Der Optio ermahnte sie, machte ihnen Mut, meinte, dass seine Probati immer die besten wären und wehe uns ihnen würden das nicht werden - und wer durchfiele, könnte gleich gehen. Dann wurde er wieder ruhiger und machte wirklich Mut.
Labeo hörte dies an und lachte innerlich sogar ein wenig, freute sich über die Sonne und erwartete den Anfang.
Es war Ruhe eingekehrt unter den Probati und Optiones. Die Spannung stieg und für Labeo fühlten sich die wenigen Momente, die sie auf den Beginn der Prüfung warteten, wie Stunden oder Tage an.
Langsam wurde es Verus etwas heiß unter dem schweren polierten Metallhelm, in diesem spiegelte sich nämlich die Sonne und so heizte er sich langsam auf. Verus griff kurz zum Helm und lüftete ihn kurz an, um sich dann ein wenig Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Schließlich nahm er wieder Haltung ein.
Nach der anfänglichen Motivationsschwemme tolerierten die Optiones die leichte Unruhe in den Reihen und warteten genau wie die Männer auf den Praefectus und seinen angekündigten Gast.
Die Sonne stand höher schon - und langsam wurde sich Labeo bewusst, dass es sich wahrscheinlich nicht um eine ungeplante Verzögerung handelte, sondern um eine geplante. Daher versuchte er die Anspannung zwar nicht ganz loszulassen, aber auch nicht das Warten zu einer Quelle von Nervosität werden zu lassen. Er stand da wie bei seinen inzwischen schon häufigen Wachen - aufmerksam, aber nicht überspannt. - und wartete.
"Hoffentlich schaffe ich das," dachte sich Verus und versuchte sich seine Nervösität in Gedanken mit einem Lied zu vertreiben.
Endlich betrat der Praefectus in Begleitung seines senatorischen Gastes den Exerzierplatz. Auf dem leicht erhöhten Podest nahmen sie auf 2 Stühlen Platz und mit einem Wink machte der Praefectus klar, dass das Spektakel beginnen könne.
Diese Prüfungen wurden nach jeder Grundausbildung abgelegt und immer gab es den Einen oder Anderen, der sie nicht bestand. Heute sollte das nicht anders sein, doch alleine die Anwesenheit eines Gastes würde es zumindest für die Ausbilder und Probati etwas ändern, auch wenn der Praefectus angeordnet hatte, auf zusätzliches Zeremoniell zu verzichten.
Senator, ich habe befohlen, kein zusätzliches Zeremoniell auszuführen. Ich hoffe, dies beleidigt euren Stand nicht, doch die Prüfung ist für viele Probati schon schwer genug, auch ohne den zusätzlichen Druck zu wissen, dass ein wichtiger Senator anwesend ist. Ich ziehe es daher vor, die Männer über deine genaue Identität nicht aufzuklären.
Endlich kam der Präfekt mit seinem Gast. Dieser Gast wurde nicht vorgestellt, dennoch war sich Labeo sicher - soviel konnte er von ferne erkennen, oder meinte es zumindest - es war anscheinend der Senator Purgitius Macer, den er gestern erst am Tor hinein gelassen hatte. Seinen Con-Probatus Egnatius Pulpo hatte er ja beauftragt, ihn zum Praefekten zu bringen.
Daher blickte er sich kurz um, ob er nicht den Egnatier sehen könnte, was nicht so schwierig war - es war derjenige der gerade erbleichte - und ein wenig torkelte und ein leises 'Fimum' von sich gab. Wahrscheinlich vor Nervosität, da ihn ja der Senator kennen lernen durfte. Labeo hatte nur mit dem Fahrer gesprochen, deswegen machte er sich keine Sorgen - im Gegenteil: dieser Senator sollte sehen, was die Marineinfanterie drauf hatte.
Vielleicht war aber auch der gestrige Wein mit dem Quintier an Pulpos bleicher Pigmentierung schuld. Labeo wusste es nicht.
Labeos eigene Nervosität pendelte sich auf einem guten Niveau ein: genau richtig für höhere Aufmerksamkeit, abr auch nicht mehr. So konnte es nun los gehn.
ZitatOriginal von Lucius Annaeus Florus
Senator, ich habe befohlen, kein zusätzliches Zeremoniell auszuführen. Ich hoffe, dies beleidigt euren Stand nicht, doch die Prüfung ist für viele Probati schon schwer genug, auch ohne den zusätzlichen Druck zu wissen, dass ein wichtiger Senator anwesend ist. Ich ziehe es daher vor, die Männer über deine genaue Identität nicht aufzuklären.
Nachdem er auf dem ihm zugedachten Stuhl Platz genommen hatte und den Blick über das Exerzierfeld hatte schweifen lassen, nickte Macer zustimmend. "Ich bin ja nur in meiner Funktion als Kommandeur der Academia hier, um mit dir zu sprechen, das braucht die Probati in der Tat nicht zu beeindrucken. Ihr habt selten Gäste hier bei solchen Anlässen? Bei der Legion schaute häufiger mal jemand vorbei." Zumindest in Mantua, seltener in Germania. Andererseits besuchte fast jeder wichtigere Mensch in Germania die Hauptstadt, wenn er schon in der Provinz war und wenn Macer ihn kannte, gab es eigentlich immer eine Gelegenheit, auch bei der Legion vorbeizuschauen.
Ja, hier ist leider selten jemand zu Gast. Nur wenige Magistraten aus Rom sehen die Notwendigkeit einer Flotte und die aus Misenum wären froh, wir wären woanders, wenigstens macht es mir immer wieder einmal diesen Anschein. Die Politik hat scheinbar nicht kapiert, dass Rom nicht nur durch seine Legionen, sondern im Wesentlichen auch durch seine Flotte gross geworden ist.
Wobei wir schon wieder beinahe beim Thema der Academia waren, doch das gehörte nicht hierher.
Ich erhob mich und gab den zuständigen Offizieren erneut das Zeichen zum Beginn.
Wie üblich sollten erst die Wettkämpfe mit dem Bogen ausgetragen werden. Zuerst auf Weite, dann auf das Ziel. Der Exerzierplatz bot dazu genügen Fläche.
Die Ausbildungseinheiten fassten ihr Material und stellten sich auf.
Also ging es nun endlich los. Der Optio der Gruppe um den Decimer und Labeo sagte ein paar letzte aufmunternde Worte, die sehr nach "Macht mir ja keine Schande! Wenn Ihr nicht als beste Gruppe wiederkommt, könnt Ihr Euch auf was gefasst machen!" klangen. Aber das war wohl die übliche Art "Viel Glück" zu sagen.
Zuerst ging es zum Bogenschießen. So fasste Labeo Material, so nannte man das wohl, und wartete. Ausbildungsgruppe nach Ausbildungsgruppe wurde aufgerufen und Labeos war die letzte, Labeo stellte sich vorschriftsmäßig auf und wartete auf das Signal.
Verus reihte sich mit einem tiefen Luftzug ein. Bogenschießen als erste Disziplin? - Warum nicht, möge man doch mit dem Schwersten beginnen. Verus wurde immer nervöser und schloss kurz die Augen, er versuchte nicht auf den Gast zu achten, der auf der Tribüne Platz nahm.
"Die Stärke und Bedeutung der Flotte wurde ja auch immer gut versteckt und heruntergespielt", antwortete Macer und damit waren sie in der Tat schon bei dem Thema, was eigentlich erst später am Tag anstehen sollte. "Aber diese Gegend hier ist doch erst durch die Flotte das geworden, was sie ist, das ist sicher auch den Magistraten bewusst. Und für Senatoren aus Rom liegt Misenum vielleicht nicht unbedingt auf einer üblichen Reiseroute. Anders als Mantua zumindest, was viele passieren, die nach Norden reisen, oder eben Mogontiacum, wo alle Station machen."
Interessiert wandte er dann den Blick wieder dem Exerzierplatz zu. "Wie viele Rekruten treten heute an?"
Ja, du hast sicher Recht. Der Standort hier ist ideal, rein militärisch gesehen, doch prestigemässig ist es eben etwas weg von den grossen Reiserouten.
Dann wechselte auch ich das Thema.
Es werden heute 4 Ausbildungseinheiten mit je 20 Probati antreten. Das sind 80 Mann insgesamt. Nehmen wir die Zahlen aus den letzten Prüfungen, so werden davon nur rund 60 die Prüfungen bestehen.
Die prognostizierte Quote überraschte Macer nicht, er hätte ähnliches angenommen. "Das scheint kein schlechter Schnitt zu sein. Gebt ihr gescheiterten Rekruten eine zweite Chance oder sind sie endgültig raus aus der Einheit?" In den Legionen wurde das unterschiedliche gehandhabt, es kam immer ein wenig auf den Rekruten, seine Fürsprecher und seine Ausbilder an, wie mit ihnen verfahren wurde. Wen die Ausbilder bis zur Prüfung brachten, den wollten sie meistens auch behalten - alle anderen sortierten sie häufig schon vorher aus.
Nun, das hängt auch bei uns von den Männern hinter den Rekruten ab. Es macht sich nicht gut, einen deiner Schützlinge nach Rom zurückzuschicken, mit dem Hinweis, er tauge nichts. Da wir alleine sassen und nicht befürchten mussten, die Ausbilder oder gar die Probati könnten uns hören, erlaubte ich mir dies.
Allerdings kann es schon vorkommen, dass ein Peregrinus sich nach einer gescheiterten Probatio auch selbst entscheidet, dies sei nicht der richtige Weg für ihn. Die Römer sehen es eher als Schande, wenn sie durchfallen und wollen das vor ihrer Familie verheimlichen, indem sie es erneut probieren.
"Immerhin ist bei der Flotte die Quote derer, die durch den passenden Vater, Onkel, Vetter oder sonstwas komplett an der Probatio vorbei kommen etwas geringer, oder? In der Legion laufen ja durchaus einige Unteroffiziere oder auch Offiziere herum, die mit dem nötigen Kleingeld in die Truppe gekommen sind und nur ein paar Jahre machen, um ihren Lebenslauf zu verschönern." Wenn das bei der Flotte nicht so was, konnte sie fast dankabr sein, dass sie keinen ganz so guten Ruf hatte - da konnte sie wenigstens ungestört arbeiten.
Ja, das stimmt! Hier haben wir vorallem junge Peregrini welche sich mit dem Dienst in der Flotte das Bürgerrecht erdienen wollen, oder aber arme Römer, welche mit ein wenig Wissen im Bereich der Schifffahrt eine geregelte Anstellung anstreben.
Derweil war das Bogenschiessen auf Weite abgeschlossen. Einige recht respektable Weiten waren erzielt worden, doch es gab auch einige Probati, deren Leistungen unter jeder Beschreibung waren, so dass die ersten Optiones auch am Rande eines Zusammenbruches waren.
Die Zielscheiben wurden derweil aufgestellt und die Probati stellten sich auf, um diese zu treffen. Die Distanz entsprach erfahrungsgemäss ungefähr derjenigen, auf welche im Ernstfall Brandpfeile in einer Seeschlacht zum Einsatz kamen.
Während des Gesprächs blickte Macer immer wieder hinunter auf den Platz. Die meisten Weiten erschienen ihm akzeptabel. Auf Weite zu schießen war vor allem eine Frage der Kraft, wie weit man den Bogen ausgezogen bekam und so zeigten die, die nicht so weit kamen, entsprechende Schwächen.
"Bei der Flotte hat man ja fast noch mehr Planungssicherheit als bei den Landeinheiten, meine ich. Man kann zwar verlegt werden, aber als Seefahrer ist man weite Wege ja gewohnt und egal wo man landet, man ist immer am Wasser und es gibt später ein Schiff zurück. Wer zur Legion geht, der kann auch zwei Jahre vor der Entlassung noch quer durchs ganze Reich geschickt werden. Da wird es mit einem Rückweg schwieriger."
So kann man es durchaus auch sehen, ja. Wobei die meisten Legionen heute ja nicht mehr quer durch das Imperium verlegt werden, wenn nicht gerade eine Notsituation besteht.
Der Gedanke an das gestrige Gespräch im Bad war wieder da. Es war eine unsichere Zeit und man wusste nicht, was die nächsten Tage bringen würden.
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