Ohne Spelz und Makel oder: Ein neuer Centurio in der Prima

  • Selbst wenn die Nacht noch jung war – der Mond dennoch ein Stück über das Firmament gewandert – so mußte sich schon der eine oder andere centurio verabschieden, tat das noch mit einen freundlichen Nicken zu Imperiosus, manch einer gab noch einige Abschiedsworte und Glückwünsche für die neue Einheit von sich ehe er das Zelt verließ. Doch einige der Männer blieben noch im Zelte, Hortensius, Bruseus und Laberius, ebenso jener centurio, der stumm dem Fest beigewohnt hat und langsam, aber sicher einen Becher nach dem Anderen geleert hatte, dennoch ansprechbar wirkte, seine düstere Miene weiter behielt und still am Rande des Zeltes saß.


    Das Rätsel des Namens löste sich, auch Marcus verstand nun, was es damit auf sich hatte. Also ein leiblicher Sohn, aber durch die Wirren der Gesetze, durch die absonderlichen Bestimmungen, die für Marcus – der die Juresprudenz nicht im Mindesten verstand – nicht sonderlich einsichtig waren. Aber Sohn war Sohn für Marcus und immer ein Geschenk der Götter. Die Worte von Imperiosus zeugten jedoch von einer großen Betrübnis und Trauer, scheinbar war es eine Liason aus Liebe gewesen. Marcus nickte verstehend und durchaus mit Mitgefühl. Er hatte zwar noch nie eine Frau derart innig geliebt, daß es über mehr als ein Jahr hinaus ging, Schwärmerei kam oft bei Marcus vor, aber beständige Liebe...? Abgesehen von der, die er für seine Mutter hegte und deren wegen er jeden und alles verdammte, der ein schlechtes Licht auf seine Mutter warf.


    „Das tut mir sehr Leid!“
    , erwiderte Marcus.
    „Einen geliebten Menschen zu verlieren ist kaum zu ertragen...“
    Für Marcus war es das auch nicht. Darum verleugnete er immer noch die Nachricht um seine Tochter.
    „Oh, ich glaube, mein Sohn wird wohl nicht ganz so erfreut sein!“
    Marcus lächelte jedoch bei den Worten.
    „Er verdient nämlich noch eine Tracht Prügel für seine letzte Schandtat!“
    Inzwischen konnte Marcus sogar schon über jenen Abend und die Begebenheit lachen. Selbst wenn er in dem Moment sehr wütend gewesen war auf seinen Sohn, aber im Krieg relativierte sich sehr viel.
    „Er hat auf meiner Verlobungsfeier meiner Verlobten tatsächlich eine tote Ratte als Geschenk gemacht...Kinder...Himmel und alle guten Götter!“


    Marcus grinste jedoch. Das mit der Opiumpfeife erfreute Marcus sehr. Männer, die das Leben zu genießen wußten - und Imperiosus konnte das eindeutig! - waren Marcus sehr sympathisch. Doch ungehört blieben die Worte nicht. Hortensius horchte auf und unterbrach eine salbungsvolle Rede, die er über einer seiner früheren Kriegserlebnisse abhielt.


    „Opium? Ägyptisches? Hispanisches? Ich sehe schon, ihr wolltet uns das vorenthalten, sehe ich das Recht?“
    „Nein! Überhaupt nicht.“
    Marcus lachte, ganz so unrecht hatte Hortensius nicht. Aber ein Blick genügte für Marcus, daß sie eine Runde waren, die klein genug war, um das Opium zu genießen.
    „Ich teile natürlich brüderlich mit euch allen. Möge ein Sklave -wie würde mein Vetter sagen?- uns das feine Kraut kredenzienten!“
    Bruseus verzog das Gesicht.
    „Wenn schon kredenzen, Marcus. Aber für mich besser nicht. Ich bin dann für Tage nicht mehr in der Lage, das Kommando zu führen.“


    Marcus zuckte mit der Schulter. Ob kredenzen oder kredenzienten, Hauptsache da Kraut kam her. Marcus winkte einen Sklaven heran und schickte ihn zu seinem Zelt, damit er das Geschenk herbei holte. Derweil wandte sich Marcus wieder an Imperiosus.


    „Es ist auch lange her, daß ich so was geraucht habe...in Ägypten war das, glaube ich. Mal davon abgesehen, daß ich vor ein paar Wochen von einem medicus ein Kraut gegen die Schmerzen bekommen habe...wegen den Verletzungen.“
    Marcus ließ sich noch etwas Wein eingießen.
    „Kommst Du aus Hispania? Wie ist es dort so?“

  • Imperiosus leerte seinen Becher, der sofort wieder von einem Sklaven gefüllt wurde. Immer wieder verabschiedeten sich einige der Centurionen und beglückwunschten Tiberius noch einmal, der dies dankend entgegen nahm. Als er dann von dem Verlobungsgeschenk hörte, musste er lachen.


    " War sicherlich nicht gerade lustig,in diesem moment, doch verzeih, dass ich lachen musste. "


    Der Artorier versuchte das Lachen zu unterdrücken, da er sich vorstellen konnte, wir es wohl für die Verlobte gewesen sein musste. Nun kam es zu einem kurzen aufhorchen, da wohl auch andere von dem Opium gehört hatten und auch etwas mitrauchen wollten.
    Als aber Aristides von Hispania anfing, wusste er nicht genau, was er darauf antworten sollte.


    " Indirekt. Meine Geliebte war Spanierin und ist auch dort geboren. Ich wurde in Rom geboren, doch als ich von der Expedition zurückkam, wollte sie mich unbedingt ihrer Familie vorstellen. Somit ging ich dann nach Hispania und lebte eine Zeit lang dort. Es ist wirklich sehr schön dort. In den Städten herrscht nicht soviel Trubel wie in Rom, was natürlich auch daran liegt, dass dort weniger leben. Aber im großen und ganzen kann man dort sehr gut leben. Vielleicht verbringen ich dort meinen letzten Lebensabschnitt. "


    Natürlich konnte Imperiosus dies nur tun, wenn er dieses Krieg überlebte, aber davon ging ja jeder der Soldaten von aus.

  • Verblüfft blinzelte Marcus einige Male als er das Lachen von Imperiosus vernahm, wurde dann jedoch gleich darauf auch angesteckt. Marcus war kein Geselle der Trübsamkeit und keiner, der sich der Fröhlichkeit erwehren konnte. Sein kollerndes Lachen erfüllte das Zelt, seine Augen zogen sich zu funkelnden Schlitzen zusammen und seine Haut nahm eine gesunde Röte an, die sich mit der Bräune mischte, die er im Felde und auf dem Exerzierplatz erworben hatte. Gelöst war sein Gemüt auch vom guten Weine, den er durchaus schon reichlich an jenem Abend zu sich genommen hatte. Nein, wütend konnte er auf seine Sohn gewiß nicht mehr sein. Zudem entsann es ihn an seine eigenen Schandtaten als Junge, der eifersüchtig darüber wachte, daß die Männer seiner Mutter nicht zu nahe kamen – manchmal mit, des öfteren ohne Erfolg. Marcus winkte glucksend ab als sich Imperiosus entschuldigte.


    „Du hast ja völlig Recht, Artorius. Wütend...oh ja, ich habe gekocht vor Zorn, aber gewitzt ist mein Junge durchaus.“


    Flink hatten die Füße des Sklaven ihn durch das Lager getragen, aber er hatte es auch nicht weit gehabt, denn das Lager von der fünften Zenturie lag in der Nähe der Zweiten. So schlug der Sklave bereits wieder den Zelteingang zur Seite, schlüpfte hinein und trat an Marcus heran, der – ohne die Aufmerksamkeit von Imperiosus abzuwenden – den Sklaven deutete, die Sachen neben ihn zu legen. Eine Holzkiste war es, die der Sklave neben Marcus abstellte.


    Hispania! Aquilius kam von dort und das war bisher einer der wenigen Umstände, die Marcus an Guten dieser Provinz abgewinnen konnte. Schließlich kamen alle verkorksten, peinlichen und verräterischen Flavier aus Hispania, die hispanische Linie war bei den Flaviern überaus verachtet, gemieden und geächtet. Aber jetzt war auch noch sein Neffe Prokonsul von Hispania, der Wein seines Vetters stammte von dort. Womöglich war es mal an der Zeit seine Aversion gegen diese Provinz zu überdenken. Außerdem war er sich sicher, daß sein Neffe schon was aus dem Land machen würde. Hatte nicht zudem mal Epicharis dort einige Zeit gelebt? Schon erhielt die Provinz eine enorme Aufwertung in Marcus Gedanken. So lächelte Marcus schief.


    „Das klingt nach einer guten Zeit. Selbst wenn es tragisch endete, eine Zeit des Glücks ist immer noch ein großes Geschenk der Götter.“
    , meinte Marcus, der immer noch nicht die rechten Worte wußte. Und nun das Thema in eine andere Richtung schwenkte.
    „Womöglich komme ich auch eines Tages mal dazu, die Provinz zu besuchen. Mein Vetter stammt von dort und mein Neffe...“
    Marcus zögerte, genaueres wollte er nun doch lieber nicht sagen, schließlich könnte man das so interpretieren, daß Marcus von dem Windschatten seines Neffens profitieren wollte.
    „...lebt auch zur Zeit dort. In Tarracono - heißt die Stadt so? - hat meine Familie auch ein Anwesen.“


    Nun war es doch mal an der Zeit sich dem Kasten zu widmen. Marcus öffnete ihn und holte eine Opiumpfeife hervor – aus Elfenbein geschnitzt, mit einem Mundstück aus Zedernholz und einer Spitze - erneut aus Elfenbein gefertigt. Am hinteren Drittel war ein Metallaufsatz, in dem man das Opium abbrennen konnte. Grübelnd sah Marcus auf die Accessoires und war sich nicht mehr ganz sicher, wie was wohin kam. Er hob seine Hand und kratzt sich am Nacken, denn auch in Ägypten hatte das immer ein Sklave getan und niemals Marcus. Hortensius seufzte auf.


    „Gib' schon her, Flavius!“
    Was Marcus nur zu gerne tat. Eindeutig versierter vermochte der ältere centurio die Pfeife zu füllen, er drückte die schwarze Mohnmasse zurecht und in den 'Pfeifenkopf', dann zündete er die Pfeife schließlich an.
    „Unerwartete Talente, Hortensius. Sollten wir da etwas wissen?“
    , feixte Laberius. Hortensius bedachte ihn mit einem müden Blick und legte die Pfeife an, zog daran und seufzte genüßlich. Der Rauch entwaberte seinem Mund und schlich aus seinen Nasenlöchern heraus. Sodann gab er die Pfeife an Marcus weiter, der auch den Rauch aus der Pfeife in seinen Mund und Lungen mit einem tiefen Zug einatmete und sie feierlich Imperiosus überreichte.

  • Imperiosus wollte ungern Aristides korrigieren, hatte er doch zuviel respekt vor ihm, doch er tat so, als würde er einfach den Namen der Stadt nochmals wiederholen, damit es niemand so auffiel


    " Tarraco,... dort lebt jetzt mein Sohn sowie einige Didier. Doch meine geliebte wurde in Carthago Nova geboren, dort ist der Stammsitz der Familie. Vielleicht werden wir uns ja mal dort treffen und zusammen mal die ein oder andere Taverna aufsuchen. "


    Oder zu der Schenke gehen, die seinem Sohn gehört, wenn er sie bis dahin noch haben sollte. Dann packte der Flavier die Opiumpfeife aus und wusste anscheinend nicht so recht, wohin was gehörte, als dann Hortensius die Pfeife an sich nahm. Anscheinend hatte er dies schon desöfteren gemacht, weswegen er sich auch ganz besonders auskannte.
    Nachdem nun Imperiosus an der Reihe war, nahm er einen kräftigen zug und ließ den Qualm in seine Lungen. Ein leichtes kratzen spührte er im Hals, da er schon lange nicht mehr dies gemacht hatte. Dann ließ er langsam den Rauch durch seine Nase wieder raus, als er die Pfeife weiter gab an Laberius. Sofort zeigte das Opium seine Wirkung und der Artorier fühlte sich wirklich sehr sehr gut.


    Auch Laberius nahm eine kräftigen Zug, zwar wurde es etwas ruhiger unter ihnen, doch das machte eigentlich auch nichts.

  • „Genau...Tarroco...“


    Unverbeßerlich war Marcus in dieser Hinsicht, aber er konnte sich weder Namen, Geographie noch Geschichte sonderlich gut merken, eine unglückselige Kombination. Aber selbst wenn Marcus dadurch in so manch ein Fettnäpfchen trat, es hatte wenig an seiner Lebenszufriedenheit in all den letzten Jahrzehnten gemindert. Marcus lauschte Imperiosus und genoß dabei den Nachhall vom Opiumrauch an seinem Gaumen, einen würzig, süßlichen Geschmack, der mit einer Komponente gemischt war, den manche Menschen wohl durchaus als unangenehm empfanden, Marcus mochte ihn jedoch. Selbst die bitteren Stoffe in dem Rauch erfreuten seine Sinne. Er betrachtete den Rauch, der nach oben schwebte, als ob er Hermes rufen wollte, um ihnen die Träume zu offenbaren, die in dem gekochten, gepressten und getrockneten Saft der Mohnblume lag. Es war schon viele Jahre her, daß Marcus das zum reinen Vergnügen getan hatte, stets angestachelt von der Gesellschaft – die seine Mutter als den Abschaum der Welt gerne bezeichnet hatte! -, der er damals in Baiae angehangen hatte. Marcus lächelte selig als er an all die schönen Jahre – jedoch auch die unnützen Jahre – zurück dachte.


    „Didier?“


    Marcus kannte keinen Didier. Aber der Name klang melodiös in seinen Ohren. Di-Di-Di-Dier. Marcus lächelte breit, ihm gefiel der Klang, seine Lippen formten den Namen andächtig. Ja, auch bei Marcus machte sich der Rauch schon bemerkbar, der den Rausch in sein Blut störmen ließ, seine Sinne erreichte und anfing seinen – zugegeben nicht immer sehr flinken – Geist zu umnebeln. Mit einem trottelig, gutmütigen Lächeln ließ sich Marcus auf das Fell sinken, als ob er auf einer Kline lag und stützte sich mit dem Ellbogen ab. Schon kam die Pfeife wieder zu ihm zurück, Marcus ließ den Rauch in seinen Mund gleiten, atmete ihn tief ein und ließ langsam den Rauch aus seinem Mund entweichen. Hielt den Atem an, ließ erneut ein wenig von dem grauen Nebel entsteigen und versuchte sich an Rauchringen – ohne Erfolg. Die graue Wolke schwebte vor seinem Gesicht. Tiere wölbten sich aus den Formen heraus. Ein Lamm, das keck über die Wiese sprang und sich an seinen ersten Lebenswochen erfreute. Ein Stier, der seine Hörner durch die graue Wand stieß. Marcus seufzte leise und reichte die Pfeife weiter. Mit einer Hand wedelte Marcus all die Rauchtiere hin fort und wendete seinen Blick Imperiosus zu, ebenso wanderte die Pfeife weiter.


    „Eine großartige Idee ist das. Machen wir Torraco unsicher oder Carthago...doch nicht etwa DAS Carthago, oder?“
    Marcus kratzte sich am Kinn, verwirrt. Er war doch schon mal in Carthago gewesen und das lag doch gewiß nicht in Hispania.
    „Nein, ein anderes Carthago...aber egal...ja, die tabernae von dort müßen wir unbedingt unsicher machen...und zudem die besten lupanare der Stadt...“
    Marcus stockte. Wie waren denn die Hispanerinnen? Marcus hatte keine Ahnung. Doch, dann fiel es ihm wieder ein. Die schöne Lucilla kam aus Hispania.
    „Ich glaube, die Frauen von Hispania sind auch nicht zu verachten. Hübsch, rassig, dunkelhaarig, hm?“
    Erneute Runde von Opium, es stieg Marcus immer mehr in den Kopf. Lächelnd legte er sich auf den Rücken und betrachtete die bunten Flecken am Zeltdach.

  • Als die Pfeife wieder bei Imperiosus landete, war er bereits doch recht benebelt von dem ganzen Opium. Er nahm einen weiteren kräftigen zug und fing ganz plötzlich an zu lachen, als er seinen Rauch sah.


    " Schau die mal das Kolosseum an... "
    sagte er laut, dabei war hier weit und breit kein Kolosseum gewesen, auch der Rauch sah in keinersterweise so aus, doch der Artorier kiecherte weiter.


    Auf die Worte von Aristides nickte er immer nur, da er schon jetzt nicht mehr wirklich verstand, was er ihm sagte.
    Als er die Pfeife weiter gab und er den ausgeatmeten Rauch des nächsten Centurio sah, brach Tiberius wieder in einem lauten lachen aus. Er sah, wie lustige kleine Tier aus den Mund rauskamen. Imperiosus hatte wirklich schon sehr lange nicht mehr Opium geraucht, weswegen er auch jetzt schon ziemlich neben der Strecke war. Er legte sich ein wenig zur Seite, als seine Augen immer schwerer wurden. Immer wieder hörte man noch ein kiechern, als nach kurzer Zeit auch dies verstummte. Der Artorier schlief seelenruhig ein, mit einem lächeln im Gesicht. Sicherlich würde er sich morgen an nichts mehr erinnern, doch es war ein wirklich gelungener Abend geworden.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!