Arbeitszimmer | Liebe lieber ungewöhnlich

  • Irgendwo im Hause tippelten rasche Schritte über den Flur, verloren sich im dumpfen Hall einer sich schließenden Türe, aus einer anderen Ecke drang ein fernes, leises Klopfen, womöglich aus der culina, doch dort, wo Gracchus vor der Türe stehen blieb, hielt Stille die Luft umfangen. Mit einem Blick zur Seite hin vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, auch kein Sklave, dann blieben seine Augen an der Maserung des dunklen Holzes vor ihm hängen. Feine, dünne Linien zogen sich über die Türe hinweg, wie das füllige, dunkle Haar einer Nymphe wallten sie über die Flächen von Oben herab, bildeten an manchen Stellen kleine Wellen und Wirbel. Die kleinen Defizite im Anblick der Ordnung gereichten dazu, Gracchus' Gemüt in beinah euthymische Ruhe zu versetzen, dämpften ein wenig die Nervosität, welche von ihm hatte Besitz ergriffen, seit er den ungeheuerlichen Plan hatte gefasst, Caius aufzusuchen. Dennoch ein wenig zögerlich streckte seine Hand sich nach vorn, um an der Türe zu klopfen, hatte sich schon beinahe wieder zurück gezogen, als er erneut sie vor schob, um noch einmal zu klopfen, in Furcht, sein Vetter könnte ihn nicht gehört haben. Herzschläge der Ungeduld, des Zauderns verstrichen, beinahe schon war Gracchus gewillt, sich abzuwenden, Aquilius an anderem Ort zu suchen - obgleich er gänzlich sicher war, ihn hier und nur hier vorzufinden -, als endlich ein leises, unscheinbares Knarzen vom Öffnen der Türe kündete. Ein Sklave blickte durch den entstehenden Spalt, einer jener etwas besseren, welche des Lesens mächtig waren und welchen man nach getaner Arbeit durchaus die Überbringung eines wichtigen Schriftstückes konnte anvertrauen. Als jener Sklave des Anblickes Gracchus' gewahr wurde, zog er die Türe auf und meldete durch Nennung der Verwandtschaftsbeziehung und seines Namens Aquilius den Besucher an. Gracchus indes wartete nicht darauf, dass sein Vetter sein Einverständnis gab, er schob sich durch die Türe und nickte am Sklaven vorbei nach draußen.
    "Gehe hinaus."
    Kurz zögerte er, ob eine Erklärung notwendig war, dem Sklaven eine Lüge über wichtige Familienangelegenheiten mitzugeben, doch er entschied sich dagegen. Vor Sklaven hatte Gracchus niemals seine Beweggründe legitimiert, nun damit zu beginnen, würde vermutlich nur Misstrauen erwecken, zudem war Aquilius sein Vetter und bester Freund - abgesehen von ihrer innigen Beziehung, welche weit darüber hinaus ging, doch niemandem sonst außer ihnen bekannt war - so dass es nichts Verwerfliches daran gab, ihn in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen. Der Sklave ließ ihm keine Zeit, die Entscheidung zu revidieren, denn er war bereits durch die Türe hindurch und hatte sie hinter sich geschlossen. Gracchus blickte ihm hernach, einige Herzschläge lang auf die geschlossene Türe, ehe er umsichtig den schmalen Riegel vorschob und sich sodann zu seinem Vetter hin umdrehte. Kein Wort drang aus seiner Kehle, doch mit seinen Blicken war er bereits dabei, Aquilius von dem hinderlichen Stoff zu befreien, welcher dessen Körper überflüssigerweise umgab, ehe er sich zusammen riss, kurz den Kopf schüttelte und nur noch ein gieriges Lächeln seine Lippen kräuselte.
    "Ich hoffe, du kannst ein wenig Zeit für mich erübrigen, Caius? Ungern nur möchte ich dich von dringlichen Pflichten abhalten, hingegen um überflüssige Pflichten soll es schade nicht sein."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Aktenarbeit war niemals meine besondere Passion gewesen und würde es höchstwahrscheinlich auch niemals werden, dafür dauerte es mich viel zu schnell, mich mit unumstößlichen Fakten beschäftigen zu müssen und nicht planen zu können, oder neues imaginieren. Wo ein verlässlicher Mann ohne Phantasie sicherlich Wunder hätte wirken können, fühlte ich mich zutiefst fehl am Platze und langweilte mich schon während der Arbeit unendlich. Aber es musste erledigt werden und während ich Akte für Akte durchackerte, konnten meine Gedanken in den Augenblicken schweifen, die der Sklave brauchte, um meine Anweisungen zu notieren. Er war schnell und geschickt, und da Lucanus gerade absent war, wohl um seinen anderen Pflichten nachzugehen, hatte ich mir darob beholfen. Bereut hatte ich die Entscheidung indes nicht, und so war der Aktenstapel schon recht weit abgearbeitet, als mir Grachus' Nahen angekündigt wurde und er wenige Augenblicke später mein Arbeitszimmer betrat. Er hatte auf die toga verzichtet, wohl war er schon eine Weile länger in der villa als ich, und sah lebendig aus wie die letzten Tage nicht. Aber schätzungsweise plagten ihn derzeit auch nicht zu viele Sorgen auf einem Haufen, im Gegensatz zu mir.


    Als er die Tür hinter sich verriegelte, hob ich beide Brauen. Das war nun wirklich neu und überraschend, und ich hatte damit absolut auch nicht gerechnet. Es passte im Grunde nicht zu dem Gracchus, den ich bisher kennengelernt hatte, der sich stets im Griff hatte, der sich alles versagte, was in irgendeiner Weise hätte Freude machen können ... aber seit unserer ersten gemeinsamen Nacht als Liebende schien sich etwas verändert zu haben an ihm, und entweder stand mir nun ein ausgesprochen ernstes Gespräch über Probleme bevor, oder der Gedanke an etwas, das mir unwillkürlich das Herz schneller schlagen ließ.
    "Du hältst mich nicht von etwas wirklich wichtigem ab, Vetter, mache Dir darum keine Gedanken - diese Akten werden wohl auch noch geduldig ein Jahrzehnt auf einen armen Verrückten warten, der sie bearbeitet, wenn ich es nicht selbst erledige." Gemächlich legte ich die schmuckvolle Feder beiseite, die Corvinus' Saturnaliengeschenk gewesen war, und wandte mich dann gänzlich meinem Vetter zu, von unten nach oben blickend. Ich wusste nur zu gut, was unter diesem Stoff sich verbarg, und auch wenn ich den Gedanken daran oft genug unterdrückte, wenn andere bei uns waren, in diesem Moment musste ich es nicht. "Was ... kann ich für Dich tun, Manius ...? Gibt es etwa, wobei ich Dir behilflich sein kann?"

  • Leichtfüßig wie ein Tänzer setzte Gracchus beschwingt einen Fuß vor den anderen - so war es wie er sich fühlte, leicht wie eine Feder, ein Blatt im seichten Frühjahrswind, eine Schaumkrone auf den Wirbelungen des Meeres -, tänzelte zum Schreibtisch hin, um seinen Vetter herum, bis hinter Aquilius.
    "Sagtest du nicht selbst, wir sollten wieder viel öfter beieinander sein, miteinader sprechen?"
    Mitnichten waren Worte jener Grund, weshalb Gracchus in eben diesem Augenblick in eben diesem Raume anwesend war, und so es denn doch Worte waren, kaum jene, welche belanglose Nichtigkeiten der Freundschaft miteinander austauschen ließen, blass und fahl im Angesichte dessen, weswegen er gekommen war. Er legte seinem Vetter die Hände auf die Schultern, knetete diese leicht, fuhr zart ihm mit seinen Fingerkuppen über die noch immer leicht gebräunte Haut und beugte schließlich sich hernieder, den Odeur seines Vetters in sich aufzunehmen, den Hauch seines Atems ihn im Nacken spüren zu lassen, beinahe dessen Haut mit seinen Lippen zu berühren, und schließlich in ein heiseres Flüstern sich zu ergeben.
    "Wie ein Mühlrad ist mein Verstand ständig in Bewegung, mein Herz wandert rastlos umher, meine Seele schleicht ruhelos durch die Mauern unseres Zuhauses, verloren zwischen den Welten gleich einem diaphanen Geist. Seit jener Nacht sinniere ich jeden Augenblick, wie dies sein soll, wie dies sein kann. Ich komme zu keinem befriedigenden Ergebnis, Caius, ich weiß nur, dass es sein muss, denn nichts anders sonst bleibt mir, als mich dem Fluch unserer Familie viel eher zu ergeben, als vorgesehen, bleibt nichts, als im Vermächtnis des Domitian mich zu suhlen und meinen Verstand zu verlieren, verrückt zu werden, Caius, verrückt nach dir. Ich mag nicht mehr Essen, ich mag nicht mehr Trinken, unkonzentriert blicke ich über meine Arbeit hinweg, zittrig meine Hände, wenn ich dich in meiner Nähe weiß, viel zittriger noch, wenn ich es nicht tue. Ich schlafe schlecht ein, ich mag nicht erwachen ohne dich, ich versuche die Luft zu atmen, doch sie scheint mir unerträglich leer ohne deine Präsenz."
    Ein flüchtiger Kuss strich Aquilius' Hals, knapp unter dem Ohr, ein weiterer folgte zum Saum Aquilus' Gewand hin, ehe Gracchus die Luft einsog, eine spitzbübische Couleur seine Stimme färbte.
    "Zu spät, es ist bereits zu spät, Caius, längst habe ich meinen Verstand verloren."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • "Das habe ich gesagt, in der Tat ..." ich ließ den Rest des Satzes offen und blickte zu ihm hinauf, schon sein Gang war ausgesprochen ungewöhnlich, so leicht, so beschwingt, als sei von all den Sorgen, die ihn die letzten Wochen und Monate gedrückt hatten, nichts mehr übrig. Doch sein Weg führte ihn dorthin, wo ich ihn nicht mehr sehen konnte, ohne mich umzuwenden, und so ließ ich ihn gewähren, atmete tief durch, als seine Hände sich auf meine Schultern legten. Ihr Götter, es konnte nicht möglich sein, dass allein diese Berührung schon vermochte, das ewige Feuer neu zu entfachen, ohne das ich seit jenem schicksalshaften Tag auf dem Berg in Achaia keine Stunde zugebracht hatte - und doch geschah es, in jeder seiner Berührungen, und vor allem im Nachhall seiner Stimme in meinem Inneren, während meine Sinne den rauh gewordenen Klang kosteten, der sich in seinen Worten offenbarte. Nicht allein die Worte ließen einen stetigen Schauer über meinen Rücken hinab rieseln, vor allem der warme Hauch seines fast spürbaren Atems, die Nähe seiner Lippen und vor allem seine Gegenwart waren es, die mir innerhalb kürzester Zeit die Beherrschung unmöglich machten. Keiner Frau war es gelungen, mich so nachhaltig zu entzünden, wie er es tat, und bei keinem Menschen hätte ich mich dem eher hingegeben.


    "Du liebst, mein Manius, und wie lange habe ich mich danach gesehnt, diese Worte zu vernehmen, zu wissen, dass Du sie endlich frei sprechen kannst, weil Du es willst, weil Du nicht länger versuchst, dem auszuweichen, was doch unausweichlich in unseren Herzen liegt, seit wir noch jung waren," flüsterte ich zurück, die Augen für den Moment seines Kusses schließend - aber dann konnte ich nicht mehr sitzen bleiben, glitt aus dem Stuhl, erhob mich und wandte mich ihm zu, in einer flüssigen, schnellen Bewegung, um meine Arme um ihn zu legen und ihn an mich heran zu ziehen, ein heftiger Ruck und ich spürte ihn, die Wärme seines Leibes, der trotz seiner vielen Bürotätigkeit noch nicht viel der früheren Spannkraft verloren hatte. "So ist es, wenn man jemanden liebt und diese Gefühle leben darf," fügte ich meinen Worten an und suchte nach seinem Blick, diesen seelenvollen Augen, deren Tiefe mir manches Mal unendlich schien, und in denen ich mich wohl irgendwann gänzlich verlieren würde, wenn ich mich nicht im Zaum hielt. "Aber ich glaube nicht, dass Du jemals Deinen Verstand verlieren wirst, ist es doch ungleich köstlicher, wenn man dieses Gefühl nicht nur rein mit dem Leib, sondern auch in der tiefsten Seele und im Intellekt teilen darf."


    Ich neigte mich vor, und schon trafen meine Lippen die seinen - dieser rein körperliche Aspekt war noch immer einer, nach dem ich hungerte, und wahrscheinlich würde dieser Hunger niemals enden, solange unsere Liebe lebte und wir sie nicht in Gelübden und Schwüren fesselten. Seine Lippen waren ein wenig rauh, aber es störte mich nicht, kündete es doch davon, dass er nicht diesen weibischen Gewohnheiten anheim gefallen war, sich irgendwelchen Balsam auf die selbigen zu schmieren - Männer zu begehren bedeutete für mich nicht unbedingt, weibliche Gepflogenheiten übernehmen zu wollen, das war in den Händen von Frauen doch weit angebrachter. Und dieser Kuss schmeckte noch einmal so gut, weil er von meinem Manius war, und ich hoffte, es würde nicht bei diesem einen Kuss bleiben. Nicht bei dieser einen Nacht ...

  • In jenen Augenblicken hätten die Götter Gracchus in den Circus Maximus inmitten ludi circenses stellen können, es wäre ihm nicht im Ansatze möglich gewesen, den trampelnden Pferden und pfeilschnellen Wägen auszuweichen, welche unausweichlich auf ihn würden zurasen - und ebenso unausweichlich war tatsächlich, dass geschah, was geschah, denn andernfalls glaubte Gracchus in Tausende und Abertausende Stücke zerspringen zu müssen. Er spürte die Hufe der Gespanntiere über sich hinwegpreschen, die heißen Eisen der Räder ihre Spuren auf seinem Körper hinterlassen, doch nichts konnte ihn abhalten von seinem Geliebten.
    "Jung waren?"
    keuchte er unter der Drehung seines Vetters hinweg.
    "Wir sind jung, mein Caius."
    Ein Hauch nur, leiser Protest über all das, was geschah, fadenscheinig, vordergründig. Wenn dies so war, wenn man jemanden liebte, so hatte er nie zuvor geliebt, niemals zuvor, und er wollte nie wieder dessen verlustig werden. Vergeblich versuchte er in sich hinab zu kämpfen, was aus den Tiefen seines Selbst emporstieg, Rauchschwaden gleich emporwallte, gefolgt von verzehrenden Flammen, in deren heißes Feuer er sich bedingungslos ergab. Hatte noch in jener fernen und doch so deutlich in seiner Erinnerung präsenten Nacht die sanfte, zärtliche Novität jener Relation ihn in sich schwelgen, schweben lassen, so glaubte er zwischenzeitlich an seinem gierigen Verlangen zugrunde zu gehen. Er hungerte nach der körperlichen Präsenz seines Vetters, wie nie zuvor er einen Leib hatte begehrt, ihn dürstete nach Aquilius' Berührung, denn in tiefster Seele und mit Intellekt hatte er seinen Caius schon immer goutiert, und je näher ihre Körper sich kamen, desto mehr verlor er die Beherrschung über sich selbst. Donnertosen gleich brandeten Aquilius' Lippen auf die seinen, verflochten, verwoben sich mit seinem Munde, in seinem Munde, gierig leckten die Flammen der Lust über seinen Verstand, ließen jenen erlöschen, verbrennen zu graufabener Asche, eine marginale Partikelspur im Wind der Begierte. Kein Wort mehr drang über seine Lippen, denn leer war sein Geist, kein Sinn mehr war zu fassen, nur Caius, nur mehr Caius, eins ums andere, einerlei, vereinigt, gemeinsam, einander, beieinander. Ein Ruck befreite Aquilius von den ihn umhüllenden Stoffen der Toga, ließ achtlos das Tuch zwischen ihre Füße sinken, während unaufhörlich Gracchus' Hände über den Körper des Vetters wanderten, seine Finger sich in den Stoff der Tunika krallten, als würde Aquilius ihm entkommen, so er ihn nicht an sich hielt, und er tiefer und tiefer im Feuer der Leidenschaft versank.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Wir sind jung, mein Caius. Wie recht er doch hatte! In all den Dingen, die zu erledigen waren, in all den schwelenden Sorgen, die mich in den letzten Tagen und Wochen bedrückt hatten, hatte ich mich oftmals alt gefühlt, vor der Zeit zwanghaft gereift, in ein Leben gepresst, das mir ebensowenig passen wollte wie die Jungentoga, die man an jenem Tag ablegte, an dem einem der Vater das erste Mal öffentlich mit auf das forum nahm, damit man die Lebensart und Pflicht eines Mannes kennenlernte. Ich hatte vergessen, dass es mehr gab als die Pflicht und einige leidenschaftliche Stunden mit der ein oder anderen Frau, um die Pflicht zu vergessen, ein stetiger Strudel, der mir doch mehr an Kraft nahm als zurückgab - und seine Worte, die Worte des mir liebsten Menschen - rückten dieses Verhältnis mit einem harten Schlag und doch unendlich weich und zart zurecht. Hätte es noch mehr Grund gegeben, ihn zu lieben und zu begehren, wäre er mir in diesem Augenblick wohl klar geworden, aber ich brauchte dies nicht, um ganz der Seine zu sein und wohl zu bleiben bis in alle Ewigkeit, bis zum Ende unserer Leben. Während mein Leib brannte, ich mit jeder Faser meines Seins seine Nähe begehrte, herrschte endlich wieder Ruhe in meinem Inneren, und ich überließ mich nur zu bereitwillig dem tosend brennenden Feuer, das uns beide bewegte.


    Ich entledigte mich meines Gürtels, der ebenso unbeachtet zu Boden glitt wie zuvor der Stoff der toga, und ebenso wenig Hindernis für unsere Lust war sein Gürtel, der sich innerhalb kürzester Zeit neckisch und liebevoll an den meinen schmiegte - die Tuniken abzustreifen waren wir inzwischen seltsam traumwandlerisch sicher geübt, und obwohl meine Hände vor Begierde zitterten, blieb der Stoff doch ganz und offenbarte unser Geheimnis vorerst nicht. Und dann - nun, die Akten aus meinem officium fanden sich allzu schnell zu Boden gewischt, selbst das Tintenfass samt der Federn musste unserer Lust weichen, denn in Ermangelung eines Betts musste eben der Schreibtisch ein Instrument werden, dessen wir uns reichlich und mit keuchendem Atem bedienten, nach einigen heftigen Ruckern der Tischplatte stand sie sicher, und ich war wieder einmal froh, dass ich den Tisch in der Mitte des Raumes stehen hatte und nicht an der Wand, denn spätestens ein rhytmisches Krachen hätte einem jeden Menschen in der villa Flavia verraten, was wir taten. Es war ein Taumel, der meine Sinne so gefangen hielt, dass die Details vor meiner Erinnerung verschwammen, denn je näher wir uns kamen, je inniger wir verschmolzen, desto mehr wich die Realität vor meinen Augen davon, ließ mich einfach nur empfinden, genießen, kosten, und nach ungleich mehr verlangen, als ich jemals erhalten würde, dieser Hunger nach meinem Manius war der schlimmste und zugleich süsseste meines Lebens, stand er doch auch in seinen Augen, wenn er mich anblickte, während wir uns liebten.


    Ich biss mir irgendwann auf die Hand, um nicht meiner Lust zu laut Luft zu machen, und als sich irgendwann Manius' Zähne in meine Schulter schlugen, wusste ich, dass es ihm nicht anders ging, weiter führte uns dieser Reigen der Empfindung, umschlungen hielt ich ihn dann, das Gesicht in seinem dichten, weichen Haar vergraben, wie er auch zuvor sein Antlitz in mein Haar gewühlt hatte, und ich konnte kein Ende nahen fühlen, es ging einfach weiter, schneller, heftiger, es schien, als wollte es kein Ende nehmen, es durfte auch nicht enden, ich wollte nicht, dass es jemals endete, und als wir schließlich kurz nacheinander den Gipfel dessen überschritten, was wir miteinander am liebsten teilten, wusste ich doch auch, dass der Wunsch danach zurückkehren würde, dass es nicht genug war mit diesem kurzen, leidenschaftlichen Zusammensein auf meiner Schreibtischplatte. Nie würde es genug sein, nicht von ihm, und der Hunger nach ihm ließ alle anderen Menschen verblassen, unwichtiger werden, weil er es war, nach dem ich mich immer gesehnt hatte.
    Tief atmend hielt ich inne, mit weich gewordenen Knien, und hielt ihn, roch seinen betörenden Duft, fühlte seine Hitze, hätte ihn am liebsten niemals losgelassen, damit diese Vertrautheit nicht enden würde. "Mein Manius," wisperte ich leise in sein Haar, und damit war alles gesagt, was von Wichtigkeit war.

  • Was auch geschah, Gracchus ließ es geschehen ohne einen Gedanken an seinen Verstand zu verschwenden, ohne den Augenblick nicht mit seinem Leib zu erfassen, zu verschlingen. Jede Unsicherheit ob des weiteren Vorgehens war aus Caius gewichen, er bewegte sich als hätte niemals er etwas anderes getan, als wären all die vielen Frauen an seinem Körper nur Spiel gewesen, unbedeutendes Geplänkel, und er riss Gracchus mit jeder seiner Bewegungen mit. Der Tisch im Raume indes wusste gute Dienste zu leisten und hätte Gracchus nicht bereits seinen Verstand verloren, so mochte er sich darüber gewundert haben, ob sein Vetter das Möbelstück nur eben zu diesem Zwecke im Raume hatte platziert, doch soweit kam es nicht. Nach all den unzähligen Nächten, in welchen er sich der Sklavin Salambó hatte widmen müssen, in welchen stetig von ihm verlangt worden war zu tun, genoss er, sich fallen zu lassen in die Gefilde seines Geliebten, genoss er, tun zu lassen, gleichsam zu tun, gemeinsam zu tun, beieinander, miteinander. Frauen und Männer mochten füreinander geschaffen sein, da eins ins andere passte, doch es gab niemals Similarität und Parität zwischen ihnen, welche ungleich mehr erfüllend war. Beständig und unaufhaltsam kroch das Feuer an der Innenseite Gracchus' Haut empor, verzehrte Stück um Stück seines Körpers, bis gänzlich er in Flammen stand.
    "Caius"
    , stöhnte er wohlig den Namen seines Vetters, das u in endlose Länge gezogen. Leuchtendes Orange tanzte vor seinen Augen, einem Funkenregen abertausender glitzernder Diamanten gleich, verzerrte sich in reißenden Wirbeln und zerbarst in sengender Detonation. Hart spürte er die Tischplatte unter sich, als er langsam sich der Umgebung wieder bewusst wurde, noch immer raste sein Herz, keuchte sein Atem und in seinen Sinnen wirbelten Fragen um Fragen umeinander, ohne dass nur eine einzige davon greifbar war. Schweiß rann ihm das Rückgrad hinab und beantwortete eine davon - warum Caius begonnen hatte, seine Tunika ihm vom Leib zu schälen, obgleich jenes Gewand für solcherlei Vorhaben doch wie geschaffen zu sein schien. Hinsichtlich solcherlei Vorhaben war sein Vetter ihm doch einiges an Umsicht voraus.
    "Es raubt mir den Verstand."
    Erstaunt blickte zu Aquilius er als wäre dies eine Frage, welche nur jener zu beantworten wusste, versank für einen Moment in dessen tiefen Augen. Doch noch ehe er zu einer Antwort konnte ansetzen, befreite sich Gracchus von seinem Blick und ließ seine Aufmerksamkeit den Körper des Geliebten entlang wandern. Derangiert strich er mit seinen Fingern über die Schulter seines Geliebten, in der sich der leichte Abdruck einer Zahnreihe zeigte.
    "Maris indomitus! War ich das?"
    Ungläubig fuhren seine Fingerkuppen um das Mal herum. Er hatte sich gehen, treiben lassen, war getrieben worden, gehetzt, gejagt, durch sich selbst, und ein wenig bereitete ihm dies Sorge, gar Frucht.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Langsam kehrte die Wirklichkeit zurück, und mein Atem begann sich zu beruhigen - aber es ließ dieses unglaubliche Hochgefühl nicht weichen, das mir vorgaukelte, dass ich bis ans Ende meiner Tage glücklich sein würde, wenn er bei mir war. Auch wenn mein Verstand mir anderes einzuflüstern versuchte, in diesen magischen Augenblicken war ich von Gracchus' Gegenwart gefangen, und konnte mir keinen anderen Menschen vorstellen, dem jemals meine Liebe gelten würde, als nur ihn, und ihn alleine. Er ließ diese abertausend Fragen verstummen, die mich dauernd umsummten und eine Antwort erwarteten, als sei ich plötzlich der König eines Bienenstocks geworden und müsste mich vor abertausend Drohnen rechtfertigen. Etwas ermattet zog ich mich von ihm soweit zurück, dass ich frische Luft schöpfen konnte, und das brachte mir wieder einen klareren Kopf ein, der nicht von der Leidenschaft zu erfüllt war, um überhaupt an etwas anderes zu denken als ihn alleine.
    "So soll es doch auch sein," raunte ich ihm leise zu, zufrieden lächelnd, denn nicht der einzige zu sein, der auf diese Weise empfand, tat mir wohler als jedes andere Stelldichein zuvor. "Wäre es anders, wäre das dann wirklich die Krönung all dessen, was wir aneinander haben?" Ich wollte diesen süßen Rausch, dieses allumfassende Vergessen in seinen Armen, wollte ihn mir zueigen machen und sein eigen sein, sooft es ging.


    Kurz zuckte ich zusammen, als er mit dem Finger seinen Zahnabdruck auf meiner Schulter entlangfuhr, und grinste dann jungenhaft. "Falls Du noch jemanden gesehen haben solltest, der mir die höchsten Wonnen eben bereitet hat, dann wäre ich vielleicht bereit, diesen anderen als Verursacher in Betracht zu ziehen - aber ich wähnte uns alleine, und da ich diesen Fleck nicht selbst erreiche, wirst Du es wohl gewesen sein." Langsam legte ich meine Hand auf die seine, auf jenes Zeichen der Leidenschaft, und meinte dann etwas leiser: "Es wird mich daran erinnern, von wem es ist, wann ich es erhielt, wann immer ich meine Schulter bewege - in sofern bin ich fast traurig, dass Du nicht fester zugebissen hast, dann hätte ich länger etwas davon." Wahrscheinlich würde er es nicht verstehen, warum ich dieses Zeichen mit Stolz behalten würde, warum mir der Schmerz daran weit weniger wichtig war als das Vorhandensein überhaupt - ich hatte auch Callistas Krallenspuren gerne getragen - und doch, es war, wie es war. Sollte es einen Mann erschrecken, leidenschaftlich sein zu können? Ich hielt das eher für einen Vorzug, bewies es doch, dass er noch zu leben wusste. "Ich weiss gar nicht, ob ich Dir auch ein Zeichen hinterließ, aber ich glaube nicht .."

  • Die Krönung all dessen, was sie aneinander hatten - war es dies tatsächlich? Vermutlich war es dies tatsächlich, wie sonst hatte alles sich letztlich daraufhin zuspitzen müssen, und doch, was war die Krone ohne König, jenes solide, unumstößliche Fundament, auf welchem diese Liebe zu ruhen wusste?
    "Du hast Recht"
    begann Gracchus, nicht gänzlich von Ernst geleitet.
    "Da du noch nie ein Wendehals warst, so muss ich es gewesen sein."
    Wieder strich er zärtlich um das Mal, sonderlich lange würde vermutlich es nicht Aquilius' Schulter zieren, um hernach abweisend den Kopf zu neigen.
    "Oh, bemühe dich nicht um mich, Caius, du weißt, ich bin kein Kämpfer, ich habe meine Wunden nie mit Stolz getragen, die meisten nicht einmal sonderlich mannhaft."
    Beim ersten Anblick hatte er zumeist äußerst flink die Flucht in die Ohnmacht angetreten, um beim zweiten in Panik auszubrechen und so lange allen Involvierten glaubhaft zu versichern, dass er an jenem Kratzer, Schnitt oder aufgeschürften Knie werde sterben müssen, dass schlussendlich immer irgendwer sich fand, die Wunde zu verbinden, auf dass er sie nicht mehr musst ansehen. Mochte diese Zeit auch vorüber sein - mit den Jahren stumpfte ein Mensch doch ein wenig ab - und er sich durchaus mittlerweile einen Schnitt verbinden lassen können, ohne dass er das Bewusstsein verlor und in Panik ausbrach - so legte er trotz allem weiterhin keinen Wert darauf, seinem Körper Schaden zufügen zu lassen, denn selbst so dieser nicht mit Schmerz verbunden sein mochte, allein der Gedanke daran, er könnte es sein, war beängstigend genug. Nicht ohne Grund war er stets auf Sicherheit bedacht und agierte in den meisten Angelegenheiten überaus sorgfältig und umsichtig.
    "Doch wenn dieses Mal meiner Zähne verblasst, so werde ich da sein, um es erneut in deinen Leib dir zu schlagen."
    Er fletschte die Zähne, kniff die Augen ein wenig zusammen und ließ ein tiefes Knurren vernehmen - eine so unglaublich untypische Regung, dass sie ihn selbst ein wenig erschrak und er sich ob dessen aufsetzte, vom Tisch schob und nach den Tuniken bückte. Aus der Hand heraus warf er Aquilius' Tunika auf dessen nackten Körper, um hernach die seine sich über den Leib zu ziehen - einen Augenblick lang hatte er sich schalkhaft am Gedanken erfreut, die beiden Tuniken zu vertauschen und hernach mit jener Aquilius' aus dem Zimmer zu gehen. Er legte seinen Gürtel an und strich beiläufig sich durch sein Haar, um die Wirrnis, welche die Hände seines Vetters darin hatten hinterlassen, mäßig zu ordnen.
    "Ich danke dir für dieses überaus erquickende Gespräch. Länger möchte ich dich denn nicht von deiner Arbeit abhalten."
    Noch einmal beugte er sich zu Aquilius hin, sog dessen Odeur in sich ein und ließ seine Lippen über den Hals seines Geliebten gleiten, den Anschein einer Berührung hinterlassend. Ein leises Knurren folgte noch einmal, sodann wandte Gracchus sich eilig ab, um beschwingten Schrittes aus dem Zimmer zu flüchten, ein zufriedenes Lächeln seine Lippen kräuselnd.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ich lächelte etwas bei seiner Selbstreflektion, und nahm sie nicht sonderlich ernst - es war letztendlich wie eine Speise, die man gerne aß. Bekam man sie jeden Tag, wurde sie irgendwann nicht mehr zu einer Besonderheit, wenn man sie auf einem Teller fand, und so war es auch mit seinen beständigen Selbstanklagen - ich hörte sie zu oft, um sie noch allzu ernst zu nehmen, auch wenn es mich beständig bekümmerte, wie wenig er von sich selbst zu halten schien. Er hatte so vieles, auf das es stolz zu sein lohnte, und hätte ich in unserer Familie den klügsten und überlegtesten Mann benennen sollen, wäre aus meinem Mund der Name Manius' gefallen, ganz sicher niemals der meinige.
    "Ich nehme Dich beim Wort, Manius, das weisst Du sicher," scherzte ich ihm zurück und mein Atem ging schneller, als er dieses Knurren von sich gab, eine Mischung aus längst nicht gestillter Begierde, Zufriedenheit und dem Eingeständnis der eigenen Leidenschaft und Lust. Im Herzen getragen hatten wir uns lange genug, hatten uns in schweren Zeiten beigestanden, wie es sich andere Menschen in ihrer Liebe erst nach vielen Jahren erarbeiten konnten, nachdem sie sich körperlich längst gekostet hatten, bei uns war es umgekehrt. Ich fing die Tunika auf und streifte sie mir über, dabei tief durchatmend - was für ein anderes Leben war es doch, wenn man endlich nicht nur im Innersten lieben durfte.


    Sein Kuss glitt an meinem Hals fast zu schnell vorüber, und einen Moment lang überlegte ich mir, ob ich ihn mir einfangen sollte, dann aber ließ ich ihn gehen, strich mir lieber selbst durch das zerwühlte Haar, rückte die Tunika glatt und setzte mich wieder gemächlich an den Schreibtisch, ordnete die zu Boden gefallenen Akten an und stellte zu guter Letzt das Tintenfass samt Corvinus' Feder zurück, wie es zuvor gestanden hatte. "Nun, ich unterhalte mich doch immer gerne mit Dir," sagte ich und grinste wie ein Lausbub nach einem gelungenen Streich - ich war einfach glücklich, und so sah ich ihm noch einige Momente lang nach, selbst als sich die Tür nach ihm geschlossen hatte. Was für ein Besuch! Der lebendige Manius war ein Mensch, der in diesen leidenschaftlichen Augenblicken so zufrieden, so sicher gewirkt hatte, dass mir der alltägliche Manius, der von Sorgen und Zweifeln behaftet umherschlich, wie ein matteres Zerrbild seiner Selbst erschien. Könnte er doch nur immer leben ... ich seufzte leise, griff nach einer der Akten und schlug mir den Gedanken aus dem Kopf, denn ich wusste ebenso gut, wie ich das Ende dieser Freiheit fürchtete, dass er sich in diesem Punkt kaum ändern würde.


    ~* FINIS *~

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!