• Micipsas Verhalten irritierte ich etwas. Er sah mich so an und begann in Rätseln zu sprechen. Ich verstand nicht, auf was er hinaus wollte. Worin sollte ich da besser auskennen und an was sollte ich schon gedacht haben? Ich musste nicht lange warten, bis das Wort, vor dem ich mich am meisten fürchtete, ausgesprochen war. Schwanger? Schwanger!


    Wie bitte?


    Mehr als entrüstet sah ich ihn an und ich musste mir selbst eingestehen, dass er ja recht haben konnte! Ich hatte selbst schon daran gedacht, wollte es aber einfach nicht wahr haben! Schwanger? Nein, das konnte nicht sein! Das durfte einfach nicht sein! Wer war der Vater? Severus, Aquilius? Alles begann sich zu drehen! Nein! das dufte nicht sein.


    Ich, ich hoffe nicht! Nein! Es darf kein Kind daraus erwachsen!


    Mir war klar, dieses Kind würde auch zum Sklaven werden, wäre es erst auf der Welt. Ich musste Klarheit darüber erhalten! Cungah! Ich musste Cungah fragen! Sie konnte mir bestimmt helfen. Oh nein! Was sollte ich nur tun? Ich war so verzweifelt!


    Micipsa, was soll ich nur tun?


    Ich war so aufgewühlt, zitterte und wollte es nicht glauben. Innerlich begann ich mir einzureden, es könne nicht möglich sein. Es durfte nicht möglich sein!

  • In Erwartung einer heftigen Reaktion von Seiten Bridhes war er vorsichtshalber schon etwas von ihr zurückgewichen. Im ersten Moment konnte man ihr auch die Entrüstung ansehen, die seine Worte bei ihr auslösten, aber der befürchtete wütende Protest blieb glücklicherweise aus.
    Als sie von einem heftigen Zitteranfall befallen wurde, trat er wieder näher an sie heran und legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter.
    "Na, bis jetzt ist das ja nur eine Vermutung", versuchte er sie zu beruhigen. Auch wenn ihre Reaktion die Schwangerschaftsthese zu unterstreichen schien. Die Keltin hatte diese Möglichkeit offensichtlich bereits selbst in Erwägung gezogen und erfolgreich verdrängt.
    "Und wenn sich die bestätigen sollte, wirst du das in jedem Fall mit dem dominus klären müssen. Aber auch das Kind einer Sklavin kann ein gutes Leben führen." Wenn auch nicht unbedingt ein freies! fügte er in Gedanken an.
    Die Frage nach dem möglichen Vater sparte er aus. Auf ihre Beziehung zu bestimmten Personen angesprochen konnte Bridhe recht erbost reagieren, wie der Nubier bereits selbst vor einiger Zeit hatte feststellen dürfen.

  • Niemals zuvor hatte ich mich so schlecht gefühlt. Die Angst zehrte an mir und schien mich gänzlich verschlingen zu wollen. Alles was ich gehört und mit eigenen Augen gesehen hatte, sollte nun auch über mich herein brechen. Youenn´s Geschichte über seine Kindheit kam mir wieder in den Sinn. Ein Kind, das von seiner Mutter getrennt wurde. Nein! Was hatte ich nur getan? Was würde ich diesem Kind antun?
    Dann spürte ich Micipsa Hand auf meiner Schulter. Etwas gütiges und beruhigendes lag darin. Ich schaute mit meinem schmerzverzerrten Gesicht zu ihm auf. Nur eine Vermutung? Eine Vermutung, die sich Stunde um Stunde, Tag um Tag mehr bestätigte! Ich konnte es mir nicht länger ausreden. Ich mußte der Wahrheit gegenübertreten!
    Aber wer war der Vater? Es gab zwei Möglichkeiten - Severus oder Aquilius. Da ich nicht wußte, wie lange ich schon schwanger war, wenn ich denn schwanger war, konnte ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen, wer von den Beiden als Vater in Frage kam. Cungah! Sie mußte es wissen! Ich mußte sie fragen, gleich morgen! Zugegeben, Gewissheit darüber zu erlangen, wer denn nun der Vater war, würden die Aussichten auf ein glückliches und zufriedenens Familienleben auch nicht erhöhen! Dieses Kind hatte die erdenklich schlechtesten Voraussetzungen, ein gutes leben führen zu können. Ein Leben als Sklave, kein Vater, der sich um es kümmerte, eine Mutter, die hinter vorgehaltener Hand nun entgültig als Hure verschrien wurde.


    Schau dir doch die Kinder der Sklaven hier an! Ist das etwa ein gutes Leben? Ja, ich muß es ihm sagen! Aber das schlimmste ist, ich weiß nicht genau, wer der Vater ist. Aber es wird so oder so niemals einen Vater haben!


    Ich war so verbittert und traurig. Jetzt da ich offen darüber nachdachte und Dinge ausgesprochen hatte, vor denen ich mich bislang so gefürchtet hatte, sah alles noch hoffnungsloser aus.
    Wieder kam mir der Morgen nach der verhängnisvollen Nacht mit Aquilius in die Sinn, der Nacht, die mein Leben dramatisch verändert hatte. Warum nur hatte ich überlebt?

  • Sie wusste also tatsächlich nicht, wer der Vater sein würde. Einmal mehr war Micipsa froh darüber, als Mann geboren worden zu sein. Als solcher lief das Leben zumindest auf den ersten Blick um einiges unkomplizierter ab.
    Vorurteile bezüglich ihres Lebenswandels hegte er aber nicht. Dass sie, gewaltsam aus ihrer Heimat gerissen, die Nähe zu anderen Menschen gesucht hatte, konnte er nachvollziehen. Außerdem waren ihrem Selbstbestimmungsrecht als Sklavin Grenzen gesetzt, wenn auch hoffentlich nicht in dieser Frage.
    "Auf jeden Fall hätte es das Kind, was seine Mutter angeht, kaum besser treffen können", meinte er wahrheitsgemäß. Auch wenn er sich manchmal schwertat, sich in die junge Frau, die immerhin einem ihm vollkommen fremden Kulturkreis entstammte, hineinzuversetzen, so beeindruckte ihn doch, mit welcher Hingabe und Entschlossenheit sie die Schwierigkeiten ihres Lebens anging.

  • Ich lächelte etwas gequält auf seine Bemerkung. Ob es mein Kind mit mir wirklich gut getroffen hätte, würde sich noch zeigen. Keine Frage, ich wußte, wie man Babies und Kleinkindern umging. Nichts anderes hatte ich die letzten acht Jahre gemacht. Was ich allerdings nicht wußte, war die Frage,ob ich eine gute Mutter werden dürfte. Allein diese Frage bereitete mir ungemeine Bauchschmerzen.


    Das würde ich gerne sein. Aber ich habe Angst davor, dass man mir das Kind wegnehmen könnte, antwortete ich traurig. Vor allem graute es mich vor dem schweren Gang zu Aquilius. Ich müsste ihm alles beichten und ich hatte Angst davor, da ich nicht recht einschätzen konnte, wie er diese Neuigkeit aufnehmen würde.Ich brauchte noch einen Plan!
    Langsam ergriff ich Micipsas Hand.


    Ich habe Angst vor der Zukunft!

  • Wie in einem Patrizierhaushalt in derr Regel mit neugeborenen Sklavenkindern verfahren wurde, wusste er nicht. Bisher hatte es ihn auch nicht interessiert. Was er aber festgestellt und für ungewöhnlich befunden hatte, war, und insoweit musste er Bridhe Recht geben, dieses hochnäsig-arrogante Auftreten der in der gens geborenen Sklaven. Offensichtlich trugen sie irgendeine verborgene flavische Erblast in ihrem Leben mit sich rum.
    Micipsa erwiderte ihren Händedruck zuerst zögerlich, dann umso entschlossener, in der Hoffnung, Zuversicht auszustrahlen.
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Aquilius dir dein Kind wegnehmen wird. Vor allem dann nicht, wenn es sein eigenes sein sollte." Oder gerade dann? Er wollte seine Worte nicht als versteckte Empfehlung an sie verstanden wissen, ihren Herrn zu belügen. Am Ende würde dies die ganze Angelegenheit nur noch komplizierter gestalten. Wenn das Kind beispielsweise einem anderen Bewohner der villa flavia auffallend ähnlich sähe.
    "Und vielleicht erlangst du sogar für dich noch die Freiheit", fuhr er schließlich fort. "Immerhin hast du noch einige Monate Zeit, ihn davon zu überzeugen." Er hatte zwar keine Ahnung, wie ihr das genau gelingen sollte, aber Aquilius legte scheinbar gelegentlich ein Verhalten an den Tag, das für seinen Stand und seine Sippe nicht unbedingt typisch zu nennen war.

  • Die Erwiderung seines Händedrucks wollte mir wieder etwas Hoffnung geben. Hoffnung gaben mir auch seine Worte, auch wenn ich wusste, dass es ganz anders kommen konnte. Daran wollte ich aber nun nicht denken. Solche Gedanken würden mich irgendwann in den Wahnsinn teiben! Doch der einen Frage, die ich mir innerlich stellte, folgte schon gleich die nächste! Was wird er tun wenn ich es ihm sage? Ist es wirklich sein Kind oder doch eher Severus´? und wenn es seines ist, was dann?
    Ich musste Klarheit gewinnen!
    Doch was mich am meisten schmerzte, war die Tatsache, dass ich einen neuen Sklaven zur Welt bringen würde. Ein Kind, das niemals eine andere Chance bekäme!
    Freiheit! Bei der Erwähnung dieses Wortes horchte ich auf!


    Wie sollte ich die Freiheit erlangen? Dafür bin ich doch viel zu jung! Wenn wenigstens das Kind...


    Den letzten Satz führte ich nicht mehr zu Ende. Stattdessen erinnerte ich mich der Worte, die mir Straton vor einigen Monaten gesagt hatte. Damals sprach er davon, dass man seine Fähigkeiten nutzen konnte, um ein wenig Geld für sich zu sparen, damit man sich irgendwann freikaufen konnte.
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange so etwas dauerte, bis man genug Geld zusammen gespart hatte. Wieviel Zeit würde mir bleiben, bis das Kind da wäre? Im günstigsten Fall noch fast sechs Monate. In diesem Fall musste dann auch das Kind von Aquilius sein. Wenigstens die Freiheit für das Kind!
    Ja, ich musste mit ihm sprechen! Doch nicht bevor ich endgültig Klarheit hatte.

  • So ausführlich sie diese komplizierte Angelegenheit auch besprochen hatten, einer wirklich sinnvollen Lösung waren sie nicht näher gekommen. Und eine solche würden sie wohl auch nicht finden, denn letztendlich entschied in jedem Fall Aquilius, was mit dem Kind geschehen sollte.
    "Ich würde ja einen Sammelfonds vorschlagen, um wenigstens das Kind frei zu bekommen, aber da Sklaven ihrem Status gemäß meist nicht für ihre Arbeit entlohnt werden, würde wahrscheinlich nur wenig zusammenkommen", sagte er, halb ernst gemeint, halb als Scherz.
    Micipsa dachte über seine Besitztümer nach, die im Grunde nur aus dem bestanden, was er am Leib trug und in seiner Truhe verwahrte. Kein Geld, kaum Wertgegenstände. Und selbst das Wenige gehörte ihm streng genommen ja nicht einmal. Wie es um die Vermögensverhältnisse anderer Flaviersklaven inklusive Bridhe stand, wusste er zwar nicht, aber sie dürften ähnlich mager ausfallen.
    Er ließ sie schließlich los und blickte gedankenverloren die gegenüberliegende Wand an. Es musste einige Zeit vergangen sein seit dem Zeitpunkt, als sie sich vom Garten in die Kammer aufgemacht hatten. Nicht dass es ihn übermäßig interessiert hätte, was andere über ihn dachten. Aber vielleicht suchte man bereits nach ihm, um ihm irgendeine Arbeit aufzuhalsen und da wollte der Nubier nicht unbedingt in der Kammer von Bridhe aufgefunden werden.
    "Ich sollte jetzt besser gehen. Aber wenn ich dir in irgendeiner Form helfen kann, zögere nicht, mich dafür heranzuziehen."
    Es handelte sich um ein ernstgemeintes Angebot, auch wenn ihm im Moment nicht einfiel, inwiefern er die Keltin sinnvoll unterstützen konnte.

  • In diesem Augenblick tat es mir so gut, jemanden hier zu haben, der mir zuhörte. Zwar hatte sich nichts an meiner Lage geändert, doch fühlte ich mich doch etwas erleichtert, mich Micipsa anvertraut zu haben. Dieser Sammelfond, von dem er sprach hörte sich gut an. Doch wer von den anderen Sklaven würde seine Habseligkeiten für das Wohlergehen meines Kindes opfern wollen. Nein, es mußte eine andere Lösung her!
    Als sich Micipsa zum gehen aufmachen wollte, erhob ich mich ebenso. Er hatte meine Hand losgelassen und wollte sich schon umdrehen, um die Kammer zu verlassen.


    Ich danke dir, Micipsa! Danke, dass du mir zugehört hast! Ich werde mit Aquilius darüber sprechen müssen.


    Ich lächelte ihm noch kurz zu. Dann wartete ich, bis er gegangen war. Erst danach verließ auch ich meine Kammer.

  • Die ersten Sonnenstahlen hatten mich geweckt und noch ganz verschlafen registrierte ich, wo ich war. Völlig übermüdet war ich im Garten eingeschlafen. Kopfschmerzen plagten mich, nachdem ich die Nacht zuvor weinend eingeschlafen war. Ich wollte an den vorangegangenen Abend und das Aufeinandertreffen mit Aquilius nicht mehr nachdenken. Jedesmal, wenn ich mich dabei erwischte, daran zu denken, kamen von neuem die Tränen. Langsam erhob ich mich vom Boden und streckte mich erst einmal. Die Nacht auf dem harten Boden war nicht besonders förderlich für meinen Rücken gewesen.
    Ich eilte zurück zur Villa. Unter keinen Umständen wollte ich von irgendjemand gesehen werden. Leise huschte ich über die Gänge, zu meiner Kammer.
    Die kleine Katze, die mich gelegentlich besuchte, wartete schon an der Tür darauf, dass man sie einließe. Als ich die Tür öffnete, sprang sie mit einem Satz in mein kleines Zimmer und machte es sich auf dem Bett gemütlich.


    Ach Felis! Ich wünschte, ich wäre wie du!


    Sachte setzte ich mich neben sie und streichelte ihr über das seidige Fell. Sie dankte es mir ihrerseits mit einem zufriedenen Schnurren. Lange konnte ich hier nicht bleiben. Bald schon musste ich damit beginnen, meine Arbeiten zu verrichten.


    ~~~ ~~~


    Nach diesem Abend, der mich völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, zog ich es vor, meine freie Zeit lieber in meiner Kammer, zu verbringen. Ich wollte niemanden sehen und mit niemanden sprechen. Diese Kammer war zu meiner Zufluchtsstätte geworden, gegen alles was sich mir entgegenstellen wollte. Natürlich war das den wenigen Vertrauten, die mir geblieben waren, nicht entgangen. Doch ich schottete mich ab gegen jeden gutgemeinten Ratschlag. Nichts wollte ich annehmen, denn nichts konnte irgendetwas ändern. Ob es wirklich besser war, in der Vergangenheit zu leben, ohne der Zukunft ins Auge zu schauen, wusste ich nicht. Doch an die Zukunft zu denken hieß, auch an die Ausweglosigkeit zu denken. Dass es für mich kein happy ending geben würde, war mir bewusst. Außerdem hatte nicht das Recht dazu, noch einmal zu ihm zu gehen und ihm alles was mich bedrückte, einfach ins Gesicht zu schleudern. So gern ich das auch getan hätte. Aber letztlich würde es doch wieder an meinem fehlenden Mut scheitern. Noch einmal vor die Tür gesetzt werden, könnte ich nicht ertragen. Nein, er hatte mir schon genug weh getan. Jetzt war Schluss damit! Ich war zwar seine Sklavin aber nicht sein Prügelknabe, der immer nur einsteckte. Von nun an verrichtete ich nur noch meine Aufgaben. Nur selten ließ ich mich zu einem Lächeln hinreißen oder einem persönlichen Wort.
    Wenn ich doch endlich aufhören würde, mich nach etwas Zuneigung zu sehen, dann gäbe es vielleicht wieder Hoffnung für mich. Doch das war so schwer! Wie sollte ich es nur anstellen, mich nicht mehr danach zu sehnen, wenn ich ständig durch das Kind, das in meinem Leib heranwuchs, daran erinnert wurde? Das war ein Ding der Unmöglichkeit und das wusste ich auch. Deshalb wollte ich es dem Igel gleichtun. Bei Gefahr igelte ich mich einfach ein, so konnte mir nichts mehr geschehen und meine Seele würde nicht noch größeren Schaden nehmen.
    Doch bald schon wurde mir auch klar, dass ich so nicht lange weiter leben konnte. Wo waren nur all mein Lebensmut und meine Freude geblieben. Lange war es her, dass ich mich über etwas freuen konnte und sei es nur über eine Kleinigkeit, über ein Detail. Doch wenn alles grau um einen geworden war, nahm man die Details nicht mehr so richtig wahr. Langsam wurde es mir immer mehr bewusst, ich hatte eine Entscheidung zu treffen! Diese Entscheidung konnte mir niemand abnehmen, denn sie betraf mein Innerstes.

  • Einen Tag später - zu recht früher Stunde sogar - klopfte es an der Tür zu Bridhes Kammer. Kein typisch römisches Klopfen, sondern eher eines der höflichen, zurückhaltenden Sorte, die damit rechnete, dass die Person, welche die Kammer bewohnte, noch schlief oder eventuell gerade erst dabei war, wach zu werden.
    "Bridhe? Bist Du da? Ich habe Dir etwas auszurichten," erklang kurze Zeit später die Stimme des hochgewachsenen Achaiers, der sich bei seinem jüngst erhaltenen Auftrag sichtlich unwohl fühlte - aber Anweisung war Anweisung, und die wurden nicht diskutiert, wenn sie von einem übernächtigt wirkenden Aquilius gegeben worden waren, der zudem nicht die beste Laune zu haben schien.

  • Ich war bereits wach und nach dem Erwachen folgte eben das, was neuerdings jedem Erwachen folgte. Ich fühlte mich so, als müsse mein Magen sich sämtlichen Inhalts, der freilich zu dieser Stunde noch nicht vorhanden war, entledigen. Dieses Gefühl würde nicht eher weichen, bis ich mir ein Stücken trockenes Brot gegönnt hatte. Aber auch dann wäre es nicht ganz verschwunden. Die meiste Zeit des Tages erinnerte es mich daran, dass nun noch ein zweites Herz in meinem Körper schlug. Deswegen verlor ich nicht viel Zeit und kleidete mich an.
    Das Klopfen an der Tür und die vertraute Stimme, die meinen Namen rief, ließen mich aufblicken und ich hielt kurz inne.


    Ja, einen Moment bitte!


    Schnell rückte ich mir noch die Tunika zurecht und ordnete mein Haar. Allerding ließ ich es dann doch lieber offen, denn es hätte einfach zu viel Zeit in Anspruch genommen, es jetzt erst noch hochzustecken.
    Schließlich ging ich zur Tür und öffnete sie.


    Straton, guten Morgen! Komm doch herein!


    Mit einer einladenden Geste, bat ich ihn in meine Kammer. Noch immer war es etwas unordentlich. Mein Bett, in dem ich diese Nacht geschlafen hatte lag noch ganz zerwühlt da. Aber mir zumindest machte das wenig aus.

  • Der Achaier trat ein, als sie ihn dazu aufforderte, und sein Blick ging gewohnheitsmäßig erst einmal über die Einrichtung und den Sauberkeits- sowie Ordentlichkeitszustand des Zimmers, den allgemeinen Zustand registrierend, ohne indes persönlich zu bewerten. Erst dann blieb sein Blick auf ihr ruhen, registrierte ihre doch etwas legere Aufmachung, das gelöste Haar (in der Tat hatte er sie in Ruhe bisher so noch nicht gesehen, sodass dies ein gewisses Novum darstellte) und ihre sich langsam auf Bauchhöhe etwas rundende Gestalt. "Guten Morgen, Bridhe," erwiederte er mit einem Ton, der zu seinen freundlicheren gehörte, aber immernoch nicht unbedingt das war, was sich emotionale Menschen als gefühlsbetont ausgesucht hätten. Selbst die Mundwinkel hoben sich zu einer Art Lächeln, von dem er selbst nicht wusste, ob es ihr gegenüber einfach gut gemeint war oder ob es aus Reflex entstand.


    "Der Herr hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass er morgen nach Ostia reiten wird, um dort in der Stadtverwaltung einige Dinge zu klären - und er möchte, dass Du ihn begleitest. Was bedeutet, ihr werdet über Nacht unterwegs sein und in Ostia in einem Gasthaus übernachten, Du müsstest Dir also Kleidung für zwei Tage einpacken und das passende für einen Ritt ebenso," gab er dann die Dinge weiter, die ihm Aquilius vor etwa einer halben Stunde gesagt hatte, bevor er zum Tempel aufgebrochen war. "Ich weiss zwar nicht, was er vorhat, aber es klang eher nach einem oder zwei Tage Entspannen denn nach ernsthafter Arbeit ..." fügte er schließlich an und war fast in Versuchung, diese Ansage mit einem Schulterzucken zu beenden, dann aber war die Gewohnheit doch stärker und er beließ es rein bei den Worten.

  • Offenbar empfand auch Straton den Zustand meiner Kammer nicht als störend. Jedenfalls ließ er nichts darüber verlauten. Auch seine Mimik verriet nichts, was darauf schließen ließ. Selbst wenn er etwas zu bemängeln gehabt hätte, wäre es mir gleich gewesen.
    Er kam gleich zur Sache und ich hörte mir ruhig an, was er mir zu sagen hatte. Auch als er davon sprach, dass ich es sein sollte, die Aquilius begleiten sollte, nahm ich dies ohne jegliche emotionale Regung entgegen.
    Was nun von meiner Seite folgte, war ein eher erstaunt klingendes Aha! Mehr nicht.
    Was mir allerdings in diesem Moment durch den Kopf ging, daran wollte ich Straton nicht teil haben lassen.
    Entspannen für ein zwei Tage? Mit mir? Wirkte ich denn so entspannend auf ihn, dass er mich dabei haben wollte, um sich zu entspannen. Nein, wahrscheinlich war diese Sache mit der Stadtverwaltung nur vorgeschoben und in Wirklichkeit verfolgte er etwas ganz anderes!
    Gleich was dahinter steckte, ich wusste nur eins, da hatte jemand ein mächtig schlechtes Gewissen!


    Ich danke dir Straton! Ich werde mich nach seinen Wünschen richten, sagte ich abschließend in einem gleichbleibenden Ton, der nichts davon erahnen ließ, ob ich Freude empfand oder nicht.

  • Etwas länger nun verweilte der Blick des Achaiers auf Bridhes Gesicht, dann nickte er. "Gut, dann hoffe ich, dass alles ohne Schwierigkeiten verläuft," sagte Straton schließlich und trat an das kleine Fenster, welches den Raum zu erhellen vermochte, und öffnete es halb, sodass die würzige, kühle Morgenluft in den Raum huschte und binnen kürzester Zeit den Eindruck einer wechselhaften Nacht vertrieb. Seit Bridhes Selbstmordversuch hatte er eine gewisse Nachsicht sie betreffend geübt, auch schwere Aufgaben waren ihr fern gehalten worden - und da er nun auch wusste, dass es auf eine Schwangerschaft Rücksicht zu nehmen galt, war Straton etwas vorsichtiger.
    Vielleicht nicht der beste Weg, um die Widerspenstige zu zähmen, aber seinem Herrn in dieser Sache gleich, war auch für ihn die körperliche Züchtigung das letzte aller Mittel. Sie hatte sich verändert seitdem, ihre Körpersprache, ihre Haltung, alles hatte sich gewandelt und er war sich nicht sicher, ob es zu ihrem persönlichen Vorteil geschehen war. Letztendlich musste man dies im Auge behalten. "Gibt es irgendwas, was Du für den Ausflug mitnehmen willst an besonderem Proviant?" schob er nach einer Weile noch eine Frage nach und sah sie direkt an, eine Augenbraue leicht angehoben.

  • Meine Augen folgten ihm, als er an das Fenster trat und es öffnete. Die kühle frische Luft, die noch den Geruch des feuchten Bodens, nach einem Regenguss mit sich trug, begann den kleinen Raum zu füllen. Eigentlich war dies etwas Schönes für mich gewesen, die gereinigte frische Luft, nachdem der Regen vorbei war, einzuatmen. Doch heute bedeutete mir dies wenig.


    Nein, anwortete ich ähnlich gleichgültig auf seine erneute Frage, den Proviant betreffend. Ich brauchte nichts Besonderes und wäre mit dem zufrieden, was man mir geben würde.
    War es nur so eine Einbildung von mir oder wollte er mir noch eine Bemerkung, ein Wort oder auch nur eine Regung entlocken?
    Doch damit wäre er nicht erfolgreich. Nicht heute und auch nicht morgen.
    Ich fragte mich nur, ob er Straton gegenüber auch nur ein Wort verloren hatte. Und wenn schon! Es wäre für mich nicht von Belang!

  • War der Moment gekommen, in dem sie beginnen würde, sich mit ihrer Existenz abzufinden? Aber noch wirkte Bridhe eher lustlos und gleichgültig denn wie ein Mensch, der noch viele Möglichkeiten offen hatte - aber diese zu sehen würde es mehr bedürfen als einer sauren Miene. So nickte der Achaier leicht und verkniff sich jeden weiteren Kommentar, der vielleicht einen Tränensturzbach auslösen würde oder ähnlich erschreckende Konsequenzen haben konnte. Nicht, dass er vollkommen emotionsarm gewesen wäre, oder dass sie ihm nicht auch sympathisch gewesen wäre. Aber er hatte in den Jahren seines Dienstes für die Flavier gelernt, seine Gedanken und Gefühle für sich zu behalten, damit sie nicht pervertiert werden konnten - bei dieser Familie konnte man nie wissen, was geschehen würde, wenn man zuviel von sich selbst verriet. So folgte ein weiteres Nicken, der Achaier ging zur Türe ihrer kleinen Kammer, öffnete sie und war alsbald aus dem Raum entschwunden, um sich seinen anderen Pflichten im Haushalt zuzuwenden.
    Der Gedanke allerdings, Bridhes Entwicklung und Launen im Auge zu behalten, blieb bestehen und wurde in den folgenden Tagen so unauffällig wie möglich umgesetzt.

  • Glücklicherweise hatte sich Felis erst in jenem Moment dazu entschieden, unter dem Bett hervorzukriechen, als Straton bereits die Kammer verlassen hatte. Mit meinen Gedanken längst entschwunden, hatte ich ihm noch nachgesehen. Erst Felis´ forderndes Miauen wollte mich dann wieder daran erinnern, dass neben der Katze auch ich mich noch in meiner Kammer befand. Noch einmal strich ich ihr sanft über ihr seidiges Fell und entließ sie wieder in die Freiheit, die sie dann allerdings nur ungern annehmen wollte. Sollte doch einer diese Katzen verstehen!
    Ich selbst tat noch die letzten Handgriffe um mir ein ansehnliches Äußeres zu verschaffen und verließ dann auch mein Reich. Im Laufe des Tages schwirrten mir immer wieder Stratons Worte durch meinen Kopf, die mich noch rätseln ließen. Warum nur kam dieser Ausflug so plötzlich? Wenn Aquilius tatsachlich nach Entspannung suchte, wiso wollte er dann mich dabei haben? Nach allem, was in den letzten Tagen war. Wieso nahm er nicht Straton mit auf seine Reise nach Ostia? Er war doch das Nonplusultra an Zuverlässigkeit und Treue, eben ein Wesen, das vor langer Zeit seine Eigenständigkeit und das Streben nach eigener Verwirklichung verloren hatte. Möglicherweise hatte er so etwas ja auch nie besessen. Irgendwann hatte ich es aufgegeben, noch länger darüber nachzudenken. Solche Gedanken hielten mich nur ach so gerne von der Arbeit ab.
    Erst als ich am späten Abend in meine Kammer zurückkehrte, waren sie wieder präsent- Stratons Worte. Du müsstest Dir also Kleidung für zwei Tage einpacken und das passende für einen Ritt ebenso. Wenn ich jetzt nicht packen würde, hätte ich morgen nichts Passendes. So suchte ich mir zwei Tuniken aus. Nichts außergewöhnliches, was ich ja eh nicht besessen hatte, allerdings auch nichts zu legeres. Aber was nur in Lughs Namen konnte ich zum reiten anziehen? Es war schon eine Ewigkeit her, seit ich auf einem Pferd geritten war. Schließlich entschied ich mich für eine etwas bequemere Tunika.


    Die Nacht die nun folgte, war mehr als unruhig. Stunde um Stunde hatte ich wach gelegen. In dieser Nacht sollte mir ein gesunder schlaf nicht vergönnt sein.
    So war es überhaupt nicht verwunderlich, dass ich mich wie gerädert fühlte, als endlich die ersten Sonnenstrahlen meine Kammer erreichten.

  • Ein kleiner, schmächtiger Sklavenjunge klopfte an jenem, eigentlich normal erscheinenden Tag zaghaft an die Tür zu Bridhes Kammer, um sich dann leise hinein zu schieben und ihr mit etwas piepsiger Stimme seinen Auftrag auszurichten - sie sah so mächtig, so riesig auf Bauchhöhe aus, dass er unwillkürlich eine Menge Respekt vor ihr gewann, auch wenn sie (und darin hatte er alle Verhaltensweisen eines römischen Jungen übernommen) 'nur' eine Frau war.
    "Der dominus Flavius Aquilius will Dich in seinem Arbeitszimmer sprechen - und es scheint wichtig zu sein."
    Mit großen Augen wagte er ab und an einen neugierigen Blick auf ihren Bauch - ob das kleine Kind da einfach herausfallen würde? Hoffentlich nicht auf ihn!

  • Ich sah nicht nur mächtig aus, ich war es auch! Ich wollte gar nicht wissen, wie viel ich an Gewicht zugelegt hatte. Ich kam mir so unförmig und unattraktiv vor. Die Schwangerschaft hatte enorme Fortschritte gemacht und in wenigen Wochen schon, sollte ich, wenn alles gut ging, mein Kind in Armen halte können. Den Gedanken, es könne Komplikationen geben, verdrängte ich immer wieder. Aber ich wusste auch, meine Mutter war deswegen im Kindbett gestorben, als mein kleiner Bruder zur Welt kam.
    Ich saß au meinem Bett und versuchte die Sandalen zu schließen. Ständig aber kam mir mein Bauch in die Quere. Dann klopfte es auch noch! Ich war am verzweifeln! Nicht zuletzt meiner Sorgen wegen, die mich in den letzten Wochen heimgesucht hatten.
    Ein kleiner Junge schob sich zu meiner Tür herein und schaute mich an, als ob ich nicht von dieser Welt wäre.


    Was ist? Hast du noch nie eine Schwangere gesehen?


    Zugegeben, ich war etwas ruppig zu ihm, was eigentlich gar nicht meine Art war. Aber ich war genervt, von allem und jedem, was mich heute in meinem Fortkommen störte.


    Aha! antwortete ich, immer noch genervt.


    Steh nicht so dumm herum! Hilf mir lieber mit diesen Sandalen! Bitte!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!