[Templum Martis Ultoris] Fleisch und Blut

  • Voll bepackt trifft Lucilla am Tempel des Mars Ultor ein. Natürlich trägt nicht Lucilla die ganzen Opfergaben, sondern zwei Sklaven, die ihr folgen.
    "Wo ist Pirum?" Sie schaut sich um. Sie hat den Sklaven extra früh am Morgen los geschickt, damit er ein gutes Schwein kaufen könnte. Denn nur der frühe Vogel fängt ... das gute Schwein. "Die Sonne steht mindestens schon zwei Finger über den Kolonnaden." spricht sie grummelnd mehr zu sich selbst als zu den anderen zwei Sklaven. Natürlich sind Lucillas Finger ziemlich dünn, bei den Wurstfingern von Pirum steht zu erwarten, dass er erst in einer Stunde auftaucht, wenn man in Rom die Zeit mit den Fingern messen würde. Zum Glück tut man das aber nicht und Sklaven haben immer dann zu kommen, wenn ihre Herren dies wünschen.


    Ziemlich gemütlich schlendert Pirum über das Forum Augustum bis zu seiner Herrin, ein prächtiges rotbraunes Schwein hinter sich an einem Seil führend.
    "Bona Dea!" ruft Lucilla erstaunt. "Das ist ja ... rot! Knallrot!" Sie tritt hinter Pirum, geht in die Hocke und rubbelt an der Seite des Schweines. Es gibt keine Farbe ab. "Fantastisch!" Dabei denkt Lucilla jedoch weniger an ein geeignetes Opfertier für Mars, als mehr an ein paar Schuhe aus diesem Leder. Sie seufzt. Natürlich sind ihr Livianus und Faustus mehr wert als ein paar Sandalen. Sie steht wieder auf und wendet sich um.
    "Dann haben wir ja alles, oder?" Prüfend blickt sie über die Opfergaben.

  • Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben des Mars schöner machen, traf auch Epicharis am Tempel ein. In ihrem Gefolge befanden sich eine Handvoll Sklaven, von dem einer ein kleines, rotes Ferkelchen trug. Zuvor hatte sie höchstpersönlich den Brief aufgegeben, der an einen Händler namens Hag...irgendwas adressiert worden war, von dem Epicharis hoffte, dass er a) existierte und b) den Brief überhaupt weiterleiten würde. Und dann blieb natürlich noch zu hoffen, dass der Briefträger diesen Menschen überhaupt kannte.


    "Puh, kann mir mal jemand das Vieh abnehmen?" fragte der Sklave, und gleich erbot sich Nordwin, das zu übernehmen. "Gib her...[SIZE=7]Schwachmat[/SIZE]", sagte er und klemmte sich das protestierende Schweinchen unter den Arm. Seltsamerweise hatte sich heute vor dem Marstempel eine kleine Schlange gebildet, wie Epicharis feststellte. Das war etwas ungewöhnliches, deutete aber darauf hin, dass manche doch aufmerksamer die Acta gelesen hatten, in der ja diesmal ein entsprechender Artikel gestanden hatte. "Ich schätze, heute müssen wir warten", sagte sie zu den anderen und reihte sich ein.


    Während sie warteten und alle paar Minuten einige wenige Schritte weiter vorankamen, sah sich Epicharis um. In der Ferne hasteten einige Frauen entlang, weiter hinten spielten ein paar Kinder irgendein Ballspiel. Versonnen blieb Epicharis' Blick auf den Kindern hängen. Ob sie auch einmal so auf ihre eigenen Kinder blicken würde? Vielleicht sogar Stolz empfinden würde?


    Der Ausruf einer bekannten Stimme riss sie schließlich zurück in die Realität. Suchend sah sie sich um - und erblickte weiter vorn in der Schlange Decima Lucilla, auf deren Hochzeit sie gewesen war und die sie von der Acta her kannte. "Ihr wartet", sagte sie nur zu ihren Sklaven, die dem Befehl folge leisteten und nicht hinterher liefen, als Epicharis sich nach vorn zu Lucilla durchkämpfte.


    "Lucilla, wie schön", begrüßte sie die Decima und lächelte sie an. "Das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier treffen. Für wen opferst du?" fragte sie, in der Annahme, es ginge um einen bestimmten Verwandten und nicht um mehrere.

  • "Das dauert ja wieder ..." Immerhin ist Lucilla schon ein paar Plätze weiter vorgerückt. Nicht nur, weil die Schlange sowieso vorrückt, sondern auch weil sie natürlich bekannt ist. 'Oh, Decima Lucilla, wie geht es dir wehrte Dame? Möchtest du vielleicht vor mich? Aber nein, das macht doch keine Umstände ... ich habe sowieso Zeit. ' Trotzdem dauert Lucilla alles viel zulange. Aber mit den Göttern muss man wohl geduldig sein.


    Die Abwechslung, die Epicharis Auftauchen darstellt, ist daher mehr als willkommen.
    "Oh, salve Epicharis. Wie geht es dir?" Sie hat die Patrizierin schon eine Weile nicht mehr gesehen. Genau genommen nicht mehr, seit sie nicht mehr Auctrix der Acta ist. Natürlich geht Lucilla auch als freier Schreiber noch ab und an im domus der Acta Diurna ein und aus, doch selten kurz vor Redaktionsschluss, dann wenn Epicharis Arbeit beginnt.
    "Ich opfere für meinen Neffen Faustus und meinen Cousin Livianus." Sie schaut ein wenig getrübt. "Wusstest du, dass Livianus vermisst wird? Er ist von einem Erkundungstrip nicht mehr zurückgekehrt. Vielleicht wurde er von den Parthern gefangen genommen ... vielleicht aber auch nicht." Lucilla spricht nicht aus, was das bedeuten würde. Doch Epicharis wird es wissen, immerhin ist ihr Verlobter auch im Krieg.
    "Hast du Nachrichten von deinem Verlobten? Geht es ihm gut?"


    Lucilla hasst den Krieg. Man könnte meinen, mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Doch Lucilla wird sich nie daran gewöhnen. Egal, wer von ihrer Familie im Feld ist, egal, wer kämpft, ihre Sorgen sind jedes Mal wieder unendlich.

  • "Ach ja", seufzte Epicharis und legte den Kopf schief. "Ganz gut eigentlich. Den Umständen entsprechend." Und was das für Umstände waren. Zu Hause war so gut wie nichts mehr im Lot und ihr Verlobter befand sich im Angesicht des Krieges. Aber man schlug sich eben so durch. "Und wie geht es dir? Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Hast du dich gut eingelebt bei deinem Ver... Mann?" fragte Epicharis und konnte mit Müh und Not den Versprecher gerade noch abwandeln. Lucilla hatte es aber sicher dennoch mitbekommen.


    "Ach Lucilla, jedes Mal, wenn ich das Domus der Acta betrete, finde ich, dass etwas fehlt", sagte Epicharis und zwinkerte Lucilla zu. "Aurelius Corvinus ist zwar selten anwesend, aber er macht seine Arbeit gründlich. Da kann man nicht meckern. Aber er muss sich ja auch erstmal hineinfinden." Einmal angefangen, war Epicharis kaum mehr aufzuhalten und schwatzte für ihr Leben gern. Besonders, da sie sonst keinen dafür hatte, seit ihre Stiefschwester sich so seltsam benahm und ihr Vater nach Ofellas Abreise an Machtversessenheit litt.


    "Vermisst?" fragte sie Lucilla dann und setzte eine besorgte Miene auf. "Nein, das wusste ich nicht. Wie schrecklich! Ich wünsche dir das Beste... Eurer ganzen Familie. Noch ein Trauerfall wäre sicher das Letzte, was ihr nun gebrauchen könntet. Und Marcus... Ja, ich habe heute Vormittag ein Schreiben erhalten und sogleich geantwortet. Auf dem Weg hierher haben wir einen Abstecher beim Amt gemacht, ich habe den Brief gleich aufgegeben." Wieder gab es einen Ruck in der schier endlos anmutenden Reihe, und sie konnten sich ein paar Schritte weiter nach vorn schieben.

  • Lucilla lacht leise über den Versprecher von Epicharis. Manchmal kann sie es selbst noch kaum glauben, dass sie nach all der Zeit doch noch verheiratet ist. "Ja doch, ich habe mich sehr gut eingelebt. Ein bisschen leer ist es schon in der Casa Germanica, sie ist ja so groß, aber in der Casa Decima war es zuletzt ja auch nicht viel besser. Außerdem habe ich natürlich freie Hand, was die Ausgestaltung angeht. Wobei ich eigentlich so wenig zuhause bin, dass das auch auf der Strecke bleibt." Sie grinst etwas verlegen.


    "Ich bin sicher, Aurelius Corvinus macht sich sehr gut als neuer Auctor. Er hat es natürlich schwer, weil er vorher noch keinen Einblick hatte. Aber so schwer ist es doch auch nicht und wenn er Fragen hat, dann bin ich ja auch nicht weit weg." Nun nimmt das Grinsen einen schelmischen Ausdruck an. "Er muss sich halt einen Termin geben lassen." Sie rollt ein bisschen entnervt mit den Augen. "So wie anscheinend hier auch. Hätte ich das gewusst ..."


    Lucilla zuckt mit den Schultern. Da kann man nicht ganz soviel machen, aber immerhin sind sie schon ziemlich weit vorne. "Das sind gute Nachrichten, von deinem Verlobten meine ich. Ich bin immer ganz erleichtert, wenn ich von meinem Neffen etwas höre. Ach wirklich, ich beneide dich nicht, Epicharis. Ich bin so froh, keinen Soldaten geheiratet zu haben." Das ist für die Lectrix natürlich kein sonderlich toller Trost. Das wird sogar Lucilla bewusst und sie versucht schnell davon abzulenken. "Siehst du dir gerne Wagenrennen an?" Lucilla könnte sich nicht daran erinnern, die Patrizierin je bei Spielen oder Rennen gesehen zu haben. Aber bei tausenden Zuschauern ist das auch nicht immer möglich. "Avarus hat sich entschlossen für sein Aedilat die Equirria auszurichten. Ich bin schon so aufgeregt, ich war doch noch nie in dieser Ehrenloge. Ach, Epicharis, mit so einer Hochzeit ändert sich einfach alles." strahlt Lucilla.

  • "Zudem werdet ihr beiden doch sicherlich dafür sorgen, dass die Casa nicht lange so verlassen bleibt, nicht wahr?" sagte Epicharis und zwinkerte Lucilla schelmisch zu. "Ob der Nachwuchs dann eher nach Senator Meridius oder nach Senator Avarus kommt, wird sicher interessant werden." Gegenüber Lucilla konnte sich Epicharis wohl sicher ein wenig Offenheit erlauben. Zudem war sie wegen des Briefes von Aristides gut gelaunt und bester Dinge. Gerade überlegte sie, ob sie sich nicht vielleicht einfach zu Lucilla in die Reihe stellen und damit einige Meter vordrängeln sollte.


    "Bisher wirkt er recht souverän. Lernfähig. Aber ich hörte, dass er regen Kontakt zu Aelia hat. Zumindest hat Ion sich darüber beschwert, dass er in letzter Zeit öfter Briefe nach Alexandrien verschicken soll. Theoretisch kann das ja nur eines bedeuten", offenbarte Epicharis Lucilla ihre Schlussfolgerung. "Ja... Seit Kriegsbeginn ist der Andrang recht groß. Zumindest im Marstempel. Wir sollten uns nicht beschweren." Besonders unter Berücksichtigung der letzten Ereignisse. "Hm... Noch sind wir zwar nicht verheiratet, aber Sorgen mache ich mir natürlich trotzdem", erwiderte die Claudierin und lächelte ein wenig.


    Allerdings nicht lange, denn als Lucilla die Rennen ankündigte, die ihr Mann ausrichten würde, erinnerte sie sich an die heimische Situation. Daran, dass ihr Vater ihr schon untersagt hatte, zu der Saturnalienfeier in die Villa Flavia zu gehen. "Hmm", machte Epicharis daher gedehnt und wirkte ein wenig bedrückt. "Ich muss mal schauen. Vielleicht", antwortete sie dann bewusst etwas schwammig. Eventuell würde sich Lucilla mit ihrem scharfen Verstand denken können, dass Epicharis als unverheiratete Patrizierin auf das Wort ihres Vaters angewiesen war, und da dieser derzeit höchst seltsam war... "Ich habe zumindest die Ankündigungen gesehen. Das verspricht, recht spannend zu werden. Ich denke, ich werde versuchen, zuzuschauen." Betteln allerdings würde sie nicht, dazu war sie zu stolz. Wieder gingen sie einige Schritte weiter nach vorn. "Was meinst du, wie lange es dauert, bis man ein Land eingenommen hat? Und wie lange der Krieg noch dauern wird?" sinnierte sie laut.

  • Lucilla kichert verlegen. "Eine Woche noch, dann werden wir wissen, ob wir in neun Monaten ausbauen oder erst in zehn." Wenn es diesen Monat noch nichts wird, dann eben nächsten. Eilig hat es Lucilla nicht, aber wozu heiratet man sonst, wenn nicht um ein Haus zu füllen? Außerdem, wenn dann erst der Bauch dicker wird, dann braucht man jede Woche neue Kleider - einen besseren Grund gibt es doch gar nicht, wie man den Ehemann dazu bringen kann, mehr Geld für Kleidung locker zu machen. :]
    Immer breiter wird das Grinsen auf Lucillas Gesicht. "Stell dir mal vor, ein Kind mit dem Sturkopf der Decima und dem Starrsinn der Germanica!" Sie schlägt theatralisch die Hände vors Gesicht. "Gütige Iuno, bitte schenke mir nur Töchter! Meine Söhne könnte ich doch niemals in den Senat lassen, aus Angst, dass sie nicht mehr lebend hinaus kommen."


    Lucilla kommt gar nicht mehr aus dem Kichern hinaus. "Aha, Briefe nach Alexandria. Soso ... theoretisch kann das zweierlei bedeuten, meine liebe Epicharis. Entweder," Lucilla hebt lehrerhaft einen Zeigefinger. "... er bekommt das mit der Acta nicht auf die Reihe und setzt Hilferufe ab. Ooooder aber," eine bedeutungsschwangere Kunstpause folgt, begleitet von großen Augen. "... er hat ein Verhältnis mit Aelia!" Lucilla nickt ernsthaft und versucht krampfhaft ihr Lachen zu unterdrücken, was ihr allerdings nicht ganz gelingt.


    "Oh, schau nur, nur noch einen Frau vor mir. Wo wir doch beide für die Legio I opfern, magst du dich mir anschließen? Dann brauchst du nicht mehr so lange zu warten und ob Mars drei Tiere hintereinander oder äh, drei Tiere hintereinander bekommt, das wird er nicht so eng sehen, Hauptsache er bekommt ... naja, drei Tiere hintereinander eben." Ganz logisch durchdacht ist das wahrscheinlich nicht, aber was versteht eine Frau wie Lucilla schon von Logik?


    Dann zuckt sie die Schultern. "Puh. Parthien ist ein großes Land. Hast du schon einmal eine Karte der Region gesehen? Ich habe früher beim Cursus Publicus ja sehr viel mit Kartenmaterial hantiert, auch mit sehr gutem. Also vorne an der Küste des Mare internums kommt so ein schmaler Streifen Syrien und obendran Cappadozien und da hinter, da kommt das Parther-Reich. Und dann kommt nichts mehr. Nur noch Parther-Reich, größer als Hispania. Also irgendwann wird schon noch etwas anderes kommen, aber ... naja, ich fürchte, das dauert schon noch eine ganze Weile." Sie nickt bedauernd. Natürlich hat sie keine Ahnung, wie weit man ins Partherreich hinein muss, um zur Hauptstadt zu gelangen, wenn es so etwas bei den Parthern überhaupt gibt, aber sicherlich würden die Feinde sich auch weit im Hinterland noch verschanzen, so dass die Legionen überall hin müsste, ähnlich wie in Germanien.

  • Epicharis nickte verständig. Ja... Das monatliche Übel, vor dem keine Frau gefeit war. Wann sie wohl darauf achten würde, dass es sie für ein Dreivierteljahr verließ? Sie dachte an die bevorstehende Ehe und seufzte leise. Wenn doch nur Aristides schon wieder zurück gewesen wäre... Lucillas Spekulationen aber lenkten sie recht schnell wieder vom Thema ab und zauberten ein Grinsen auf ihr Gesicht. "Wenn du das sagst? Leider kenne ich deine Familie und die deines Mannes zu wenig, um das beurteilen zu können. Aber den Nachwuchs, den werde ich doch ganz sicher zu Gesicht bekommen..." Und dann würde sie veranlassen, dass man einen Artikel darüber in der Acta publizierte, soviel stand fest.


    Kaum erwähnte Lucilla ihre Spekulationen, Auctor und Auctrix PPA betreffend, starrte Epicharis sie nur noch mit großen Augen an. Natürlich war das ein Scherz...aber wissen konnte man natürlich nie. Schon war ein gerücht geboren, wo einfach ging das. Epicharis beugte sich etwas näher zu Lucilla hin. "Ich werde das mal beobachten und dir dann natürlich berichten", entgegnete sie verschwörerisch und grinste.


    "Hm. An sich eine gute Idee", pflichtete sie Lucilla bei und trat einen Schritt zurück, um die weiter hinten wartenden Sklaven mit einer dezenten Geste etwas weiter nach vorn zu holen. Der dickliche Mann hinter Lucilla verzog zwar das Gesicht, sagte jedoch nichts, als sich die claudischen Sklaven zu denen von Lucilla gesellten. Das Schweinchen grunzte vergnügt. Epicharis sah es an, während sie Lucilla zuhörte. Bei der Erwähnung der Karte wollte sie sogleich bestätigen, dass sie natürlich hatte wissen wollen, wo ihr Verlobter sich jahrelang würde aufhalten, und darob nachgesehen hatte, doch Lucilla ließ ihr keine Zeit für einen Einspruch, und so schmunzelte Epicharis nur milde und ließ sie ausreden. Ein Seufzen leitete ihre Antwort schließlich ein. "Ja, das fürchte ich auch. Marcus schrieb zuletzt von Zeugma aus." Bedrückendes Schweigen hing einen Moment in der Luft. Epicharis mochte den Krieg wohl ebenso wenig wie tausende andere Frauen, die ihre Liebsten im Angesicht des Feindes wussten. Aber es war nicht zu ändern. Dann waren sie plötzlich die ersten in der Reihe, und kurz darauf wurde ein Altar frei. "Wollen wir?" fragte sie und setzte sich schon in Bewegung, ehe Lucilla antworten konnte. Hinter ihr her tapsten Nordwin, das Schweinchen fest im Griff, und einige weitere Sklaven.

  • "Oh, aber natürlich!" nickt Lucilla bestätigend, denn ganz Rom würde ihr Kind zu sehen bekommen. Wie ein neues Kleid würde sie es ausführen. "Avarus würde dann zwar gerne aufs Land hinaus, aber ich glaube wirklich nicht, dass das nötig ist. Mein Bruder Meridius hat das ja auch so gehandhabt, als wäre eine Frau krank oder aussätzig, wenn sie ein Kind gebiert! Also ich wäre gerne bei Iulia gewesen, so etwas ist doch ein Familienereignis und ich wünschte mir, ich hätte noch mehr weibliche Verwandschaft, die das mit mir teilt. Aber du weißt ja, wie die Männer sind. Die Frau braucht Ruhe und muss aus der Hektik der Großstadt hinaus." äfft Lucilla mit tiefer Stimme die Männerwelt nach. "Oh ja, da kennen sich die Herren der Schöpfung natürlich ganz besonders gut aus. Also meine Mutter hat all ihre Kinder mitten in Tarraco zur Welt gebracht. Gut, Tarraco ist nicht Rom, aber ruhig ist es ganz sicher auch nicht, und darum werde ich auch in Rom bleiben."


    Bei dem vielen Gerede vergeht die Zeit und schon stehen Epicharis und Lucilla am Ende der Schlange - oder am Anfang, je nachdem, von welcher Seite man aus es sieht. Lächelnd erklimmt Lucilla neben der Patrizierin die Stufen zum Tempel hinauf, die Sklaven mit den Gaben für das Voropfer hinter ihnen. Zwischen den Säulen schlägt ihnen schon der Räucherduft entgegen und spätestens beim Gang durch die große Tür hindurch, betreten die beiden Frauen eine andere Welt. Das Licht großer Öllampen beleuchtet die Waffen, Schilde und Rüstungen, die den großen Feinden Roms in der Vergangenheit abgenommen und dem Mars in diesem Tempel geweiht worden waren. Lucilla hat allerdings wenig Sinn für Militaria. Obwohl die große Kultstatue des Mars in diesem Tempel einen väterlichen Bart trägt, symbolisiert sie doch durch und durch einen Krieger und Lucilla erschauert in seinem Anblick. Sie mag den Krieg nicht und eigentlich auch keine Krieger. Mit Mars Tarbucelis, Mars Capriociegus, Mars Silvanus oder Mars Tilenus kann sich Lucilla eigentlich mehr anfreunden, aber sie ist schließlich nicht wegen sich selbst da. Es geht nunmal um Krieg und Soldaten und da ist der Tempel des Mars Ultor die erste Adresse, immerhin ist es auch der schönste und größte Tempel des Mars überhaupt.


    Lucilla öffnet ihr einfach zusammengebundenes Haar und reinig ihre Hände in dem Becken an der Tür. Dann tritt sie zusammen mit Epicharis vor die große Mars-Statue. Jedes Mal, wenn Lucilla vor den gewaltigen Füßen steht, fragt sie sich, ob Mars wohl kitzelig ist. Einmal, da war sie noch etwas jünger, hat sie ganz schnell am großen Zeh gerieben, doch es ist nichts geschehen. Mit einem Blick vergewissert sich Lucilla, dass Epicharis soweit ist, dann fängt sie mit der Räucherung an, um sich schließlich an Mars zu wenden.


    "Mars Pater, wir stehen heute hier als Verlobte, als Cousinen und als Tanten Deiner Söhne, und wir bitten darum, bewahre sie uns wie ein Vater. Sende sie wohl überlegt in den Kampf und halte Deine Hand schützend über sie.
    Mars Invictus, wir stehen heute vor Dir als Römerinnen mit reinem Herzen, und wir bitten darum, führe unsere Soldaten unversehrt bis zum Sieg.
    Mars Gradivus, wir stehen heute vor Dir als sorgende, aber auch hoffende Frauen Roms, und wir bitten darum, schreite dem römischen Heer voran und erfülle die Herzen Deiner Kämpfer mit Mut und Stärke.
    Mars Ultor, wir stehen heute vor Dir als Frauen des Imperium Romanum, und wir bitten darum, schleudere Deinen Zorn gegen all jene, die unsere sicheren Grenzen bedrohen, und all jene, die Rom auf dem Feld entgegen stehen.
    Unsterblicher Mars, unsere Gaben übergeben wird Dir, auf dass Du unsere Liebsten schützen mögest und ihre Herzen mit Kraft und ihren Geist mit Mut erfüllen wirst. Segne mit Deiner Kraft und Deinem Mut Marcus Flavius Aristides, Faustus Decimus Serapio und Marcus Decimus Livianus, so bitten wir Dich. Nimm unsere Gaben, oh Mars, so bitten wir Dich, im Gegenzug, und gewähre unseren Liebsten Deine Gunst."


    Während ihrer Worte gießt Lucilla ihren Wein die die Schale vor dem Mars und die Kekse - goldbraune, knusprige Kekse mit 52 Zähnen - wandern auf den Tisch.

  • "Ach wie schrecklich, hat sie denn ganz allein ihr Kind bekommen? Ohne Freundinnen und die Familie um sich herum? Nein, also wenn es bei mir soweit ist, dann will ich auch nicht fort." Wobei Epicharis allerdings eher weniger Ambitionen hatte, ihre Familie dann nahe um sich zu haben. Ihre Mutter hätte sie gern bei sich gewusst, aber da dies unmöglich war, dachte sie nicht weiter darüber nach. Und so viele Freundinnen hatte sie eigentlich auch nicht, dass sie ihr einen triftigen Grund bieten würden, in der Stadt zu bleiben, wenn... Aber das alles lag noch in weiter Ferne. Aristides war schließlich noch im Krieg, Lucilla hatte ihren Ehemann zu Hause.


    Epicharis kicherte verhalten, als Lucilla ihren großen Bruder nachmachte, und warf ihr einen Seitenblick zu. Dann blinzelte sie, und das Lächeln wich ein wenig von ihrem Gesicht. "Mir fällt gerade auf, dass ich noch gar nicht weiß, was Marcus darüber denkt...." sagte sie und schaute verdutzt. Dass er vielleicht gar keine Kinder mehr haben wollte, auf die Idee kam Epicharis recht schnell im Zuge dieser Überlegung. Immerhin hatte er bereits einen Sohn und Erben. Der Tag schien ein wenig kühler geworden zu sein, und sicher entging auch Lucilla nicht der leicht besorgte und nachdenkliche Ausdruck auf Epicharis' Zügen, während sie weitergingen.


    Nach Lucilla reinigte sich auch Epicharis. Ehrfürchtig trat sie danach zusammen mit ihr auf die große Statue des Mars zu. Sie nickte Lucilla kurz zu, und mit geübter Hand streute diese die Weihrauchkügelchen in den Foculus und läutete damit das Voropfer ein. Andächtig verharrte die Claudierin und zog sich ihre Palla über den Schopf. Lucillas Worte rührten etwas in ihr an und brachten sie zum Klingen. Bessere Worte hätte sie selbst gewiss nicht finden können. Und so sandte sie ihre Gedanken mit geschlossenen Augen zu Mars und hoffte, er möge ihrer beiden Bitten erhören. Im Stillen fügte sie die Bitte an, dass ihrem zukünftiger Ehemann ein Erbe noch nicht genug sein würde. Eine Hand auf ihrem Unterarm riss sie zurück in den Tempel, und einer ihrer Sklaven hielt ihr den Korb mit einer aufmunternden Geste hin. Epicharis griff hinein und steuerte ihrerseits ebenfalls Opferkekse herbei, runde, mit ein wenig Mohn bestreute Leckereien. Die normalen Dinkelspelzkekse waren ihr unangemessen erschienen.

  • Knackig - die Kekse und die Mädels. Da blieb Mars gerne eine Weile länger, aber vermutlich würde jetzt entweder seine Mutter vorbeikommen und wegen des Blutflecks zetern oder Venus um die Ecke biegen und ihm eine Szene machen, weil er nicht nur auf die Kekse geguckt hat.

  • Lucilla schielt kurz nach links um zu sehen, ob Epicharis soweit ist, dann dreht sie sich rechts herum, um den Tempel zu verlassen. Es heißt, die Götter würden in den Tempeln wohnen. Lucilla fragt sich immer, wieso die Tempel dann nach vorne raus keinen Balkon haben. Denn so müsste Mars ihnen ja nun nach Draußen auf den Tempelvorplatz folgen. Gäbe es einen Balkon mit einer breiten Tür, so könnte er es sich dort gemütlich machen und mal hinein, mal hinaus schauen. Wären Frauen für den Tempelbau verantwortlich, dann hätten die Tempel sicher Balkone und nicht nur Terassen. Lucilla fragt sich auch, ob die Tempelarchitekten wohl jemals die Götter nach ihren Wünschen befragt haben, mal abgesehen von der Platzwahl, die vor jeder Tempelerrichtung der Normalfall ist. Vermutlich nicht. Sie selbst hätte da noch ein paar ganz extravagante Ideen für so einen Tempel.


    Die frische Luft zwischen den breiten Säulen vertreibt Lucillas Ideen. Zusammen mit Epicharis geht sie die Stufen hinunter und bleibt vor dem Opferstein stehen. Die zwei kleinen Schweinchen sind unterdessen schon vorbereitet worden. Die rote Farbe ist einfach fantastisch und Lucilla bedauert ernsthaft, dass das sicher keine dauerhafte Lederfarbe ist und man deswegen beim Gerber auch nie Leder in so einer schicken Farbe bekommt. Der Mars hat es halt schon gut, da kann man als modebewusste Frau nur neidisch werden.


    Versiert weiht Lucilla die Tiere mit Mola Salsa und Wein dem Mars und entkleidet sie rituell, sorgfältig darauf bedacht, die Farbe nicht abzukratzen - man könnte fast meinen, sie wäre in einem früheren Leben mal Sacerdos gewesen. 8)
    Dann sagt Lucilla nochmal ihr Sprüchchen auf. Wiederholung ist das Alpha und Omega im Opfer, außerdem hat sie zuhause ziemlich lang daran gefeilt und da darf es ruhig auch die noch immer vorm Tempel wartende Schlange hören.
    "Mars Pater, wir stehen heute hier als Verlobte, als Cousinen und als Tanten Deiner Söhne, und wir bitten darum, bewahre sie uns wie ein Vater. Sende sie wohl überlegt in den Kampf und halte Deine Hand schützend über sie.
    Mars Invictus, wir stehen heute vor Dir als Römerinnen mit reinem Herzen, und wir bitten darum, führe unsere Soldaten unversehrt bis zum Sieg.
    Mars Gradivus, wir stehen heute vor Dir als sorgende, aber auch hoffende Frauen Roms, und wir bitten darum, schreite dem römischen Heer voran und erfülle die Herzen Deiner Kämpfer mit Mut und Stärke.
    Mars Ultor, wir stehen heute vor Dir als Frauen des Imperium Romanum, und wir bitten darum, schleudere Deinen Zorn gegen all jene, die unsere sicheren Grenzen bedrohen, und all jene, die Rom auf dem Feld entgegen stehen.
    Unsterblicher Mars, unsere Gaben übergeben wird Dir, auf dass Du unsere Liebsten schützen mögest und ihre Herzen mit Kraft und ihren Geist mit Mut erfüllen wirst. Segne mit Deiner Kraft und Deinem Mut Marcus Flavius Aristides, Faustus Decimus Serapio und Marcus Decimus Livianus, so bitten wir Dich. Nimm unsere Gaben, oh Mars, Fleisch und Blut, so bitten wir Dich, im Gegenzug, und gewähre unseren Liebsten Deine Gunst."


    Das Opfermesser geht über in die Hand eines Cultus-Dieners, denn obwohl Lucilla als altes Landei schon so manchem Tier die Kehle durchgeschnitten hat, gehört es sich für eine römische Matrone einfach nicht, sich auf dem Forum Augustum die Tunika zu besudeln.
    "Agone?" fragt der junge Mann mit dem Messer in der Hand und Lucilla nickt. "Age!"


    So schnell wie das Schweinchen ein Loch in der Kehle hat, kann Lucilla gar nicht schauen. Hoffentlich hat es wenigstens Mars genau gesehen. Wenn nicht, dann bleibt ihnen beiden noch die Chance, bei Epicharis Schweinchen mehr zu sehen.

  • Dass Tempel keine Balkone hatten, hatte zwei praktische Gründe. Erstens musste man dann im Winter keine Balkonstühle reinholen, damit sie nicht vom Sturm weggeweht wurden und zweitens konnte man sich so darauf konzentrieren, die Menschen beim Durchqueren der Tür zu beobachten. Da sah man sie nämlich beim Reinkommen von vorne und beim Rausgehen von hinten, um sich wortwörtlich von allen Seiten ein Bild von ihnen zu machen. Mars' Bild von der Opfernden und dem Schweinchen war rundum positiv. Heikle Namen hatte sie auf ihrer Liste, das würde kein leichtes Stück Arbeit werden, aber Mars würde sein Bestes geben.

  • So souverän und selbstsicher wie Lucilla fühlte sich Epicharis bei weitem nicht. Entweder, so überlegte die junge Claudia, hatte Lucilla schon sehr viele Male geopfert, oder aber sie war schon einmal selbst Sacerdos gewesen. Prüfend sah sie daher Lucilla von der Seite an, als sie sich ebenfalls rechtsrum von der großen Statue des Mars abwandte und an ihrer Seite, gefolgt von den Sklaven und den schweinchentragenden Helfern des Tempels hinaus ging. Wie sie es schafften, ihre Kleider so sauber zu halten, fragte sie sich, immerhin war die Farbe, mit der die Schweinchen angetan waren, alles andere als abriebfest.


    Während Lucilla ihr kleines Schweinchen für sein Schicksal rüstete, betrachtete Epicharis sie ganz genau. Jeder Handgriff saß und jedes Wort war angemessen und erschien ihr fast wie eingeübt. In diesem Moment hatte sie großen Respekt vor der kleinen Lucilla, die man zu späterer Zeit sicher als Powerfrau bezeichnet hätte. Duldsam lauschte sie den Worten, fügte in Gedanken ihre eigenen, ganz persönlichen Bitten an und betrachtete schließlich, wie das kleine Schweinchen dem Messer in den geübten Händen des auserwählten Opferdieners zum Opfer fiel. Schnell sickerte das Blut aus der Wunde am Hals, und Epicharis fragte sich versonnen, wieviel Blut so ein kleines Schweinchen doch hatte. Erst, als Lucillas Ferkelchen ganz und gar mausetot war, besprenkelte sich ihr Tierchen mit der Salzlauge. Man gab ihr nun auch ein Opfermesser, mit dem sie die Binden vom Schweinchen strich und ihm über den Rücken fuhr. Sagen wollte sie nichts weiter, Lucillas Gebet war überaus treffend gewesen und hatte bereits alles beinhaltet, was auch Epicharis wichtig gewesen war.


    Sie gab dem Helfer das Messer zurück. "Agone?" fragte der junge Mann vor ihr. "Age!" erwiderte Epicharis, wie es das Procedere erforderte. Der Mann nickte und zog dem erschrockenen Schweinchen das Messer durch die Kehle. Der Schnitt war ein wenig breiter als der bei Lucillas Schweinchen, weswegen das kleine Tierchen auch ein bisschen schneller ausblutete als sein Vorgänger. Nachdenklich blickte Epicharis auf das helle Schweinchenblut herunter, das sich sammelte und glucksend in der dafür vorgesehenen Öffnung versickerte.

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