Triclinium | Hilfe, ich habe eine Familie!

  • Je weniger Bewohner die Villa Flavia beherbergte, desto seltener sahen sich jene beim abendlichen Essen. Längst hatte die Küche alltäglich sich auf einen längeren Zeitraum eingerichtet, während dessen das Abendmahl musste bereit sein, so dass der erste Flavier am späten Nachmittag ebenso wurde verköstigt wie der letzte in später Nacht. Ein wenig ungewöhnlich war daher die Ankündigung des derzeitigen Hausherrn, das Essen auf einen Zeitpunkt zu richten, nicht nur für ihn, sondern die gesamte Familie, und zudem eine Person mehr als am vorigen Tage. Die Gerüchte um die neue Flavia hatten sich längst durch das Haus verbreitet, obgleich niemand genau wusste, aus welchem Zweige sie stammte und ob sie länger würde bleiben. Der bullige Diomedes wollte am Tore erfahren haben, dass sie aus der Linie des Flavius Blasio aus Sicilia stammte, während die alte Nike in ihren Knochen hatte gelesen, dass das Kind - wie sie Celerina titulierte - ein untergeschobener Bankert des Aetius war, und Lydas wiederum wusste, dass er sie schon einmal in der Villa in Baiae hatte gesehen, sie womöglich darob gar keine Flavia, sondern eine Verwandte Agrippinas war, und Phoebus, welchem man ihren Namen hatte abgerungen, diesen nur falsch verstanden hatte. Von all dem Gerede und Gerate bekamen die Herrschaften indes selbst nichts mit, denn dies war ein anderes Leben, welches zwar im selben Hause, doch gleichsam unendlich weit fort stattfand. Der erste, welcher sich denn im Triclinium einfand, war Gracchus, welcher wie gewöhnlich auf dem locus consularis Platz nahm, denn solange kein Gast im Hause zu bewirten war, hatte man von dort aus den besten Überblick, obgleich mit der Familie kaum je alle Plätze um den Tisch herum waren gefüllt.

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  • Die nächste Person, welche den Raum betrat, war Antonia. Es war ein äußerst seltener Anblick, die Claudia in diesem Raum zu sehen, mied sie doch gemeinsame Essen und ‚fröhliches Beisammensein‘ der Familienmitglieder. Hauptsächlich aus dem Grund, dass sie nicht besonders viel aß.
    Doch heute war es anders. Anwesenheit erwünscht, hieß es weiter. Sie ließ sich zwar nur ungern etwas befehlen, doch musste es einen Grund geben für jene ‚Anordnung‘. Der geringe Hunger wurde so durch eine ungleich größere Neugier besiegt.
    Gehüllt in eine leuchtend rote Tunika, am Arm jenes glitzernde Armband, das sie bei ihrer Einkaufstour mit Aquilius ergattert hatte, kam sie nur zögerlich weiter ins Triclinium. Fremdes Terrain. Doch außer ihrem Gatten war niemand anwesend. Ihr Gatte. Seit jenem schicksalsträchtigen Gespräch war etwas anders. Sie hatte geglaubt, sie würde sich nun in seiner Gegenwart wohler fühlen, nun, da sie wusste, dass auch er nicht perfekt war. Doch im Grunde genommen fühlte sie sich nur noch befangener, wusste nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte.
    „Salve, Manius.“
    Eine plötzliche Muskelzuckung schob ihre Mundwinkel zu einem Lächeln empor. Es war wie immer. Sie wusste nicht was sie sagen, wie sie sich verhalten sollte, wenn er in der Nähe war. Inständig hoffte sie, dass dies nicht als Essen zu zweit geplant gewesen war – doch vorstellen konnte sie sich dies ohnehin kaum.

  • In flammendem Rot wie das Feuer der Leidenschaft, sinnliche Aphrodite in Person, erschien Antonia im Triclinium - so unsäglich erhaben, so unglaublich schön, dass es Gracchus schmerzte, sie an sich selbst verschwendet zu wissen, da keine Leidenschaft, kein Verlangen sich in ihm regte, einzig ein stilles Vergnügen, genährt durch die perfekte, harmonische Ästhetik ihrer Person, welche nichts feindseliges mehr an sich hatte, nichts zerstörendes - selbst der Klang ihrer Stimme durchschnitt nicht die Stille einer scharfen Klinge gleich, sondern trug sie in sanften Wogen aus dem Atrium hinaus.
    "Salve, Antonia."
    Gracchus erhob sich, um seine Gemahlin die Hand zu bieten, auf dass sie sich neben ihm auf die Kline würde legen - mehr der Berührung wagte er trotz allem nicht. Denn noch immer überschattete die allgegenwärtige Situation ihre Beziehung zueinander - nach dem Gespräch mit Aquilius hatte Gracchus bisherig keine Zeit und Gelegenheit gefunden, mit Antonia darob zu sprechen, und nun drängte dieser Abend sich zwischen sie, noch ehe er ihr hatte eröffnen können, dass ihrer Ehe letztlich kein Kind würde beschieden sein. Ungern nur wollte er dies zwischen Vor- und Nachspeise ihr eröffnen, so dass er kaum wagte, in ihre Augen zu blicken, denn trotz allem war er sich längstens nicht dessen sicher, dass sie auch in diesem Falle würde an seiner Seite bleiben. Ihr Wunsch war es gewesen, ihm trotz allem einen Nachkommen zu gebären, doch in dieser Sache ging längst es nicht mehr um ihn allein, gleichsam wusste er nicht, wie drängend in ihr selbst das Sehnen nach einem Kind war. Er konnte und würde ihr nicht verwehren, das Glück einer Familie an der Seite eines anderen Mannes zu suchen, so es sie danach würde verlangen.
    "Wie geht es dir?"
    fragte er, nachdem sie Platz genommen hatten, tatsächlich daran interessiert.

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  • Nach einem erholsamen Bad, bei dem mir der letzte Staub der langen Reise weggewischt worden war, dem Besuch der Bibliothek, bei dem ich auf meinen Bruder gestoßen war und der besonderen Hingabe meiner lieben Ylva, die mich in eine vorzeigbare Dame der Gesellschaft verwandelt hatte, begab ich mich zum Triclinium.
    Ich konnte es kaum erwarten, endlich den Rest der Familie kennenzulernen! Für den heutigen Abend hatte ich mir eine meiner neuesten Errungenschaften in Sachen Mode ausgesucht- eine violett-farbene Tunika aus feinster orientalischer Seide, die noch mit Goldfäden bestickt war. Der absolut letzte Schrei in Lutetia. Trotz der Ferne zu Rom, mußte man den Modeschaffenden der gallischen Metropole doch ein gewisses Quäntchen an Exklusivität und Sinn fürs Außergewöhnliche zubilligen.
    Natürlich hatte ich Ylva auch gewähren lassen, als es darum ging, mir eine passende Frisur zu kreiren. Um dem Haar einen gewissen Halt zu geben, versah sie die Frisur mit goldenen Haarnadeln, die außerdem noch mit Perlen versehen waren. Als passenden Schmuck wählte ich ein Perlencollier und die dazu gehörigen Perlenohrringe aus, welches mir mein Gemahl einst zu meinem Geburtstag schenkte.
    Ansonsten hatte ich ein dezentes Make-up gewählt. Um dem Duft des Rosenöls treu zu bleiben, mit dem man meinen Körper nach dem Bad eingeölt hatte, benutze ich als Parfum daher nur ein schlichtes Rosenwasser. Da ich ja nur in der Familie aufgenommen worden war, konnte ich mir gewiss sein, mir auch in Zukunft solche sündhaft teuren Dinge leisten zu können.
    Offenbar war ich nicht die Erste, die den Weg zum Tricilinium gefunden hatte. Ich hörte Stimmen von mindestens zwei Personen, ein Mann und eine Frau. Bei der Frau mußte es sich aller Wahrscheinlichkeit um Claudia Antonia handeln, die Gemahlin des Gracchus. Die männliche Stimme erkannte ich sofort. Gracchus selbst war als Gastgeber und Familienoberhaupt bereits zugegen.
    "Salvete! Oh, bin ich zu früh oder zu spät?" rief ich erfreut bei meinem eintreten und blieb vor der Dame neben Gracchus stehen. Daß es sich hierbei um Claudia Antonia handeln mußte, verstand sich von selbst.
    "Meine Liebe, du mußt Claudia Antonia sein. Nicht wahr? Mein Name ist Flavia Celerina. Ich freue mich sehr, dich endlich kennenzulernen."

  • "Einen wunderschönen guten Abend allerseits. Tante Antonia, Onkel Gracchus, junge Dame ..." Ich lächele alle Drei an und mache jeweils eine angedeutete Verbeugung.


    Gebadet und geölt, gewandet, gestriegelt und gespornt, komme ich herein. Zur Feier des Tages habe ich mir eine ganz leicht hellblaue Tunika mit goldenen Borten mit einer beige-weißen Tunika herausgesucht, helle und bequem-weiche Sandalen. Ein wenig Sandelholz-Moschus-Zitronen-Essenz an und unter die wichtigsten Körperstellen, ein wenig mehr Haarcreme, um nicht mit Laas verwechselt zu werden (wenigstens, wenn man auf den Kopf alleine schaut).


    Ein Abendessen im Kreise der Familie - was ist denn nun passiert? Welche Überraschungen hatte Onkel I für uns parat, sind wir bankrott, zur Zwangsarbeit auf tylusischen Galeeren verurteilt worden oder warum gelüstet es ihn nach Gesellschaft?


    "Wohin?" frage ich mit Blick auf die Klinen.

  • Noch ehe Antonia zu Wort kam - womöglich war dies ohnehin besser - trat bereits Celerina in den Raum, jene Flavia, ob deren Erscheinen Gracchus die Gelegenheit hatte genutzt, die Familie abendlich zusammenkommen zu lassen, obgleich durchaus auch andere Dinge anstanden, angesprochen zu werden. Da Celerina bereits selbst ihre Vorstellung übernahm, wäre er beinahe darum herum gekommen, folgte ihr nicht auf stehendem Fuße ihr Bruder Lucanus, welcher noch immer nichts von seinem geschwisterlichen Glück wusste - so nahm Gracchus an-, ein Umstand, welcher ihm ein schalkhaftes Blitzen in die Augen trieb.
    "Guten Abend, Lucanus."
    Da an diesem Abend keinen Förmlichkeiten musste genüge getan werden, wies Gracchus über die Klinen, welche je seitlich derjenigen standen, auf welcher Antonia und er ihren Platz fanden.
    "Wohin du möchtest, es wird sich nur die Familie einfinden."
    Womit eben die junge Dame bereits einsortiert war.
    "Lucanus, dies ist Flavia Celerina. Celerina, dies ist Cnaeus Lucanus, Sohn des Gaius Maximus."
    Die Katze aus dem Sack - in diesem Falle die Schwester - wollte er erst dann lassen, wenn auch Aquilius sich hatte eingefunden, welcher vermutlich ohnehin würde zu spät kommen, da er seine Aufgaben als Vigintivir stets mit größter Sorgfalt erledigte und darob oft bis in den Abend hinein beschäftigt war. Zumindest Celerina indes wusste bereits jetzt, wer wie einzuordnen war - dass sie dies ohnehin bereits wusste, davon ahnte er nichts, und bedachte die junge Frau mit aufmerksamen Blick ob ihrer Regung in Hinsicht auf ihren Bruder.

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  • Lucanus war unmittelbar nach mir eingetroffen. Er hatte sich seit unserem ersten Zusammentreffen doch sehr zu seinem Vorteil verändert. Auch er hatte, ähnlich wie ich, eine Metamorphose hinsichtlich seines äußeren Erscheinungsbildes durchgemacht.
    Onkel Gracchus stellte uns einander vor. Natürlich! Woher hätte er auch erahnen sollen, daß wir uns bereits begegnet waren und geklärt hatten, in welcher Beziehung wir zueinander standen. Doch wollte ich ihm den Spaß nicht verderben, war mir doch das aufblitzen in seinen Augen aufgefallen. So zwinkerte ich Lucanus unauffällig zu, damit auch er sich dem Spiel der Unwissenheit hingeben mochte.
    "Cnaeus Lucanus, Sohn des Gaius Maximus! Ich bin sehr erfreut, dich endlich kennenzulernen!" entgegnete ich lächelnd. Dann nahm ich auf einer der mir und meinem Bruder zugewiesenen Klinen Platz. Wunderbar, dachte ich bei mir. Nun waren wir ja fast vollzählig. Aber nein! Hatte Gracchus nicht noch einen anderen Bewohner erwähnt? Ja richtig, Aquilius! Auch ein Onkel! Auch ein Familienmitglied des hispanischen Zweiges, so wie ich es in der Biliothek unserem Stammbaum bereits entnehmen konnte.

  • Eine gekonnte (?) Verbeugung zu meiner Schwester hin: "Gleich Dir durchströmt mich die Freude, Dich hier und heute Abend zu sehen", wenn man es vermeiden kann, soll man nicht lügen. Kennengelernt habe ich sie ja schon, aber "sehen", das stimmt ja wohl.


    Mit einem leicht sophistischen Lächeln, das auch die Vorfreude auf die zu erwartenden Gamenfreuden interpretiert werden kann, gehe ich zum lectus imus, meiner bevorzugten Kline. Eine kleine akrobatische Einlage, es ist immer etwas gewagt, auf die goßen Betten zu krabbeln und dabei einigermaßen elegant auszusehen, und ich mache es mir mit einigen Polstern bequem und kuschele mich wohlig zurecht.

  • Derweil die Herrschaften ihre Plätze um den Tisch herum einnahmen, traten bereits Sklaven heran, kredenzten Wein, Wasser und Saft - seit Lucanus' Einzug in die Villa war der Verbrauch dessen rapide angestiegen, nachdem er mit Serenus' Abreise vorerst beinah gegen Null gesunken war -, und legten die Gedecke auf. Mit ihnen, doch gleichsam in einer völlig anderen Spähre, näherte sich ebenso Sciurus, Gracchus' Leibsklave, Agenda, Betthupferl und mehr. "Herr, ein Bote deines Vetters Aquilius erreichte soeben die Villa, mit einer Nachricht eben jenes. Die Amtspflicht hält den Herrn in der Stadt und er wird sich ein wenig verspäten, weshalb die cena bereits ohne ihn beginnen soll."
    Für einen Augenblick war ernstliches Bedauern auf Gracchus' Antlitz zu sehen, denn Aquilius war stets sein Bollwerk gegen jede Widrigkeit, vor allem gegen die Widrigkeit seiner Gemahlin, von deren Existenz er sich noch immer nicht ganz hatte lösen wollen, solange er nicht wieder mit Antonia hatte gesprochen.
    "Ach, wie überaus deplorabel. Doch der Amtspflicht bleibt wenig uns entgegen zu setzen."
    Ein Gutes immerhin hatte dies, denn so würde es doppelte Überraschung bescheren und damit gleichsam doppelte Freude.
    "So lasse das Mahl beginnen."
    Der Sklave entfernte sich leisen Schrittes, Gracchus wandte der Familie seine Aufmerksamkeit wieder zu und wartete kurz, bis alle sich einigermaßen bequem platziert hatten.
    "Ihr wisst, wie verworren bisweilen die Zweige unserer Familie sich gestalten ..."
    Im Grunde war es für die Anwesenden nur graue Theorie, denn der einzige, welcher die Verwirrungen der Familie seit langem stets hatte erlebt, war Gracchus selbst, doch wie so oft vergaß er darauf, dass nicht allen Menschen der gleiche Blickwinkel auf die Welt gegeben war.
    ... und oftmals gereichte uns dies nicht eben zum Vorteil, doch manches Mal birgt dies ebenso freudige Überraschungen. Heute ist ein Tag, welcher uns letzteres einbringt."
    Zwei Sklaven traten heran und stellten eine Platte mit hart gekochten Eiern, welche mit einer Kräuter-Pinienkernhaube überzogen waren, und eine Platte mit diversen Früchten des Meeres - rohe Austern, überbackene Klammermuscheln, Krebsbeine und Calamare in Ringen -, samt einer Auswahl diverser Tunken, auf dem Tisch ab, währenddessen Gracchus sich mühevoll zu einer Pause zwang, um die Spannung zu steigern, welche vermutlich für niemanden schwerer zu ertragen war denn ihn selbst.
    "Celerina ist solch eine freudige Überraschung, denn sie ist die Tochter des Gaius Maximus."
    Wie ein Kind vor den Saturnalia freute sich Gracchus, obgleich wenig davon nach Außen drang, während er auf die Reaktion Lucanus' wartete, diesen nicht aus den Augen ließ. Zu gut wusste er selbst, wie es war, sich einem bis dato unbekannten Geschwister gegenüber zu stehen, obgleich es noch ein wenig merkwürdiger mochte sein, seinem erschreckend similären Abbild gegenüber zu stehen, und er hätte viel darum gegeben, sein eigenes Gesicht in jener Situation gesehen zu haben, obgleich das Mienenspiel seines Bruders durchaus eine Entschädigung für die Unmöglichkeit dessen gewesen war.

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  • "Zweidrittel Birne, ein Drittel Wasser, bitte" ordere ich beim Mundschenk. Onkel Aquilius drückt sich, oder hat er, jetzt, da die Amtszeit zu Ende geht, den Stapel an Wachstafeln und Papyri bemerkt, der sich mirum in modum auf seinem Schreibtisch stapelt. Ein wenig bekomme ich ein schlechtes Gewissen, als sein scriba sollte ich ihm in diesen letzten schweren Stunden Beistand leisten. Ich ertränke meine Schuldgefühle in einem kräftigen Schluck erfrischenden Naßes.


    Um meinen Magen ein wenig zu triezen, schlürfe ich erst ein halbes Dutzend Austern, hat der Kerl doch unruhig und gierig gegrummelt, als die Vorspeisen hereingetragen wurden. Nur gemach, Alter, die Sättigung wollen wir noch etwas hinauszögern.


    Mit Freude nehme ich die überbackenen Muscheln wahr, ein kleiner Gruß aus meiner Heimat, interessante Panade, die da goldbraun meine Mund- und Magensäfte fließen läßt. "Wirklich, eine freudige Überraschung, Onkel Gracchus", meine ich mit einer Kopfbewegung zu den Muscheln und den Austern. Die Tintenfischringe übersehe ich bewußt. Zähes Zeug.


    Tochter des Gaius Maximus? Ach? "Gaius Celerinus Maximus? In der Tat?" meine ich leichthin, ich befürchte, meinem Onkel den Spaß zu verderben, würde ich einfach 'Jaja, ich weiß' antworten. Jugend, herzlos dem Alter gegenüber. Mein leichtes Lächeln verstecke ich hinter meiner Serviette.

  • Hocherfreut blickte ich den Speisen entgegen, die man kredenzte. Die Speisenauswahl ließ mich erfreulicherweise stark an meine hispanische Heimat erinnern. Wie sehr hatte ich doch die Früchte des Meeres vermißt, als ich noch in Lutetia weilte! Mein Gemahl konnte derlei Delikatessen nichts abgewinnen.
    "Oh welch deliziöse Gaumenfreuden auf uns warten!" rief ich erfreut. "Für mich bitte Wein!" Meinem abstinenten Bruder, der es offiziell noch gar nicht war und der neben mir Platz genommen hatte, zwinkerte ich zu. Sogleich kam auch schon ein Sklave, der mir einen Becher mit dem gewünschten Getränk reichte.
    Als Gracchus nun begann, von Überraschungen zu sprechen, wandte ich mich wieder aufmerksam zu ihm, und kräuselte amüsiert die Lippe. Als er schließlich auch noch den Namen meines Vaters nannte, bebte ich innerlich und fragte mich noch im gleichen Augenblick, was Lucanus nun tun würde? Meine Anspannung wuchs ins unermessliche. Als schließlich die prompte Antwort meines Bruders kam, hätte ich beinahe laut loslachen müssen. Nur meine gute Erziehung hielt mich davon ab! Gaius Celerinus Maximus! Wirklich köstlich! :D

  • "Aber nein, nicht Celerinus."
    Unerträglich war die Spannung, beinah mit einem der auf dem Tisch liegenden Messern zu durchschneiden, doch zwang sich Gracchus zur Ruhe und lud sich zwei Eihälften auf den Teller. Muscheln konnten ihn nicht locken, doch er wusste um diese Vorliebe vieler Flavier, und auch Lucanus schien hierbei keine Ausnahme zu sein. Gracchus selbst widmete sich mit größter Entzückung eher absonderlichen Kombinationen, darum er die Pinienkernhaube von den Eiern abkratzte, reihum die Löffel aus den kleinen Schälchen mit Tunke hob und vor seine Nase hielt, deren Flügel im Hauche des Odeurs leicht bebten. Honig-Kümmel - eine Spur von Violett in einem Meer aus Rot-, Melone-Anis - grasfarbene Schlieren in dunkelgrünfarbenem Sumpf-, Haselnuss-Senf - ockernfarbener Grundton überlagert von sattem Gelb-, und - Gracchus zögerte, während seine Augen marginal sich weiteten und seine Nasenflügel im neuerlichen Luftzug der Geruchsschwingung erzitterten. Ein leicht öliger Grundton, im Blau des Meeres, allfällig Olive, darüber der feine Klang von ... ja von was? Kirsche? Traube? Pflaume? Verwirrt tippte Gracchus seinen kleinen Finger in die zähe Masse auf der Laffe des Löffels und kostete davon. Kaskadierendes Rosé inmitten eines tief dunkelblaufarbenen Warmwasserstromes vor der Küste Achaias, von einer fedrigen, flaumigen Konsistenz. Genüsslich leckte Gracchus sich mit der Zungenspitze über die Lippen und kleckste einen kleinen Berg der Tunke je auf die Eihälften. Welch überaus delektabler Abend. In feierlichem Ernst genoss Gracchus so auch seine nächsten Worte.
    "Gaius Flavius Maximus natürlich, dein Vater, Lucanus."
    Wäre dies ein Komödienstück des Plautus, ein Raunen müsste nun durch die Zuschauermenge gleiten, doch da dies einzig ein ganz privates flavisches Mahl war, störte nichts dergleichen den Moment der - vermuteten - Überraschung, so dass nurmehr die leise Kulisse aus Besteck- und Geschirrklappern und dem Schaben der Sklavenfüße über den Boden blieb.

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  • 'Stellt dem Mann mal jemand die Tunken außerhalb seiner Reichweite' hätte ich beinahe vor mich hingemurmelt. 'Das Auge ißt mit', heißt es - was Onkel Gracchus da veranstaltet, der spielt ja richtig mit dem Essen, als seien's Farben, mit denen er seine Palette bestückt. Ist das seine heimliche, seine verbotene Neigung? Mit Tunken malen? Tunnels in den Puls bohren, Bratensaft wie Gebirgsbäche sturzflutartig darübergießen? Kleine Schiffchen aus Muscheln mit Garnelenbesatzung bestücken und auf einer Schüssel Klarer Bouillon in See stechen zu lassen, auf zu neuen Rindfleisch-Ufern?


    Wenn es einen Beweis unserer Verwandtschaft gibt, dann diesen. Ganze Geographien habe ich auf meinen heimischen Zinntellern wie der Große Demiurg entworfen, realisiert und dann im Kampf der Titanen zerstört und verschlungen.


    "Man treibt nicht mit Entsetzen Scherz, Onkel Gracchus." Ein leichter Tadel und eine Prise Entrüstung liegt in meiner Stimme. "Was soll Flavia Celerina nur von Dir denken? Dann wäre ich ja ihr Halbbruder, und das ist" ich wende mich über die Schulter an meine Schwester "nun wirklich nicht witzig - für sie." Ich stürze - 1-2-3-haste-nicht-gesehen: drei Austern hinunter, bevor ich zu den überbackenen Pilgermuscheln übergehen möchte.

  • Ein wenig noch rückte Gracchus die Berge auf den Eiern zurecht, zog einen schmalen Gebirgspass mit dem Messer darüber, bevor er sie in der Mitte teilte und die erste Hälfte der Hälfte - ein Viertel darob, um genau zu sein - in seinem Munde verschwinden ließ, der gustatorischen Pläsier sich hingab. Exquisit zeigte sich die Kombination als das türkisfarbene Eierboot mit dem roséfarbenen, flaumigen Segel auf dem dunkelblaufarbenen Meerestrom an seinem Gaumen vorbei segelte, ihn zärtlich liebkoste und nach dem Sturz in die Tiefe seiner Kehle einen samtigen Nachgeschmack auf der Zunge verbleiben ließ. Der Tadel seines Neffen indes blieb nicht folgenlos, schon bahnte eine Rechtfertigung in seinen Sinnen sich den Weg, eine Exkulpierung gleichermaßen, ehedem er sich dessen bewusst wurde, dass Lucanus' Entrüstung völlig unbotmäßig war, da kein Scherz im Raume schwang.
    "Familiäre Angelegenheiten gereichen mir niemals zu Scherzen, Lucanus."
    Ohnehin überkam Gracchus selten der Drang, einen Scherz zu äußern, auch anderer Angelegenheit nicht.
    "Es ist dies eine Tatsache und Celerina weiß darum. Desweiteren ist sie nicht deine Halbschwester, sondern ebenso Tochter deiner Mutter."
    Allmählich löste sich die heimliche Pläsier ob der Überraschung und Gracchus begann vielmehr sich ob dessen zu sorgen, was eine solche Erkenntnis in Lucanus mochte auslösen. Seine eigenen Eltern waren der Täuschung erlegen gewesen, ihren Sohn Quintus verloren zu haben, doch Gracchus wusste, dass er ihnen in anderem Falle hätte gezürnt, dass er selbst in diesem Falle ihnen ein wenig ob dessen zürnte, da sie seinen Zwilling allzu bald hatten aufgegeben. Celerina mochte die Phase des Haders, allfällig des Zornes bereits durchschritten haben, doch Lucanus mit solcherlei Tatsache beim Essen zu konfrontieren, zeugte nicht eben von wohl überlegter Sensibilität. Viel zu oft ertappte sich Gracchus letztzeitig dabei, solcherlei Entscheidungen allzu hastig zu treffen, sich der wohlbedachten Reflexion zu berauben, welche ob dessen wäre angebracht. Während die glibberigen Austern Lucanus' Kehle hinab rauschten, begann Gracchus seine Kiefer aufeinander zu pressen und den stets in solcherlei Augenblicken der Reue aufbrandenden Fluchtreflex zu unterdrücken.

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  • 'Hoffentlich hat Attalus die dunkelblaue Sauce mit Galltinte angemacht!' Mit leicht zitternden Händen - mach' einer das mal, wenn einem pumperlwarm ist an man sich wohlig eingekuschelt hat - greife ich nach einer weiteren Auster und einer halben Pomeranze, deren Saft ich mit der anderen Hand auspresse und darüberträufele.


    'Mist!', jetzt ist mir etwas Saft ins rechte Auge gespritzt, gut gezielt, Luca! Ich kann nichts sehen, weil ich natürlich reflexartig beide Augen geschlossen habe. "Bei allem Respekt, Onkel Gracchus - eine solche Eröffnung machst Du mir zwischen hartgekochten Eiern, frischen Austern und Pilgermuscheln?" Vor dem Hauptgang? Also auf nüchternen Magen? Ich kann mir vorstellen, wie Onkel Gracchus mir mein Todesurteil überbringen wird, so ich jemands in den Genuß dieser zweifelhaften Aufmerksamkeit komme: am Ende eines Gesprächs über irgendetwas Banales, während Onkel Gracchus den letzten Schluck eines Erfrischungsgetränkes hinuntergießt sagt er, schon halb am Gehen: "Ach, übrigens, Lucanus, der Kaiser hat Dich ad bestias verurteilt. Nein, das ist schon per edictum verkündet, derartig deplorable Angelegenheiten gereichen mir niemals zu Scherzen, Lucanus."


    Eigentlich sollte ich nicht wütend werden - warum denn? - aber langsam kriege ich doch eine Mordswutm würde am liebsten mit gekochten Eiern nach ihm werfen.

  • Allmählich versteifte sich Gracchus' Körper, die legere Haltung des Abends verflüchtigte sich und wieder baute eine Spannung sich auf, eine fest gezurrte, strapazierte Lyrasaite, welche bei feinster Berührung würde bersten und ihre beiden Enden schnalzend durch die Luft fahren lassen. Es war keine sonderlich gute Idee, ihn dieser Tage zu reizen, denn noch immer lastete die Konstellation seiner Ehe schwer auf Gracchus' Gemüt, so dass der flavische furor beständig in ihm auf und ab schwankte, und er all zu leicht nur dem Vermächtnis seiner Ahnen verfiel.
    "Wie hättest du sie sonst erwartet?"
    zwängte Gracchus zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor, entschloss sich doch dann, sie auseinander zu bringen für die nachfolgenden Worte.
    "Sie wird dir auf dem Silbertablett serviert, ist dies nicht genug für deinen zarten Gaumen? Du bist erwachsen, Lucanus, ein Flavier dazu. Du solltest lernen, dass sich unvorhersehbare Ereignisse nicht mit den Fanfaren eines Triumphzuges ankündigen und darauf warten, bis du auf deinem mit weichen Kissen gesäumten Throne sie in Empfang nimmst. Dies ist Rom. Unvorstellbares und Unerwartetes ereignet sich beständig, ob auf dem Forum, in einer schäbigen Insula der Subura, zwischen den Ufern des Tibers oder aber in deinem eigenen Heim. Gewöhne dich daran, bevor es Dispater ist, welcher dir von hinten auf die Schulter klopft."
    Der Teller vor ihm wanderte ein Stück zur Mitte des Tisches hin, obgleich noch immer drei sorgsam arrangierte halbe Eihälften auf ihre Vernichtung warteten, doch Gracchus griff nach dem Becher mit verdünntem Wein, ein Caecuber, an der Küste Latiums angebaut, und nahm einen kräftigen Schluck.

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  • "Genau das! Auf einem Silbertablett! Fehlt nur noch der Apfel in ihrem Mund und die Petersilie, die aus den Ohren hängt! Zum Kuckuck!" aus dem Handgelenkt werfe ich die leere Auster auf in die Silberschale mit zerstoßenem Eis und die halbe Omperanze hinterher.


    "Ich weiß, wie es ist, über alles geliebte Menschen zu verlieren, langsam und schleichend, wie ein Totenzug, der über den Horizont schleicht. Es ist als würde ein geflügelter Dämon kommen und einen auf einen wüste und leere Insel verschleppen, wo es weder Tag noch Nacht ist, wo einem die Einsamkeit den Atem raubt und man den Verstand zu verlieren meint!" Mein Zorn türmt sich auf wie Wolken am Horizont, wenn die Götter die Ernte zu verderben drohen. Stehend würde ich toben wie der Sturm, in dieser liegenden Position kann ich nur Blicke schleudern.


    "Und nein, es ist kein unvorhersehbares Ereignis: Du wußtest es ja schon und hast Dich keinen Deut um mich oder meine Schwester geschert, sondern uns so beiläufig vorgestellt wie man einen nächsten Gang bei der cena ankündigt. Ich dachte immer, Du seist sensibel, feinfühlig, verstündest mich ein kleinwenig." Jetzt fühle ich mich wirklich wieder einsam. Scheißthron, von Kissen gesäumt. Am liebsten würde ich wieder meine Tunika anziehen, mit der ich angekommen bin und dann weglaufen. Über Massilia zurück nach Hispanien. Fischen. Pedro. Mutter. Meer. Mehr Meer. Freiheit. Glück. Geborgenheit. Ich will heim nach Flaviobriga.


    Langsam quäle ich mich aus den Kissen, von der Kline. "Entschuldige, Onkel Gracchus, es ist nicht mein Wunsch, Dich zu verärgern oder zu beleidigen.- Ich habe meine Schwester schon heute Nachmittag zufällig kennengelernt. Unvorstellbar und unerwartet, nicht in einer schäbigen Insula der Subura, nicht zwischen den Ufern des Tibers, sondern dort, was ich mich bemühe, als mein Heim anzusehen. Hier, in der Bibliothek der villa Flavia." Ich schlüpfe in meine leichten Ledersandalen. "Vielleicht sollte ich besser gehen. Es tut mir leid. Onkel Gracchus, Tante Antonia ... Schwester ..."

  • Kalt und schneidend fuhr die Luft durch Gracchus' Kopf, als er um Contenance bemüht sie scharf durch seine Nase einsog. Obgleich es die Familie war, welche stets ihm an erster Stelle stand, so verstand er sich selbst doch augenscheinlich bestens darauf, jener vor den Kopf zu stoßen. Lucullus schwieg sich aus, doch schwang immer leiser Vorwurf gegenüber seinem Bruder in seiner Stimme mit, Minervina dagegen brauste in flavischem Temperament auf und bekundete ihren Unmut ob seiner familiären Vorstellungen ganz offen, und Serenus - Serenus hatte ähnliche Vorhaltungen ihm entgegen gebracht wie Lucanus nun. Sensibel, feinfühlig - er mochte dies sein, unbezweifelt, doch nur in sich selbst, tief in sich verborgen, denn dies waren Eigenschaften welche ein Philosoph oder ein Künstler zur Schau konnte stellen, einem Patrizier jedoch, einem Flavier stand solcherlei nicht gut zu Gesicht, von welchem stets Strenge, Härte und Durchsetzungsvermögen wurde verlangt. Allfällig war dies der Grund, dass die Götter ihm die eigene Familie verwehrten, denn so er nicht einmal für jene konnte Sorge tragen, welche außerhalb seiner direkten Verantwortung standen, wie sollte er dies für seine Nachkommen? Gleich Lucanus wollte Gracchus sich erheben, die Flucht antreten, doch er blieb wo er war, denn es war an ihm, diese Familie zusammen zu halten, noch immer und immer noch. Er sehnte sich nach Caius, dessen Ausgewogenheit und Ruhe, welche stets dazu gereichte, die Welt um ihn herum, seine Welt in Harmonie zu halten. Mühsam unterdrückte Gracchus ein Seufzen.
    "Setze dich wieder, Lucanus. Bitte."
    Kein Widerwort duldete seine Stimme, keine Flucht, obgleich die Härte daraus verbannt war. Viel zu genau verstand er Lucanus, kannte er den Schmerz ob des Todes eines geliebten Menschen, kannte er die Wirrungen des Lebens. Dass sein Neffe eben dies nun in den Raum warf, verriet deutlich, wie sehr der Tod seiner Mutter noch immer ihm nach hing.
    "Der Verlust ist es, von welchem wir uns stets wünschen, dass er allmählich erst in unsere Sinne dringt, da der Mensch dazu neigt, zu glauben, mit einem Stück Verlust besser zurande zu kommen denn mit dem ganzen. Glaube nicht, dass ich darob nicht wüsste, Lucanus, denn ich habe fortwährend stets ihn mit einem kräftigen Schlage ins Gesicht erhalten. Doch das Auftauchen einer Schwester ist kein Verlust. Es ist dies eine freudige Überraschung, ein Ereignis, welches in dem Augenblicke, da es sich in deinem Leben materialisiert, zu feiern gilt. Sie ist deine Familie, Lucanus, deine engste Familie, das Wertvollste, was in deinem Leben derzeit existiert, und es ist dein Recht, sie ab dem ersten Augenblicke ihres Erscheinens zu schätzen. Vor allem Gedanken an Verlust, vor jedem Zweifel, welcher dir ob dessen an deiner bisherigen Existenz erwachsen mag, vor all dem steht diese deine Familie, und weder kann dich irgendetwas auf dies vorbereiten, noch ist dies notwendig."
    Langsam lehnte Gracchus sich zurück.
    "Vor allem dann nicht, wenn dies ohnehin nur Farce ist, wenn jener marginale Augenblick des sorglosen Glückes längst vergangen ist."
    Was blieb hernach? Gracchus hatte keine Antwort darauf, denn das Schicksal hatte ihm seine neu gewonnene Familie ebenso schnell geraubt, wie sie ihm gegeben worden war. Er hatte alles gegeben und er hatte alles genommen, geblieben war nur der Verlust, nicht nur seines Bruders, auch der seiner Base.

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    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ich rutsche wieder auf die Kline, lasse meine Füße baumeln, erst eine Sandale, dann die zweite gleitet zu Boden.


    "Eine große und völlig unerwartete Überraschung ist immer ein choque, gleich, ob diese Überraschung eine glückliche oder eine unglückliche ist. Das Schicksal schlägt einen immer mit Macht. Ziehen wir auch die glücklichen Überraschungen den unheilvollen vor, werden wir doch von beiden gleichermaßen getroffen. Und, Onkel, es ist ein Unterschied, ob Du einen zehn Pfund schweren Stein in ein Wasserbecken schleuderst, oder ob Du ihn sachte hineingleiten läßt, wenn auch das Ergebnis: der Stein befindet sich im Bassin, im Endeffekt dasselbe ist." Alle Umstehenden sind nämlich patscherlnaß oder nicht.


    Weil ich schon so günstig an der Kante sitze, greife ich zu einer Pilgermuschel und einem kleinen Silberlöffel. Ich schaue zu Flavia Celerina: "Auch für meine Schwester ist dieses freudige Ereignis, der flavischen Familie anzugehören sicherlich freudig und verwirrend-schmerzlich zugleich. Odi et amo sagt der Dichter Catull über die Liebe, aber auch Freude und Schmerz liegen nahe beieinander, meine Geschichte ist nun auch eine andere als ich dachte. Und es schmerzt mich auch, daß meine Mutter ihre Tochter nicht in die Arme schließen und wir als Familie glücklich sein können. Ob Onkel Gracchus mich versteht? Er wirkt immer so zart und durchscheinend, wie Alabaster, nicht wie grobe Tonware. Von meinem Vater wohl hätte ich mir, immerhin ist er Soldat, eben dieses mangelnde Feingefühl erwartet, was er ja auch hinsichtlich seiner Tochter wohl nicht hatte.

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