchen die Leiter hinauf.

  • Tilla sah, dass Fhionn ihr nach einer Weile kam und den Hof in Augenschein nahm. Geduldig wartete sie auf die andere, hielt die Leiter fest, damit sie nicht plötzlich unter Fhionn wegrutschte. So, wir sind da. Stolz präsentierte Tilla den Heuboden und ging zum nächsten senkrechten Balken, wo sie die Öllampe an einem Haken hängend vorfand. Noch war es aber hell genug, sodas sie genug Licht hatten. Nun zeigte sie nach oben in die Dachstreben hinein. Da oben habe ich klettern gelernt... immer und immer wieder geübt. Jetzt im Moment hatte sie keine Lust dort oben rumzuklettern, setzte sich ins trockene knisternde Heu und öffnete den Münzbeutel, um endlich einen Blick ins kostbare Innere zu werfen. Vorsichtig nahm sie ein paar Münzen heraus, begutachtete sie von allen Seiten und betrachtete die Prägungen. Auch gucken wollen? fragte sie Fhionn, reckte ihr die Münzen vertrauensvoll entgegen.

  • Als Fhionn die letzten Sprossen erreicht hatte tat sich vor ihr ein großer Heuboden auf. Sie sah zu den mächtigen Dachbalken auf und fing mit ihrem Blick Tilla wieder ein, die ihr zu verstehen gab, sie habe hier ihre Kletterkünste erlernt. Das Erstaunen in ihrem Gesicht wurde von einem Lächeln abgewechselt. Schnell erklomm sie die letzten Sprossen und stand nun auch auf dem Heuboden. "Das sehr hoch! Du klettern? Keine Angst?" Fhionn wagte zu bezweifeln, ob sie den Mut hatte hier herumzuklettern.
    So setzte sie sich lieber neben Tilla ins Stroh, die den Beutel mit den Geldmünzen hervor geholt hatte und ihn nun öffnete. Sie nickte nur, als Tilla sie fragend anschaute und meinte, ob sie auch einen Blick auf die Münzen werfen wollte. Ihr war nicht ganz wohl bei der Sache, denn sie wußte was geschehen würde, wenn die Münzen verloren gingen. Einen Sklaven bezichtigte man schnell des Diebstahls, ob er nun schuldig war oder auch nicht. Doch der Reiz, die Münzen sehen zu können, war in diesem Augenblick größer als alles andere.
    Eine Vielzahl von Münzen kam nun zum Vorschein. So viele auf einmal hatte sie selbst nie zuvor gesehen. Der Kopf eines Mannes war auf jder einzelnen abgebildet. Tilla schaute sich die Münzen von allen Seiten an. Auch in Fhionn erwuchs der Wunsch, einmal eine der Münzen in ihren Händen zu halten. "Du geben eine mir?" Doch schon im gleichen Moment hiel Tilla ihr die Münzen entgegen. Sie nahm eine davon und begutachtete sie auch, wie Tilla es getan hatte.
    Soviel Geld! Was man damit alles anstellen konnte! Schöne Sachen kaufen, eine neue Tunika vielleicht, Schmuck, Schuhe, Parfum oder... wieder die Freiheit gewinnen!

  • Sie schüttelte den Kopf. Am Anfang ja.. ganz oft. Aber mit jedem Mal mehr wird die Angst weniger und es wird ganz normal. Ein bisschen ist sie aber immer da, wenn ich wo klettere was ich nicht in- und auswenidg kenne. Ich weiss inzwischen, welcher Balken knarrt, welcher wackelt und welcher ein bisschen schief ist. 'erzählte' sie stolz, bemühte sich langsam zu gebärden, damit Fhionn sie auch verstand. Tilla gab Fhionn eine Münzen in der Hand, liess sie auch die anderen nehmen, die sie schon gesehen hatte. Weisst du zufällig wer das ist? Ich denke mir immer wieder mal Geschichten darüber aus, warum sein Kopf auf die Münze verbannt wurde... Gleichzeitig wird er überall herumgegeben und sieht eine ganze Menge Hände. Sie stopfte die Münzen die sie in der Hand hatte zurück in den Münzbeutel. Der Beutel ist ganz schön schwer und hat ganz viele Münzköpfe in sich. Ich mag lieber wenige Münzen, die mir helfen mich durchzuschlagen. Tilla hob den Beutel und gab ihn Fhionn, da sie ja noch ein paar Münzen hatte.

  • Fhionn folgte staunend Tilas Gebärden und sah dabei immer wieder hinauf ins Gebälk. Sie konnte sich bald bildlich vorstellen, wie sich Tilla dort oben, einer Artistin gleich, bewegen konnte.
    Bei ihrer Frage, wer der Mann auf der Münze war, schüttelte sie den Kopf. "Ich nicht weiß. Vielleicht Mann ist wichtig. Vielleicht Kaiser." Sie konnte nur Vermutungen darüber anstellen. Im Grunde war es ihr aber auch gleich, wer das war. Sie fand Tillas Äußerungen lustig. Wenn das wirklich der Kaiser war, dann hatte sie ihn gerade in der Hand!
    Tilla stopfte ihre Münzen wieder in den Sack und gab ihn dann an Fhionn weiter. Sie zögerte noch einen Moment, doch dann tat sie es Tilla gleich. Ja, ein paar wenige Münzen nur konnten schon ausreichen!Was wäre denn, wenn zufälligerweise einige Münzen fehlen würden? Ach nein! Das gab wieder nur Ärger und den hatte sie gerade erst gehabt. Die Versuchung aber war sehr groß, wenn nur ein paar Münzen die Freiheit wieder ein Stückchen näher brachten!
    "Durchschlagen? Du durchschlagen? Wohin? Du willst gehen weg?" Zu zweit hätten sie sicher eine größere Chance. Aber nein! Der Gedanke allein war absurd! Es war hoffnungslos. Wie so etwas endete, hatte sie ja bei Siv gesehen. Tilla war die Letzte, die sie in eine solche Sache mit hinein ziehen wollte.

  • Der Kaiser? Tilla legte den Kopf schief, musterte Fhionn prüfend. Hm.. ich denke nicht, dass er sich so gern und so oft und so viele ungezählte Male am Kopf anfassen lassen würde. Vieleicht ist das ein anderer Kopf als der vom Kaiser. Nunja.. für das ehemalige Strassenkind und Diebin Tilla zählte der Kaiser nun mal nicht zu den wichtigsten Personen auf die sie besonders acht geben musste sondern eben die Männer die Uniform trugen und kleine Mädchen wie sie immer wieder verscheuchten, weil sie lästig waren.


    Abermals schüttelte sie den Kopf. Ich habe dir doch schon gesagt, ich habe hier geschlafen, gegessen und gelebt, bis sie mich plötzlich gefunden und eingesperrt haben. Die restliche Zeit verbrachte ich im vergitterten Käfig und fand mich auf dem Podium des Sklavenhändlers wieder. Dabei haben die Münzen, die ich schon hatte und habe, mir nicht geholfen. Konnten sie auch gar nicht, weil sie gut versteckt hier liegen und schlafen 'Sie' waren natürlich die Schergen des Sklavenhändlers, immer auf der Suche nach lebendigen Waren. Den Münzen hatte Tilla schon verziehen, weil sie ja mehr oder minder an einen guten und äußerst netten Haushalt geraten war. Sie musterte Fhionn noch einmal. Willst du meine Münzen sehen? Manchmal haben die andere Farben oder keinen Kopf.

  • Ach so! Das meinte sie mit durchschlagen! Fhionn verstand jetzt. Tilla hatte sich früher durchgeschlagen und war dann doch wieder dort gelandet, von wo sie weg wollte. Sie fragte sich, ob Tilla mit dem zufrieden war, was sie nun hatte. Wahrscheinlich. Aber sie war ja auch noch ein halbes Kind. In einigen Jahren konnte sich das ganz leicht ändern. Dann überwog vielleicht der Drang nach Freiheit!
    "Du haben versteckt sie? Hier?" Fhionn schaute ganz ungläubig. Woher sollte das Mädchen denn so viele Münzen habe? Natütlich wußte sie nicht viel über Tillas Vorgeschichte. Sie ahnte nichts davon, eine waschechte Diebin vor sich zu haben. Und selbst wenn sie es gewußt hätte, dann hätte es sie nicht weiter gestört. Schließlich hatte Fhionn ja auch gewissermaßen eine Leiche im Keller.
    Das verstand sich doch wohl von selbst, natürlich wollte sie die Münzen sehen. Nicht weil sie vor hatte, sie Tilla wegzunehmen. Nein, einfach nur so, interessehalber. Eher wollte sie sich bei den Münzen der Flavierin bedienen!
    "Ja, bitte! Du mir zeigen!"

  • Klar... wo denn sonst? Hierher kommt keiner, denn der Geruch, der aus dem Brunnen kommt hält sie alle ab! Außerdem geht eine Geschichte der Geschichtenerzähler unter den Straßenkindern rum, dass die Stallbesitzer von früher missgestaltete Pferde und Kleinvieh im Brunnen entsorgt haben sollen. erwiderte Tilla stolz und erhob sich aus dem Schneidersitz.


    Sie deutete hinauf ins Dachgebälk. Nach oben schaut meistens keiner... sie denken immer man sucht das Versteck nahe dem Boden. Bleib besser unten. Ich bin gleich wieder da. Ich lasse den Eimer runter, du musste ihn dann vom Haken abmachen. Sie griff nach dem nächstbesten Seil, zog sich an ihm hoch auf den nächsten Balken und immer höher hinauf, bis sie weit unterm Dachgiebel war. Dort ganz oben hing an einem Flaschenzug ein Eimer mit Deckel. Tilla hockte sich rittlings auf den Balken, begann das Seil zu entknoten.


    Dann liess sie den Eimer gegen den Balken schwingen, um Fhionns Aufmerksamkeit sicher zu sein. Langsam liess sie den Eimer runter und knotete das Seilende wieder fest. Ganz gemütlich kletterte sie nach unten, hopste vom letzten Balken hinab in den Heuboden und kugelte sich lachend zusammen. Ach, wie hatte sie diesen Spass vermisst! Mit Heu in Haar und Kleidung krabbelte sie zu Fhionn rüber, sah sie forschend an. Na, was sagst du?

  • Aha! Das mit den Tieren hatte sie ja schon fast vermutet! Wie konnte man denn nur so dumm sein! So wurde doch das Trinkwasser ungenießbar. Eine grausige Vorstellung, daraus trinken zu müssen!


    Wieder ging Fhionns Blick nach oben zu dem Gebälk und ehe sie sich versah, war bereits Tilla auf dem Weg nach oben. Dort hatte sie ihn also versteckt, ihren Schatz.
    Von unten sah sie ihr gebannt zu, was sie dort oben machte. Ihre Augen folgten dem Eimer, der nun ganz langsam und vorsichtig von Tilla herabgelassen wurde. Fhionn stand auf und griff nach dem Eimer, als der eine Höhe erreicht hatte, in der sie nach ihm greifen konnte. Doch gleich beobachtete sie Tilla wieder dabei, wie sie wieder die Balken hinunter kletterte. Vom letzten Balken aus sprang sie schließlich ins Heu hinein, während Fhionn erschrocken den Atem anhielt. Tilla aber war nichts passiert! Sie lachte und war froh. In ihrem Haar und an ihrer Kleidung war ganz viel Heu hängen geblieben.
    Fhionn war von ihrem artistischen Können begeistert und sie klatschte gebührend. "Bravo! Gut gemacht!"
    Aber noch hatte sie nicht in das Innere des Eimers geblickt!

  • Sie kicherte stumm, lachte Fhionn verschmitzt an und öffnete den Deckel des Eimers. Im Inneren des Eimers lagen etliche diverese verschiedenfarbige bestickte und unbestickte Geldbeutel, meist mit abschnittenen Bändern. Lose herumliegende Münzen dekorierten den Anblick im Eimer. Tilla griff hinein, zog einen grünen Beutel heraus, streckte ihre Beine lang aus und liess die gestohlenen Münzen auf ihre glatt ausgestrichene Tunika aus dem Beutel rollen.


    Guck.. das hier sind voll seltsame Münzen.. zackig.. rund oder uneben. Ohne Kopf, mit Kopf oder einem Spruch drauf. Ich glaube das sind gar keine Münzen. Der besitzer hat uns veräppeln wollen und seinen Geldbeutel ganz woanders als üblich an seinem Körper verwahrt. kommentierte sie diesen Anblick. Wieder betrachtete sie jene seltsamen Münzen ganz genau und behielt Fhionn aus den Augenwinkeln im Auge. Schliesslich war die ältere Begleiterin die allerallererste die mehr über ihre zurückliegenden auf der Straße verbrachten Jahre erfuhr. Hin und wieder habe ich überlegt sie mit heimzuholen, aber wie ohne Aufsehen zu erregen? Es gibt kaum einen Platz in der Villa der nicht vom majordormus außer Acht gelassen wird wegen der Sauberkeit, der Bewohner und der Gäste. Er hat immer und überall seine Augen.

  • Tillas Schmunzeln ließ Fhionn ahnen, daß sich etwas Besonderes im Innern des Eimers befinden mußte. Gespannt beobachtete sie, wie das Mädchen ihn öffnete. Darin befanden sich alle Arten von Geldbörsen und Münzen. Langsam begann es Fhionn zu dämmern, womit sie es hier zu tun hatte. Im Eimer befand sich Diebesgut! Aber war es Tilla gewesen, die all die Sachen gestohlen hatte? Das konnte sie gar nicht glauben. Vielmehr wollte sie es nicht glauben. Die kleine liebe Tilla- eine Diebin? Vorerst wortlos betrachtete sie sich die Münzen, die Tilla aus dem Eimer heraus holte. Fhionn wußte wirklich nicht, was sie davon halten sollte! All ihre Gedanken, an Flucht, an Geld und an Freiheit waren vorerst beiseite gerückt worden.
    Sie wollte die Münzen mit nach Hause nehmen? Natürlich würde Brix sie früher oder später dort finden! Matho war zwar längst tot und sein Nachfolger Brix war ein anständiger Mann gewesen. Doch wenn er Wind von der Sache bekam, war er verpflichtet, zu handeln, auch wenn ihm das vielleicht widerstrebte.
    "Woher das kommt, Tilla?" Ihr Erstaunen konnte man ihrer Fragen entnehmen. Sie erahnte bereits Tillas Antwort, aber inständig hoffte sie, es könne vielleicht doch eine andere Bewandtnis damit haben.

  • Das bedeutungsvolle Schweigen, welches Fhionn nun aussandte behagte Tilla nicht, aber sie ertrug es und widmete sich den Münzen, die sie wieder in den Beutel zurücktat. Von mir! erwiderte sie gleichmütig auf Fhionns Frage, lächelte stolz und zeigte ihre zappelnden Finger vor. ich habe die Leute beobachtet, ausgesucht und erleichtert. Meine Finger haben fleissig geholfen und meine Beine auf der Flucht und alles zusammen hat beim Klettern geholfen. Nun, ihr war zwar bewusst, dass das Stehlen unrecht war aber sie hatte es doch nur getan, um sich durchschlagen zu können und um zu überleben. Die meisten Beutel stammen vom letzten und vorletzten Winter. Ich kann mir echt nicht erklären, warum sie zu der kalten Jahreszeit immer mehr Geld mit sich rumtragen als im Sommer. Wieder zeigte sie ihre Finger vor. Und jetzt helfen meine Finger beim Frisuren flechten und schreiben und Kerzen auffüllen. Meine Beine erfüllen die Aufträge und nehmen gerne eine Abkürzung durch die Stadt. Tilla blickte zum Beutel der schönen Flavierin rüber. Und dessen Inhalt lockt mich ganz schön, ein oder zwei Münzen raus zu nehmen... gab sie zu.

  • Sie hatte es fast schon geahnt, daß es so war. Tilla war eine Diebin gewesen, früher. In ihrem alten Leben. Und jetzt? Stahl sie auch jetzt noch? Jetzt, wo sie es doch besser hatte? Dieser Gedanke, es besser zu haben, gefiel Fhionn nicht. Sicher, Tilla hatte es nun weitaus besser als früher. Auch Fhionn hatte es in gewisser Weise besser. Die Angst, gut über den Winter zu kommen und immer reichlich Nahrung zu haben, gehörte der Vergangenheit an. Aber was war der Preis dafür gewesen? Ihre Freiheit! Die war ihr wichtig gewesen. Einst war sie frei und stolz und nun? Sie hatten ihr alles genommen und das war es, was sie nicht überwinden konnte!
    Noch ehe Fhionn nachfragen konnte, wie es Tilla heutzutage mit dem Stehlen hielt, folgte bereits die gebärdete Antwort. Der Inhalt lockte sie. Sie würde also ohne zu zögern zugreifen? Ein oder zwei Münzen, mehr nicht. Was machte es schon aus, wenn ein oder zwei Münzen von so vielen fehlten? Wer würde es bemerken? Wieder schwebten ihr die Dinge vor, die man sich davon kaufen konnte. Letztlich konnte man sich sogar Menschen davon kaufen, so wie sie. Nein, sie wollte keine einzige dieser Münzen! Sie schob diesen abwegigen Gedanken sofort wieder beiseite.
    Aber was war mit Tilla? Würde sie zugreifen wollen? Ein oder zwei Münzen nur?
    "Tilla, nicht mehr stehlen heute, bitte!" Fhionn sah sie eindringlich an, so wie sie einst ihre Kinder angeschaut hatte, wenn sie ihnen etwas wichtiges erklärt hatte, was sie nie vergessen sollten.

  • Wieder entstand dieses Schweigen zwischen ihnen, wo ein jeder seinen gedanken nachhing. Tilla blickte auf 'ihre' Münzen und tat den einen und anderen bereits herausgenommenen Beutel zurück in den Eimer. Die Münzen die sie nicht den Beuteln zuordnen konnte gab sie lose dem Eimer zurück. Letzterer war ebenfalls Diebesgut, aber nun gehörte er ihr und keiner schien ihn zu vermissen. Sie streichelte über den dicken Eimerbauch und legte als letztes den Deckel drauf, um ihn erneut zu verschliessen.


    Fhionns Bitte verwunderte sie. Ja, ich weiss heute, dass ich nimmer mehr weiter machen darf. Stehlen ist nicht gut und macht nicht froh. Ich weiss nie für was oder wen die Münzen gedacht waren. Vielleicht habe ich jemanden ins Unglück gestürzt oder jemand kann seine Rechnungen nicht bezahlen oder seine Familie nicht mehr ernähren. Man weiss nie wofür Münzen gut sind. Aber sie reichen aus jemanden wie mich von der Straße zu holen und in einen Haushalt zu stecken!


    Spontan legte Tilla sich auf den Rücken, blickte zu den Dachbalken hinauf. Irgendwann aber mag ich das Meer und die Delphine wiedersehen. Dann ist es mir egal was ich dafür ins Kauf nehmen muss um bis zum großen Wasser zu gelangen und die Sonnenauf- und untergänge zu erleben. Oder bis nach Atlantis zu reisen und ihnen meinen Tränenstein zu zeigen. Ich habe keine Freundin und keine Eltern, also wird mich niemand von hier vermissen. Außer Luna, die Stute und die Hasenbabys Einohr und Keinohr.

  • Das Mädchen sah sie verblüfft an, so als wäre ihre Bitte, angesichts der Münzen, so abwegig gewesen. Sie wußte selbst, welche Faszination Münzen auf einen Menschen ausüben konnten, hatte sie doch vor wenigen Augenblicken noch selbst daran gedacht, was man alles mit einem Batzen Geld anstellen konnte.
    Sie wußte nur wenig, eigentlich fast gar nichts über Tillas Vorgeschichte und konnte deshalb auch schlecht beurteilen, was sie damals dazu bewogen hatte, zu stehlen. Doch die Stehlerei hatte auch sie ins Verderben gestürzt und sie konnte von Glück sagen, daß irgendein Gott Mitleid mit ihr gehabt haben mußte.
    Fhionn beließ es dabei. Sie wußte, sie mußte Tilla deswegen nicht mehr ins Gewissen reden. Sie mochte ihre Lektion gelernt haben und würde in Zukunft anders handeln


    Was sie aber dann sagte, berührte Fhionn sehr. Jeder, der irgendwann einmal etwas verloren hatte, sehnte sich danach, es wieder zu erlangen. Das ging Fhionn nicht anders. Sie sehnte sich auch nach den saftig grünen Hügeln ihrer Heimat und nach ihrer Familie, auch wenn sie wußte, daß diese Familie nicht mehr existierte.
    "Du nicht habe Freundin? Du habe mich! Ich nicht Freundin? Was mit Siv und Caelyn und alle andere? Du habe Freundin, wenn du brauchen, immer sein da für dich! Du kann glauben. Ich jetzt weiß!" Das hatte Fhionn auch erst begreifen müssen, als die Sklaven um ihr Überleben gekämpft hatten.

  • Sie sah Fhionn an, musterte sie aus dunklen Augen. Gut, die ihr eigentlich noch unbekannte Frau hatte geholfen ihren Auftrag von Duccia Clara auszuführen und im Gegenzug zeigte Tilla ihr des heimliche Versteck mitten in Rom. So war es doch immer... man nahm etwas an und musste dafür etwas zurückgeben. Wie war das mit Freundschaft? Die erwähnten Sklaven hatten sie gepflegt, als sie fieberkrank gewesen war. Tilla hatte schon merhmals überlegt was sie ihnen dafür zurückgeben sollte, bisher war ihr nichts eingefallen und deshalb fühlte sie sich ein bisschen schuldig, weil sie aus ihrer Sicht arg lange brauchte, um sich bei den beiden anderen Mitsklavinnen zu revanchieren. Du bist freundlich und hast dich prompt mir angeschlossen, um mir mit meiner Aufgabe zu helfen, das finde ich toll. Sicher.. ihr seid alle immer und überall da und ganz nett. Ich habe schon öfters versucht, mich jemandem anzuschliessen, aber diejenigen sind dann auf einmal und unerwartet fortgegangen oder verschwunden. Darüber trauere ich immer noch. Und ich weiss nicht was ich von alledem dann halten soll... denn du kannst auch plötzlich verschwinden und futsch sein. Dann bleibe ich erneut alleine zurück. Tilla konnte nichts gegen ihr Misstrauen tun, sie konnte nur lernen es stetig zu verkleinern sowie damit umzugehen, dass es nun mal solche Situationen gab, in denen sie nichts tun konnte. Sie erhob sich aus der Rückenlage, blickte Fhionn an und rutschte spontan zu dieser rüber. Vielleicht war sie wieder einmal 'zu' direkt mit ihren ausdrucksvollen Gebärden. Ich weiss nicht was ich tun soll.. ich bin die jüngste von euch allen.

  • Fhionn lächelte gütig, so wie sie es getan hatte, wenn ihre Kinder mit ihren Fragen kamen. Tilla war fast noch ein Kind. Äußerlich mochte sie schon eher einer jungen Frau gleichen, doch tief in ihr drinnen, war sie noch ein Kind. "Menschen kommen und gehen, Tilla. Sie manchmal bleiben eine Zeit mit dir und dann sie gehen weiter. So auch mit Freunde. Du aber nicht traurig sein! freunde manchmal kommen wieder und wenn nicht, dann andere kommen und man kann sein Freunde."
    So war leider das Leben. Auf der Straße des Lebens, machte man viele Bekanntschaften. Manche dieser Bekanntschaften, konnten ein ganzes Leben anhalten. andere wiederum, gingen nach kurzer Zeit wieder auseinander. Fhionn hatte in ihrem Leben bereits oft Abschied nehmen müssen. Manchmal war es ein Abschied für immer.
    "Du mache das Beste daraus! Nimm aus Freundschaft und gib zurück Freundschaft. Dann du nie alleine. auch dann, wenn Siv weg oder Caelyn weg oder ich weg. Sie alle sind da drin!" Fhionn deutete auf ihr Herz. Gleich, wohin Straße des Lebens Tilla hinführen würde, wenn sie stets offen war, für andere Menschen und die Menschen die ihr lieb und teuer waren, im Herzen behielt, dann war sie niemals mehr allein.
    Sanft legte sie ihre Arme um das Mädchen und drückte sie.

  • Dann soll ich die alten Leute die sich für meine Flucht aufgaben immer im Herzen behalten? Ebenso meinen alten Herrn, der immer seine Sklaven schlug und prügelte, wenn sie Fehler machten. Alle drei haben mich ein Stück meines Lebens begleitet... und sie sind endgültig futsch, weil ich geflohen bin um nicht mehr erleben zu müssen was für Freveltaten an den Sklaven meines Herren geschah. gebärdette Tilla stockend und fragend zugleich. Sie verstand schon wie Fhionn es meinte.. nur irgendwie war das Zipfelchen aus ihrer brutalen Vergangenheit für sie noch zu klären. Alle drei kommen nicht wieder und ich sehe sie nie wieder, weil ich weggelaufen bin, das ist mir klar. Kommen die anderen, die so plötzlich weggegangen sind, auch wieder?? Sie hatte ohnehin keinen Einfluss auf diese 'Wiederkehr' und konnte nur hoffen. [COLOR]Ich wünsche es mir..[/COLOR] so sehr fügte das stumme Mädchen die zwei letzten Worte in Gedanken hinzu.


    Zaghaft lächelte sie auf die Erwähnung der aurelischen Mitsklavinnen. Ich mag die beiden anderen... von denen kann ich so vieles abgucken. Tilla liess sich von der neuen Mitsklavin drücken, kuschelte sich in deren warme Arme hinein. Fhionn war noch nicht sehr lange bei ihnen, dies hier war eigentlich das erste Aufeinandertreffen mit Fhionn. Die Ältere hatte es aber geschafft Tillas Herz zu gewinnen. Von unten herauf sah sie Fhionn an, zog ihre Hände hervor. Und dich mag ich auch! fügte sie hinzu, umarmte die Ältere ganz vorsichtig.


    Laute Stimmen jenseits des Bretterzaunes erinnerten sie daran wo sie waren. Tilla wollte ihr gemütliches Heuboden-Stall-Versteck nicht durch verräterische Unachtsamkeit oder ähnlichem verlieren. Behutsam löste sich Tilla aus Fhionns Umarmung. Ich bringe den Eimer eben wieder rauf und dann sollten wir gehen. Duccia Clara wartet. gebärdete sie, schnappte sich den Eimer, band diesen ans Seil und kletterte ins Dachgebälk hinauf um den Eimer zurück unters Dach zu ziehen. Nachdem das erledigt war, kletterte sie runter und sprang ein zweites Mal vom letzten Balken hinunter ins Heu, purzelte stumm kichernd bis vor Fhionns Füße. Der kleine heuübersäte Irrwisch lachte Fhionn an.

  • In Tillas Zeichen konnte Fhionn deuten daß es auch andere Menschen in ihrem Leben gegeben hatte, die ihr gar nicht wohl gesonnen waren. Sie sprach von einem alten Herrn, der sie geschlagen haben mußte. Was konnte sie da noch sagen? Welche Worte konnten da noch trösten? Sie waren zu einem Leben verdammt, in dem sie auf das Wohlwollen von anderen Menschen angewiesen waren. Für manche von diesen Menschen waren sie nicht mehr, als der Staub unter den deren Stiefeln.
    Fhionn drückte die kleine Tilla noch einmal leicht an sich und strich ihr sanft über das Haar. So konnte sie sie am besten trösten. Es bedurfte nicht vieler Worte, um dem Mädchen ein wenig menschliche Wärme zu geben. Vielleicht würde die Zukunft den ersehnten Tag der Freiheit bringen, der Tag, an dem sich alles erfüllt wurde, was sie sich wünschten. Bis dahin half nur die Hoffnung, die sie nie verlieren durften! "Ich weiß nicht, Tilla, ob sie kommen wieder. Aber du nicht geben Hoffnung auf." Sie hielt sie noch eine Weile und schwieg, bis Stimmen an ihre Ohren drangen, die von Jenseits des Zaunes stammten. Fhionn löste die Umarmung und sah Tilla nach als, sie den Eimer mit den Münzen zurück in ihr Versteck brachte und wie sie sich anschließend wieder ganz auf atemberaubende Weise in das Heu fallen ließ. Ihr Lächeln gab auch ihr wieder Hoffnung. Es war wohl besser, wenn sie nun wieder zurück gingen.

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