cubiculum Aurelia Helena | Rettungsversuch

  • Der Strom an farbenfrohen Flüchen, der über Sivs Lippen kam, als die Römerin sich aus ihrem Griff wand und aus dem Bett sprang, übertraf alles, was sie bisher gesagt hatte. Der Römerin schienen immer neue Dinge einzufallen, wie sie Siv und Urmus das Leben schwer machen und ihrem ein Ende setzen konnte. Die Germanin machte noch eine Bewegung um sie aufzuhalten, kam aber ebenso zu spät wie Ungus. Sie faselte noch etwas von einem Brief, dann sank sie mit einem halblauten Stöhnen zu Boden. Der Römer war schneller als Siv und fing sie noch rechtzeitig auf, und während er zu sprechen anfing, legte er die Römerin wieder auf das Bett. Siv runzelte leicht die Stirn, als sie sich bemühte die Anweisungen zu verstehen. Binden. Ans Bett binden? Das war eine gute Idee. Im Moment war die Römerin zwar halb weggetreten und kaum in der Lage, etwas zu tun, aber wer wusste schon wie lange das so bleiben würde. Während Utus bei der Römerin blieb, schlüpfte Siv aus dem Zimmer in eine nahegelegene Wäschekammer, um ein großes Laken zu holen. Um Seile aufzutreiben, würde sie zu lange brauchen, und davon abgesehen war das Laken weicher – und die Römerin sicher nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren.


    Verrückt, das musste die Römerin sein, jedenfalls im Moment. Spätestens jetzt hatte sie das einwandfrei bewiesen. In Siv brodelte es innerlich, als sie sich fragte, warum ausgerechnet sie mit solchen Marotten der Römer konfrontiert wurde. Sie rieb sich mit einem genervten Seufzen an ihrer Stirn und verschmierte das Blut nur noch mehr, als sie zurückkehrte in das Schlafgemach. Mit der Hilfe des Römers band Siv das Laken über den Oberkörper der jungen Frau, deren Augenlider leicht flatterten, die aber sonst kaum in der Lage war sich zu rühren und nicht ganz anwesend zu sein schien. Mit einem erneuten Fluch wandte Siv sich wieder Römerin zu und begann, ihr ins Gesicht zu schlagen – leicht genug, dass es keine wirkliche Ohrfeige war, aber fest genug, dass es sie doch etwas schmerzen musste. "Hay. Hay! Oh nein, du stirbst jetzt nicht. Nicht nachdem du mir so viel Ärger gemacht hast. Das hättest du wohl gerne", knurrte sie. Wenn die Römerin jetzt einschlief, standen die Chancen schlecht, dass sie noch einmal aufwachen würde. Wenigstens bis der Heilkundige da war, musste sie wach bleiben. Dass Siv selbst die Schriftrolle, die für diese letzte Aufregung gesorgt hatte, gerade in dem Beutel in ihrer Tasche trug, daran dachte sie im Moment nicht.

  • Siv erwies sich ein weiteres mal als kostbare Hilfe. Ohne lange zu fackeln, hatte sie ein Laken herbeigeschafft und zerrissen. Mit den breiten Stoffstreifen konnten sie nun Helena an das Bett fesseln, ohne ihr weitere Schmerzen zuzufügen. Auf jeden Fall nahm Ursus sich vor, die Sklavin für ihre Hilfe in dieser Nacht zu belohnen. Wie, wußte er noch nicht. Doch verdient hatte sie es sich.


    Helena schien nichts von dem verstanden zu haben, was er sagte. Ihre Augenlider zitterten. Sie war nicht bewußtlos, doch ansprechbar war sie auch nicht. Bewußtlos wäre schlimmer. Doch ihr jetziger Zustand war auch alles andere als gut. Nicht mal das recht unsanfte Klopfen von Siv auf Helenas Wange schien eine Wirkung zu haben.


    Er wußte nicht, was Siv zu Helena sagte. Doch trotzdem sagte er im Grunde das gleiche. "Nicht sterben, Helena! Bleib bei uns! Nach all der Mühe kannst Du uns das nicht antun!" Wenigstens schien sie nicht mehr zu frieren, das war doch schon mal ein Anfang. Die Blutung war auch gestoppt, wenn auch das Bett, die Decken und auch Siv und Ursus selbst abenteuerlich blutverschmiert waren. Es sah nach wesentlich mehr Blutverlust aus, als es war. Zum Glück. Denn sonst wäre Helena kaum noch am Leben. Wenn doch nur der Medicus käme!

  • Eilige Schritte hasteten durch die dunklen Gänge der villa Aurelia, und es war nicht nur ein Paar Füße, das sich hier über die sauberen Böden bewegte, es waren zwei - Cadhla hatte den Medicus mitgebracht, den zu holen sie ausgeschickt worden war, und vom schnellen Ritt klebten ihr feinste Härchen verschwitzt an der Stirn. Sie hielt eine Öllampe empor, um dem Römer den Weg zu leuchten, während noch einige andere Sklaven inzwischen wach geworden waren und man leises Geschrei aus der culina hören konnte - die Nachricht, dass etwas Entsetzliches passiert war, hatte schnell die Runde gemacht, und dass Cadhla mitten in der Nacht das beste Pferd aus dem Stall geholt hatte, um wenig später mit einem Mann zurückzukehren, den man noch vom Meditrinaliafest her erkannt hatte, und bei dem man auch wusste, dass er Medicus war, schürte die interne Gerüchteküche zu neuem lodernden Feuer an. Freilich hatte sich bisher keines der neugierigen Weiber - und auch keiner der neugierigen Männer, denn Neugierde gab es bei Männern nicht, die waren immer nur an Tatsachen interessiert - in Richtung des cubiculums der domina Helena getraut, und so blieb ihnen nur einträchtig aufgeregtes Raten.


    "Wir hier sind," sagte Cadhla schließlich, als sie de hohe, geschlossene Türe erreicht hatten, und klopfte kurz an, bevor sie den Raum betrat, dem Medicus bedeutend, er möge ihr folgen, sobald sie es sagte. Höflich war dies nicht, natürlich, aber sie wusste auch nicht, was sie im Inneren des Raumes erwarten würde, und so vergewisserte sie sich mit einem kurzen Blick, dass Helena noch am Leben und schicklich bedeckt war, bevor sie den Decimer hereinließ.
    "Dominus, der Medicus sein hier. Er sicher kann helfen dass es geht domina gleich besser." Sie trat beiseite und machte den Weg für Decimus Mattiacus frei, auf dass er das Problem lösen mochte, das sich hier zusammengeballt hatte, den Blick jedoch zuerst auf Ursus, und dann erst auf Helena selbst richtend. Hoch hielt sie die Öllampe, und das Licht warf einen tanzenden Schatten in den Raum hinein.

  • Die leichten Schläge schienen vorerst kaum Wirkung zu zeigen, und Siv knurrte erneut. Sie musste sich zusammenreißen, um die Römerin nicht einfach zu schütteln, aber das hätte vielleicht bei einem Betrunkenen geholfen, aber nicht hier. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als mit ihren Bemühungen fortzufahren, die Römerin so irgendwie wach zu halten. Sie stellte zwar die Schläge ein, fuhr aber fort, ununterbrochen auf die Römerin einzureden – hauptsächlich Beschimpfungen. Aber solange sie wenigstens einigermaßen bei Bewusstsein blieb, tat es seinen Zweck. Und Siv konnte sich dabei abreagieren. Der Römer neben ihr redete ebenfalls auf sie ein, allerdings war sein Tonfall wesentlich gemäßigter und bei weitem mehr von Sorge geprägt als Sivs.


    Während beide versuchten, die Römerin wach zu bekommen oder wenigstens zu verhindern, dass sie noch mehr in die Ohnmacht abdriftete als ohnehin schon, dampfte der Tee auf der Kommode neben dem Bett unbeachtet vor sich hin. Bisher hatte sich keine Gelegenheit ergeben, ihn der Römerin einzuflößen, so wie diese sich benommen hatte. Für einen Moment spielte Siv mit dem Gedanken, der halb Bewusstlosen etwas davon ins Gesicht zu spritzen, aber wenn überhaupt würde eher kaltes Wasser seine Wirkung tun. Noch bevor sie aber zu einer Entscheidung kommen konnte, trat Cadhla plötzlich in den Raum, und kurz nach ihr ein Mann, den Siv für den Heilkundigen hielt – den Medicus, wie der Römer ihn genannt hatte. Mit einem erleichterten Aufstöhnen richtete sich die Germanin mit einem Ruck auf. "Endlich", murmelte sie, während sie zurücktrat und den Mann für einen Moment bei seiner Arbeit beobachtete.


    Sie hätte zu gerne weiter zugesehen, denn es interessierte sie wirklich, was er nun tun würde, aber vorher musste sie noch etwas erledigen. Um der Römerin wirklich helfen zu können, würden sie wissen müssen, warum sie das getan hatte, und Siv vermutete, dass die Schriftrolle darüber Aufschluss geben könnte – warum sonst hätte die junge Frau sie mitnehmen sollen? Aber Siv konnte nicht einmal vernünftig Latein, geschweige denn lesen, und davon abgesehen hatte sie ohnehin kein Lust, sich zu sehr in diese Angelegenheit verstricken zu lassen. Sie war Sklavin, das konnte nur schief gehen, wenn sie sich zu sehr einmischte. Nicht dass sie das abgehalten hätte, wenn sie sich wirklich hätte einmischen wollen. Aber sie wollte nicht, also war das ein willkommener Grund für sie, die Schriftrolle loszuwerden. Sie drückte sie dem Römer in die Hand. "Hier. Das… in Garten. Ich finden, bei… bei Wasser." Während der Römer die Schriftrolle las, wandte Siv sich wieder dem Medicus zu. Sie wollte ungern etwas von dem verpassen, was er tat, und davon abgesehen benötigte er vielleicht Hilfe. Blutverschmiert wie sie war trat sie einen Schritt vorwärts und sah ihm über die Schulter.

  • Endlich. Endlich war der Medicus da. "Cadhla. Den Göttern sei Dank." Ursus stand auf und trat dem Mann entgegen, den er jetzt erst erkannte. "Decimus Mattiacus", sagte er erstaunt. Er hatte gar nicht gewußt, daß er ein Medicus war. Aber offenbar war es so. "Salve. Es ist wirklich dringend. Sie hat sich die Pulsader am Handgelenk aufgeschnitten und ist dann in den Teich gestiegen. Ich denke, ihre Körpertemperatur haben wir schon wieder halbwegs im Griff, doch sie hat viel Blut verloren. Und sie ist kaum noch wach zu nennen. Bis vor wenigen Minuten war sie noch ansprechbar. Wir haben einen Druckverband angelegt..."


    Er sprudelte die Erklärungen einfach so hervor. Seine eigene Erscheinung war dabei auch alles andere als vorzeigbar. Er trug eine nasse Tunika, die noch dazu blutverschmiert war, so wie er auch sonst überall Blut am Körper zu haben schien. Dazu noch feuchte, zerzauste Haare. Er sah vermutlich aus wie ein Massenmörder, der in einen Sturm geraten war.


    Gerade als er dem Medicus Platz machte, damit der sich um Helena kümmern konnte, drückte ihm Siv eine kleine Schriftrolle in die Hand.


    Marcus,
    ein Leben ohne Liebe ist grausam. Aber ein Leben überschattet von einer unerfüllten Liebe ist mehr als ich ertragen kann. Du kannst mich nicht lieben, du willst es nicht und ich kann nichts dagegen tun. Ich wünsche dir, dass du irgendwann die Frau findest, die so für dich empfindet wie ich es tue und das ihr zusammen glücklich werdet. Bitte vergiss mich nicht! Trotz allem.
    Helena


    Das mußte der Brief sein, von dem Helena gesprochen hatte. Er las die Worte, doch konnte es noch immer nicht recht fassen. Wie er schon vermutet hatte: Marcus. Sie war in Marcus verliebt. Warum waren eigentlich immer alle in Marcus verliebt? Vielleicht mußte man rücksichtslos und eigensüchtig sein, um geliebt zu werden. Irgendwas schien Ursus jedenfalls falsch zu machen.


    Den Brief behielt er erst einmal bei sich. Was er damit machen würde, wußte er jetzt noch nicht. Unausweichlich war jedenfalls ein Gespräch mit Marcus. Auch auf die Gefahr hin, es sich mit ihm dann endgültig zu verderben. Für Helena mußte er es zumindest versuchen.


    Doch jetzt war erst einmal wichtig, daß ihr Leben in medizinischer Sicht gerettet wurde. Alles andere hatte Zeit. Ein wenig zumindest.

  • Mattiacus lief hinter der Sklavin hinterher und erkannte auch schon Aurelius Ursus, den er noch von den Metrinalia von vor ein paar Tagen her kannte.


    Auf einem Bett lag auch schon seine Patientin. Die schöne Dame, mit der auch er sich auf dem Bankett unterhalten hatte.


    Er hörte sich von Ursus an, was geschehen war. Es musste also schnell gehen.


    "Ihr habt richtig gehandelt. Jetzt zählt jede Minute. Sie darf auch keinen Fall mehr Blut verlieren."


    Das war auch das richtige Stichwort. Er dachte einen Moment nach.


    "Blutstillen, Blutstillen........." murmelte er. "Das steht doch bei Asklepios......" hörte man nur.


    Kurz darauf nahm er seine Arzttasche zur Hand, in dem er immer auch einige Heilkräuter hatte. Er holte einige Instrumente heraus. Bei einem Schnitt durch die Pulsader wäre es zu gefährlich gewesen, die Wunde zuzunähen, was sonst immer bei Schnittwunden üblich war.


    "Ich brauch warmes Wasser, nicht heiß." sagte er zu den Umstehenden.


    Er dachte nach, wie er behandeln würde.


    Zuerst die Wunde reinigen, bei Teichwasser wusste man nie, was für ein Dreck dort ist. Danach würde er einen Verband mit anlegen, der mit Alraune durchwirkt war. Das stoppte eine weitere Blutung.


    Aber erstmal die Patientin wieder wachbekommen. Dazu nahm er eine kleine Phiole aus der Tasche. Darin befand sich ein stark riechendes ätherisches Öl, was Mattiacus aus Pfefferminz, Honig, Orangen und Zitronen hergestellt hatte. Er öffnete es und schon verströmte sich der intensive Geruch. Ein Geruch der selbst Tote wieder aufweckte.


    Und genau das war hier gefragt. Er hielt die Phiole unter Helenas Nase und schwenkte die Phiole ein wenig.

  • Helena war nicht wirklich bewusstlos. Sie hörte das was gesprochen wurde, wenn auch seltsam gedämpft. Allerdings konnte sie nicht darauf reagieren. Ihr Körper schien ihr nicht mehr gehorchen zu wollen. Das war ein sehr seltsames Gefühl, besonders als Siv anfing ihr ins Gesicht zu schlagen. Wie konnte sie es wagen?! Und Ursus tat nichts, um das zu unterbinden. Angestrengt versuchte Helena eine Hand zu rühren, aber es gelang ihr nicht. Auch ihre Stimme versagte ihr den Dienst, so dass sie vollkommen hilflos war. Aber es hatte auch etwas Gutes. Der Schmerz in ihrem Arm war so gut wie verschwunden. Helena spürte wir ihr Kopf leicht zur Seite ruckte, als Sivs Hand erneut ihre Wange traf. In diesem Moment beschloß Helena, dass die Sklavin bitterlich dafür würde büßen müssen.


    Sie hörte wie die Tür zu ihrem Zimmer aufging und zwei Personen hineintraten. Da sie den Kopf nicht drehen konnte musste sie sich auf ihr Gehör verlassen. Die eine Stimme gehörte zu Cadhla, aber da war auch noch eine Männerstimme, die ihr seltsam bekannt vorkam. Allerdings konnte sie sie im Moment nicht einordnen. Das musste der medicus sein. Ob er ihr helfen konnte? Zumindest aber konnte sie nun nicht mehr aufstehen. Ursus und auch auch medicus hätten das sicher nicht zugelassen. So lag der Brief immer noch im Garten, gut sichtbar für jeden, der dort vorbeiging. Und sie konnte nichts dagegen tun. Eher teilnahmslos lauschte sie dem kurzen Gespräch zwischen dem medicus und Ursus. Wieder hörte sie die Sorge in seiner Stimme und irgendetwas in ihr zog sich zusammen. Wenn sie ihn doch schon früher kennengelernt hätte!


    Plötzlich schwebte ein Kopf über ihr. Helena versuchte das Gesicht zu erkennen, aber das Bild wollte nicht klar werden. Warmes Wasser? Ich bin doch schon warm... Ein beißender Geruch drang in ihre Nase. Egal was es war, es sorgte dafür, dass Helena die Augen aufriss und mit einem Keuchen den Kopf zur Seite drehte. Sie konnte sich wieder bewegen! Helena versuchte eine Hand zu heben, um die Quelle des beißenden Geruchs fortzuschlagen, doch sie konnte ihren Arm kaum anheben. Irgendwo gab es da einen Widerstand. Langsam senkte Helena den Kopf und starrte auf das Tuch, dass sie an das Bett fesselte. Sie hatten sie also wirklich festgebunden! Wie eine Verrückte! Sie hatte gedacht, dass das ein Traum gewesen war. Aus einem ersten Impuls hinaus wollte sie sich aufbäumen und gegen die Fesseln wehren, aber sie hielt sich zurück. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Sattdessen wandte Helena den Kopf und sah Ursus vorwurfsvoll an. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich gedemütigt. Sie musste liegen bleiben, kaum zu einer Reaktion fähig und allem ausgesetzt, das man ihr antun würde.


    Helena spürte, dass ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen. Damit Ursus das nicht sah wandte sie erneut den Kopf und musterte den medicus, der mittlerweile neben ihr saß. Jetzt wusste sie auch, woher sie seine Stimme gekannt hatte. Es war Decimus Mattiacus, mit dem sie sich auf der cena so nett unterhalten hatte. Was würde er wohl denken, wenn er sie jetzt sah? Helena schluckte schwer, schwieg aber erstmal. Sie wusste nicht wie sie reagieren sollte, allerdings konnte sie ihren Blick nicht von ihm wenden. Er war ihr bei ihrem kurzen Treffen sehr symphatisch gewesen und jetzt bekam er den Eindruck, als hätte er mit einer Verrückten gesprochen. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit ihr.

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  • Sehr gut, Helena war jetzt wieder bei Bewusstsein. Erster Schritt getan: Die Mixtur wirkte wahre Wunder. Aber nicht umsonst wurde sie von den Militärärzten verwendet, die die Legionäre nach einer Schlacht zusammenflickten.


    Er lächelte ihr ins Gesicht.


    "Salve Helena. Schön, dass du noch bei uns bist. Das Elysium ist noch nicht der Ort für dich." sagte Mattiacus sanft.


    Die dicken Tränen, die über ihr Gesicht kullerten, tupfte er mit einem Tuch ab.


    Danach holte Mattiacus einen vorgeschnitten Stoffballen aus seiner Tasche. Diese benutzte er für Verbände. Er bestrich die Stoffbahn mit einer Paste aus Alraune, Honig und Gundermann, einer Pflanze, die man an jedem Wegrand fand. Diese Kombination würde die Wundheilung beschleunigen und eine erneute Blutung verhindern bzw. verlangsamen, falls die Wunde wieder aufbricht.


    "Das habe ich von einem Kollegen aus Sirmium, der dort die Legionäre nach den Schlachten gegen die Daker versorgt hat. Er meinte, damit würde jede Schnittwunde in kürzester Zeit heilen." sagte er zu den Umstehenden.


    Als ihm das warme Wasser endlich gebracht wurde, nahm Mattiacus langsam und vorsichtig Helenas Verband ab. Einen kurzen Moment hielt er die Luft an, ob noch Blut nachschiessen würde.

  • "Mist" dachte sich Mattiacus, als er er den Verband abnahm und die Blutung immer noch nicht gestoppt hatte. Das Blut lief zwar nicht mehr in Strömen, aber einen noch größeren Blutverlust konnte Helena wohl nicht mehr verkraften. Zum Glück hatte sie quer geschnitten, so dass Mattiacus die Wunde noch zunähen konnte.


    Er krammte schnell bei seinen Instrumenten herum und fand auch eine Nadel und einen hauchdünnen, seidenen Faden.


    Er blickte sich kurz im Raum und fand auch eine brennende Fackel. Diese schnappte er sich kurzerhand und hielt die Nadel in die Flamme.


    "Helena, das wird jetzt kurz, sehr, sehr weh tun. Es tut mir leid, ich kann es nicht verhindern, aber es muss sein. Hier kannst du drauf beißen, das hilft gegen den Schmerz." sagte er und hielt ihr ein Kantholz hin, dass er für Operationen dabei hatte.


    "Ursus, halte bitte ihre Hände. Sie braucht dich jetzt."


    Vorsichtig nahm er das Tuch mit dem warmen Wasser und tupfte das Blut ab.


    Mit einem kurzen Stoßgebet an Apollo begann er, die Nadel an der Wunde anzusetzen und mit dem Nähen zu beginnen.

  • Ursus hatte sich längst auf der Bettkante niedergelassen und streichelte über Helenas Stirn. Das alles mußte für sie einfach nur furchtbar sein. Vor allem, weil sie Mattiacus ja von der Feier her kannte. Ihr Gesichtsausdruck und vor allem auch ihre Tränen sprachen da einen deutliche Sprache. Hilflos sah Ursus dem Medicus bei seinen Bemühungen zu. "Du wirst es schaffen, Helena. Es sieht nur im Moment alles so furchtbar aus. Schau, schlimmer kann es doch eigentlich nicht mehr werden, oder? Es geht nur noch bergauf."


    Als Mattiacus dann den Verband öffnete und die Blutung doch wieder einsetzte, kam er wohl doch zu dem Schluß, daß genäht werden mußte. Zumindest griff er ohne zu zögern zu einer Nadel und hielt sie für einen Moment in eine Flamme. Warum er dies machte, war Ursus schleierhaft. Vielleicht heilte es besser, wenn die Nadel heiß war? Er konte sich nicht erinnern, in Griechenland von so etwas gehört zu haben. Aber vielleicht rief Mattiacus damit ja auch irgendeinen Gott an. Es war auch egal, der Medicus wußte sicher, was er tat.


    Wie er aufgefordert worden war, ergriff Ursus die Hand seiner Cousine, um sie für die schmerzhafte Prozedur festzuhalten. So konnte der Medicus an der Wunde arbeiten, ohne daß sie wegzuckte. Mit der anderen Hand ergriff er ihre zweite Hand, damit sie etwas zum festhalten und drücken hatte. "Es wird nicht lange dauern, Helena. Bald schon hast Du es geschafft." Wenn man bedachte, daß sie sich ja den Schnitt auch selbst zugefügt hatte und dieser sicher auch recht schmerzhaft gewesen war, so mußte sie dies eigentlich auch aushalten können.


    Und trotzdem war natürlich die Situation eine ganz andere. Das alles mußte ihr unendlich peinlich sein. Vermutlich machte sie sich Gedanken über Dinge, die jetzt in diesem Moment völlig unwichtig waren.


    Gut, daß das Zimmer von Marcus etwas entfernt von dem Helenas lag. So war die Wahrscheinlichkeit, daß er aufwachte, selbst wenn sie schrie, doch eher gering. Wenn der jetzt hier auftauchte... Nein, das wäre wirklich das schlimmste, was passieren konnte. Das konnte sie sicher nicht verkraften. Noch nicht.


    Warum sie Mattiacus wohl so ansah? Sie schien kaum den Blick von ihm wenden zu können. Zu gerne hätte Ursus gewußt, was sie jetzt dachte, was sie fühlte. Denn vielleicht wäre er dann besser in der Lage, ihr Mut zuzusprechen. Der Medicus begann zu nähen und Ursus konzentrierte sich ganz darauf, Helenas Hand festzuhalten und ihr gut zuzureden. Auch wenn er gerne beim Nähen zugesehen hätte, beobachtete er doch ihr Gesicht, damit ihm keine Regung von ihr entging.

  • Es war Cadhla, die dem Medicus das warme Wasser gebracht hatte - angesichts der Ereignisse konnte sie schwerlich einfach nur herumstehen und zusehen - und nachdem er hatte, was er offensichtlich brauchte, um die jung domina zu kurieren, blieb sie im Hintergrund des Raumes stehen und beobachtete einfach nur. Falls noch etwas gebraucht werden würde, konnte sie es holen, ansonsten ... wie konnte man sich nur zu töten versuchen und es dann noch so uneffizient anstellen, dass es nicht einmal gelang? Hätte Cadhla ernsthaft den Tod gesucht, hätte sie nicht quer der Pulsadern geschnitten, sondern längs, das konnte auch der findigste Römer mit einer Nadel nicht mehr in Ordnung bringen, wenn man die Schnitte lang genug zog. Oder aber man stürzte sich in ein Schwert und riss es durch die Eingeweide, auch ein guter Weg, durch Verbluten zu sterben, aber weit schmerzhafter, es erforderte deutlich mehr Mut, den Schmerz auszuhalten. Aber so aus dem Leben zu gehen, wie es Helena versucht hatte, rief bei Cadhla nur Unverständnis, ja, Verachtung hervor. Ihre grünen Augen blitzten, als sie sich schweigend an die Wand lehnte und die Geschehnisse voranrollen ließ, ohne etwas zu sagen, nur beobachtend - jene Hand, bei der Ursus Helena hielt, genau im Blick behaltend, ebenso sein besorgtes Gesicht.

  • Mattiacus blickte kurz zu Ursus und ermutigte ihn mit einem Lächeln.


    "Gut machst du das."


    Danach konzentrierte er sich wieder auf das Nähen. Bisher hatte Helena keinen Laut von sich gegeben. Mattiacus war auch bemüht, das Ganze behutsam zu machen. Ein kleiner Ausrutscher und es würde nicht mehr aufhören zu bluten. Die Häfte war schon zugenäht.


    "Du bist sehr tapfer, junge Aurelia. Ich habe schon baumstarke Legionäre bei dieser Operation heulen sehen. Ursus kann stolz auf dich sein." versuchte er Helena zu ermutigen.

  • Cadhla reagierte schneller als Siv und verschwand, um das warme Wasser zu holen, das der Medicus brauchte, und die Germanin blieb und sah dem Mann weiter zu, obwohl sie versuchte, sich doch weitgehend im Hintergrund zu halten. Sie hatte sich in diese Sache schon viel zu sehr reinziehen lassen. Wer garantierte ihr denn, dass man nicht ihr die Schuld gaben, wenn die Römerin doch starb? Sie konnten alles mögliche behaupten, dass sie nicht schnell genug gewesen war mit den Steinen, dass sie die Kräuter nicht hätte auf die Wunde auftragen sollen, dass sie die Römerin zu grob behandelt hatte. Aber was hätte sie schon anderes tun sollen? Die Kräuter waren das, was am leichtesten zu finden gewesen war und zu Hause bei praktisch jeder Wunde verwendet wurde, die stärker blutete; und was die Römerin anging: so wie sie sich in der letzten halben Stunde verhalten hatte, konnte sie im Moment einfach nicht alle Blätter am Baum haben, wie einer ihrer Brüder immer so schön sagte. Und davon ganz abgesehen war Siv schon immer ziemlich pragmatisch gewesen, was solche Dinge anging. Sie war recht gut im Wunden versorgen, jedenfalls was die erste Hilfe betraf, die man einem Verletzten geben konnte, aber sie hatte noch nie viel davon gehalten, zu vorsichtig zu sein oder zu viel Mitleid zu haben. In ihren Augen war das Zeit- und Energieverschwendung. Entweder die Verletzungen waren so schlimm, dass ohnehin erst mal nur gehandelt werden konnte, werden musste, oder sie waren eben nicht schlimm – und dann brauchte der Betreffende kein Mitleid. Mit fünf Brüdern aufzuwachsen härtete nicht nur ab, es führte auch dazu, dass sich solche Einstellungen formten.


    Die Germanin beobachtete weiter, was der Mann tat, wie er die Römerin mit der Phiole wach bekam, der ein so intensiver Geruch entströmte, dass sogar Siv ihn noch wahrnahm, wie er Verbände vorbereitete und schließlich zu nähen begann. Etwas verwundert fragte sie sich, warum er die Nadel in die Fackel gehalten hatte, aber sie schob den Gedanken weg und beschloss, später darüber zu grübeln. Fasziniert sah sie zu, wie der Medicus mit ruhigen Bewegungen die Nadel führte und die Wunde sich langsam schloss. So etwas kannte sie auch von zu Hause, aber sie hatte diese Prozedur noch nie selbst durchgeführt, hatte immer nur geholfen. Noch wäre sie nicht so weit, hatten die Heiler ihrer Sippe immer gesagt. Ihr fehlten die Ruhe, die Geduld, hatten sie gemeint, und gerade bei Wunden, bei denen es nötig war zu nähen, war das wichtiger als alles andere. Siv hatte bei sich immer nur gedacht, dass sie zwar nicht schön, aber doch ruhig nähen konnte, aber sie hatte nicht widersprochen. Immerhin durfte sie seit einiger Zeit Gelenke einrenken und gebrochene Knochen wieder gerade richten und schienen, jedenfalls wenn es ein glatter Bruch war. Die meisten in ihrer Heimat wussten wenigstens um die grundlegenden Handgriffe, wenn es ums Versorgen von Verletzten ging, vor allem die Frauen, aber Siv war eine der wenigen, der es nicht nur nichts ausmachte, bei so etwas dabei zu sein oder es gar selbst zu tun, sondern der es – bis zu einem gewissen Grad wenigstens – gefiel. Nicht dass sie Freude daran hatte, wenn andere Menschen Schmerzen litten; aber es faszinierte sie einfach zu sehen, wie der menschliche Körper funktionierte, was alles kaputt gehen konnte, und wie sehr man eingreifen konnte, zum Guten oder zum Schlechten.

  • Obwohl sie sich kaum kannten schien sich auch Decimus Mattiacus große Sorgen um sie zu machen. Oder waren seine sanfte Stimme und seine tröstenden Bemühungen nur Bestandteil seines Wesens als medicus und er behandelte jeden Patienten derart? Helena verlor sich in diesen unwichtigen Gedankengängen, denn so musste sie nicht an das denken was noch kommen würde. Ihr Blick huschte zwischen dem medicus und dem Verband hin und her. Mittlerweile hatte er einen Neuen angelegt, der recht eigentümlich nach Kräutern roch. Er wartete einen kurzen Moment und entfernte ihn dann wieder, doch die Blutung hatte kaum nachgelassen. Helena schloß die Augen und wandte den Kopf ab. Vielleicht war es zu viel erwartet gewesen, dass Decimuns Mattiacus ihr würde helfen können, auch wenn sie sich dan diese Hoffnung geklammert hatte.


    Dann jedoch sprach er davon nähen zu wollen. Helenas Kopf ruckte herum und ihre Augen weiteten sich angstvoll als sie an das dachte was ihr nun bevorstand. Doch selbst wenn sie versucht hätte das zu verhindern, hätte sie dazu keine Chance gehabt. Sie war immer noch an das Bett gebunden und Ursus hatte schon nach ihren Händen gegriffen, um sie eisern festzuhalten. Der medicus schob ihr ein Kantholz zwischen die Zähne und schon nach den ersten Stichen war sie froh darum. Ihre Zähne bohrten sich in das Holz, so kräftig, dass ihre Kiefermuskeln hervortraten und schnell zu schmerzen begannen. Ein unterdrücktes Stöhnen drang über ihre Lippen und diesmal waren es Ursus' Augen, an denen sie sich festsog. Sie brauchte etwas auf das sie sich konzentrieren konnte bis es vorbei war.


    Die Zeit schien viel langsamer zu vergehen als sonst. Der Schmerz war fast mehr als sie ertragen konnte und mehrfach konnte sie gerade noch verhindern aufzuschreien. Diese Blöße wollte sie sich nicht geben. An die Sklaven dachte sie dabei gar nicht. Es ging ihr eher um Ursus und Decimus Mattiacus und natürlich um Marcus. Ein Schrei würde ihn sicherlich wecken, wenn er nicht schon lange wach war. Dafür aber krallte sie sich mit ihrer gesunden Hand an Ursus fest und drückte seine mit aller Kraft zusammen. Die Übelkeit, die gerade erst verschwunden war kam mit Macht zurück. Helena spürte wie ihr der kalte Schweiß auf der Stirn stand und sie würgte ein paar Mal. Sie schmeckte Galle, doch noch konnte sie sich beherrschen. Sie durfte sich einfach nicht übergeben! Wohin denn auch? Das Laken verhinderte, dass sie sich auf die Seite drehen konnte und so würde sie höchstens sich selbst besudeln. Nein, dazu durfte es nicht kommen. Gut machst du das.... Ihr Blick huschte kurz zu Decimus Mattiacus, auf dem mittlerweile ebenfalls ihr Blut klebte. Sie nickte schwach und suchte dann wieder Ursus' Blick.

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  • "So......gleich geschafft." sagte Mattiacus. Zwei Drittel waren geschaft. Der Schnitt war zwar nicht so groß, aber es dauerte seine Zeit. Mattiacus wollte vorsichtig sein, um die schöne Aurelia nicht zu sehr zu verletzen.


    Mittlerweile hatte sich seine zuvor weiße Tunika auch ein wenig rot gefärbt. Nur der latus clavus strahlte noch gegen das Rot. Aber das war nun erstmal nebensächlich.


    Ein kleiner Stich noch und die Wunde würde vernäht sein.


    "Apollon und Asklepios sei dank." sagte er, als die Wunde endlich zugenäht war. Er sah, dass dicker Schweiß über Helenas Stirn lief. Er nahm einen der Verbandsstreifen, tauchte es in das Wasser und tupfte über ihre Stirn. Dabei entnahm er ihr auch das Beißholz.


    "Es ist vollbracht. Ich habe dich lange genug gequält." witzelte er. "Aber bitte, mach sowas nicht noch mal." sagte er sanft. Dabei umspielte ein freundliches, aufmunterndes Lächeln seinen Mund. Sie war wirklich aussergewöhnlich schön. Er hatte dies schon bei der Metrinalia bemerkt aber jetzt, wo sie hier vor ihm lag, erkannte er es deutlicher als zuvor.


    "Halt jetzt nochmal still, ich muss die Wunde wieder verbinden."


    Er nahm erneut das Verbandszeug und drappierte den Verband um das Handgelenkt. Zuvor wusch er ihr aber noch das Blut vom Arm.
    Er nahm wieder den Kräutermix von eben zu Hand, nur diesmal wieder frische Kräuter und legte sie zwischen Wunde und Verband.
    Als er damit fertig war, schloss er den Verband mit einer Klammer in Form einer Äskulap-Natter.


    "Damit auch Asklepios dir bei der Heilung hilft." erklärte Mattiacus.


    Im professionellen Ton eines medicus wandte er sich dann an die Umstehnden.


    "Sie hat viel Blut verloren. Damit sich wieder neues Blut bildet und die Säfte des Körpers wieder in Einklang kommen, muss sie viel Honig essen." Dabei schaute er kurz zu Helena.


    "Ihr Verband muss jeden Tag gewechselt werden. Dabei muss diese Paste" Mattiacus übergab den Tiegel mit der Alraunepaste Ursus, "auf die Wunde gestrichen werden. Das hilft bei der Wundheilung. Sie darf sich nicht zu viel bewegen, sonst reißt die Wunde auf und eine häßliche Narbe wird zurückbleiben. Die Granulation wird bei einem so kleinen, aber für den Körper schwer verträglchen Schnitt etwas dauern. Wenn ihr seht, dass das Fleisch um die Wunde wieder rosa ist, ruft ihr mich und ich werde dann die Fäden ziehen können."

  • Was für Qualen mußte sie ausstehen! Ursus hielt ihrem qualvollen Blick nur mit Mühe stand. Viel lieber hätte er ihr diese Schmerzen erspart. Doch sie waren nötig, um ihr Leben zu retten. "Du schaffst es, Helena", sagte er leise zu ihr. Gerne hätte er ihr den Schweiß von der Stirn getupft, doch er hatte keine Hand frei dafür. Dazu kam noch, daß sie mit ihrer gesunden Hand die seine so fest drückte, daß es sich fast anfühlte, als wollte sie sie zerquetschen. So hatte auch er seinen Teil an Schmerzen zu ertragen. Doch tapfer schluckte er jede Regung hinunter, konzentrierte sich ganz auf ihren Blick, der nur einmal kurz zu Mattiacus wechselte und dann wieder zu ihm zurückkehrte.


    Schließlich war die Wunde vernäht und der Medicus machte sich daran, ihr einen neuen Verband anzulegen, nachdem er ihr noch den Schweiß von der Stirn gewischt hatte. Ursus nahm dies zum Anlaß, die verletzte Hand loszulassen und dafür lieber sanft Helenas Wangen zu streicheln. "Es ist schon vorbei, siehst Du? Hast Du Durst, Helena? Siv hat einen Tee gemacht. Der wird Dir gewiß gut tun."


    Als sich Mattiacus dann an ihn wandte, mußte Ursus seinen Blick von Helena lösen. Doch ihre Hand hielt er noch immer. Er hatte ja nun die andere Hand frei, mit der er nach dem Tiegel griff, den er aber sogleich an Siv weiterreichte.


    "Ich danke Dir, Mattiacus, daß Du so schnell hergekommen bist, noch dazu mitten in der Nacht. Wir werden alles beachten und Dich rufen, wenn die Heilung so weit fortgeschritten ist, daß die Fäden gezogen werden können." Ohne Zweifel hatte Helena Mattiacus ihr Leben zu verdanken. Und dies würde Ursus ihm niemals vergessen, soviel war klar.


    "Danke nochmal." Ursus atmete tief durch. Erst jetzt fiel ein Teil der Anspannung von ihm ab. Das schlimmste schien überstanden, Helenas Leben zunächst gerettet. Jetzt mußte sie sich erholen. Und... ihr Leben wieder lieben lernen.


    "Siv? Du hast Dich heute wirklich bewährt. Ich danke auch Dir. Ohne Dich hätten wir das nie geschafft." Er sprach sehr langsam und deutlich, um sicherzugehen, daß sie ihn auch verstand. Sein Blick wanderte zu Cadhla. "Und auch Dir Dank dafür, daß Du den Medicus so schnell hierher geholt hast. Darf ich Dich noch bitten, dafür zu sorgen, daß er gut wieder nach Hause kommt?"


    Mit Siv hatte er noch einige weitere Dinge zu besprechen, doch das wollte er erst tun, wenn wieder etwas Ruhe eingekehrt war. Und dann stand ihm noch ein ganz anderes Gespräch bevor. Er mußte mit Corvinus sprechen. Und zwar, bevor ihm irgendwelcher Tratsch zu Ohren kam.

  • Er schickte sie weg, tatsächlich ... der Dank klang in den Augen der Keltin wie blanker Hohn, und sie wandte das Gesicht schnell ab, damit er die Wut in ihren Augen nicht sehen konnte, nickte nur stumm und schritt zur Türe, mit jenen federnden Schritten, die ihre vollkommene Wachheit und Aufmerksamkeit verrieten, um dort auf den Medicus zu warten, der inzwischen aussah, als sei er frisch von einem Schlachtfeld gekommen. So viel Blut in einer Existenz, die sich aufführte wie ein kleines Kind, dachte Cadhla verächtlich. Schwäche durfte jeder Mensch einmal zeigen, immer stark konnte niemand sein. Aber sich so gehen zu lassen, wo Helena doch alles hatte, was man sich als Mensch wünschen konnte - Reichtum, schönes Aussehen, die Freiheit, die Herkunft aus einer angesehenen Familie - das konnte die Kriegerin nicht verstehen, da sie ihr ganzes Leben lang für ihre Familie gekämpft hatte und oft genug einen Punkt erreicht hatte, an dem sie gedacht hatte, nicht mehr stark genug für die nächsten Schritte zu sein. An diesem Abend jedoch hatte sie erkannt, dass auch vorgebliches Glück einen Menschen nicht dazu bringen konnte, mit seinem Leben zufrieden zu sein, und begonnen, die Aurelierin mit Abscheu zu betrachten, da sie ihr Leid nicht selbst zu lösen versuchte, sondern lieber zu flüchten versuchte und nicht einmal das wirklich hinbekommen hatte. Dass Ursus sie nun auch noch aus dem Zimmer schickte ... es schmerzte. Es schmerzte sogar gewaltig, mehr, als sie sich eingestehen wollte.


    "Du wollen trinken und essen etwas?" fragte sie den Medicus, der ein bisschen abgekämpft aussah und sich nach der Arbeit eine kleine Pause weidlich verdient hatte - sie kannte das Gefühl gut, wenn die Spannung nachließ, wenn man wieder atmen und klar denken konnte, und dann erst merkte, dass man wirklich müde war, wenn der Rausch vorüber war. "Und wir müssen finden andere Sachen für Dich, Du aussehen wie nach Schlacht gegen ganzes Germanenvolk," fügte sie mit einem Blick auf die blutbesudelte Kleidung des Mattiacus an. Den Schmerz im Inneren versuchte sie einfach zu ignorieren, und am besten ging dies, wenn man etwas tat, irgendwas, und sei es nur die Sorge um einen Gast, der ein Leben gerettet hatte. Selbst wenn es ein wertloses, kindisches Leben war.

  • Siv sah dem Medicus zu bei dem, was er tat, beobachtete wie die Nadel in winzigen Abständen durch die Haut stach und die Wunde immer weiter geschlossen wurde, bis der Mann sich schließlich aufrichtete und die Nadel verstaute. Anschließend verband er das Handgelenk erneut, diesmal ohne Sivs zusammengerollten Gurt, der den Druck auf die Wunde hatte aufrecht erhalten sollen. Die Germanin kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe und grübelte darüber nach, ob sie das auch so hinbekommen hätte. Wenn man die Werkzeuge dafür hatte, konnte es doch eigentlich nicht so schwer sein… oder? Von seinen Worten abgelenkt hob sie den Kopf und sah ihn an, als er weitere Anweisungen gab, die Siv nur mit Mühe verstand. Aber der andere Römer war ja da und würde sich sicher merken, was weiter getan werden musste – und Siv hoffte, dass sie nicht sie es sein musste, die weiter damit betraut werden würde. Sie hatte nicht wirklich Lust, eine Römerin gesund zu pflegen, zum einen einfach deshalb, weil es eine Römerin war, zum anderen aber auch, weil Siv wusste, dass das nicht gut gehen konnte. Sie hatte ihre Art, mit Verletzten und Kranken umzugehen, und besonders sanft, zuvorkommend oder voller Mitleid war sie dabei nicht, jedenfalls nicht wenn sie es nicht für nötig hielt. Und bei dieser Römerin kam dazu, dass sie nicht einfach nur krank war, oder einen Unfall hatte, für den sie nichts konnte… Sie hatte versucht sich selbst umzubringen. Wenn sie das wirklich wollte, würde sie es wieder tun, und dann war alle Mühe ohnehin umsonst. Und wenn sie es nicht wirklich wollte, nun… Dann hätte sie erreicht, was sie wollte, wenn sie jede Menge Aufmerksamkeit bekam. Siv kannte sich damit aus, hatte sie doch selbst immer gern im Mittelpunkt gestanden – auch wenn sie niemals so etwas dafür getan hätte.


    Die Germanin hob den Kopf und sah Unsus an, als dieser ihr den Tiegel reichte, sich dann zunächst beim Arzt und darauf auch bei ihr und Cadhla bedankte. Sie verzog keine Miene, sondern nickte nur. Für sie war es selbstverständlich gewesen, was sie getan hatte, ob sie nun Sklavin war oder nicht; sie hatte die meiste Zeit gar nicht darüber nachgedacht, wem sie da gerade half. Aber er schien es nicht für selbstverständlich zu halten, und insgeheim wunderte sie sich darüber, dass er seinen Dank aussprach. Noch ein Römer, der Sklaven anders behandelte als sie es in ihrer Weltanschauung erwartete. Aber das kümmerte sie im Moment nicht weiter. Sie begann müde zu werden, jetzt, wo die Anspannung von ihr abfiel, und auf einmal wurde ihr unangenehm bewusst, wie blutbesudelt sie eigentlich war. Am Teich draußen, als sie den ersten Druckverband angelegt hatte, war sie über und über vollgespritzt worden, und sie sehnte sich danach, die Tunika loszuwerden und sich zu waschen, und danach, endlich, zu schlafen. Sie folgte Cadhla und dem Medicus mit Blicken, wie sie den Raum verließen, und wäre ihnen gerne nachgegangen, aber noch hatte sie den Tiegel, und noch hatte sie das Messer. Außerdem war sie sich sehr sicher, dass sie hier noch nicht fertig war. Es gab bestimmt irgendetwas, was die Römerin noch brauchte oder wollte, bevor sie endlich schlief. Davon abgesehen musste aufgeräumt werden. Also ging Siv zu der Kommode neben dem Bett und stellte den Tiegel darauf, und danach machte sie sich daran, die blutigen Stoffstreifen, den inzwischen wieder halb aufgerollten Gurt und die überzähligen Laken einzusammeln, die herumlagen. Dass die Römerin immer noch, wenn auch recht locker, festgebunden war, ignorierte sie für den Moment.

  • Zitat

    Original von Cadhla


    "Du wollen trinken und essen etwas?" . "Und wir müssen finden andere Sachen für Dich, Du aussehen wie nach Schlacht gegen ganzes Germanenvolk,"


    Erst als die Sklavin ihn darauf aufmerksam machte, erkannte auch Mattiacus, das seine Tunika völlig blutbesudelt war.


    "Oh, da hast du recht. Nur glaube ich, dass ich dann wohl auch einen Kopf kürzer wäre."


    Seine Kehle war auch trocken. Was essen wollte er erstmal nicht.


    "Ich trinke gerne etwas. Was ist mir eigentlich egal."

  • Als Cadhla den Arzt fragte, ob er etwas zu essen oder zu trinken wünschte, wurde sich Ursus seiner Pflichten als Gastgeber erst so richtig bewußt. Die ganze Aufregung und der Streß um Helena hatten ihn diese wichtigen Dinge ganz vergessen lassen. Daher ging er noch ein paar Schritte hinter den beiden hinterher. "Du kannst natürlich auch gerne hier übernachten, Mattiacus. Ein Zimmer ist schnell hergerichtet. - Und Cadhla, gib ihm etwas von meiner Kleidung, es müßte ja einigermaßen passen."


    Daß er Cadhla damit verletzte, daß er sie schickte, um den Medicus zu begleiten und sich um ihn zu kümmern, bemerkte Ursus nicht im geringsten. Für ihn galt es nun, alles nötige zu organisieren. Und da Siv offensichtlich über medizinische Kenntnisse verfügte, hielt er sie für am geeignetsten, sich um Helena zu kümmern. Doch auch Mattiacus hatte es nach seinen Mühen und Aufwendungen verdient, daß er versorgt und nach Hause geleitet wurde - oder eben einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt bekam. Cadhla war hier. Und sie war zuverlässig. Also lag es nahe, diese Aufgabe ihr anzuvertrauen.

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