cubiculum Aurelia Helena | Rettungsversuch

  • Helenas Atem ging mittlerweile schneller, so sehr musste sie sich anstrengen, um keinen Ton von sich zu geben. Noch immer klammerte sie sich an Ursus' besorgten Blick. Er hatte wunderbare braune Augen. Das war ihr bisher noch nie aufgefallen. Mittlerweile spürte sie die einzelnen Stiche gar nicht mehr. Ihr ganzer Arm schien nur noch aus Schmerzen zu bestehen. In ihrem bisherigen Leben hatte sie noch nie viel Schmerz erdulden müssen. Es war eine neue Erfahrung für sie und deswegen kaum auszuhalten. Was Decimus Mattiacus sagte hörte sie gar nicht. In ihrem Denken war momentan nur Platz für Ursus. Sein Blick und seine beruhigenden Worte halfen ihr dem Schmerz nicht nachzugeben. Das sie dabei seine Hand maltretierte bekam sie überhaupt nicht mit.


    Schließlich war es vorbei. Der Schmerz war zwar immer noch da, doch sie spürte, wie der medicus die Nadel beiseite legte und einen neuen Verband um das Handgelenk legte. Helena spuckte das Kantholz aus und holte tief Luft. Ihr Gesicht und das Kissen auf dem sie lag waren nass von ihren Tränen, aber sie war am Leben. Und wie es aussah würde sie das auch bleiben. Das Gespräch zwischen Ursus und Decimus Mattiacus bekam sie nur am Rande mit. Ihr Blick war auf den Verband gerichtet, den eine Äskulap-Natter zierte. Nur langsam beruhigte sich ihr Atem wieder. Doch je ruhiger sie wurde, desto schneller kam auch die Müdigkeit zurück. Sie fühlte sich plötzlich so unheimlich erschöpft und ausgelaugt. Decimus Mattiacus hatte sich mittlerweile von ihrem Bett entfernt und schien das Zimmer verlassen zu wollen. Helena räusperte sich kurz und wandte dann den Kopf, um ihn sehen zu können.


    "Ich danke dir! Ich weiß gar nicht...Wenn du nicht gewesen wärst...Sehen wir uns wieder?"


    Es schien ihr unheimlich wichtig, dass sie noch einmal aufeinander trafen, wenn es ihr wieder ein wenig besser ging. Sie wollte nicht, dass er das Gefühl hatte sie wäre verrückt. Aus irgendeinem Grund wollte sie, dass er sie verstand. Dann jedoch schaltete sich Cadhla ein, so dass Decimus Mattiacus einen Moment abgelenkt war. Helena wandte erneut den Kopf und sah zur Decke hinauf. Sie wollte Ruhe! Die ganzen Stimmen schienen plötzlich unangenehm auf sie einzudringen. Es hatte den Vorteil, dass es ihr so unmöglich war nachzudenken, was momentan wahrscheinlich nicht sonderlich gut gewesen wäre. Aber sie war so müde! Helena zog die Beine an den Körper und versuchte sich auf die Seite zu drehen. Aber etwas hinderte sie daran. Sie war immernoch festgebunden. Helena sah zu Ursus, der auch jetzt noch ihre Hand hielt und lächelte schwach.


    "Könntest du vielleicht....Ich versprech dir auch jetzt keinen Unsinn mehr zu machen."

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Zitat

    Original von Aurelia Helena


    "Ich danke dir! Ich weiß gar nicht...Wenn du nicht gewesen wärst...Sehen wir uns wieder?"


    Mattiacus war gerade im Begriff, der Sklavin zu folgen, als Ursus ihm das Angebot machte, im Hause der Aurelier zu übernachten. Aber erstmal trat er wieder zu Helena.


    "Natürlich können wir uns wieder sehen. Ich habe dir sehr gerne geholfen. Ich bin froh, dass Ursus mich gerufen hat, um dir beizustehen." sagte er und er musste dabei in ihre Augen schauen. Ein flaues Gefühl beschlich ihn auf einmal. Er hatte hier mehr als nur seine Pflicht getan.


    Dann wandte er sich wieder an Ursus.


    "Ich nehme dein Angebot gerne an. Es ist schon spät und nachts möchte ich nicht unbedingt durch die Straßen Roms laufen."


    Aufeinmal fühlte Mattiacus sich sehr müde.

  • Als der Medicus erklärte, gerne hier schlafen zu wollen, wandte sich Ursus zunächst noch einmal an Cadhla. "Sei so gut und weck Caelyn. Sie soll für Mattiacus schnell ein Zimmer herrichten, während Du ihm etwas zu trinken und einen kleinen Imbiß holst. Sag ihr, daß sie sich bitte auch morgen um ihn kümmern soll und mich braucht sie ausnahmsweise nicht zu wecken. Und danach... es könnte sein, daß ich Dich nochmal brauche." Er blickte sie ernst an, denn vielleicht würde sie wirklich noch gebraucht, wenn Corvinus erfuhr, was vorgefallen war.


    "Du bist uns herzlich willkommen, Mattiacus. Ein paar Minuten wird es allerdings dauern, bis das Zimmer bereit ist. Wenn Du Dich bis dahin schon mal waschen möchtest? Siv, führe ihn doch bitte in mein Zimmer, da steht ja eine Waschschüssel bereit. Und da findest Du auch eine saubere Tunika für ihn." Wieder sprach er betont langsam zu der Germanin, da ihre Sprachkenntnisse ja noch gering waren. "Und dann kommst Du wieder hierher, Siv." Er mußte dann ja unbedingt noch besprechen, wie es mit Helenas Pflege weitergehen sollte.


    In der Hoffnung, daß damit alles nötige veranlaßt war, widmete Ursus sich wieder Helena. "Dann vertraue ich Deinem Versprechen, Helena", antwortete er ernst auf ihre Bitte, die wohl die Fesselung betraf. Sie war eine Patrizierin und würde ihr Wort gewiß nicht brechen. Er löste den Knoten und befreite Helena so von dieser demütigenden Bewegungseinschränkung. "Möchtest Du etwas Tee?", fragte er abermals, denn auf diese Frage hatte sie nicht geantwortet. Der Stoffstreifen, der sie niedergehalten hatte, war nun entfernt. Er warf es achtlos zur Seite. "Und vielleicht sollten wir das Kissen umdrehen? Es ist ja ganz feucht." Sanft streichelte er ihre Hand. "Und dann versuchst Du zu schlafen, ja?"

  • Wie sie schon vermutet hatte, war sie hier noch nicht fertig. Noch während sie die verschiedenen Stoffstreifen und Laken einsammelte, kamen Cadhla und der Medicus, die schon fast zur Tür hinaus waren, doch noch einmal zurück, und auch wenn Siv nur Wortfetzen von dem folgenden Gespräch verstand, ahnte sie doch, dass es für sie eigentlich nur mehr Arbeit bedeuten konnte. Mit einem lautlosen Seufzen verabschiedete sich die Germanin innerlich schon von jeglichem Gedanken an noch etwas Schlaf diese Nacht, bevor der Römer sich Cadhla und ihr zuwandte. Was sagte er? Siv stellte fest, dass es ihr zunehmend schwer fiel, sich zu konzentrieren, aber sie verstand genug, um zu ahnen, was der Römer wollte – oder zumindest hoffte sie das. Mit einem Nicken legte sie die Sachen beiseite, die sie angefangen hatte aufzuräumen, und ging zur Tür. "Du folgen, bitte," meinte sie zu dem Medicus. Etwas höflicheres brachte sie nicht zustande, selbst wenn sie gewollt hätte. Im Gang wartete sie auf ihn, um ihm dann den Weg zu zeigen.


    Wieder in den Räumen der Römerin zurück stellte Siv mit einem leichten Stirnrunzeln fest, dass die Streifen, die diese am Bett gehalten hatten, gelöst waren. Sie wusste nicht so recht, ob das klug war, aber auf der anderen Seite machte die Römerin inzwischen zumindest den Eindruck, als ob sie zu erschöpft war, um noch einmal so etwas Dummes wie zuvor anzustellen. Die Germanin zuckte also nur mit den Achseln und hob die Laken auf, die auf den Boden geworfen worden waren, um sie auf den Stapel zu häufen, den sie bereits begonnen hatte.

  • Cadhla nickte kaum merklich, als Ursus dann doch noch einmal das Wort an sie richtete, bevor sie den Raum verlassen konnte - aber doch besänftigte dies kaum den Sturm in ihrem Inneren. Nicht die Wut, nicht dass Gefühl, zurückgesetzt worden zu sein, nicht die Ohnmacht, in einer solchen Sitation im Grunde ein Gesicht unter vielen zu sein. Sie war stolz, die keltische Kriegerin, und sie würde immer stolz sein, dieser ganze Aufstand um eine verweichlichte und verwöhnte junge Römerin, die anscheinend keinerlei Ehre besaß, widerte sie inzwischen nur noch an. Schwache Frauen waren in dieser Welt fehl am Platz, und hätte man die Aurelierin arbeiten lassen, wie es in jeder Sippe für jede Frau ihren Talenten entsprechend üblich war, dann wäre sie sicherlich nie auf solche dummen Gedanken gekommen. Müßiggang verwirrte die Geister, und um so eine Verwirrung schien es sich hier sicherlich zu handeln.
    So drehte sie sich nur wortlos um und schritt den dunklen Korridor entlang, um Caelyn zu wecken, die sicherlich noch im Sklavenschlafraum der Frauen gemütlich vor sich hin träumte - eigentlich beneidenswert, ihr konnten solche Kränkungen nicht widerfahren.

  • Scheinbar hatte Decimus Mattiacus ihre Worte doch gehört, denn nachdem er ein paar Worte an Cadhla gerichtet hatte kam er zu ihr ans Bett. Helena lächelte zu ihm hoch und wurde sich dann erst bewusst, wie sie aussehen musste. Sicherlich klebte auch an ihr das Blut, sie war gefesselt und bleich wie eine Tote. Glücklicherweise lag die Decke wenigstens so, dass ihr nackter Körper vollständig bedeckt war. Seine Worte klangen freundlich und er schien jedes Wort ernst zu meinen. Helena fühlte wie sie sich ein wenig entspannte. Was auch immer er über sie und über das was sie getan hatte dachte, es hinderte ihn nicht daran sie wiedersehen zu wollen. Bevor sie allerdings reagieren konnte drehte er sich schon wieder um und wandte sich an Ursus. Helena's Blick blieb einen Moment an seinem Rücken hängen, bevor sie leise seufzte und für einen Moment die Augen schloß.


    Erst als sie spürte wie Ursus begann die Fesseln zu lösen öffnete sie die Augen wieder und lächelte dankbar zu ihm auf. Obwohl der Stoffstreifen ihre Atmung nicht behindert hatte, hatte sie sofort das Gefühl als würde sie nun freier atmen können. Als Ursus ihr erneut Tee anbot nickte sie leicht und richtete sich dann vorsichtig auf. Ein leichter Schwindel machte sich bemerkbar, aber es war auszuhalten und so nahm sie den Becher entgegen, den Ursus ihr reichte. Der Tee war mittlerweile eiskalt und schmeckte einfach nur widerlich. Noch nicht mal Teekochen konnte diese Sklavin! Aber es war etwas zu trinken und Helena leerte fast den ganzen Becher, bevor sie ihn wieder absetzte. Sie hatte furchtbaren Durst, doch sie durfte es nicht übertreiben, denn ihr Magen fing schon jetzt an mißmutig zu grummeln. Sie hatte ihrem Körper für heute genug zugemutet.


    Ursus hatte in der Zwischenzeit das Kissen herumgedreht. Als Helena sich wieder hinlegte fühlte sie sich vollkommen erschöpft. Es fiel ihr immer schwere die Augen offen zu halten. Decimus Mattiacus hatte das Zimmer mittlerweile verlassen, zusammen mit Cadhla und Helena genoß einen Moment die Ruhe. Sie wollte nur noch schlafen. Kurz hob sie noch einmal den Kopf und griff nach Ursus's Arm.


    "Ich danke dir! Und es tut mir leid!"


    Sie hätte noch so viel mehr sagen können und das würde sie auch, aber nicht jetzt. Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, von einem sinnvollen Gespräch einmal abgesehen. Sie ließ die Hand wieder sinken und drehte sich dann herum, so dass sie mit dem Rücken zum Zimmer lag. Die Steine sorgten dafür, dass ihr immer noch warm war. Ihre verletzte Hand lag neben ihr auf Augenhöhe und während sie den Verband musterte schlief sie langsam ein.

    teeeeeeeeeeeeeeeeeeeessssssssssssssssssssssssttttttttttttttttttt

  • Vorsichtig stützte Ursus sie, als sie von dem Tee trank. Anscheinend schmeckte er nicht sonderlich gut, doch wenigstens trank sie ihn trotzdem. Flüssigkeit war jetzt sehr wichtig, im Grunde konnte sie gar nicht genug trinken. Doch er wollte sie nicht drängen. Nicht jetzt.


    Als sie sich sichtlich erschöpft zurücklegte und nach seinem Arm griff, lächelte er sie an und streichelte leicht ihre Stirn. Auf ihre Worte hin schüttelte er leicht den Kopf. "Es ist schon gut. Ich bin einfach nur froh, daß Du lebst. Schlaf... schlaf Dich gesund, Helena."


    Er streichelte sie sanft weiter, bis sie schließlich eingeschlafen war. Ihre regelmäßigen Atemzüge und ihr nun endlich entspannter Gesichtsausdruck ließen da keinen Zweifel dran.


    Sorgsam darauf bedacht, sie nicht gleich wieder zu wecken, zog er den Arm langsam weg. Erst jetzt wandte er sich an Siv, die derweil fleißig und unermüdlch das Zimmer aufgeräumt hatte.


    Er sprach leise, in Rücksicht auf die Schlafende, und lächelte auch die Sklavin freundlich an. "Siv... Ich weiß gar nicht, wie ich Dir danken soll. Und doch... möchte ich Dich bitten, Helenas Pflege zu übernehmen. Du mußt das natürlich nicht allein tun. Auch Du brauchst Schlaf und Erholung. Nimm Dir zur Hilfe, wen immer Du brauchst. Und wenn es Probleme gibt, dann... wende Dich an Corvinus oder an mich. - Kann ich mich auf Dich verlassen?" Hoffentlich war sie nicht zu müde dafür. Auch sie hatte ja in dieser Nacht anscheinend gar nicht oder wenn, dann nur wenig geschlafen. "Ich werde jeden Tag mindestens einmal herkommen und nach ihr sehen."


    Er war schon versucht, Siv zu sagen, daß sie Corvinus nicht zu Helena lassen sollte. Doch er konnte es sich gerade noch verkneifen. Das wäre nicht richtig. Siv war das Eigentum von Corvinus und sie konnte und durfte sich nicht gegen ihren Herrn stellen. Ursus mußte also einfach darauf vertrauen, daß sein Onkel genug Verstand hatte, um nicht zu früh hier aufzutauchen.

  • Während Siv im Zimmer herumräumte, behielt sie die Römerin im Auge. Aber die schien, endlich, zu erschöpft zu sein, um noch eine Dummheit anzustellen. Sie hörte, wie sie sagte, dass es ihr leid tue, und die Germanin runzelte die Stirn. Was tat ihr leid, dass sie versucht hatte sich umzubringen? Dass es ihr nicht gelungen war? Dass sie ihnen Mühe machte? Siv hatte keine Ahnung, was im Kopf der Römerin vorgehen mochte, und es war ihr im Moment eigentlich auch egal. Wichtig war dass sie Ruhe bekam und sich erholte. Nicht dass Siv sich wirklich für die ungefähr Gleichaltrige und deren Wohlergehen interessierte, aber sie war nun mal hineingezogen worden, und die Römerin war – auch wenn sich nun, wo sie darüber nachdenken konnte, alles in ihr dagegen sträubte – zu einem Pflegefall geworden, ihrem Pflegefall. Die Götter hatten dafür gesorgt, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war, um Unsus helfen zu können, und Siv war nicht so dumm, solche Zeichen zu missachten, auch wenn sie selbst eher darüber fluchen wollte, dass sie ausgerechnet in dieser Nacht draußen geschlafen hatte. Und sie hatte etwas dagegen, wenn Menschen dann doch noch starben, um die sie sich gekümmert hatte, schon allein wegen dem Aufwand, den sie investiert hatte.


    Es dauerte nicht lange, bis die Verletzte eingeschlafen war, und der Römer löste sich von ihr und wandte sich nun der Germanin zu. Siv unterdrückte ein Seufzen, als sie seine Worte hörte, und nickte nur ergeben. Sie hatte ohnehin schon geahnt, dass sie in dieser Nacht kaum noch Schlaf finden würde. Sie fragte sich nur, was mit ihren übrigen Aufgaben war, ob die anderen Sklaven das genauso sehen würden, dass sie nach einer Nacht ohne Schlaf und der Pflege der Römerin nicht alles machen konnte. Oder hatte der Römer gemeint, dass sie die ganze Zeit hier bleiben sollte? Siv konnte sich gerade noch davon abhalten, bei diesem Gedanken die Augen zu verdrehen. "Ja, ich bleibe." Ihr Blick fiel zu dem Tiegel, den der Arzt da gelassen hatte, und sie wies darauf. "Ich nicht… nicht verstehen, was Medicus sagen, vorher. Was… was tun, damit?"

  • Ursus zeigte auf den Verband an Helenas Hand. "Der Verband muß jeden Tag neu gemacht werden", sagte er langsam und deutlich. "Und diese Salbe soll auf die Wunde." Er unterstrich seine Worte mit entsprechenden Gesten, um sicher zu gehen, daß sie ihn verstand.


    "Sie muß viel Honig zu sich nehmen. Und darf sich nicht viel bewegen." Das sollten alle Anweisungen gewesen sein. "Mach nicht alles allein. Und schlaf auch mal. Such jemanden aus, der Dir hilft. Ihr seid dann erst einmal nur für Helena zuständig. Cadhla wird es den anderen sagen."


    Er wartete noch ab, ob sie ihn auch wirklich verstanden hatte, doch das schien tatsächlich der Fall zu sein. Daher stand er nun auf und verließ den Raum.


    Draußen im Gang blickte er sich um. Eigentlich mußte Cadhla hier noch irgendwo sein.

  • Siv nickte bei den Anweisungen des Römers. Da er recht langsam sprach, einfache Worte wählte und dazu Gesten machte, begriff sie sofort, was er meinte. Auch den Rest konnte sie weit genug nachvollziehen, um zu verstehen, was er sagen wollte. "In Ordnung." Für einen Moment war sie versucht zu fragen, wie sie jemandem Bescheid sagen sollte ihr zu helfen, wenn sie auf die Römerin aufpassen sollte, aber das war purer Trotz, und sie wusste es auch. Selbst gegenüber einem Römer und so müde wie sie war wäre es ihr kindisch vorgekommen, das zu sagen. Es würde keine Rolle spielen, wenn sie die Römerin kurz alleine ließ.


    Als der Römer den Raum verlassen hatte, seufzte Siv leise und räumte auch noch den Rest weg, der herumlag. Die benutzten Laken und Stoffreste stapelte sie neben der Tür, sie würde sie später wegbringen. Dann trat sie zu der Römerin ans Bett, zog die Decken zurecht, brachte die Steine um ihren Körper in eine neue Position und hob ihr verletztes Handgelenk mit einer erstaunlichen Sanftheit an – die sie vermutlich nicht an den Tag gelegt hätte, wäre die Römerin wach gewesen –, um ein kleineres Kissen darunter zu legen. Wenn die Wunde erhöht lag, wurde der Blutfluss langsamer und Druck, der auf der Naht lastete, geringer, und das würde die Heilungschancen erhöhen. Danach ließ sie sich müde auf einen Stuhl neben dem Bett sinken. Draußen ging bereits die Sonne auf, und Siv versuchte sich daran zu erinnern, wie viel sie geschlafen hatte in der Nacht – es konnte nicht wirklich viel gewesen sein. Sie musterte die Gestalt der Aureliern, die ruhig in ihrem Bett lag, und dachte noch daran, dass sie sich endlich waschen und die blutverschmierten Sachen loswerden musste, aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen aufzustehen. Ihre Augenlider wurden immer schwerer, und bevor sie etwas dagegen tun konnte, waren sie ganz zugefallen. Ihr Kopf sank zur Seite, und sie schlief in dem Stuhl ein.

  • Nachdem sie Caelyn geweckt und ihr den Auftrag ihres Herrn genannt hatte, war Cadhla nur noch sehr langsam unterwegs gewesen. Sie hatte zum ersten Mal, seit sie in der villa Aurelia unterwegs gewesen war, einen solchen Unwillen, einen Befehl auszuführen, dass sie unweigerlich nur noch durch die Gänge schlenderte. Wahrscheinlich wollte Ursus ihr ohnehin nur noch irgendeine weitere Aufgabe wegen Helena aufhalsen, und hielt dann den Rest der Nacht an ihrem Bett sitzend Händchen - genau so stellte sie es sich vor, und der Gedanke allein ließ sie schon die Lippen fest aufeinander pressen. So viel Zorn hätte sie in sich selbst nicht einmal vermutet, von der Eifersucht ganz zu schweigen, und das auf eine dumme, junge Frau, die nicht sanderes in ihrem Leben jemals hatte tun müssen als vom Reichtum ihrer Eltern zu profitieren. Aber die unbestreitbare Tatsache ließ sich nicht leugnen, je mehr Schritte sie machte, desto näher kam sie dem unerwünschten Ziel, sie hätte nur stehenbleiben können, oder umkehren, um dem zu entgehen - und gerade, als sie dachte, sie sollte dies tun, hatte sie den Gang zu Helenas cubiculum erreicht und sah Ursus dort stehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr, und so schritt sie auf ihn zu, etwas schneller nun, blickte ihn nicht an und sagte: "Du brauchen noch etwas, dominus?"

  • Ursus hatte sich erschöpft mit dem Rücken an die Wand gelehnt und darüber nachgedacht, ob er zu Corvinus gehen sollte, ohne mit Cadhla zu sprechen. Wenn er noch lange hier stand, würde er jetzt und hier einschlafen.


    Doch da kam sie dann doch um die Ecke und ... blickte ihn nicht einmal an. Nur diese unpersönliche Frage. Als hätten sie nie... Allein das Wort dominus traf ihn wie ein heftiger Schlag. Hart und grausam. Durch den Streß der letzten Stunden noch härter als es sonst der Fall wäre. "Cadhla... was... was hast Du?" Er schloß einen Moment die Augen. Hatte er etwas gesagt, was sie hätte verletzen können? Er konnte sich nicht erinnern. So viel war geschehen. So viel war gesagt worden. So viel hatte getan werden müssen.


    "Habe... habe ich Dich mit irgendetwas verletzt?" Er blickte sie bittend an. Was immer er falsch gemacht hatte, er hatte es sicher nicht getan, um ihr weh zu tun.


    Langsam hob er seine Hand, schmutzig und blutig wie sie war, und streichelte damit sanft über ihre Wange.

  • Sie wollte ihn jetzt nicht anblicken, er sollte den verletzten und enttäuschten Zorn in ihren Augen nicht sehen und schon gar nicht, dass es sie überhaupt bewegte, was geschehen war. Mehr als sonst war ihr bewusst geworden, wie wenig sie in dieser Welt der Römer wirklich Platz hatte, in dieser Welt der wohlerzogenen jungen Männer mit den weichen Händen, den ob ihres leeren Lebens verzweifelten jungen Frauen, die ansonsten doch alles hatten ... nein, wo sollte sie dabei schon sehen, wohin sollte sie darin gehören, wenn nicht als Sklavin? Ebenso, wie es in seinem Leben an seiner Seite keinen Platz geben würde.
    "Ich nur müde," sagte sie schlicht und sah beharrlich auf den Boden. Mehr konnte sie nicht sagen, ohne zu lügen, und die Lüge war ihrem Wesen ebenso fremd wie allzu viel zärtliche Narreteien, die man dem Objekt der eigenen Gefühle gern im Überschwang ins Ohr flüstern mochte. Als er sie mit seiner Hand berührte, schrie in ihr alles danach, diese Liebkosung auszukosten, zu selten hatte sie jemand so berührt, und Ursus sah sie noch seltener, solche Augenblicke waren kostbar - doch sie wich aus, zuckte geradezu zurück und flüsterte: "Wenn jetzt jemand sehen ... Du nicht tun!"

  • Ursus ließ seine Hand langsam sinken. Er war auch müde. Das hinderte ihn nicht daran, sie anzusehen. "Wer sollte es sehen?", fragte er. Doch er wußte selbst, diese Frage war müßig.


    "Was immer... ich getan habe. Es tut mir leid", sagte er müde und stieß sich von der Wand ab. Eigentlich hatte er sie noch um etwas bitten wollen. Doch das erschien ihm jetzt irgendwie falsch. "Siv bleibt bei Helena. Es... es wäre nett, wenn Du die anderen später darüber informieren würdest, damit sie keinen Ärger bekommt. Ich habe ihr auch gesagt, daß sie sich jemanden zur Hilfe holen soll."


    Er schloß einen Moment lang die Augen. "Ich muß jetzt noch zu Corvinus gehen." Er hob die Hand doch wieder und streifte sanft ihren Arm. "Geh nur ins Bett. Ich habe Dich lange genug aufgehalten. Schlaf gut, Cadhla."


    Am liebsten hätte er sie einfach in seine Arme gezogen und geküßt. Wie sehr er sich danach sehnte, ihre Lippen zu schmecken, ihre Liebkkosungen zu spüren und einfach zu wissen, daß es doch einen Menschen gab, der ihn einfach um seiner selbst willen liebte.

  • "Ich gehen an Morgen zu Siv und helfen ihr. Sie sicher auch müde und ich brauchen weniger Schlaf," sagte Cadhla und hielt beharrlich den Blick auf den Boden gerichtet. Was sollte sie jetzt noch sagen? Was tun? Ursus machte sie auf eine seltsame Weise hilflos, nicht ohnmächtig hilflos, aber doch hilflos, das alles war zu neu, um sich nicht in einem Strudel ihrer Gefühle zu verlieren, wann immer sie ihn sah. Eifersucht, plötzlich der aufkeimende Wunsch, ihn einfach nur zu umarmen und für einen Moment lang seine tröstliche Nähe zu fühlen, einfach nur einige Augenblicke, in denen er nur ihr gehörte und die Welt darum herum egal wurde ... aber sie konnte es ihm nicht sagen, konnte nichts tun, nicht einmal nicken oder lächeln.


    Unfähig, aus dem Kokon ihrer anerzogenen Gefühlsunterdrückung herauszubrechen, antwortete sie fast tonlos auf seinen Nachtgruß: "Gute Nacht, dominus. Ich Dir wünschen ruhigen Schlaf." Schlaf, den sie nicht mehr finden würde, nicht nach dieser Begegnung, nicht in den nächsten Tagen - die Augen kniff sie zusammen, um die jäh emporsteigenden Tränen zu unterdrücken, und wandte sich so harsch um, als hätte er sie beleidigt, um dann eiligen Schritts den gang entlang zu gehen, zu ihrer eigenen kleinen Kammer in der Nähe des cubiculums ihres Herrn, der jetzt eine Nachricht erhalten würde, die ihn sicherlich nicht freuen würde.

  • Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als sie ihn wieder mit dominus ansprach. Und dann einfach davonlief. "Cadhla", flüsterte er ihr hinterher und es klang so sehnsüchtig, daß es ihn selbst erschreckte.


    Wieder war er allein. Irgendetwas hatte er falsch gemacht, soviel war klar. Doch was? Wie sollte er etwas wieder gutmachen, wenn er nicht wußte, was es war?


    Müde schloß er die Augen, lehnte sich noch einen Moment an die Wand, um Kraft zu schöpfen für die nächste Aufgabe. Dann gab er sich einen Ruck und ging zum Zimmer seines Onkels.


    Eine verrückte, finstere Nacht voller Unheil war dies....

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